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der Nation machen gedient hatten. Türkei Im Frühjahre war diese stille Pflege durch ein schmerzliches Ereigniß unterbrochen. Frau Büchner, die mütterliche Freundin Leonoren's, zog sich durch eine Erkältung eine Lungenentzündung zu, von der sie nicht wieder erstand. Ihr Tod machte Leonoren's Leben noch einsamer. Sie blieb mit dem alten kranken Manne und einer Magd allein in dem großen Hause vor dem Thore. Meine Vorstellungen riefen eine so heftige Zurückweisung des alten Herrn hervor und verschlimmerten seine Gemüthsstimmung für Tage so sehr, daß ich sie nicht zu wiederholen wagte. So mußte ich mich auf Leönoren's Energie verlassen. Ihrer liebreichen Geduld und Klugheit war es denn auch gelungen, den Kranken zu einer Badereise zu bewegen, die ihm anscheinend gut gethan, die aber keine Veränderung seiner Lebens weise zur Folge hatte. Bald nach seiner Rückkehr kam ihm der Eifer zu neuen Versuchen, sein Werk an den Mann zu bringen. Sie brachte ihm neue Enttäusch ungen, und diese wirkten unvorthcilhaft auf seinen GemüthSzustand, der immer finsterer, immer menschenfeindlicher wurde. Hatte er früher die Menschen einfach gemieden, so haßte er sie jetzt, weil er sie alle für Neider und Betrüger hielt. Mit dem Eintritt von Kühne'S Todestage wurde er unruhiger, seine Aufregung wuchs. Der Eifer, endlich den Schatz zu heben, für den er sich so viele Jahre hindurch abgemüht, und seine Tochter zu einer beneideten Erbin zu machen, wurde zu einer Leidenschaft, die ihn end lich auf'S Krankenlager brachte. Ein Gchirnfieber ließ mich ernstlich für ihn fürchten, aber die Lebens kraft des alten Mannes schien unbesiegbar, sie brachte ihm noch einmal Ge- nefung. Die folgende Schwäche ließ, wie schon einmal, seine Monomanie zurücktreten, sie machte ihn milder, zugänglicher und vergleichungsweise iebcn-würdig. Leonore lebte wieder auf. ung fort." Rußland. St. Petersburg, 22. Septbr. Auf unbestimmten Ur laub sollen laut allerhöchsten Befehls aus allen Truppen, Kom mandos und militairischen Verwaltungen, Institutionen und Etablisse ments alle diejenigen Leute nach Beendigung der Sommerübungen entlassen werden, welche zum 1. Januar d. I. die gesetzliche Zeit willigen, wollen die Arbeiter ihnen beweisen, daß sie sehr wohl dazu im Stande seien. Die theuren Preise der Lebensbedürfnisse machten ihr Verlangen nothwendig, und die Fabrikherren haben nun die Wahl, durch eine Lohnerhöhung die Differenz beizulegen oder einen Strikt zu gewärtigen. Der Vertreter der Arbeitgeber erwiederte hierauf, daß die Lebensbedürfnisse erst infolge der zahlreichen StrikeS so theuer ge worden seien, daß er OrdreS für den Kontinent habe zurückweisen müssen, daß in Belgien bereits um 20. Pkt. billiger gearbeitet werde, daß infolge der StrikeS der Handel nach und nach England gänzlich werde entrissen werden. Der Sprecher der Arbeiter er klärte, daß es den Arbeitern ganz gleichgiltig sei, welches Land den Handel in Händen habe. Wenn sie in Deutschland billiger leben und bessere Löhne erhalten können als hier, so würden sie als eine Pflicht gegen ihre Frauen und Kinder erachten, dorthin oder nach Frankreich, nach Spanien oder sonstwohin auSzu wandern. Die Arbeitgeber schlugen hierauf vor, ihre Angelegenheit von einem Schied«, gerichte entscheiden zu lassen. Die Arbeiter verweigerten die Annahme dieses Vorschlages und drohten nach einer bestimmten Frist zu striken. — Eine Deputation der Kohlengruben-Arbeiter in Durham ver- langte für etwa 40,000 Arbeiter, die in den letzten paar Monaten einen Zuschuß von 35 Pkt bereits erhalten hatten, eine weitere Lohn- erhöhung von t5 Pkt. Die Grubenbesitzer verweigerten einstimmig jede weitere Concesfion, da die Kohlen im Preise zu sinken anfangen und noch mehr sinken werden; die Nachfrage habe bedeutend ad- genommen und die Zukunft des Kohlengeschäfts sei keineswegs viel versprechend. Spanien. Madrid, 19. Sept. Die „Gaceta" enthält folgende Nachrichten: „Die Truppen unter dem Befehle des Oberstlieutenants de la Habana haben gestern bei San Lorenzo de Morunys (Katalonien) die Bande von Castells vollständig gesprengt. Unter den Todten, welche die- selbe auf dem Kampfplatze ließ, befindet sich auch ein Cabecilla von Bich, Namens Luis Terrer. Wie man von mehreren Seiten erfahren hat, soll Castells selbst verwundet sein. Unter den Gefangenen be- findet sich ein kürzlich von Rom angekommener Korrespondent. Dir Kolonne Reina wechselte gestern einige Schüsse mit der Bande von SaballS in der Nähe