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212 Garantie erlangen, die direkten Wahlen, sobald die Arbeit fertig ist, nach Belieben an jedem Tage beschließen zu können." Das sei — so schließt die „Neue freie Presse" — ein verständiger, weil genau mit Ab wägung aller in Rechnung kommenden Faktoren coneipirter politischer Plan, der eine besonnene Methode verfolge und durch ruhige, konse quente, stätige Arbeit zum Ziele zu kommen suche. Ohne eine solche müßte man indeß immer auS einem Extrem in daS andere fallen. — Das ActionS-Comitö der sogenannten Altkat Holiken be- räth jetzt daS vom Pfarrer Anton auSgearbeitete Di öcesan-Statut. Der katholische Bischof wird hiernach von den Vertretern aller auto- nomen Gemeinden frei gewählt; er ist in der Leitung seiner Diöcese von Rom völlig unabhängig und hat sogar die auf ihn gefallene Wahl dem römischen Primatialstuhl erst dann anzuzeigen, wenn dieser Stuhl sich zum Widerruf der Unfehlbarkeit bequemt; bis dahin gilt derselbe als vakant. Erzbischöfe, Patriarchen, Primaten und Dom- capitel giebt eS fortan nicht mehr. Alle bischöflichen Acte sind un entgeltlich, der Bischof aber verwaltet, wie jeder andere Pfarrer, eine eigene Pfarre, die ihm seinen anständigen Unterhalt sichert. In außer- kirchlichen Dingen übt er über seinen LleruS nicht die mindeste Autorität. Agram, 23. Jan. Gestern haben hier erneuerte Verhand lungen mit den gemäßigten Nationalen Behufs eventuellen Zu standekommens einer Fusion mit den Unionisten begonnen. Belgien. Brüssel, 23. Januar. Die „JndSpendance beige" veröffentlicht folgendes Communiquä: In Folge der Arbeitseinstellung der Tischler- gesellen beschlossen die Patrone die Gewährung einer zehnprocentigen Lohnerhöhung sogleich nach erfolgter Wiederaufnahme der Arbeit. Wenn in den Werkstätten bis 30. Januar die Arbeit nicht wieder ausgenommen würde, werden dieselben am 31. geschlossen. Jt-lte«. Rom, 22. Januar. (N. P. Z.) Die Gegner der päpstlichen Unfehlbarkeit rühren sich auch in Rom ganz tapfer; von Neapel ist der dort erkrankte aber wieder genesene Bischof Stroßmayer hierher zurückgekehrt und dinirte neulich bei dem Herzoge von Sermoneta. Auch der ehemalige Larmeliter - Pater Hyacinthe, Abbs Loyson, ist von München hier eingetroffen. Die beiden Herren werden im Verein mit Andern hier Boden für den Münchener Congreß zu gewinnen suchen; möglich ist eS auch, daß ihre Anwesenheit mit der neuen Zeitung in Verbindung steht, welche die Alt-Katholiken hier gründen wollen. Kraulreich. Paris, 23. Jan. Der Marquis de Gabriac, welcher auS Berlin hier ringetroffen, wurde gestern von Herrn Thiers in einer längeren Unterredung empfangen. Er soll im Ganzen mit seinem Berliner Aufenthalt nicht unzufrieden gewesen sein. — Die vielen von den hiesigen Journalen verbreiteten Räumungsnachrichten oder Mit- theilungen über Anleihen, Verhandlungen mit Deutschland, über Ver schiebung deS ZahlungS-TermineS u. s. w. dürsten mit größter Vorsicht aufzunehmen sein. — Der Minister des Innern hat noch am Sonn abend Abend ein BeruhigungS-Telegramm in die Departements ge sandt, in welchem er alle Gerüchte über Bewegungen in Paris, Mar seille und Lyon als von den leidenschaftlichen oder feindlichen Parteien ausgehend und alS vollständig unbegründet bezeichnete; die Kund gebungen im Süden seien nur gegen die Besteuerung der Rohstoffe gerichtet. — Die Jnitiativcommisston beschäftigte sich gestern in Gegen- wart der Minister deS Innern und deS Krieges mit dem Amnestie antrag deS Deputirten Pressensä. Die Minister erklärten, daS gegen wärtig von den Kriegsgerichten angewendete Verfahren mache den An- trag gegenstandlos und man möge ihn deshalb fallen lassen. Zu diesem Verfahren bringt die „Patrie" eigenthümliche Enthüllungen. Es befänden sich in jedem Pariser Arrondissement noch Anhänger der Commune. Diese hätten ein LomitL gebildet, welche- folgendermaßen agire. Auf gedruckten Formularen müssen die Nachbarn der noch auf den PontonS befindlichen Angeklagten bescheinigen, daß die letzteren durchaus ehrliche und unschuldige Leute wären. Die Nachbarn thäten dies, theilS auS Mitleid, theils auS Furcht, theils auS Sympathie. Die Polizeibehörde bescheinige die Richtigkeit der Unterschriften und so würden die Formulare den Militärbehörden in Versailles übersandt, welche darauf hin die Freilassung verfügen. Kaum sei aber der Frei gelassene in Paris in seiner alten Wohnung angelangt, so fänden sich die Brüder und Freunde -ei ihm ein, machten ihn daraus aufmerksam, daß er noch dieser Compagnie und diesem Bataillon der Nationalgarde angehöre und sich beim