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2258 Ausschließung in Folge der Verübung eine» Verbrechens oder Ver- gehens einzutreten habe. Alle auf einer anderen BasiS, als der vor gedachten, beruhenden Ausschließungsgründe seien durch die fraglichen Bestimmungen des Reichsstrafgesetzbuchcs nicht berührt worden, und es bleiben, wie die Vorschriften in § 3 sub 1, 2 und 3 deS Wahlgesetzes für den Reichstag vom 31. Mai 1869, so namentlich auch die Vor- schritten § 73 u bis g der sächsischen Städteordnung so lange in un veränderter Giltigkeit, als nicht im Wege der Gesetzgebung ausdrücklich eine Aenderung herbeigesührt werde. (Eine solche Veränderung dürfte jedenfalls mit dem Inkrafttreten der zu erwartenden Gesetze über die Reorganisation der Gemeindeverfassung eintreten) Berlin, 5. Sept. Heute Nachmittag genau 2 Uhr 20 Minuten ist der Kaiser von Rußland mit dem Großfürsten Thronfolger und Wladimir auf hiesigem Ostbahnhofe eingetroffen. Bei der An kunft derselben waren auf dem Bahnhofe anwesend der Kaiser und König, sämmtliche preußische Prinzen, alle in russischen Uniformen mit dem großen Bande des St. Andreas-Ordens, unter ihnen zum ersten Male der älteste Sohn deS Kronprinzen, Prinz Friedrich Wil helm, gleichfalls in russischer Uniform. Ferner waren auf dem Perron erschienen die bis jetzt anwesenden deutschen Fürsten und Prinzen, so namentlich die Großherzöge von Baden, Mecklenburg und Weimar, der Herzog von Coburg, und endlich die Fürsten Gortschakoff und Bismarck. Die Kaiser nebst der selten zahlreichen Suite gingen die Front der Ehrencompagnie entlang, welche das 4. Garde-Regiment zu Fuß gegeben hatte; auf deren rechten Flügel standen die directen Vorgesetzten, auf deren linken die Commandeure deS 1. Branden burgischen Ulanen-RegimentS Nr. 3, deS Westpreußischen Ulanen-Re- giments Nr. 1 und deS Thüringischen Husaren-Regiments Nr. 12, deren Chef« der russische Kaiser und die Großfürsten Thronfolger und Wladimir sind. Beim Nahen deS Zuges intonirte die Musik die russische Nationalhymne; am Ende der Ehrencompagnie angelangt, nahm Kaiser Alexander die Rapporte und einige persönliche Vor stellungen entgegen, worauf beide Majestäten den Perron verließen, um durch die Königszimmer gehend, den Wagen zu besteigen. Der Bahnhof war mit Blumen und Topfgewächsen, deutschen, preußischen und russischen Fahnen, Wappen und Emblemen festlich geschmückt. Beim Verlassen desselben empfing ein selten zahlreiches Publicum d e Majestäten auf dem ganzen langen Wege vom Ostbahnhofe bis zum Gesandtschaftspalais, wo eine Ehrencompagnie des Kaiser-Alexande Gardegrenadier-RegimentS Nr. 1 mit Fahnen und Offiziercorps au gestellt war. Der Empfang zeigte auf allen Straßen, an den Fenster und aus den Dächern die regste Theilnahme, die bei jedem neuen Wagen neu rege wurde. Im ersten Wagen fuhren die beiden Ma jestäten, im zweiten deren Adjutanten, im dritten die beiden Thron folger, dann folgten die Großfürsten und Prinzen der beiden Regenten häuser, darauf die Fürsten und Prinzen der deutschen Fürstenhäuser, Fürst Bismarck (allein und in geschloffenem Wagen, in großer Gc- neralSuniform), die General-Feldmarschälle Grasen Berg und Moltke rc. DaS russische Botschaft-personal, sowie Damen desselben waren an dem Perron anwesend und wurden durch den deutschen dem russisch n Kaiser vorgestellt. Unter dm zur Begrüßung des Kaisers von Ruß land