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ISS „Das muß ich Ihnen also erklären. Sehen Sie, meine Mutter hielt es für ihre Mutterpflicht, die Heirat zu ver hindern. Sie ist eine energische Frau und ging gleich auss Ziel los. So kam sie eines Tages zu Anna, stellte sich ihr Nor und sagte kurzweg, daß sie gegen diese Heirat nichts ein- wenden würde, wenn sie nicht in Erfahrung gebracht hätte, daß Anna einen regen Briefwechsel mit einem andern .Herrn unterhielt. Als Mutter würde das gnädige Fräulein am Ende begreifen, wenn . . . Aber, gnädige Frau, das sind Briefe meiner größten Wohltäter, — meines Jugend freundes und seiner Mutter, die auch mich aufgezogen hat. Es wird mir ein Vergnügen sein, gnädige Frau, Ihnen alle Briefe zu übergeben, meinte meine Frau, und brachte eine ziemlich große Kassette. — Müssen Sie aber viel geschrieben - haben — Wissen Sie, was weiter geschah? Als ich einen Tag später aus Wolhynien zurückkam, ärgerlich, recht ärger lich, denn ich hatte schrecklich viel Jägerpech, ließ mich meine Mutter gleich rufen. Nun traf sich's, daß ich in ihrem Vor zimmer warten sollte, und so stürmte ich zuerst zu Anni. Die aber war ausgegangen. Ich kehre zurück und finde dis beiden Damen m vollster Eintracht beisammen. Beide schienen geweint zu haben. Kurz, meine Mutter führte mir meine Frau selber zu. Und was ich hören mußte bei der Gelegenheit! Daß ich Anni nicht verdiene, das war noch das wenigste. Na, ganz unrecht hat sie damit wohl auch nicht." „Wer Anni so gut kennt wie ich. der weiß noch was, und das ganz genau," meinte der Tiroler halb lustig, halb ernst. Verwundert blickt der Baron auf. „Reden wir einmal tirolerisch. Sie sind einer aus Schmalz und Eisen, das ist sicher, denn sonst hätten Sie die Anni nit gewonnen, da verwett ich meinen Kopf. Sehen Sie. wir Tiroler sind alles moralische Bettelleute oder Millionäre. Mitteldinger gibt's bei uns nur ausnahms weise, wenn ein kleiner Vogel mal aus dem Nest ge fallen ist." „Wie sagen Sie? Moralische Bettelleute oder Millio näre? Das ist gut. Und ich freu' mich setzt doppelt aut Tirol, das ich noch gar nicht kenne. Müssen eigene Men schen dort sein." Später kam die Baronin wieder und da wurden Kri tiken gelesen und Unfug gemacht, so viel Unfug, daß sich die großen Menschen eigentlich schämen sollten, aber sie hatten eben Kurzweiligeres zu tun. Anderntags ging's heimwärts. Am Spätnachmittag war man schon! in Wörgl. „Sichst du, Sascha, den grünen Fleck, der so mächtig groß herunterlcuchtet vom Berg? — das ist meine zrveite Heimat. . . Wir werden erwartet . . ." Wie trippelte da alles an der Baronin. „Dein Mutterl und 's Josele mit einem großmächtigen Strauß in der Hand. Alt ist der ge worden!" Wie schnell, wie schnell stand man auf festein Boden. „Mutter!, grüß Gott!" Zwei Stimmen riefen es fast zugleich, und dann wurde die Bäuerin zerdrückt und zerrieben. Der Baron stand ge duldig daneben, endlich kriegt die zerquältc Bäuerin doch wenigstens eins Hemd los und die reicht sie ihm. Gesprochen wurde weiter nichts. Auf dem Wege ins Dorf ging die Bäuerin m der Mitte. Der Baron will vor allein danken für alles; das wehrte sie aber sofort ab. „Ja, wo ist denn das Jolcle?" „Richtig ist der alte Mensch auf und davon gelaufen," meint die Bäuerin, die seine Absonderlichkeiten genau kannte. „Ich muß Ihnen aber danken von ganzein Herzen," be- aann der Baron nene'-ding?