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1748 Orotzbrttanute«. In der Sitzung deS internationalen CongresseS zur Reform deS GefängnißwesenS in London vom 6. d. M. erschien der Minister deS Innern, Brüte, um die Delegirten NamenS der Regierung willkommen zu heißen und ihnen für ihre Thätigkeit hin- sichtlich der Berathung der verschiedenen Punkte deS Programms seinen Dank auszudrücken. Bei der Gelegenheit stellte der Minister nach, drücklich in Abrede, daß die Regierung den Arbeiten deS CongresseS gegenüber Gleichgiltigkeit zur Schau trage. Während er eiklärte, warum die Regierung die Berathungen de« CongresseS nicht thätig unterstützen könne, versicherte er, daß den Mitgliedern deS CongresseS jede Erleichterung für daS Studium deS britischen GefängnißsystemS und alle Mittel zur Erlangung von Information geboten werden wür den, — eine Zusicherung, die vom Congreß mit lautem Beifall be> grüßt wurde. — Mehrere deutsche und französische Delegirte stellten den Antrag, der Congreß möge über jede Frage eine Resolution 'an- nehmen; der Vorsitzende aber erklärte, daS Comiti sei nach reifliche' Ueberlegung zu dem Schluß gelangt, daß, da der Zweck deS CongresseS sei, Thatsachen zu sammeln, die Unterbreitung von Anträgen reich' rathsam erscheine. Am Schlüsse der Arbeiten werde die Executive jedoch einen Bericht der Oeffentlichkeit übergeben, welcher die vor herrschende Meinung der Conferenz über jedes der verschiedenen The mata darlegt. Rußland. Petersburg, 8. Juli. Am 11. d. M. findet in Gegenwau deS Kaiser- die feierliche Enthüllung deS dem Kaiser Paul I. i^ Pawlowsk errichteten Denkmals statt. Türket. Die öffentliche Sicherheit in den europäischen Provinzen der Türkei läßt viel zu wünschen übrig. So wird neuerdings von glaub würdiger Seite gemeldet, daß in Thessalien und Epirus eine Unmasse kleiner und einige großen Banden sich herumtreiben. Eine der letz teren überfiel 2 Stunden von Janina eine große HandelScaravant, tödtete die meisten Begleiter derselben und bemächtigte sich aller Waarer. Der Pascha von Janina entsandte allerdings gleich darauf 2 Cow- pagnieen NizamS (Negulairer), die auch auf die Klephten stießen und ihnen ein blutiges Treffen lieferten. Leider gelang es aber nicht, die Bande zu sprengen, vielmehr entkam dieselbe in daS Gebirge, nachdem sie 6 Todte und 4 Verwundete auf dem Platze gelassen hatte. «sie». Positiv verlautet, Oesterreich-Ungarn errichte eine ständige Gesandtschaft in Teheran, für welchen Posten der General- consul in Bukarest, Baron Schlecht«, defignirt sei. Röst vom Oberland. (Schluß aus Nr. 157 d. Bl.) IV. Nikla» schwieg. Eine einsame Thräne tropfte nieder in seinen grau weißen Bart. Mächtig kämpfte seine breite Brust beim Drang der alten Erinnerungen. „Nun kommt die traurigste Nacht meines Lebens", fuhr er fort. „Laß mich kurz sein, junger Freund. Was Röst mir im Fiebertraum gesagt, was Vroni dann erzählt, und was ich selbst gesehen — Du sollst es hören. Ich weiß nicht, ob Du jene wundersame Luftspiegelung kennst, die gleich einem Bild hiek oben zuweilen erscheint. Wenn man auf einer schroffen Felswand steht, und ein dichter, feuchter Nebel au- dem Abgrund steigt, während der volle Mond am Himmel glänzt, dann ist's möglich, daß auf diese wogende Fluth des Nebels der Schatten des Menschen fällt, der droben steht. Je näher der Nebel, um so schärfer die Umrisse des Bildes. In jener Nacht könnt' ich nicht schlafen. Ich dacht' an die Augen, die ich wachend wußte, die Augen Rösi's, die wohl schlummerloS in tiefem Weh zum Himmel sahen, die Augen Nasch's, der gewiß ruhelos vom Lager sich erhob und den mitleidslosen Bater bei Gott verklagte. — Und der Bauer selbst — sollte nicht, wie ein drohende- Gespenst, die Reue vor seinen Blicken aufsteigen und den süßen Schlaf der Nacht wehren! In meinem Ohr klangen immer wieder die traurigen, schwermüthig sanften Töne j-ne- Polenliede-. Der Bollmond stand in der Höh' — weiße Nebelschleier wogten in der Tiefe. Ich trat an's Fenster und sah die Berge dicht gedrängt und dunkel stehen, einer den andern halb verdeckend. Breite, bleiche Schneefelder lagen drüben über'm See, Gletscher und Firnen schim merten hoch droben. Alle- schwebte ring- halb im Licht des Monde-, halb im Schatten de- GebirgS und der Fclsenmassen. Zuweilen klang eine Heerdcnglocke, wenn ein Rind sich bewegte. Da sprang die Thür weit auf und meine entsetzten Augen sahen die Rösi todtenbleich mit nassem Haar und zerrissenem Kleid, da- Fieber