anwesenden Offizieren befanden sich sämmtliche Feldmarschälle, cvmmandofübrende Generale, General-Adjutanten, Generäle ä la suito und Flügeladjutanten. Die Begrüßung der beiden Monarchen trug einen überaus herzlichen Charakter. Kaiser Alexander, welcher, w:e die Großfürsten, die große preußische Generalsumsorm trug, umarmte und küßte wiederholt den Kaiser, sowie sämmtliche anwesenden Prinzen des königlichen Hauses. — Beide Kaiser und die Großfürsten begadrn sich zunächst in daS königl. Palais, wo Kaiser Alexander die Kaiserin Augusta begrüßte. Kaiser Wilhelm geleitete alsdann seinen kaiserlichen Gast nach dem russischen Palais. Dort angelangt, sprang Kaiser Alexander sofort aus dem Wagen und stellte sich an die Spitze der Ehrenwache-Compagnie vom Kaiser-Alexander-Gardegrenadier-Re giment, welche mit Fahnen und Musik dort aufgestellt war. Beide Monarchen gingen alsdann die Front entlang, darauf Vorbeimarsch der Compagnie in Sectionen, welchen Kaiser Alexander zur weite ging. Se. Majestät der Kaiser Wilhelm kehrte sodann in daS PalaiS zurück. — Im Laufe deS Nachmittags machte der Kaiser von Ruß land den Prinzessinnen deS königlichen HauscS seinen Besuch. — Um 5 Uhr Familiendiner im PalaiS. — Bald nach der Ankunft im Schlosse machten sich die beiden Majestäten die üblichen Besuche, stets von Neuem herzlich begrüßt von der Menschenmenge, welche die Gegend vom Schlosse bis zum Palais bis in die späte Abendstunde hinein besetzt hielt. — Wie die „N. A. Z." mittheilt, werden außer den beiden Kaisern noch anwesend sein: der Kronprinz von Sachsen. Der- sclbe wird morgen Abends 6 Uhr mit dem Kaiser von Oesterreich hier einircffen und in den sogenannten Hohenzollernwohnungen im Schlosse Wohnung nehmen. In seiner Begleitung befinden sich Oberst Frei herr v. Hausen, Hauptmann v. Treitschke, Ordonnanzoffizier Seconde- lieutenant v. Schimpfs. Zweiten-: der Großherzog und die Groß herzogin von Baden. Die Großherzogin wird im königlichen PalaiS wohnen, der Großherzog und daS Gefolge im Niederländischen PalaiS. Drittens: der Großherzog von Sachsen-Weimar, Wohnung: Königin Mutter-Kammern im Schlosse. Viertens: der Großherzog und die Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin, die Herzogin Marie und Herzog Paul. Die mecklenburgischen Herrschaften werden im Schlosse Bellevue wohnen, dagegen die Großherzogin Mutter von Mecklenburg- Schwerin in der mecklenburgischen Wohnung im Schlosse. Fünften-: der Großherzog von Mccklenburg-Strelitz. Sechsten-: der Herzog von Anhalt. Siebente-: der Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha. Achten-: der Herzog von Sachsen-Altenburg. Letztere, sowie der Herzog von Anhalt und der Herzog Max Emanuel in Bayern werden im königl. Schlosse Wohnung nehmen, die übrigen Fürstlichkeiten aber, wie der Herzog von Oldenburg, sowie die Fürsten von Waldeck und Pyrmont, Fürst Reuß j Linie, Fürst von Schwarzburg-Rudolstadt und Fürst Lippe- Detmold werden im Hotel Royal, British Hotel und Hotel de Rome wohnen. — Der französische Botschafter Marquis de Gontaut-Biron ist gestern Abend wieder hier eingetroffen. — Den seit einiger Zeit in der Presse immer wieder auftauchen den Streit, ob der Geheime Ober-RegierungS-Rath Stiehl seine Penfionirung nachsuchen werde oder nachgesucht habe oder nicht, glaubt >ie „N. A. Z." durch die au- zuverlässiger Quelle stammende Mit heilung beenden zu können, daß Herr