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MontS, zu bemerken waren. II. MM. verweilten in dem durch den Tanz belebten Kreise bis gegen 10 Uhr, II kk. HH. die Prinzen und Prinzessinnen dagegen bis zum Schluffe deS Festes, der um 1 Uhr stattfand. Dasselbe zeichnete sich wiederum durch die Reichhaltigkeit der an den Büffets aufgestellten und zum Theil kunstvoll gearbeiteten Silber- und Goldgefäße, Prachtstücke aus früherer Zeit, wohlgefällig auS. — Der „Dr. Anz." erklärt die Nachricht über daS Verunglücken zweier junger Leute beim Passiren der Elbe für unbegründet. Berlin, 1. Februar. Der Kaiser nahm heute Morgens Mel düngen beförderter und versetzter Offiziere entgegen, arbeitete mit dem Kriegsminister von Roon und dem Chef des Militaircabimts vor Tresckow, ließ sich Vortrag halten, ertheilte Audienz und begab sic darauf mit den übrigen hohen Herrschaften ins Schloß Bellevue, um die Herzogin Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin zur Geburtstags feier zu beglückwünschen. Abends werden sich die Majestäten zu dem großen Ballfeste nebst Souper ins königl. Schloß begeben. — Durch allerhöchste CabinetSordre des Kaisers ist angeordnet worden,daßdiegesammteFestungs - Artillerie mit Infanterie gewehren bewaffnet und mit den entsprechenden Ausrüstungs gegenständen versehen werden soll. Demzufolge ist mit der Aus rüstung dieser Truppe mit Zündnadelgewehren begonnen worden. - Dem deutschen Bundesrathe sind neuerdings drei auf Elsaß- Lothringen bezügliche Gesetzentwürfe vorgelegt worden. Der erste bezweckt die Dispensation von Ehehinderniffen, so wie die Giltigkeits erklärung von Ehen, welche in dem genannten Reichslande nicht ganz regelrecht abgeschlossen sind. Nach den Bestimmungen desselben sollen namentlich Ehen von Militairpersonen, die bis zum 31. Decbr. 187l durch priesterliche Einsegnung vollzogen sind, ohne daß ihnen der vom französischen Gesetz verlangte Civilact vorauSging, als von Anfang an giltig betrachtet werden — Der zweite Gesetzentwurf betrifft die Einsetzung außerordentlicher Kommissare zur Verwaltung einzelner elsaß- lothringischer Städte. Durch denselben soll für ungewöhnliche Va kanzen rc. Abhilfe geschaffen werden. — Der dritte Gesetzentwurf be- stimmt die Mittel, welche aus der Landes-Hauptcasse Elsaß-Lothringens im Jahre 1872 für die um Ostern d I. in Straßburg zu er öffnende Universität zu verwenden sind. Im Ganzen ist die be treffende Summe auf 200,000 Thlr. normirt. Davon find ausgesetzt: 117,000 Thlr. für Besoldung; 8000 Thlr. für dauernde sachliche Aus gaben; 72,000 Thlr. als einmalige extraordinaire Ausgaben für Um zugskosten, für die Anschaffung von Lehrmitteln rc.; endlich 3000 Thlr. für Stipendien. Die Zahl der anzustellenden ordentlichen Professoren beträgt 42; die der außerordentlichen Professoren 20. — (Sp. Z.) Das Befinden des Justizministers bessert sich langsam, aber stetig, vr. Leonhardt wird voraussichtlich, sobald es sein Zustand erlaubt, einen längeren Urlaub nehmen, um seine durch allzu angestrengte Arbeiten angegriffene Gesundheit völlig wieder her zustellen. Freilich wird der Minister für die Folge darauf verzichten müssen, seine gesetzgeberischen Arbeiten in der früheren Wisse wieder aufzunehmen. — In Sachen der Aufhebung der akademischen Gerichts barkeit ist (nach der Mittheilung deS Abg. Karsten) von Seiten des CultusministerS in der Commission erklärt worden, eine allgemeine für das Deutsche Reich ausgearbeitete, diesen Gegenstand berührende Vorlage liege bereits im Entwürfe vor — Das Herrenhaus verhandelte in seiner heutigen Sitzung über den Gesetzentwurf wegen Aufhebung der in der Provinz Hannover bestehenden Vorkaufs-, Näher- und Retractrechte. — Im ferneren Verlaufe der gestrigen Sitzung desAbgeord- nett n Hauses, welches sich bekanntlich mit Berathung des Cultus- etats beschäftigt, ward auf Antrag der Commissare des HauseS die zur Errichtung eines gemeinschaftlichen ConsistoriumS für den Re gierungsbezirk Cassel geforderte Summe von 5352 Thlr. gestrichen, dagegen ein Antrag der Abgg. Müller und Gen. auf Nichtbewilligung der geforderten dritten weltlichen Rathsstelle, sowie aus Nichtbewilligung der Besoldung für eine in Berlin zu errichtende General-Superinten- dentur abgelehnt. Bei Titel 13 (katholischer Cultus, Ausstattung der Bisthümer rc.) kam vr. Virchow auf die Debatten über die Parität zwischen den verschiedenen Confesstonen zurück. Er meinte, die Herren der CentrumSsraction könnten mit dem SyllabuS und der Encyclica überhaupt keine Parität mehr üben, ohne sich der Excommunication auszusetzen. Nach den Forderungen deS insalliblen PapsteS sei nicht einmal mehr von Toleranz, geschweige von Parität die Rede. DaS undeutsche, römisch ultramontane