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1746 laffung. Im Wahlgesetz für den Reichstag heißt e8 § 3, rrä4, 2. Abschn., die Berechtigung zum Wählen (also auch Gewähltwerden) betr.: „Ist der Bollgenuß der staatsbürgerlichen Rechte wegen politischer Vergehen oder Verbrechen entzogen, so tritt die Berechtigung zum Wählen wieder ein, sobald die außerdem erkannte Strafe vollstreckt, oder durch Be gnadigung erlassen ist." Da Bebel vor der ihm neuerdings zuerkannten neunmonatlichen Gesängnißstrafe erst eine 2jährige Festungsstrafe (ab züglich 2 Monate Untersuchungshaft) zu verbüßen hat, so ist eine Wahl für die gegenwärtige Legislatur-Periode de« Reichstages, fall» keine Verringerung der Gesammtstrafzeit eintritt, nicht mehr möglich. (Ander- urtheilt die „Franks. Ztg"; sie sagt: Der Wahlbezirk Bebel'S wird in nicht allzu langer Frist zu einer Neuwahl zu berufen sein, und wir oermuthen, er wird mit größerer Majorität als vorher wiedergewählt werden und, da der angezogene Paragraph nicht den Verlust der Ehren rechte, als eine dauernde Unfähigkeit, sondern nur den Verlust der actuellen Eigenschaft auSspricht, wieder in den Reichstag treten.) Majestät der Königin — welcher zugleich der Geburtstag Sr. kgl. Hoh. des Punzen Johann Georg (geb. 1869) ist — fand Morgen? große Rcvrille der Milikairmusik statt. Leipzig, 10. Juli. Die neueste Nummer deS „VolkSstaat" bringt an der Spitze folgenden Aufrufdes Herrn Bebel: „An meine Wähle; im 17. sächsischen Wahlkreis. Freunde und Gesinnungsgenossen! DaS königl. Bezirksgericht zu Leipzig hat die Gewogenheit gehabt, mir wegen „MajestärSbeleidigung" neben einer neunmonatlichen Gesängnißstrafe auch „den Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter, sowie der aus Wahlen hervorgegangenen Rechte" zuzuerkennen. Durch dieses Erkennt- niß bin ich deS mir von Euch verliehenen Mandats verlustig geworden. Freunde und Gesinnungsgenossen! Der Schlag soll nicht nur mich, er soll auch Euch, deren Vertreter ich bisher war, er soll die Partei treffen, der wir angehören. Zeigen wir, daß der geführte Schlag ein Schla,. inS Wasser war. Ihr seid vor die Alternative einer Neuwahl grstellr. Ich biete mich Euch für dieselbe aufs Neue als Kandidaten an. Habe ich nach Eurer Meinung das in mich gesetzte Vertrauen gerechtfertigt, dann wählt mich. Seid versichert, die erhaltenen „Strafen" machen mich nicht mürbe. Festung und Gefängniß sind nicht die Mittel, mir bessere Begriffe über unsere faulen Zustände beizubringen. Die Gesellschaft, die zu solchen Mitteln der „Belehrung" greifen muß, verdient, daß sie aufhöit zu existiren. Führen wir also den Krieg fort mit aller unS zu Gebote stehenden Kraft und mit aller Zähigkeit; gebt mir durch die Neuwahl daS Mittel an die Hand, -aß ich auch für die nächsten Jahre mich an diesem Kampfe betheiligen kann. Der Tag kommt, wo auch unsere Stunde schlägt! Lebt wohl! Auf Wiedersehen zu neuem Kampf und Sieg! Mit social-demokratischem Gruß Leipzig, d. 8. Juli, am Tage meines Haftantritts. A. Bebel." — Der vor- stehende Aufruf ist, wie die „L. N." bemerken, natürlich nur demon strativer Natur, giebt aber leicht zu unrichtigen Auffassungen Beran- stücken bestehen. — Der „Evang Anz." schreibt: „Auf der Bundes - Conferenz der Jünglingsvereint des östlichen Jünglingsbundes in Potsdam wurde über den Stillstand der Jünglingssache Klage geführt, und namentlich hervorgehoben, daß selbst christliche Kreise derselben nicht in dem Maße ihre Theilnahme zuwenden, als zu erwarten wäre. Und doch thue zu voller Wirksamkeit der Jünglingsoereine das allgemeine Interesse der Gläubigen in Stadt und Land noth, wie es in der katholischen Kirche für die Gesellenvereine in hohem Maße vorhanden ist." — In Betreff der von verschiedenen Zeitungen an den letzten Ministerrath geknüpften Nachrichten über die gegen den Bischof Kre mentz gefaßten Beschlüsse der Staatsregierung wird officiöS mitgetheilt: „DaS StaatSministerium hat sich in der erwähnten Sitzung nicht mit dem Bischof Krementz allein beschäftigt, hat nicht isolirte Schritte gegen ihn allein beschlossen; in den gefaßten Beschlüssen handelt eS sich vielmehr um allgemeine Maßregeln gegen alle Bischöfe, die sich eine« Vergehens schuldig machen, wie daS Krementz'scht. Die gefaßten Beschlüsse richten sich daher nicht persönlich gegen Krementz, obwohl derselbe von ihnen getroffen wird, wie jeder andere, der den Eonflict mit dem Staate nicht scheut." Jülich, 7. Juli. Der mit der katholischen Militairseelsorge