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278 den Minister v. Mühler, daß er die moderne Geschichtsforschung an unseren Universitäten mehr und mehr vernachlässigt habe. — Zu diesem Titel liegen mehrere Anträge der Commissarien vor. Dieselben werden jedoch biS auf den nachstehenden zurückgezogen: die Staatsregierung aufzufordern, die Mittel zur Errichtung eines Lehrstuhls der polnischer Sprache und Literatur an der Universität in Berlin auf Len nächsten Eiat zu bringen. Abg. vr. Virchow hält die Erlernung der sla- vischen Sprache im hohen Grade für wünschenswerth. Man wundere sich darüber, daß man in Frankreich so wenig an Erlernung der deutschen Sprache gedacht habe, während neben uns sich ein großes Nachbarreich, daS russische, immer mehr entwickele, ohne daß daran gedacht werde, die russische Sprache zu erlernen. — Der Antrag der Commission wird hierauf angenommen. — Zu Titel 21, Gymnasien und Realschulen, liegen mehrere Anträge in Bezug auf die Erhöhung der Lehrer-Besoldungen, sowie wegen Ausstellung eines Normal-Etat« für die Realschulen und Progymnasien vor. Dieselben werden nach längerer Debatte theils der Unterrichts-, theils der Budgetcommisston überwiesen. — Nbg. Witt beantragt, die Dotation von 4900 Thlr. für das neu zu errichtende Gymnausim zu Wongrowitz abzusetzen, während Abg. Kantak diesem Anträge widerspricht. — Cultusminister vr. Falk bittet ebenfalls um Bewilligung der Position; denn es sei ein dringendes Bedürfnis in Wongrowitz ein Gymnasium zu errichten Es thut ihm indeß leid, daß bei dieser Bewilligung für eine Lehr anstalt wiederum die Frage der Confession in's Spiel gebracht worden. Er wolle offen sein und bemerken, daß er stets bestrebt sein werde, das unglückliche Wort „konfessionell" und das noch viel unglück lichere „konfessionslos" zu vermeiden. (Lebhaftes Bravo) Es seien das nutzlose Stichwörter, wie es deren manche gebe; in der Rechtssphäre, aus der er soeben herausgetreten sei, gebe es auch ein solches, das heißt: die reine Mündlichkeit im Proceßverfahren. Ein solches sei gar nicht möglich und verhalte es sich mit diesem ebenso wie mit der Konfessionslosigkeit. (Lebhafter Beifall) — Zu Lite 21—23 beantragen die Commissarien: die Staatsregierung aufzufordern da, wo bessere Dotirungen der Lehrerstellen an Schulen und Seminarien vorhanden sind, als die Normaletats aussetzen, solche Stellen nach ein- getretenen Vakanzen nicht zu verschlechtern. Der Antrag wird derBudget- commisston überwiesen und darauf die Sitzung um 1Oj Uhr geschloffen. — Erster Gegenstand der Tagesordnung in heutiger Sitzung ist die zweite Berathung des Gesetzentwurfes betr. eine Zusatzbestimmung zürn Art. 74 der Verfassungs-Urkunde und zur Verordnung wegen Bildung der Ersten Kammer vom 12. Oktober 1854. Derselbe lautet: „Art 1 Der Präsident und die Mitglieder der Ober RechnungLkammer können nicht Mitglieder eines der beiden Häuser des Landtages sein. Art. 2 Dieses Gesetz tritt in Kraft gleichzeitig mit dem Gesetz, betr. die Ein richtung und die Befugnisse der Ober-Rechnungskommer" Bei der Abstimmung wild das Gesetz mit großer Majorität angenommen. — Es folgt die Vorberathung des Staatshaushalts-Etats pro 1872 Fort setzung der Specialdiscusston des Kultusministeriums. Fort dauernde Ausgaben (7,135,699 Thlr). Die Diskussion beginnt bei Titel 23: Elementarschulen (l,361,734 Thlr). Zu demselben bean- tragen die Abgeordneten vr Wehren Pfennig und vr, Techow: „die Staatsregierung zu ersuchen, bei der Vrrwmdung der 500.000 Thaler zu Besoldungsverbssserungen für Elementarlehrer, so weit'es irgend thunlich ist, auf die Verbesserung des Einkommens der älteren Lehrer durch Dienstalterszulagen Bedacht zu nehmen " — Abg. vr Wehren Pfennig: Ich erkenne gern den Fortschritt an, der in dem Vorschläge der Regierung liegt; allein aus der andern Seite muß ist loh hervorheben, daß der Nothstand der Lehrer mit der einen halbe Millian nicht beseitigt werden kann Die Gesammtzahl der preußischen Lehrer beträgt etwa 47,000, und wenn ich davon 7000 almchm welche in großen Städten angestellt sind, so bleiben immer noch 40,000 übrig, die auf Hilse Anspruch haben Werden nun auf diese 40,000 d-e 500,000 Thlr. repartirt, so kommen auf den Kopf ungefähr 12z Thaler, und ich frage Sir, kann damit der Nothstand beseitigt werden ? Ich glaube daher, dir Staat hat die Pflicht, zu helfen, wenigstens so lange, bis diese Zustände auf gesetzlichem Wege geordnet sind, und richte ich deshalb an den Finanzminister die Bitte, schon im nächsten Jahre eine größere Summe als bisher auf den Etat zu bringen. Redner empfiehlt schließlich seinen Antrag zur Annahme, der den Zweck habe, die älteren Lehrer, welche