ersten Trommel- oder Hornsignal auf dem alten Appellplatz einzufinden habe. Die meisten der früheren National garde-Bataillone beständen in ihren LadreS vollständig, da viele Führer und Offiziere nicht verhaftet worden seien und so werde binnen Kurzem die föderirte Nationalgarde wieder vollständig organisirt sein. Die .Patrie" behauptet, der Regierung sei dies Alles zur Genüge bekannt, auch sei daS Blatt bereit, Namen, Wohnung und Gewerbe der Comitö- mitglieder, sowie der Bataillonschefs anzugeben. Verhält sich die Sache wirklich derartig, so giebt sie immerhin zu denken, namentlich wenn man damit die 70,000 Gewehre in Zusammenhang bringt, die der „Figaro" neulich in gewissen Kellern entdeckt haben will. — Der Antrag Duchatel auf die Rückkehr der Regierung und dec Nationalversammlung nach P a r i s soll, wie einige Journale wissen wollen, gänzlich zurückgezogen werden, um die Gefahr eine« neuen ConflicteS der Meinungen zu vermeiden. Bekanntlich ist aber die Rückkehr nach Paris gerade einer von den Lieblingswünschen des Hrn. Thiers und eine Zurückziehung dieses Antrages, weil man seine DiScussion und Verwerfung fürchten muß, ist daher ebensowenig ge eignet als diese selbst, eine innere Annäherung zwischen den verschiede nen Gegensätzen herbeizuführen. — Zur Lösung deS „Rohstoffsteuer.ConflictS" hört man, daß die Commissionen u. A. sich geneigt zeigten, einen Theil der Rohstoffe mit 1H und 2 pCt. zu belegen, was etwa 25—30 Millionen ergeben soll. Wie aufgebracht übrigens Herr Thiers wegen dieser Differenzen be- onders gegen die Linke gewesen ist, daS beweisen die geringschätzigen Ausdrücke, in denen er von dieser Partei sprach. Ein Correspondent der „K. Z." bemerkt jedoch: Wenn ThierS sich auS verletzter Eitelkeit in Zukunft mehr den Ideen der Rechten anschließen wird, so werden die Conflicte doch nicht ausbleiben. Der erste dürste schon bei dem Unterrichtsgesetz entstehen, und bei der Militairfrage wird es nicht besser gehen. Wie er schon in der Zusammenkunft mit den Deputirten am letzten Sonnabend durchblicken ließ, beharrt er in einen Ideen gegen den obligatorischen Militairdienst. Noch deutlicher rat dieses in einer freundschaftlichen Unterredung hervor, die ein 'remder Diplomat mit ihm hatte, der im Auftrage seiner Kollegen zu -hm kam, um ihn auf die Gefahren aufmerksam zu machen, welche eine zu starke Einmischung des Präsidenten der Republik in die Kammer debatten nach sich ziehen könne. Der Präsident nahm die freundschaft lichen Bemerkungen des Diplomaten sehr beifällig auf und meinte, daß er die Absicht habe, seltener zu sprechen, daß übrigens keine Con flicte in Zukunft zu befürchten seien. „Und die Militairfrage" — meinte der Diplomat. „Die auch nicht", erwiederte ThierS. „Sie haben also den obligatorischen Dienst angenommen?" fragte der Diplo mat weiter. „Nein, daS nicht!" erwiederte Thiers äußerst lebhaft — „aber sie (die Deputirten) werden nachgeben." Unter diesen Umständen kann man sich wohl auf neue Conflicte gefaßt halten; auf jeden Fall wird die Rechte, die aus den Kämpfen der letzten Tage siegreich wie nie hervorgegangen, nicht mit sich spielen lassen. — Die „Opinion nationale" will wissen, daß in dem Momente dtr Demission des Herrn ThierS die bonapartistische Partei mehrere Offiziere eines Regiments der Pariser Garnison habe sondiren lassen. DaS ist auch durchaus nicht unglaublich; die Sachen liegen nun einmal so, daß Handstreiche denkbar find. Die Ultraradicalen waren jedenfalls im Begriffe, eine Bewegung in Paris hervorzurufen; sie zählten auf die 90,000 „Patrioten", welche für V. Hugo gestimmt hatten, und vielleicht auch auf die gleichgesinnten militairischen Wähler. Je näher man die Vorgänge der vorigen Woche und ihre möglichen Folgen ins Auge faßt und prüft — desto unverantwort- licher erscheint das Verfahren deS Herrn ThierS. — Der deutsche Soldatin Luneville, gegen welchen der Franzose Cremel seinen Mordversuch machte, ist nicht todt; er wurde nur verwundet und ist bereits von seiner Wunde geheilt. Er hat in einer Bittschrift an Kaiser Wilhelm um Begnadigung deS Meuchlers gebeten. In Pontarlier gab vor einigen Tagen ein preußischer Unter offizier Anlaß zu Unruhen. Derselbe wollte sich nämlich mit einer Witwe dieser Stadt verheirathen, und als dieS durch daS öffentliche Aufgebot brkannt wurde, drangen an zwei Abenden VolkShaufen in das Hau- der Witwe und zertrümmerten dort Alle-, was sie vorfanden. Die Behörden schritten jedoch ein und verhafteten einen großen Theil der Ruhestörer, von denen auch ungefähr dreißig zu 10 bis 30 Tagen Gefängniß verurtheilt wurden.