für die Garnison Jülich beauftragte Civilgeistliche, Caplan Grasekamp, Berlin, 10. Juli. Der heutige „Reichsanzeiger" publicirt nun- mehr das „Gesetz, betreffend den Orden der Gesellschaft Jesu" vom 4. Juli d. I., nebst den Ausführungsbestimmungen, datirt vom 5. Juli d. I. — Der Botschafter des Deutschen Reiches bei der französischen Republik, Graf von Arnim, traf gestern in EmS ein und wurde bald nach der Ankunft von dem Kaiser empfangen. — Die kaiserl. russischen General-Adjutanten, Fürst Galitzin und Fürst BariatinSky, sind gestern aus St. Petersburg hier eingetroffen. — m Von dem im großen Generalstabe redigirten Werke „Ge schichte deS deutsch-französischenKriegeS" ist in diesen Tagen daS erste Heft erschienen. Dasselbe behandelt die Ereignisse im Monat Juli 1870, also die Vorbereitung deS Krieges, die OperationSpläne und den Aufmarsch der Armee. DaS Interessanteste darin ist ein mit- getheilteS Me moire, welches Moltke bereits im Winter von 18HH dem Könige überreichte und welches den OperationS plan darlegt, der im Kriege von 1870 zur Ausführung gekommen ist. Der große Stratege hat darnach schon längere Zeit vorher alle Eventuali täten so genau vorausberechnet, daß dieses Memoire vom Winter 18W unverändert die Grundlage für die bei dem plötzlich entbrennenden Kriege zunächst zu treffenden Anordnungen bilden konnte. In der Vor aussetzung ihrer Gutheißung waren die Vorarbeiten in jeder Richtung bis in das kleinste Detail fortgeführt und als der König beim Ein- reffen in Berlin die Genehmigung ertheilte, war nur erforderlich, daS Datum des ersten Mobilmachungstages in die von der Eisenbahn- Abtheilung im großen Generalstabe für jeden einzelnen Truppentheil auSgearbeiteten Marsch- und Fahrtableaux einzufügen und so den Transport beginnen zu lassen. Eine treffliche Illustration zu der preußischen „affenartigen Geschwindigkeit". — Die Gesammt-Ausprägung der Reichsgoldmünzen stellt sich bis zum 29. Juni d. I. auf 194,533,350 Mark, wovon 191,722,740 Mark in Zwanzigmarkstücken und 2,810,610 Mark in Zehnmark- DeutscheS Reich. v Elstra, 10. Juli. DaS soeben beendete, heute hier «-gehaltene Wan der fest für innere Mission war von ungeahntem Segen be- gleitet. Schon die rege Betheiligung am Schmucke der Stadt und vor Allem unserS schönen Gotteshauses zeigte, daß hier noch Sinn für Religion vorhanden. Wenn nun aber schon Alle tief ergriffen von der wahrhaft erhebenden Predigt des Herrn ?. ?. Schwabe aus Kamenz daS Gotteshaus verließen, wenn schon die für dieZwecke der inneren Mission gesammelte Collecte einen höchst erfreulichen Erfolg hatte, so übertraf doch das Ende der dem Gottesdienste folgenden Berathung alle andern Eindrücke; denn nach äußkrst ansprechenden Vorträgen mehrerer Herren Geistlichen, insbesondere deS Hrn. Secretair Hickmann aus Dresden, wurde einstimmig die Gründung eines RettungS- Hauses für dir Städte und Umgegend von Kamenz, Pulsnitz und Elstra beschlossen, und die Herren Primarius Schwabe, Oberpfarrer vr. Richter in Pulsnitz und Pastor Richter auS Elstra mit Einleitung der weiteren Schritte hierzu beauftragt. Unaufgefordert wurden von dm Anwesenden sofort 20 Thlr. zu diesem Zwecke gespendet. Gebe Gott diesem Werke seinen Segen. Dresden. Se. Majestät der König haben dem zum General- Consül in Pesth ernannten kaiserlich russischen Geschäftsträger, Collegien- Rath Nicolaus von Blumer, das Comthurkreuz zweiter Classe der AlbrechtSordens zu verleihen geruht. — 10 Juli. Ihre königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Frau Kronprinzessin sind heute früh von Tegernsee wieder hier eingerroffen. (Wiederholt) — (Dr. I.) Zu Ehren des heutigen NamenStageS Ihrer Schiffes in Newport und die Einleitung der Untersuchung angeordnet worden. Rew-Nork, 9. Juli, Abend». (Schlußcourse.) Höchst Notirung dr» GoldagioS 13 h, niedrigste 13h, Wechsel auf London in Gold 110, Goldagio 13H, BondS äe 1885 115h, neue 113; BondS cke 1865 115h, Ene-Bahn 56, Illinois 137j, Baumwoll 24 h, Mehl 7 D. — C.,'rother FrühjahrSweizen — D. — C„ raffin Petroleum in New-Aork pr. Gallon von 6^ Pfd. 22^ raffin. Petroleum in Philadelphia pro Gallon von 6^Pfd.22j, Havanna-Zucker Nr.12 9j. * Leipziger Börse, 11. Juli. Leipzig-DreSd. Eisenbahn-Aktien 258 4»., Nllg. deutsche Lreditanstalt zu Leipzig 174j G-, Sächs. Bank 159 G., Leipziger Bant I38Z E, Oberlausitzer Bank 106z G., Oesterr. Banknoten 90I G. (18 Ngr. 1j Pf.). Matt; zu niedrigeren Loursen jedoch eher Kauflust Österreichische Prioritäten träge.