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und V(^i88en I^r. 50 — 28. ?eklusr I02Y ^ 8LcIi8i8cIie V«Ik8reikun8 ^Mi8cken tlennsMu und Glandern Von /oksnnes l^rauAott Nus der Dämmerung blinken die ersten Lichter weiträumiger Bahnt,ossanlagen. Der Zug durchfährt Tubize, bekannt durch seine grohcn Eteinbriich« für Pflasterstein«. Bald tritt die Bahn in die Provinz Hennegau (französisch Hainaul) «in. Vraiu«-le-Loml« (flämisch s Graven-Brakel) mit feinen Maschi nenfabriken fliegt vorüber. Di« letzte größer« Station vor Mons, das flämifch Bergen heißt, ist Jurbife, wo die Bahn aus Alh einmündet. Bald beginnt Belgiens wickstigstes Kohlen gebiet „Le Borinage". Mons, di« Hauptstadt des Hennegau, ist «ngesiillt mit bergmännislizem Leben. Sein« Umgebung birgt in dichtbesiedelten Dörfern die meist wallonischen Bergarbeiter. Nus Schritt und Tritt spürt man den Unterschied gegen das flämische Land. Ausfallend sind die vielen Easthöse und Ge schäfte. in denen Italienisch gesprock-en wird. Historischer Boden. Mons liegt an der Stelle einer von Cäsar geschaffenen Befestigung. Eine Romerstraße Lurck-qucrt die Stadt. In der Umgebung findet man noch heute Nest« römi scher Villen, römischer Lager und belgisch-römisch« Vegräbnis- stellen. Im Jahre 642 wird Mons urkundlich erwähnt unter dem Namen Costrilocus. Um 650 baut die hl. Waltrudis, auch Waldctrud« genannt, ihre Einsiedelei, aus der bald rin Kloster entsteht. Im S. Jahrhundert zerstören die Normannen die wer dende Stadt. Bergauf führt der Weg zur Kathedrale der hl. Waltrudis (Sie Waudrn). Neingotisch-er Stil. Ueber Jahrhunderte hin, von 1450 bis 4620 wurde an ihr gebaut. Ein Blick aus den mäch tigen Bau laßt das etappcnmäßig« Erstehen augenfällig wer den. Ueberall Skulpturen, Gemälde, Rcliguienschreine, Kristalle. Noch einen Blick auf den goldenen Neliquienwagen. Mit dem man an hohen Festen die Neliguien der hl. Waltrudis durch die El laßen fährt. Der einst als Palladium der Stadt betrachtet wurde. Dicht dabei der Velfried, alles beherrschend. Von den Spaniern 1662/72 errichtet. Mit berühmtem Glockenspiel. Jeden Sonntag spielen hier siebenundvicrzig Glocken. Unter dem Velfried das Schloß. Aus dem am 24. Mai 1572 Ludwig von Nassau den Herzog Alba vertrieb. Jahrhundertelang gehörte es bald diesem, bald jenem Beherrscher der Stadt. Drüben in lieb licher Ferne liegt das Schlachtfeld von Malplaquct, wo am II. September 1709 Marlborough und Prinz Eugen die Fran zosen entscheidend schlu-r. Das Nathans. Wuchtig, spätgotisch, beherrscht es die Grand' Place. Der gußeiserne Asse an der Treppe ist das Wahrzeichen der Stadt. Die prächtigen Schmiedearbeiten sind «in Abbild der Industrie des Landes. Dicht dabet, zwilchen dem Postamt und dem Iustizpalast die Kirche der heiligen Elisabeth. Außen umbaut und entstellt, innen schön, wenn sie auch an die Kunstschütze der Waltrudiskirche nicht heranragt, von Parma Statthalterin der Niederlande war. Wo 1708, am lasse ich den Zug. Willonisch und flämisch scheinen sich hier die Wage zu halten. Der Marktplatz eine Erinnerung an den Vormarsch 1914. Um die Kirche herum deutsche Geschütze. Ver rostet. Heute schweigt der eherne Mund, der einst eingestimmt in das Höllenkonzert des Weltkrieges. An einzelnen Häusern deuten Worte wie: „Keller 20 Mann" ebenfalls noch aus eine hart« Zeit. Wo man Keller als Unterkünfte benutzen mußte. O wäre doch mit der Kclleratmosphäre auch der Druck der Kriegspsychose von den Völkern genommen! Audennrde ist das nächste Ziel. Das flämisch« Land städtchen mit feiner bekannten Tuchindustrie und Pferdezucht. Wo Margarete van der Eheenst geboren, die als Margareta von Parma Stathalterin der Niederlande war. Wo 1708, ain 11. Juli Marlborough und Prinz Eugen die Franzosen schlugen. Auf dem Wege