von San Hilario, und setzt deren Verfolg- ' Glückauf! (Fortsetzung aus Nr. 221 d. Bl.) XXIII. Dem langen harten Winter war ein später Frühling und ein warmer Sommer gefolgt, nun zog der Herbst mit leisem Schritt durch Flur und Wald. In meinem Leben hatte sich nichts geändert. Kranke gab cS zu jeder Zeit, mithin auch Arbeit für mich. Meine Freistunden theilte ich zwischen wissenschaftlichen Studien und einer durch meine Dienstverhältnisse gebotenen Geselligkeit. Ich hatte eingcsehen, daß ich mich derselben nicht ganz entziehen konnte, wenn ich nicht für einen Sonderling gelten, oder gar einer werden wollte. Meine Besuche im Gicscke'schcn Hause hatten sich auf Pflichtbesuchc beschränkt, die zeitweise häufig genug gewesen waren. Doctor Gieseke hatte Kühne'S Tod viel weniger ergeben ertragen, wie seine Tochter. Er hatte sich so leidenschaftlich erregt gezeigt, daß ich eine Zeit lang für ihn gefürchtet hatte. Erst als es gelungen war, ihm be greiflich zu machen, daß er sein großes Werk doch nicht vergeblich geschrieben, daß der glänzende Erlös, den es seiner Meinung nach bringen mußte, seiner Tochter zu Gute komme, einerlei, ob sic verheirathet sei oder ledig bleibe, ging seine Aufregung in stille Gchwcrmuth über. Mit der Beendigung der Arbeit kam die Aufgabe, sie zu verwerthen, die aber bald zu schwerer Sorge wurde. Wie ich vorauSgcsehen, und wie Conrad Kühne so oft vertraulich gegen mich ausgesprochen, fand sich kein Verleger. Der arme alte Mann schrieb Briefe über Briefe, er wandte sich der Reihe nach an alle namhaften Ver lagshandlungen Deutschlands, aber erhielt nichts als Ablehnungen. Ein Verleger glaubte eben jetzt keine neuen Unternehmungen machen zu dürfen, ein anderer ricth zu kleinen Abänderungen, die sich nach genauer Erwägung als unzuläßlich zeigten, ein dritter sah die Nothwendigkeit eines derartigen Werkes gar nicht ein: Alle fühlten sich sehr verbunden für das freundliche Anerbieten, lehnten eS aber dankbar ab, und der unglückliche Autor, der viele Jahre seines Lebens daran gegeben, der Vater- und Berufspflicht für nichts geachtet, der jegliche Freude und Bequemlichkeit geopfert, um da- Werk zu vollbringen, das er, von einem bedauerlichen Jrrihum befangen, für seine Lebensaufgabe gehalten, verfiel in einen GemüthSzustand, der keinen freundlichen Gedanken mehr aufkommen ließ. An der Tüchtigkeit seiner Arbeit zweifelte er nicht, desto mehr aber an der Redlichkeit der Männer, die den Verlag von sich gewiesen. Er schrieb ihnen alle möglichen Beweg gründe zu, nur nicht den einen, der sie vermuthlich geleitet. Leonore ertrug das mürrische Wesen ihres Vaters mit musterhafter Geduld und einer Alles überwindenden Liebe. Sie lebte ganz seiner Pflege, hatte immer ein Lächeln für ihn in dem stillen bleichen Gesichte und ver ließ ihn nur selten für kurze Zeit. Ueber die chronische Frage der türkisch-montenegrinischen GrenzregulirungS-Verhandlungen wird auS Seutari, der Hauptstadt BoS- nienS, brieflich gemeldet, daß die für diese Angelegenheit eingesetzte türkisch-montenegrinische Commission schwerlich einen Erfolg aufzu- weisen haben werde. Die türkischen Mitglieder verlangten, man möge den türkischen Behörden daß Recht zugcstehen, jene montenegrinischen Unterthanen, die auf türkischem Gebiete ein Verbrechen begehen sollten, auch auf montenegr nischem Gebiete verfolgen zu dürfen. Die monte negrinischen CommisfionSmitglieder wollten aber dieses Verlangen nur dann bewilligen, wenn den montenegrinischen Behörden Seitens der türkischen Regierung dasselbe Recht eingeräumt würde. Darauf will nun die türkische Regierung nicht eingehen, und so warten die Com- misstonSmitglieder zunächst unthätig die weiteren Instructionen ihrer Regierungen ab. m . - Serbien. Belgrad, 20. Septbr. Fürst Milan gründete auS eigenen Mitteln ein Stipendium für drei Studenten der Hochschule, und erklärte in einem Schreiben an den Unterricht-minister, er werde zu flrtket. Nun herrscht in Arbeiterkreisen die Befürchtung, alle nicht zu s seiner vornehmsten Sorge die Civilisation und die geistige Entwickelung der Vereinigung der Bauherren gehörigen Firmen werden da? gegebene Beispiel befolgen, und dann werden die Mitglieder der Vereinigung zu demselben Schritte gezwungen werden. — In Birmingham haben die Arbeiter in den Gasröhren- rc. Fabriken, 3500 an der Zahl, sich vereinigt und unter Androhung einer Arbeitseinstellung eine Zu lage von 15 pCt. verlangt. Für den Fall, daß die Arbeitgeber er klären sollten, sie seien nicht im Stande, eine Lohnerhöhung zu be-