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2632 hergestellt ist. DaS Revalsche Manngericht hat im Magistratsgebäude in Narwa seine Sitzungen zu einer formellen Untersuchung begonnen. — Nach den bei dem Medieinal - Departement im Laufe der Woche vom 22. bis zum 29. September aus den Gouvernements em- gezangenen osfieiellen Nachrichten herischte die Cholera immer noch bedeutend. Im Ganzen befinden sich 8614 Cholerakranke in Behandlung. Odessa, 2. Octbr. (Pr.) Die englische Regierung beauftragte den General Edey und Oberst Gordon, bei Sebastopol einen geeigneten Ort für Errichtung eines Nationaldenkmals für die im Krim- kriege gefallenen K rieger auszumitteln. Die Denkmalkosten dürften eine Million Gulden betragen. (Die Richtigkeit der Nachricht dahin gestellt lassend, wäre eS jedenfalls ein eigenes Geschick für die in jenen Kämpfen Gefallenen, das Denkmal zu einer Zeit errichtet zu sehen wo die wesentlichsten der so theuer erkauften Ergebnisse deS KrimkriegeS theils vertragsmäßig, theils durch die neuen internationalen Verhält nisse als fast vollständig beseitigt anzusehen sind und das neue Dönk- mal sich jedenfalls wieder im Angesicht der Orlogflogge der russischen Kriegsmarine befinden würde.). Gerichtsverhandlung. Bautzen, 4. Octbr. Die heute unter Vorsitz deS Hrn. Bezirks- gerichtsdirector Gareis und unter Mitwirkung von Gerichtsschöffen abgehaltene Hauptverhandlung hatte die wider Weber Ernst August Rößler aus Obersohland wegen Störung des öffentlichen Friedens und Beleidigung geführte Untersuchung zum Gegen stände. Rößler, 39 Jahre alt, verhrirathet, wegen Excesses mit Gr- fängniß bestraft, war angeklagt, daß er 1) am 2. October 1871 in der Augustin'schen Schankwirthschaft zu Sohland, woselbst er in fort gesetzter Weise die Ruhe gestört, vor einer größeren Anzahl von Menschen zu Augustin, der seine Arretur beantragt gehabt, geäußert: „Du dummer Junge, Du willst mich arretiren lassen, da soll auch Deine Schänke in aller Kürze zum Teufel gehen, daß Du Dich wundern sollst"; 2) am 5. Mai d. J8. in der Hantsch'schm Schänke zu Sohland vor einer Mehrzahl von Gästen die Reußerung gethan: „daß nun der Fabrikant R— der Erste sein werte, der Bankerott machen würde, woraus er diesem den rothm Haha auf die Scheune setzen werde", hiernach aber in beiden Fällen durch Androhung von Brandstiftung, welche bei dcn Betreffen den wirklich Besorgniß hervorgerufen, den öffentlichen Frieden gestört, bei der ersten Gelegenheit und am Himmelfahrtstage d. Js. auch den Vor stand des königl. Gerichtsamtes SchirgiSwalte, den Ortsrichter von Mittelsohland und den Schankwirth Augustin zu Niedersohland durch öffentlich gethane Aeußerungen beleidigt habe. Rößler behauptete auch heute, wie in der Voruntersuchung, daß er von dem ihm Beigemesseuen etwas nicht wisse und daß, wenn so etwas vorgekomrmn, er sehr bc- trunken gewesen sein müsse. Die neun abgehörten Zeugen bestätigten jedoch in allen Punkten die Anklage, und auch, daß Rößler bei jenen Vorgängen nur etwas angetrunken, keinesfalls aber ohne Besinnung gewesen sei. Die kgl. Staatsanwaltschaft hielt die von ihr erhobene Anklage aufrecht, verwandte sich jedoch in Anbetracht deS angetrunkenen Zustandes des Angeklagten bei den gedachten Gelegenheiten für milde Strafe. Einen Vertheidiger hatte sich Rößler nicht gewählt. Das Schöffengericht erachtete demnächst Letzteren der Störung des öffent lichen