zum Marktplatz fällt das Denkmal Tacambaro aus, das 1867 zur Erinnerung an die in Mexiko gefallenen Freiwilligen der Stadt errichtet wurde. Der große Play, wo wohl auch die Pserdemärkte stattsinden, verdient wirklich seinen Namen Dort steht auch das Rathaus, rin reizender spät-* gotischer Bau aus dem 16. Jahrhundert. Das Portal seines Saals ist ein Meisterwerk der Holzschneidekunst. Aus der Turm spitze, aus vergoldetem Kupfer, das Wahrzeichen der Stadt „Hanske t' Krygerke", — eine Art Roland. Neben dem Rat haus die Tuchhalle, von der schon im 13. Jahrhundert berichtet wird. Seitdem hat sich hier die Tuchindustrie gehalten. Ein wenig weiter nach der anderen Seite steht die Kirche Sainte Walburge. die Walpnrgiskirche. Hier find die Kriegs- 'chaüen nur notdürftig ausgebefsert. Manches Kunstwerk harrt noch der Rückkehr an feinen alten Platz. Trauer befällt mich: sie wollen noch nicht weichen, die Geister, di« die Völker Europas «inst gerufen! Dicht neben der Kirche, mitten in einer Häusergruppe ein stark beschädigtes Haus, unter Denk malsschutz stehend. Ob das nötig war? — Sonst rings um die Stadt Felder und Wiesen. Die Flure» harren der Saat. Die Natur läßt sich keinen Denkmalsschutz auszmingen. Drüben nach Gent zu, liegt der Friedhof der alten Scheldcstadt. Sein« Mauern umschließen auch einen deutbhen Heldenfriedhof. Es ruhen hier 365 deutschc Krieger, die in den Lazaretten Audenardes ihr Leben verhauchten. Die «ine Hälfte liegt vorn, dicht hinter dem Eingangstor. Noch geschmückt mit den Eichenkreuzen, die Kameradenhand ihnen setzt«. Die Reihengräber cseuumfponnen. Die Wege sauber ge harkt. An der Wand eine schlichte Gedenktafel, aus der wohl der Ansang, aber nicht das Ende des Weltkrieges «ingezeichnet ist. Weiter hinten die andere Hälfte. Schmucklose Reihen- aräber mit kurzgeschorenem Rasen. Auch hi«r dir Wege sauber geharkt. Schablonenhafte Kreuz« aus den meisten. Wie ich sie gewohnt war von den Masscnfriedhösen um Loretto. Die so lieblos, so gedankenlos wirken. Zwei Cteindenkmäler da- zwischen, unter denen zwei Brüder schlafen. Wenige Tape nach einander gestorben. Alljährlich besuchen die Eltern diese Gräber, eine Ausnahme, die die Regel bestätigt. Die Regel, daß unsere Toten in fremder Erde vergessen sind. Wenn es nur die Toten aus diesem Friedhof wären. Co ein Grab für leden Tag des Jahres. Aber dies ist nur ein kleiner Aus schnitt. Drüben nach Westen und Nordwesten hin, wo der See wind rötliche Wolken jagt über den flandrischen Himmel, dort liegen der Gräber Abertausende. Ich muß stehen bleiben und den toten Kameraden meinen Gruß senden. Mit denen ich Seite an Seite gestritten. Die ihrem deutschen Volke getreu waren bis zum Tode. Und heute ausgelöscht scheinen aus dem Gedächtnis desselben Volkes. Heute kann ich sie nur aus der Ferne grüßen. Aber ich will nicht müde werden, der Heimat zu künden, daß sie da sind und noch heute im Kampf stehen gegen den Feind, der „Vergessen" heißt. Oie Verirrten Von Hermann Zenckeikack Sie waren den ganzen Tag gewandert. Plötzlich sank ein Nebel hernieder, und auch die Dunkelheit strömte ins Tal. Bald sahen sie kaum mehr die Bäume am Wege. Doch sie blieben heiter, sie waren ja auf der breiten Straße, sie konnten nicht irren, bald würden sie die Station erreichen. Sie schritten und schritten, die junge Frau begann müde zu werden. Doch immer noch sahen sie kein Dorf, kein Haus. Plötzlich war es auch nicht mehr die Straße, nur ein schlängeln der Wiesenpfad, bis sich bald auch dieser verlor. Er tröstete sie, der Tränen in den Augen standen. Doch wußte er selber nicht aus noch ein. Da sahen sie plötzlich ein Lichllein im Nebel, ein wenig er hoben aus einem Hügel. Sie jubelten aus und eilten glücklich dem Glanze entgegen. Cie kamen an eine bleiche