Stiehl schon vor mehreren Wochen den formellen Antrag auf seine Versetzung in den Ruhestand gestellt und dieser Antrag die zu seiner Erledigung erforderlichen geschäft lichen Stadien bereits größten Theils durchlaufen hat. — Die öfficiöse „Provinzial-Correspondenz" bringt in ihrem jüngsten Blatte einen Artikel unter der Ueberschrift „Die Fürsorge für da- Wohl der arbeitenden Classen." Zn demselben wird u. A. gesagt: „Aus der Thätigkcit der Presse und zahlreicher, für gemeinnützige Zwecke wirkender Vereine ist ersichtlich, daß in den höheren Kreisen der Gesellschaft das Verständnis; für die ans diesem Boden erwachsenden Gefahren zunimmt, nnd daß der Wille, an die Heilung socialer Schäden selbstthätig hcranzugehen, immer mehr zur Geltung kommt. Andererseits fehlt es nicht an Beweisen, daß auch die Re gierungen bemüht sind, den ihnen obliegenden Pflichten zu genügen und auf dem Wege der Gesetzgebung, wie durch Verwaltungsmaßregeln die gesunde Entwickelung der wirlhschaftiichcn Verhältnisse zn fördern. Als ein gewichtiges Zeugniß hierfür darf anch die Thatsache gelten, das; die leitenden Staatsmänner Deutschlands und Oesterreich-Ungarns bei Gelegenheit ihrer vorjährigen Besprechungen sich in dem Wunsche vereinigt haben, die Mittel zur Bekämpfung der socialen Uebel gemein sam in gründliche Erwägung zu nehmen. Seitdem haben mannigfache Ermitte- ungen und Erörterungen stattgefunden, welche weiteren Arbeiten zur nützlichen Vorbereitung dienen und keinen Zweifel darüber lasten, daß die Regierungen den ganzen Umfang der ihnen znfallenden Aufgaben in das Auge gefaßt haben. Es ist nicht bloß davon die Rede, durch wirksame Vorkehrungen volksverderbliche Bestrebungen abzuwehren und namentlich den Einfluß der sogenannten „Inter nationale" zu brechen, welche mit allen Mitteln für den gewaltsamen Umsturz eder staatlichen und Gesellschaftlichen Ordnung thätig ist, sondern cs handelt sich auch um eingehende Prüfung der Maßregeln, durch welche es den Regierungen gelingen könnte, zur Ausgleichung wirthschaftlichcr Gegensätze und zur Beseitigung »rückender Nothstände unter den arbeitenden Classen beizutragen. . . . Als lei tender Grundsatz für die Entwickelung der wirthschaftlichm Zustände, wie derselbe uch in der preußischen und deutschen Gesetzgebung zum vollen Ausdruck gelangt t, gilt unbestritten die Entfesselung der Erwerbsthätigkeit, weil die Letztere nur i freier Kraftentfaltung volle Frucht für den Einzelnen, wie für das Ganze der Gesellschaft tragen kann. Wenn die Staatsbehörden, von richtiger Erkenntniß geleitet, nicht daran denken können, diesen obersten Grundsatz anzutasten, so suchtet als selbstverständlich ein, daß ihre Fürsorge sich nur in Maßregeln offen- iiaren darf, welche mit den Lebensbedmgungen gewerblicher Freiheit vereinbar ind. Es sind deshalb ihre Aufgaben im Wesentlichen darauf beschränkt, aus- wlfend einzutreten, wo die freie Verwerthung der Erwerbskraft behindert oder gelähmt wird, den Mißbrauch der gewährten Freiheit abzuwehren und endlich durch wohlwollende Unterstützung alle Bestrebungen zu fördern, welche aus dem wirthschaftlichen Leben des Volkes heraus gegen die Uebelftände der gewerblichen Entwickelung ankämpfen." Nachdem nun deS Näheren dargelegt worden, welche Bestimmungen e preußische Gesetzgebung und die deutsche Gewerbeordnung zum Schutz der Arbeiter getroffen haben, wird zum Schluffe geäußert: