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O ^ N Feierabend E Unterhaltungs-Beilage der Sächsischen volkszeitung Nr. 49 Sonntag den 8. Dezember 1N2 rveihnachts-itle füv arine Ainder. ^eht ihr sie nicht die bleichen Gestalten, ^ Die hartes Brot in den Händchen halten? Und die Händchen sie zittern vor Frost und Leid. — G seid doch, ihr Reichen zur Hilfe bereit l Seht ihr sie nicht in dem dünnen Kleide, Die ihr euch kleidet in S..mt und Seide? Das Kleidchen deckt schlecht nur die blaffe Gestalt. V >':lft ihr Reichen, helft reichlich und bald! Ar-> elig sieht's aus in dem Kämmerlein, Kr ' kommt's zur Türe, zum Fenster herein. <D redet von eurem Geld und Gut Un?> wärmt mit der christlichen Liebe Glut; Bl ckt in die tränenden Augen auch mild, N eun leibliche Not ihr lindert und stillt. Dann seir ihr gewiß, an Liebe oft kalt, M glaubet mir, Engel in Menschengestalt! Den Baum zündet an in der lvcihnachtsnacht, Dw einst uns das Heil der Delt gebracht, Daß auch der Arme sich freuen mag, Soiaennacht werde zum Freudentag. NZic klang einst erhebend der himmlische Thor, Nun steig' es von der Erde zum Himmel empor: „Eine sei Gott in der Höhe!" erschall ' "-ns-t L. H. „Und Flieden auf Erden den Menschen alll" Zweiter Adventssonntag. Ev : Johannes im Gefängnisse. Matthäus 1l. 2 — 10. In der ersten Adventsbetrachtung vergegenwärtigten wir i>ns die gnadenreiche Ankunft Christi in ihrem dreifachen Zwecke, die Augen der Blinden zu öffnen durch die göttlrche Wahrheit, die Seelen zu heilen durch die Hinwegnahme der Schuld und die Gefangenen aus dem Erdenleben heraus zuführen durch die Hilfe himmlischer Gnaden, wir fügen heute zu unserer Erbauung die Erwägung an, wie Christus der Herr zu uns komme. Fragen wir, wie kommt Christus? — so liegt uns die doppelte Antwort nahe: er kommt sanftmütig und er kommt in Armut. Als Gott der Herr vom Berge Sinai seinem Volke das Gesetz verkündete, erschien er in seiner unnahbaren Majestät, als der allmächtige Herr der Natur. Donner und Blitz waren die Begleiter seiner Worte. Schranken ließ er um den flammenden Berg ziehen, denn, wer den Berg berührt, heißt es. soll des Todes sterben, es sei Tier oder Mensch, er soll nicht leben. Das rohe Volk aber fürchtete sich, wie sich das deutlich ausspricht in seinen Worten zu Moses: Rede du mit uns und wir wollen hören, der Herr aber rede nicht mit uns, damit wir nicht etwa sterben. Anders erscheint Christus der Menschheit im neuen Bunde. Er, der die Majestät der Gottheit mit der Gestalt der elenden und sündhaften Erden- bewohner vereinigt, ist der sanftmütige König, wie ihn der Prophet Zacharias frohlockend im Geiste Jerusalem vor- hcrverkündigt. In Liebe will er die ganze Welt zu sich heranziehen, die Liebe zu ihm soll seinen Jüngern der Be weggrund sein zur Erfüllung seiner Gebote und diese macht sein Joch süß und seine Bürde leicht, denn wie ihn leine Liebe Zinn Kreuze führt, sc soll das Kreuz seine Schüler zur Liebe führen. Wenn aber ihn leine Liebe und Demut bis zum Opfertode am Kreuze und bis zur Verhüllung unter unscheinbarer Brotsgestalt trieb, so will er auch, daß seine Gläubigen nach seinem Worte tun: „Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen." WaS sollen denn unter uns Christen Anfeindungen, Haß und Neid, die wir durch die heilige Taufe, durch ein so engeS Bruderhand verbunden sind und auf eine noch engere Vereinigung jen- seits bei unserem verklärten Heiland, der unser Bruder ge- worden, hoffen. Und doch weiß der und jener seines Zorn S kein Ende, wenn er sich von seinem Nächsten irgendwie be leidigt glaubt. Es war ihm vielleicht bloß unachtsamerweise eine kleine Rücksicht nicht geschenkt worden, die er erwartet, und ist es denn ein gar so schreckliches Unglück, gegen ei« menschliches Wesen einmal ein kleines Versehen zu begehen? Da lebt man dann jahrelang in Haß und Feindschaft, tut seinem armen Mitbruder alles mögliche zu Leid und mittler» weile gebt man zu den heiligen Sakramenten, brüstet sich mit tugendhaften Reden, mag aber der andere auf dem Sterbe bett liegen, man versöhnt sich nicht mit ihm und doch will man immer noch ein Christ sein. Man sogt, aber ich kan« doch unmöglich gegen alles gleichgültig bleiben, womit etwa die, mit denen ich zusammenlcben und umgehen muß, mir« wenn auch nicht wehe tun wollen, doch lässig fallen! Du weißt, mein Christ, daß du hier auf Erden keinen Gott zum Bruder hast und auch keinen Engel, sondern einen Menschen, der fehlen kann und dem du zur Seite stehst, dessen Mängel du in Geduld ertragen und dessen Fehler du sollst zu bester« trachten, aber mit Liebe und aus Liebe, und weißt du beim, ob nicht heute oder morgen dein Nächster die nämliche« Tugenden gegen dich nötig hat? Nimmst du eS denn so leicht, unversöhnlichen Herzens zu beten: „Vergib unS unsere Schuld, wie wir vergeben unfern Schuldiger»!" Zitterst du nicht bei dieser frechen Herausforderung, die du gegen den Allmächtigen zu schleudern wagst, vor dem — nicht zu reden von irdischer Hoheit — die erhabensten Geister de» Himmels erbeben und vor dessen Wink das Weltall in St >ub fällt? WaS sind die kleinen Beleidigungen, die wir Men schen ab und zu einander antun, gegen die große Majestät»- deleidigung, die wir Gott durch unsere Sünden — und wir wiederholen, wo ist der Mensch, der, wenn er in die rer- borgenen Tiefen seiner Seele blickt, sich nicht als Sünder bekennen muß — nur allzu häufig zufügen, oder wo» würde wohl aus uns werden, wenn Gott so mit uns ver fahren wollte, wie wir mit unserem Nächsten? Folgen wir also Christum dem Herrn in seiner Sanftmut, er erleichtert uns das. denn er ist nicht herobgestiegen auf irdische Königs throne, sondern er kommt in Armut. Die Armut wird vielen ein Hindernis auf dem D?ge zum Heile, wenn wir die mit ihr verbundenen Ver suchungen zu verschiedenen Sünden und die Gefahr des Ueberhandnehmens des irdiscl)en Sinnes, der den Menschen zur gedankenlosen Maschine macht, in Betracht ziehen und Mit den Erfahrungen unserer Tage vergleichen. Aber wie — sind nicht eben die Armen in jenem Stande, den die Kirche stets so hoch geehrt und den noch täglich so viele fromme Seelen freiwillig erwählen, sind sie nickt befreit von der Anhänglichkeit an irdischen Besitz, die -