größere Familien haben, vorzugsweise zu berücksichtigen. — Abg. vr. Techow schließt sich den Ausführungen des Vorredners an und verweist darauf, daß der unter den Lehrern herrschende Nothstand dazu geführt habe, daß bereits 3500 Lehrerstellen unbesetzt seien. Unter solchen Umständen liege die Gefahr nahe, daß die sittliche Ausbildung des Volkes unberechenbaren Schaden erleide, der in Jahrzehnten, nicht wieder aut zu machen sei. Er hoffe daher mit Bestimmtheit daß der Herr Finanzminister zur Beseitigung des Nothstandes mit größeren Mitteln cinircten werde. - Abg. Lasker ist ebenfalls der Ansicht, daß der augenblickliche Nothstand während des provisorischen Zustandes durch Beihilfe des StaateS beseitigt werden müsse; man müsse aber daran sesthalten, daß Gemeindeverbände ge schaffen werden, welche die ihnen obliegenden Pflichten nach allen Seiten zu erfüllen im Stande seien. — Cuttusminister vr. Falk: Auch er sei der Meinung, daß vor Allem leistungsfähige Schulverbände ge. schaffen wnder-. müssen, um den Nothstand zu beseitigen. Hierzu werde aber schon die Kreisordnung die Hand bieten und deshalb sei es sein Wunsch, daß dieses Gesetz zu Stande komme, von dessen Annahme übrigens auch die Vorlage des Unterrichtsges-tzes zum Theil abhängig sei. Auch er erkenne an, daß der Staat während des Provisorium« ü it seiner Hilfe eintreten muffe; indeß sei ein solches Anerkenntmß in der Bewilligung des Zuschusses von 500,000 Thlrn. bereits enthalten. Er werde die Bedürfnisse der Lehrer nach Möglichkeit berücksichtigen und bei dem Finanzminister seine Anträge stellen. Er werde bei der Vertheilung der Summe nach einer einheitlichen Norm zu verfahren suchen und bitte deshalb den Antrag abzulehnen — Wg vr. Wehrenpsennig zieht seinen Antrag hierauf zurück. -- Abg. von Gottberg bestreitet, daß die bestehenden Zustände durch die Kreis- o dnuvg b-sseitigt werden körnen. Es wäre ihm auch erwünscht, wenn eie alteren Lehrer mehr berücksichtigt würden, die jüngeren müßten schon sehen, wie sie sich durchhelfen.' Uebrigens seien die jetzigen Organe der Kreise und die Schulvcrbände durchaus nicht ungeeignet, mit Hilfe r r Staatsregierung die bestehenden Uebelstände zu beseitigen. — Nach wer kurzen Bemerkung d-.s CultuSministerS, worin er den jetzt stillen den Einrichtungen, die sich bewährt haben, volle Anerkennung -u Theil werden läßt, beklagt sich Abg. Graf Renard über den traurigen Zu "and des Schulw sms in Oberschlesien. Wolle man düsen Landestheil poionisiren, oder wolle man ihn germanisiren? In beiden Fällen müsse das sogen. „Wafferpolnisch:" aus den Schulen serbannt werden, müsse das System der Unbildung und Unwissenheit, das den Regic-ungsb-zisk Oppeln beherrsche, endlich aushören. In Frankreich gebe es nur ein Dorf, wo die Kinder wie Wilde auf- wachsen in Oberschttss n sei düs im ganzen Bezirk der Regierung der Fall. Nicht die Schulbildung habe dort den Mann zum treue» Kämpfer ?ür Gott und König und Vaterland gemacht, sondern sein treues Herz. Er bitte dringend die Regierung, endlich Zustände zu schaffen, welche Obsrschksien und seine Schulen würdig anreihen an die Genossenschaft der Bildung und Intelligenz des ganzen Staates. Mit einem Wort: machen Sie dem Lehrenden dos Lehre-!, dem Lernenden das Lernen möglich (Allseitiges lebhaftes Bravo.) Kiel, 29. Januar. Der „Flensb. Nordd Zig." wird von hier aeschri ben: „Das Gerücht einer Vettobu^g des Professors vr Es- march in Kiel mit einer Prinzessin (Henriette, geb. am 2. Äug. 1833) c>on Augustenburg (ei er Schwester des Hnzogs Friedrich) wird fier jetzt non einer Seite unsgespiochen, die wir für gut unterrichtet alten müssen."" Oesterreich. Wien, 31. Jur. Der Kaiser und die Kaiserin wohnen in Meran der daselbst in dieser Woche stattfindenden. Taufe des jüngst- aekmenm Sohnes des Herzogs von Alentzon bei, zu welcher auch die Brüder der Herzogin von München erwartet werden. Betreffs der Rückreise der Kaisers ist der projectirt gewesene Aufenthalt in Inns bruck ungewiß gewordm. — Die hiesige spanische Gesandtschaft hat Telegramme aus Madrid (28. Jan.), wonach in ganz Spanien, ohne daß milrtairische Vorkehrungen nöthig geworden, die vollständigste Ruhe herrscht und „die Krone ihre Prärogative in vollster Freiheit ausübt."" — DaS verbreitttste Wiener Blatt, das in einer Auflage von 40,000 ELem- plaren erscheinende „Neue Wiener Tageblatt'", ist dem Vernehmen nach von der „Wechslcrbank" um 600,000 Fl. angekauft. „Presse", „Neue rcie Presse"' und „Tageblatt", die drei größten Blätter, sind mithin etzt Eiger.thum von Bank-Instituten,und in dieser Eigenschaft selbst verständlich die getreuesten und berufensten Organe der öffent lichen Meinung.