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279 — In einer Correspondenz der „Nordd. Allg. ZP." ist zu lesen: „Eine besondere Mühe geben sich neuestens die Ultramontanen, um von den maßgebenden Persönlichkeiten Äußerungen über deren Stellung zur konfessionellen Bewegung heraus zu locken. Kaum hat Graf Andrassy den Sturm des katholischen Casinos gegen sein Neutralität in der römischen F-age zu-ückgeschlagen, so sieht der Mr Nister-Präsident Fürst Auersperg sich von einer ähnlichen Attaque heim- gesucht. Auch ihn hat eine Deputation des katholischen Casinos am Neubau interpellirt, und zwar wurde der Ministerpräsident aufgeforder den Katholicismus gegen die maßlosen Angriffe der liberalen Presse in Schuh zu nehmen. Fürst Auersperg ermangelte nicht, wie der „Volksfreund" behauptet, den Cosinomännern sein herzliches Bedauern über jene Ausschreitungen der Presse auszusprcchen, verwies aber die Deputation im Üebrigen einfach auf das jeden, Staatsbürger zustehende R cht, gegen unberechtigte und maßlose publicistische Angriffe klagbar aufzutreten. Die Regierung könne nicht in jedem Falle interoenrren und „was noch mangelhaft wäre in unseren Gesetzen, müsse eben auf legislativem Wege geregelt werden."" Warnsdorf (in Böhmen), 31. Januar. Man telegraphirt der „Reichend. Ztg": Der Bezirksschulrat!) in Warnsdorf beschloß über Antrag des Pfarrers und des Schuldirectors Herrmann, den Staats grundgesetzen entgegen, die Kinder altkatholischer Eltern, welchen der Religionsunterricht bisher von dem altkatholisLen Religions lehrer Nittel ertheilt wurde, zwangsweise zum Besuche des Religions unterrichtes bei dem Jesuitenpater Opitz zu verhalten. Die Aufregung hierüber ist ungeheuer. Sonntag Nachmittag findet Behufs der Be schwerdeführung wegen dieses VorfalllS eine Volksversammlung statt. Frankreich Paris, 30. Januar. Die „Agence Havas" schreibt: „Herr Thiers hat sich gestern (wie schon kurz erwähnt) nach Paris begeben und zum ersten Mal die Ruinen seines Hotels, Place St. Georges, in Augenschein genommen. Er gab die nöth-gm Befehle zur Demolirung des schadhaften Gemäuers, damit die Arbeiten zum Wiederaufbau des Hauses in Angriff genommen werden könnten Des Abends wohnte er mit dem Präsidenten dec Versammlung, Hm. Gwvy, und einigen Ministern einem Concerte im Theater von Ver sailles zum Besten der Armen in der Stadt bei. — Man sagt, der Präsident der Republik wolle den Ex-Pmfecten von Lyon, Herrn Valentin, zur Entschädigung an Stelle des Herrn Goulard zum Gesandten in Rom ernennen. Die Abreise des Generals Fleury nach London wird vielfach commentirt. Man will selbst wissen, daß dersilbe, heimlich gewarnt vor der Absicht des Ministers des Innern, ihn arretiren zu lassen) das Weite gesucht habe. — Das Buch, welches der Herzog v Gramont zur Rechtfertigung seiner Politik schreibt ist ziemlich vorgerückt. Kürst Bismarck soll darin schlicht wcgkommen." — Wie der „Köln. Ztg" telegraphirt wird, wird im „Journal de Paris" eine Kundgebung der jüngeren Bourbonischen Linie erwartet. Der betreffende Artikel solle vorn Grafen von Paris her rühren und ein Vorbote der Fusion sein. Unterrichtete Personen wollten sogar von einem bereits geschlossenen Uebeceinkommen zwischen dem Grafen von Paris und dem Grafen Chambord wissen. Durch gegenseitige Concesfionen würden beide Parteien zur Aufstellung einer Verfassung gelangen, hinsichtlich deren wichtigster Punkte man bereits im Einvernehmen sei, da der oben erwähnte Artikel an die glorreiche Regierung Ludwig XVIII anknüpfe. Nur die Frage der Fahne sei noch ungelöst, doch auch hier sei ein Compromiß zu erwarten. Die Bestätigung dieser Nachrichten bleibt abzuworten, — eine Verbindung beider Parteien dürfte in diesem Augenblick allerdings von höchster Wichtigkeit sein. Einstweilen steht die gesummte Pariser Presse noch unter dem Eindruck der Uebmaschung, den das Manifest des Grafen Chambord hervorgerufm. Das bonapartistischr Journal „Ordre" be merkt dazu: Es ist unmöglich, eine edlere Sprache zu führen und die Anhänger der Fusion müssen jetzt wissen, ob sie zu Staude kommen kann. Ueberhaupt sind alle Blätter über die ehrliche und offene Sprache des Manifestes einig, wenngleich dessen Wirkung natürlich dec verschiedensten Beurtheilung unterliegt. Die Propaganda zu Gunsten der