Friedens und der Beleidigung in den angegebenen Fällen für schuldig und das Richtercollegium verurthcilte ihn, i- der Ei Wägung, daß einerseits Rößler bei Ausstoßung der Drohungen und Beleidigungen angetrunken gewesen, andererseits die Drohungen, welche die betreffenden Reitz und Augustin nach deren Aussagen Wilk- sich in Besorgniß versetzt hatten, um so schwerer erschienen, al« sie auf Brandstiftung zielten, und durch deren Oeffentlichkeit namentlich eire ländliche Bevölkerung leicht in Aufregung zu versetzen war, zumal die Gebäude Reitz'S und Augustin's zum Theil selbst nur mit Stroh- dachung versehen sind, in deren unmittelbarer Nähr sich aber auch andere strohbedeckte Häuser befinden, sowie in der weiteren Berück sichtigung, daß die Beleidigungen öffentlich und gegen Personen, denen der Angeklagte Achtung schuldig war, auSgestoßen worden waren, — nach §8 126, 185, 74, 200 deS Reichsstrafgesetzbuches zu einer Gt- fängnißstrafe von vier Monaten und zu Tragung der Kosten. Den Privatanklägern wurde Veröffentlichung der Verurtheilung Rößler s gestattet. vermischte». — Da- Preisgericht über die Concurrenzentwürfe für ein Nationaldenkmal auf dem Niederwald ist, nachdem einige seiner Mitglieder Behufs der Auswahl des geeignetsten Standortes für das zu errichtende Denkmal den Niederwald besucht hatten, in Berlin zu- sammcngetreten und hat nach mehrtägiger eingehender Prüfung und Be- rathung zu einem Schiedssprüche einstimmig sich vereinigt. Sieben Projecte wurden für die engere Concurrenz ausgewählt, und zwar: Nr. 1 mit dem Motto: „Concordia", Nr. 4 mit dem Motto: „Aquila", Nr. 5 mit dem Motto: „Otto", Nr. 7 mit dem Motto: „Für das heilige Deutsche Reich", Nr. 13 mit dem Motto: „Dem deutschen Volke sei's gebracht", Nr. 27 mit dem Motto: „Im Kriege stark, im Frieden groß", Nr. 29 mit dem Motto: „Ein einig Deutsch land groß und frei". Nach weiterer genauer Vergleichung dieser 7 Projecte wurden die drei nachfolgenden als die besten anerkannt, und zwar: Nr. 7, 13 und 27 (ogl. Nr. 228 d. Bl). Die Reihenfolge unter diesen dreien in Bezug auf den künstlerischen Werth wurde von der Jury einstimmig in der Art festgestellt, daß Nr. 7 (für den Leingipfel) den ersten Rang einnehme, Nr. 27 den zweiten, Nr. 13 den dritten.' Indem die Jury hiermit vom rein künstlerischen Standpunkte aus die relativ besten Entwürfe be zeichnet hat, sah sich dieselbe dennoch zu der Erklärung veranlaßt, daß sie nicht in der Lage sei, einen dieser Entwürfe zur Ausführung zu empfehlen. Trotz der unleugbaren künstlerischen Vorzüge, welche diese Entwürfe auS- zeichnen, genüge keiner vollständig der vorliegenden Aufgabe, und außerdem würden die cvent. Kosten eines jeden derselben die präliminirte Bausumme mehrfach übersteigen. Die etwa vorzunehmenden Reductionen dieser Ent würfe, um auch nur annähernd die ausgesetzte Summe cinzuhaltcn, müßten so einschneidender Art sein, daß wenig von dem ersten Entwurf übrig bleiben würde, und ein ganz neuer Entwurf entstände. Da somit auch in den drei Entwürfen, welche als die relativ besten anerkannt wurden, eine Cardinalbcdingung des Programms, dahin gehend, daß die präliminirte Kostensumme nicht überschritten werde, nicht annähernd cingehalten sei, so trete demnach den Bestimmungen des Programmes gemäß die Berechtigung ein, gar keinen Preis zu ertheilen. Die Jury müsse es jedoch dem Er messen des Comitös anhcimstellen, in wiefern von dieser