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Feierabend 8V Unterhaltungs-Beilage -er Sächsischen Volkszeitnng Nr. Sonntag den 22. Dezember 1912 rveihnachtsgaben er lveg war weit. Doch jetzt winkt nah' in Freude Der Krippe Ziel den Drei n im Goldgeschmeide. Bei stillem Staunen sie die Kniee beugen, Die Stirne in den Staub sie niederneigen; Und dann in Großmut und mit vollen Händen Sie sinnvoll ihre Königsgaben spenden. Der greis« Fürst hat Weihrauch au-ersehen; Er ehrt im Kinde Gott mit glaub.« » Flehen. Der Zweite beut das Gold m reicher Fülle Dem Weltenkönig in der Armut Hülle. Der Jüngste bringt die Myrrhen dar dem Kinde, Vas einst am Kreuze tilgt der Menschen Sünde. willst nicht auch du dem Heiland Gaben bringen Zur Krippe, wo der Engel Lieder klingen? Das Gold der Liebe lege ihm zu Füßen, In Treue deinen König zu begrüßen! Doch jene Liebe, die kein Feind kann rauben. Die treu in Tugend bleibt und fest im GlaubenI Den Weihrauch des Gebetes mögfi dn schenken Und frommen Sinn's der Krippe stets gcdci k»n. Gebet sei Führer dir und Stab auf Erden: So wird dein Tagewerk geheiligt werden. Lin Herz voll Andacht sei dein Angebinde, Damit dein weg des Himmels Pforte finde! Der Selbstverleugnung Myrrhen sollst du weihen Dem Kinde, dessen Kreuz dir Kraft wird leihen. In stiller Demut trage deine Leiden, Die Gottes Weisheit wandelt um in Freuden! Das Ehristenleben ist ein Vpferleben — Doch nur das Kreuz kann dir die Krone geben! Und reichen Lohn wird deine Liebe finden, Den Lohn, den Engelszungen dir verkünden: Der Friede wird ersprießen deinem Herzen, Ein lüßcr Trost wird laben dich in Schmerzen; Und Gnade wirst du überreich erwerben, Bis einst die ew'ge Weihnacht du wirst erben! Leo Alber«, Pfarrer. Vierter Adventssonntag. Evangelium: Die Büßpredigt Johannes des Täufers. Lukas 3. l—8. Wir nahen dem Ziele unserer Adventswanderung. Noch eine kurze Strecke Weges und wir ziehen in Bethlehem ein. Schon sehen wir in dunkler Ferne am Abhange eines Hügels den heiligen Ort sich ausdehnen und begierig suchen unsere Blicke die geweihte Stätte, die der Herr des Him mels und der Erde sich ausgewählt, daß allda das größte und herrlichste Wunder der göttlichen Liebe sich offenbare. Ein himmlischer Lichtglanz zeigt sie dem frommen Auge des Glaubens, und je näher wir ihr kommen, um so reiner und lieieligender leuchtet dieser Glanz in unsere Herzen hinein Sehen ihn alle? Alle, die Sinn und Gemüt dafür haben ?-o haben aber nicht alle Sinn und Gemüt dafür, darum sehen auch nicht alle den himmlischen Lichtglanz, der von dort ausströmt über die Erde. Es sind Wohl viele, die in diesen Tagen mit uns gegen Bethlehem ziehen, aber sie suchen nur Irdisches, darum finden sie auch nur Irdisches. Selbstgemachte Wcihnachtskerzen zünden sie an, aber das Licht des Himmels leuchtet ihnen nicht. Selbstbereitets Weihnachtsgaben breiten sie vor sich aus, aber an die größte Gabe des Himmels denken sie nicht. Die Freudenlaute der sinnlichen Welt betäuben ihr Ohr, daß von den Gesängen himmlischer Heerscharen und von den Liedern frommer Hir ten, die jene heilige Nacht vernommen, kein Ton in ihr Innerstes dringt. Der Geist, durch welchen die Kirche ihr Fest weiht, ist ihnen abhanden gekommen, nur die Schale haben sie behalten; denn Feste verschmähen die Kinder der Welt nicht, auch Kirchenfeste nicht, aber sie machen sie zu Weltsesten, indem sie das Geistige versinnlichen, nicht aber das Sinnliche vergeistigen oder nur als Gepräge ihrer geistig-religiösen Festfreude nach außen hin hervortreten lassen. Daß dem nicht also sei bei uns, daß wir über den . sinnlichen Festfreuden die geistige nicht vergessen, daß sie 1 und vor allem sie es sei, die unsere religiöse und häusliche Feier uns weihe, ruft die Kirche noch am Ende unserer Adventspilgerung durch den Mund des Täufers Johannes uns zu: „Bereitet den Weg des Herrn." Nicht daß sie uns erst heute daran erinnerte; dieser Ruf, er ist vom Anfang unserer Wanderung an uns ergangen. D«l letzten Nach druck nur will sie heute ihren Mahnungen durch jenen Zu ruf geben, indem sie durch das, was das Evangelium uns lehrt, bemüht ist, die rechte Weihnachtsstimmung in uns zu vollenden — siehe, da die Fülle der Zeit, in die rechte Weih- nachtsverfassung uns zu versetzen im Hinweis auf die Büß predigt eines St. Johannes und die Glaubenspredigt eines St. Thomas und auf die rechten Weihnachtsübungen uns hinzulenken mit den Worten des Vorläufers: „Wer zwei Röcke hat, gebe dem einen, der keinen hat, und wer Speise hat, der tue desgleichen." Die Kirche zeigt uns heute auf dem letzten Hügel vor Bethlehem, wie dort die stumme, trübe Wolkenmacht sich teilt und ein reiner Lichtglanz die Ränder der Wolken ver goldet und wie mitten in diesem Lichtglanze ein Stall sich erhebt und in den; Stolle dis Jungfrau, die heilige, in an betender Demut vor der Krippe kniet und ihr zur Seite der fromme Joseph, in der Krippe aber sahen wir das Opfer lamm der göttlichen Liebe, ein gar armes Kindlein, rmd hinter ihm, da ruhen gar friedlich die Tiere. Welch tiefe, fromme Rührung, welch reines, liebevolles Verlangen für die Heilsfeier, der wir entgegengehen, durchdringt unser Inneres bei diesen Anschauungen! Wie gern verweilt unser gläubiger Blick dabei! Sie zu fesseln und gleichsam zu ver körpern, wurden die Krippendarstellungen erfunden, die in früheren Zeiten selbst in den Kirchen zu sehen waren und »och heute in vielen christlichen Familien dazu dienen, die rechte Weihnachtsstimmung zu nähren und zu pflegen. Da bei wurden jene schönen Advents- und Weihnachtslieder ge sungen, deren die frömmere Vergangenheit einen so reichen Schatz auf uns vererbt hat. Es wurden Adventsbetrach tungen gelesen und gehört, und allerwege, im Tempel wie im Hause, jener schöne Sinn erzeugt und vollendet, dabei die Christen mit derselben Einfalt und Kindlichkeit, wie einst die Hirten Judäas, den Heiland der Welt begrüßten und mir den himmlischen Chören ihre Frcudenszenen ver einen konnten. Zu dem Charakter unserer Zeit gehört es freilich, das Herz- und Gemütvolle ans der Religion zu vcr-