Subscription wird in ganz Frankreich mit größtem Eiser betrieben. Auch die Geistlichkeit hat sich jetzt der Sache angenommen und der Erzbischof von Rouen hat selbst 5000 Fr. gezeichnet; dennoch sind die höchsten bis jetzt gezeichneten Beiträge 10,000 Fr., mit einziger Ausnahme der Handelskammer von Bordeaux, welche sich dort mit 25,000 Fr. an die Spitze der Sub- scription gestellt hat. In Marseille findet in den Werkstätten und Fabriken eine Subscription von 5 Centime« pro Tag statt und findet eine sehr zahlreiche Beihriligung. Die Deputation aus Nancy ist heute in Versailles eingetroffen und soll der Regierung 650,000 Fr. über- d acht haben, auch aus andern Städten sind nicht unerhebliche Bei- trage angemeldet. Wie verlautet, hat Herr Thier« die Ansicht ge äußert, man dürfe diesen Eifer nicht erkalten lassen und die Frage der Nationalanleihe dürfte demnächst in ernste Behandlung genommen werden. Die Baracken zur Unterbringung der deutschen Occupations- truppeu, denn vollständige Fertigstellung Herr Thiers bereit« in s-incr Botschaft beim Wüderzusammentritt der Nationalversammlung anzeigtc, sollen erst zum 20 Februar so weit gediehen sein, daß kein deutscher Soldat mehr gmöthigt ist, bei einem Franzosen im Hause zu wohnen. Äroszbritnuuieu. London, 30. Januar. Der Hof wird, so weit bis jetzt fest- steht, nicht vor dem 20 Februar von Osborne nach Windsor zurück- kehren. An eine Eröffnung des Parlaments durch Ihre Majestät die Königin in Person ist daher nicht zu denken. Türket. Konstantins) el, 30. Januar. Man telegmphirt der „N. fr. Pc": Sami Pascha wurde zum Marineminister, Mustapha Pascha zum Großmeister der Artillerie ernannt. Weitere Ministerveränder - ungen sind bevorstehend Aste«. Ueber die LooShai-Expedition liegen neuere Nachrichten aus Lalcutta vom 29. Januar auf telegraphischem Wege vor. Gmernl Bourchiec griff am 25. mit dem 44. eingeborenen Infanterie- Regiment eine große Abtheilung LooShais, die sich im Bette eines ielsigen, auf beiden Seiten mit dichtem Gebüsch eingefaßten Flusse« v-rborgen hatten, durch eine glänzende Jnfanterieattaque an. Der Feind wurde zurückgetrieben, 5500 Fuß bergan verfolgt und schließ- Inch aus zwei wichtigen Positionen verjagt, General Bourchier selbst dabei, wenn auch unbedeutend, am Kopf verwundet. Amerika. Wie gemeldet wird, hat die Regierung von Chili eine Be friedigung der von den Regierungen von Deutschland, Italien und Tp' ni-.n im October vergangenen Jahres erhobenen Entschädigungs ansprüche zu Gunsten ihrer in Valparaiso domicilirender Staats angehörigen zugcsagt. Damit wäre also der so langwierige spanisch chilenische Streit auch in seiner letzten Consequenz abgeschlossen. LandtagSberhaudluttgeu. A Dresden, 1. Februar. In einer nur einstündigen Sitzung erledigte heute die Erste Kammer sämmtliche Punkte ihrer Tages- Ordnung. Zunächst erstattete Referent v. König Bericht über da« Vereinigungsverfahren, welches wegen der Differenzpunkte in Bezug auf den Landesculturrath zwischen beiden Kammern stattgefunden hat. Durch ein beiderseitiges Entgegenkommen sind diese Differenzen be- Pichen und gab die Kammer ihre Genehmigung hierzu. — Ref. von Burgk berichtete sodann über die gestern bereit« erwähnte Petition Börners in Thum, den Verlust eines Staatsschuldencassenscheine« von 500 Thlr. betr. — Bürgermeister Müller fragt den Referenten, ob die Dep. mit ihrem Vorschläge hinsichtlich der Ermächtigung des Land tagsausschusses für Verwaltung der Staatsschulden zur Entnahme der 500 Thlr. gegen Bescheinigung rc. gemeint sei, Börner'n nach Austrag der Sache auch die Zinsen zufließen zu lassen, welche Frage der Ref. bejahend beantwortet. — Geh. Rath v. König macht den Vorschlag, daß man den Petenten doch durch Stellung einer Cautionshypothek n den Genuß seines Eigenthum« bringen möge. — Oberbürgermeister lfoteu Hauer erklärt sich gegen diesen Vorschlag. ES sei eine fast tägliche Erscheinung, daß Staatspapiere verloren gingen, da die Besitzer ft sehr säumig mit deren Aufbewahrung wären. Sollte nun der <uSschnß der Staatsschulden-Vcrwaltung eine Controls über diese Säumigen führen, dann müßte derselbe eine ganz andere Organisation erhalten. Auch könne sich derselbe nicht mit Hypotheken-Operationen befassen. Eine andere Frage sei e«, ob man nicht eine Verkürzung