- „Aber jetzt lassen S' das. Wir Bauern können doch niti mehr geben, wie dann und wann ein tapferes oder gescheites Wort. Und mehr hat 's Annele von mir auch nit bekommen. Wem Sie richtig und wahrhaftig danken müssen, das ist — dem alten Mann." Als man längst im Dorf war fragte die Baronin end lich, wo es denn eigentlich hinging. Sie war nämlich schon wieder ungeduldig. Da am Fuß des Berges sieht sie ein neues Haus in: Unterinntalcr Stil gebaut. Verwundert schießt ihr die Frage herqzis, ob das am End dem Bräu gehört. „Ah na, du neugieriges Ding du," redet die Bäuerin« „Ja, wem denn?" „Einem russischen Herrn." „Sascha, hör, — da sind gar Landsleute!" „Merkwürdig, wo wir Russen überall hinkommen,'' meint der Angeredete achselzuckend. Endlich war man vor der Gartentür des neuen HauseS« Und dort steht's Josele, einen Buschen in der Hand. „Jh dank dir halt recht, Nanni," redet der und läuft wieder fort. — Im Hause steht ein junger Bursch in russischer Tracht. „Coli!" ruft die Baronin hoch erstaunt, denn sie er kennt in ihm einen Stallpagen ihres Mannes. »Ja, Frau Baronin, ich bin es. Die gnädigste Baronin- Mutter hat mich hergeschickt. Sie zu bedienen." „Ja, Liebste. Das Haus ist ein Geschenk von der Mutter. Und weißt, weil wir doch nicht immer hier blei ben können, hob ich 's Josele zum Hausverwalter ernannt. Jst's dir recht. Liebstes?" „Wie gut von euch allen! . . . Wie gut!" Und erst wie gliicklich strahlten ihre Augen . ,, Länger wie eine Woche waren die russischen Leut i« ihrem Haus allein. Die Bäuerin hat immer nur gemeint« verheiratete Leut muß man die erste Zeit auf der verzauber ten Wies'n allein lassen, und drum haben sich die Flcckleut frisch nit anschauen lasten und das so lang nit, bis die Herrschaften gar auf den Berg heraufgesticgen sind und greinen und schelten wollten. Da mußt der Bua mit hin unter und gleich auf einig; Wochen. Sein Mutterl weiß ja, wo er ist, und wenn sie ihn braucht, mag s' hergehen. Einen Löffel und was drauf, wird sich für sie schon wo finden. Auf dem ganzen Weg ins Tal hört der Baron nicht auf zu schwärmen. Das Land, die Leute, der Himmel, kurz die ganze Luft in Tirol, nimmer gewußt hat er fast, wo er anfangen soll mit oll den Schönheiten. Endlich meint der Fleckbua: „Sie reden wie ein heilloS Verliebter." „Das ist nicht wahr, Doktor," verteidigt sich der; „denn alles find ich wirklich nicht schön hier. Nehmen wir nur die primitive Bauernwirtschaft. Denken Sie doch, hier Ge treide bauen, wo drunten im Tal die Eisenbahn das Ge treide viel billiger durch das Land fährt, als es hier dem Bauern auf dem Halm zu stehen kommt. Nein, das dürfen Sie von mir nicht glauben." „Sascha," redet die Baronin, „ich bitt dich um Him melswillen, gewöhn dir daS Sie ab. Ihr beide müßt euch duzen, sonst bleib ich nimmer bei euch. Das hört sich ent setzlich an für jedes Tiroler Lhr." „Gut, Liebstes, wenn es dem Doktor recht ist." „Als ob ich den drum fragen tät," lachte die Baronin übermütig. Aber dann war der Baron wieder mitten drin in den lvgcisterten Schilderungen. Der Fleckbua muß manchmal gar schmunzeln beim Zuhören. Auf der Veranda, von der man einen hübschen Aus blick durch das Tal hat essen die Herrschaften später, und l-eim Kaffe fangt der Baron wieder davon an. Und nun vei breitste er sich ganz besonders über all das.stvds er bei