Bestimmung des Programms im Interesse der Kunst Abstand zu nehmen sei. — In Folge dieses Schiedsspruches wurden Ehrenpreise von 1500 Thlr., 1000 Thlr. und 500 Thlr. zuerkannt. Die Verfasser der prämiirten Entwürfe sind, wie sich nach Eröffnung der mit den Mottos versehenen Couverts ergeben hat: von Nr. 7 Architekt A. Eggert zu Berlin, von Nr. 27 Professor Johannes Schilling zu Dresden und von Nr. 13 Architekt A. Pieper in Dresden. — Halle, 3. Oct. (Vom Kirchentage.) In der gestrigen Ver sammlung wurden folgende vom Professor vr. Baur aus Leipzig aus gestellte Thesen vorgctragen: 1. Durch die Gründung des Deutschen Reiches ist auch eine Neugestaltung der evangelischen Kirche innerhalb derselben nothwendig geworden. II. Diese Neugestaltung hat sich vorzugsweise zu beziehen 1) auf die Loslösung der Kirche aus ihrer bisherigen, die freie Entfaltung und selbstständige Organisation ihres eigenthümlichen Lebens hemmenden Abhängigkeit von dem paritätisch gewordenen Staate, sowie auf die Herstellung dieser selbstständigen Organisation und 2) aus die Herstellung der bisher fehlenden lebendigen Wechselbeziehung und engeren Verbindung zwischen den evangelischen Landeskirchen Deutschlands. III. Die Loslösung der Kirche von der ihr eigenthümliches Leben hemmenden Abhängigkeit von dem Staate ist nicht in dem Sinne einer absoluten Trennung der Kirche von dem Staate zu verstehen. Vielmehr sind Beide berufen, in organischer Ver bindung und wechselseitiger Unterstützung und Ergänzung, ein jedes auf dem ihm eigenthümlichen Lebensgebiete, das Wohl des Volkes zu befördern. IV. Ab gesehen von den Hoheitsrechteu, welche der staatlichen Obrigkeit als solcher auch über die Kirche zustehen und mit welchen die Pflicht des Staates zusammen- hängt, der Kirche die zu ihrer selbstständigen Organisation erforderlichen materiellen Nüttel darzureichen, muß der Zusammenhang, in welchem die deutsche evangelische Kirche, ihrer Natur nach, von Anfang an mit Volk und Staat gestanden hat, auch ferner sich darin bethätigen: I) daß die deutschen evangelischen Kirchen Landeskirchen bleiben; 2) daß der Staat mindestens in der obersten ständigen Kirchenbehörde seine Vertreter hat und zu der Landes- beziehungsweise Provinzial- ynode seine Kommissare entsendet; 3) daß dem evangelischen Landesherrn das öberältestenamt in der evangelischen Kirche seines Landes verbleibt. V. Der Landessynode liegt, soweit ihre Kompetenz nicht durch die der Provinzialsynoden beschränkt ist, die selbstständige Ordnung und Verwaltung der die Landeskirche m Ganzen betreffenden kirchlichen Angelegenheiten ob- VI. Die für eine zu- ammenhängende Leitung der kirchlichen Angelegenheiten unentbehrlichen ständigen archlichen Behörden sind auf allen Stufen des Verfassungsorganismus mit den bezüglichen synodalen Elementen in angemessener Verbindung zu erhalten. — Schlußresolution! Die zum sechszehnten deutschen evangelischen Kirchentag in Halle versammelten und unterzeichneten evangelischen Männer richten an die obersten Inhaber des evangelischen Kirchenregiments im Deutschen Reiche die ehrsurchtsvolle und dringende Bitte, in unserer Zeit entscheidungsvoller kirchlicher Kämpfe nicht länger zu zögern mit den vorbereitenden Schritten zur Einberufung einer sämmtliche territoriale und provinzielle Abtheilungen der evangelischen Kirche des Deutschen Reiches vertretenden Versammlung, um durch dieselbe die Gemein-