in den Blicken glühend. Sie faltete die Hände über der Brust, blieb in der Thür stehen und sagte, wie geistesabwesend, mit tonloser, ach und herzzerreißender Stimme: „NiklaS, nur einen kleinen Platz zum Sterben!" Ich eilte zu ihr, sie wankte und fiel in meine Arme. „Rösi, Rösi", rief ich, „was ist Dir, komm zu Dir, NiklaS bittet Dich, Dein alter Freund, bei dem Du gut ausgehoben bist!" Groß sah sie mich an mit diesen Augen, zährenlos, und flüsterte, Wa ich nicht verstehen konnte. Wie ein Echo tönte cS noch einmal von dem blassen Munde: „Zum Sterben." Ich legte sie auf mein Lager nieder und blieb bei ihr die ganze Nacht, die sich zur Ewigkeit dehnte. Aus ihren wirren Reden erfuhr ich Alles. Sie hatte ruhelos an ihren Vater gedacht, alle Liebe zu dem alten Manne war aufgewacht und hatte mit der heißen Leidenschaft zu ihrem Geliebten gerungen. Sie hatte sich auf die Kniee geworfen und Gott gebeten, ihr den rechten Weg zu zeigen. Drüben lag das Klösterli, wo sie Nasch wußte, rechts droben die Sennhütte, aus der sie die Vatcrhand verstieß. Da war sie vor die Hütte an den Abhang getreten und hatte die Hände erhoben zum blauen Nachthimmel, Liebe und Verzweiflung im Herzen; sie hatte gefühlt, sie könne den Fluch des Vaters nicht tragen und die Liebe zu Nasch nicht aufgcben, und eine grenzenlose Muthlosigkeit war über sie gekommen, überwältigend wie eine Lawine. Da sah sie, wie eine riesengroße Gestalt aus dem Abgrund und den fluthenden Nebelschleiern stieg, finster und drohend die Hand erhob und verschwand. Sie ahnte nicht, daß es ihr eigenes Bild war, das auf die wogende Fläche fiel, vom Monde zurückgeworfen, und fie floh entsetzt vor dem Gespenst der Berge, bi- sie bei mir war und ihre Sinne sie verließen. Was soll ich noch hinzufügen? Nie kann Verzweiflung furchtbarer fassen, wie Nasch von ihr überwältigt wurde. Er klagte sich als ihren Mörder an, er warf sich über sie und küßie sie wild, dann spielte er mit ihrem langen blonden Haare und saß still, wie ein Bild von Stein. Rösi starb, sein Herz starb mit ihr. Sein Haar war weiß in einer Nacht geworden. Ehe sic starb, öffnete sie noch einmal ihre Augen, die wie verklärt leuchtend uns anschauten und wie stummes Grüßen des sterbenden EngclS auf Jedem eine kleine Weile haften blieben. Sie vermochte nicht zu sprechen, aber dieser Blick sagte uns mehr als alle Worte. Zum Vater, der gebrochen dastand und seine Hände segnend über sie breitete, sprachen sie Vergebung, ihrem Geliebten kündeten sie ewige Liebe, und wie still dankend sahen sie mich an. Toni'- Leichnam fand man am andern Tage in einer Schlucht un kenntlich fast und zerschmettert. Nasch's Eltern fanden ihren Sohn drüben im Klösterli, sie zogen heim ohne ihn." Niklas hielt inne. Ich drückte ihm die Hand tiefbewegt. „Komm wieder", rief er mir nach, als ich hinausschritt. Eine Frauengcstalt stand an Röst's Grab und die Hand des Paters Anastasius legte einen vollen Strauß blühender Alpenrosen darauf nieder. Ehrfurchtsvoll ging ich vorüber an diesem großen Schmerz, der dort seine Gebete zum Himmel schickte für seine Einziggeliebte, für Rösi vom Oberland. Vermischtes. — s„An die social-demokratischen Arbeiter.") Der Central-Ausschuß für innere Mission macht mit einer Flugschrift an die obige Adresse einen Versuch, vom christlichen Standpunkte aus den Agitationen der social-demokratischen Partei und Presse mit dem geschriebenen Wort zu begegnen. Wir heben nachstehende wenige Stellen aus dem Blatte heraus: „Was sagen Euch die Parteiführer, die sich zu Euren Vormündern auf- wersen? Sie sagen so r Fordert höheren Lohn! Kins Groschen den Tag mehr! Zehn Groschen den Tag mehr! Gicht man's nicht, so legt die Arbeit nieder und eiert! Die Arbeitgeber — sagen sie — brauchen Euch, ohne Euch können sie nichts machen. Sie haben den Beutel. Zwingen müßt Ihr sie! So lange müßt Ihr feiern, bis sie kirre werden und klein beigeben. Haltet zusammen! rufen sie Euch zu. Wenn Ihr zusammenhaltet, seid Ihr Sieger, und ein Schritt vorwärts ist getban zur Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit! . . . Akan redet Euch vor, daß Ihr geknechtet, belogen und betrogen seid und eine verlorene Frei heit wieder erobern sollt. Mit Striken sollt Ihr den ersten Schritt zur Freiheit thun. Und mit Striken den zweiten. Und mit Striken den dritten. Und der vierte und fünfte? Rund heraus, — Eure Parteiführer sagens ja selber, sie predigen es Euch in Euren Versammlungen, schreiben es dlutroth in ihre Blätter,