Wesen müsse beseitigt werden, sonst müsse man zu Grunde gehen. SyllabuS und Encyclica seien nicht Dogmen im Sinne der Religion, sondern im Sinne der Hierarchie; lasse man diese Macht ungestört wachsen, so casfire man die ganze deutsche Entwickelung, die fich direct gegen die Hierarchie richtet. Man dürfe nicht dulden, daß das Gebiet des Glaubens ausgedehnt werde auf Dinge, welche die Verfassung deS StaateS und daS Gebiet der historischen Entwickelung berühren Redner wendete fich sodann gegen daS Klosterwesen; die Klosterfrage sei nicht bloS eine Frage der Dogmen, sondern eine materielle Frage der Organisation der Hierarchie, eS müsse einmal klar werden, waS eigentlich noch Gegenstand de« katholischen Glaubens sei und wogegen man zu kämpfen habe. — Abg. v. Mal linckrodt: Er und seine Fraction präsumirten gar nicht, Repräsen tanten der katholischen Kirche zu sein, und deshalb sage er ganz ein fach, SyllabuS und Encyclica müßten so verstanden werden, wie sie verstanden werden sollen; in dem Sinne, wie sie geschrieben und ge- sprachen seien, bekenne er sich zu denselben von A bis Z. Die Frage, ob damit gesunde Anschauungen und Parität verträglich seien, beant worte er dahin, daß der Vorredner gar nicht wisse, was Parität ist, weil er eben gar keine Ahnung davon habe, was katholisch ist. Redner schließt: Wir sind keine confesfionelle Fraction, denn wir treten mit derselben Entschiedenheit für die Freiheit der evangelischen Kirche ein, wie für unsere eigene, und wir haben auch die Rechte der Juden und Dissidenten stets geschützt. Widerlegen Sie dieS, und wenn Sie daS nicht können, so räumen Sie ein, daß wir wissen, was Parität ist. — Ministerpräsident Fürst BiSmarck: Ich will dem Vorredner auf das dogmatische Gebiet nicht folgen, ich antworte nur, weil er auf einige meiner gestrigen Aeußerungen Bezug genommen hat. Ich glaube wohl, daß der Vorredner die subjective Wahrheit spricht, er hält daS, was er sagt, sür wahr, aber ob dies auch objectiv wahr ist, darüber habe ch meine eigene Meinung. Was nun einen anderen Punkt betrifft, o habe ich schon gestern gesagt, daß wir im Ministerium einer Ma- orität für unsere Politik bedürfen, die wir von Ihnen nicht erwarten. Aber wollen denn diese Herren überhaupt Anstellung unter dieser Re- zierung haben? Ich glaube, nein, und wenn sie dies wollten, könnten ie ein solches Amt nach ihrem Gewissen und ihrer Ueberzeugung an- nehmen? Wenn dec Vorredner behauptet, seine Fraction sei keine confesfionelle, so kann man dies nach ihren Worten allerdings an nehmen, aber nach ihren Werken verhält es sich ganz anders. Wie motiviren denn die Parteigenossen die Wahlen, die sie erstreben? Hauptsächlich aus confessionellen Gründen. Der Ministerpräsident ver- iest einen Aufruf zur Wahl dcs geistlichen RatHS Müller, der mit >en Worten anfängt: „Gelobt sei JesuS Christus l" und bemerkt dazu: Ich verlese diese Worte ausdrücklich, damit Sie auS dem Text er- ehen, zu welchen Verleumdungen und Verdächtigungen der Name unseres Heilande? gemißbraucht wird. Glauben Sie, daß Jemand, der durch solche Mittel eine Wahl erschlichen, wirklich seine Wähler so vertritt, wie der Ausruf sagt? Eine Fraction, welche sich auS solchen Mitgliedern ergänzt, kann nicht verlangen, daß aus ihr die Mitglieder der Staatsregierung und die Oberpräsidenten gewählt werden, das sind ja Hirngespinnste. — Abg. Reichensperger (Koblenz) spricht in seiner Erwiederung gegen Virchow den Wunsch auS, daß in Berlin einige Klöster mehr und etwas Unsitte auf der Straße we niger bestehen möchte. Dem Ministerpräsidenten erwiedert er, daß er nicht in der Lage sei, jedes Wort in dem verlesenen Circular zu unterschreiben, daß aber ein solches Schriftstück nur verständlich sei, wenn man daS Manöver der Gegenpartei kenne; er begreife nicht, daß ein so hoch erfahrener Mann, wie der Ministerpräsident, so viel Aufhebens von einer solchen Sache mache. Wenn übrigens die Leute in Schlesien die heutige Virchow'sche Rede lesen, dann brauche seine Fraction kein Programm. — Fürst Bismarck erwiedert, daß er kein Aufhebens von der Sache mache, daß er daS Actenstück nur verlesen habe, weil ihm das Recht bestritten worden, die Fraction als eine con- csfionelle zu bezeichnen. Erschlichen nenne er etwas, waS man durch lnterdrückung der Wahrheit erreiche. — Bei der Abstimmung ward ie Position des Titels bewilligt und sodann um 4 Uhr die Sitzung auf Abends 7 Uhr vertagt — Die Abendsitzung beginnt bei schwach csetzten Bänken mit der Berathung deS Titel 19, Universitäten. — bg. vr. Virchow wünscht, daß bei Besetzung der Lehrstühle in einer anmäßigen Weise vorgegangen werden möge, wie es die moderne Wissenschaft erfordere, denn gerade darin liege ein Hauptvorwurf gegen