Mauer, die sie für eine Hosmauer hielten. Doch es regte sich nichts, keine Stimme rief, und es bellte kein Hund. Da fanden sie auch ein Gittertor, sie klinkten es auf und traten ein. Auf kiesigem Wege schritten sie hin, dem Lichte ent gegen. Rechts und links ragte etwas auf, aber sie konnten es nicht unterscheiden, denn der Nebel war allzu dicht. Sie dachten, es seien Geräte im Hofe. Dann standen sie dicht vor einer Türe, darin ein kleines Fenstcrcken strahlte. Sie sahen hindurch und erblickten das Innere einer Kapelle. Plötzlich begriffen sie, wo sie waren: Auf einem Friedhof, und was sie für Geräte gehalten, waren Kreuze und Erabstctne. Er drückte auf die Klinke der Türe, aber die Kirche war verschlossen. „Ich fürchte mich hier", sprach flüsternd die Fra», und er fühlte das Beben des jungen Leibes. Cie eilten wieder den Weg zurück, wähnend, das es der selbe sei. Doch sie waren in ihrer Verwirrung und Angst un- Fritz Steffen saß und malte Männerchen auf sein Löschblatt. Fast mit ein wenig Neid sah er alle die gebeugten Rücken um sich herum, die emsig kritzelnden Federn. Er würde sich nie in den verzwickten Labyrinthen der Mathematik zurcchtsindcn — würde auch heute wieder fein Hcst ohne einen Federstrich darin abgeben müssen. Und dann — es stand ohnehin nicht gut um seine Versetzung. Wenn er se diesmal nicht schaffte, nahm ihn der Vater vom Gymnasium und brachte ihn in die Lehre. Sein Kopf duckte sich zwischen den etwas mageren Schultern — es kam ihn wie ein Frösteln an, wenn er an diese Lehre dachte. Irgend ein kaufmännischer Betrieb — Kontorlust. Registraturen, Warenballen — gesehen hatte er so etwas zwar nie, aber es graute ihm unsagbar davor. Nicht nur mit dem Studium von Kunstgeschichte und Germanistik war es dann für immer vorbei — alles Feine, Schöne, seine eigene kleine Welt, die er scheu in sich verschloß, würde man ihm dort ersticken und abtöten, so schien es ihm. Eonnnkringel und Vlätterschadcn schwammen auf seinem Heft hin und her — ganz deutlich sah er in diesem Augenblick den lichtllberspielten Waldweg draußen vor der Stadt, wo man aus halber Höhe einen so prächtigen Fernblick über das ganze Flußtal hatte — und wo man vor kaum drei Wochen den Kurt mit der kleinen Schußwunde in der Schläfe aufgcfunden hatte. Lieber Gott, der Kurt — an den mußte er jetzt immerzu denken. Fast zur Qual wurde es, wie sich die Gedanken ganz von selbst ansaugten und nicht zu lösen waren. Alle sprachen sie ja in der Klasse von dem Kurt, aber wie man eben bedauernd und verstört von einer so schrecklichen Sache spricht. Bei ihm war das ganz ander» — das fraß und bohrte sich alles so hinein in ihn und gab so wirre Träume des Nachts. Dieser lebensfroh«. wissend ans einen andern geraten und standen mit einem Mal« vor hoher Mnuer. Ringsum Kreuze und Erabeshügel. Ci, flohen zurück nach der anderen Seite. Auch dort nur wieder die nackte Mauer. Sie suchten und suchten, verwirrten sich immer mehr im Nebel. Nur Uber ihnen inmitten des Grauen» schwebte immer das bleiche Licht, das ewige Licht vor de» Tabernakel. Aber sie achteten nicht darauf. Er wollte, entlang der Mauer tastend, den Ausgang suchen. Doch stießen die Gräber dicht an die Mauer. Sie mußten übe» die Hügel steigen, und das Kleid der Frau blieb manchmal hängen an Kreuzen und Dornen. Da schrie sie auf, von Ent setzen gepackt. Ihre Knie bebten, mehr und mehr alter Kraft beraubt, so daß sie sich, wie sehr ihr auch graute, aus eine« Hügel setzen mußte Er sprach zu ihr, sie möge hier warten, er wolle allein den Ausgang suchen und sie dann rufen. Doch hatte er sich noch kaum entsernt, da packte sie noch tiefer das Grauen. Sie sah die Toten unter den Hügeln, die bleichen Gebeine, die grinsenden Schädel, die halb Verwesten. Mit bangem Schrei sprang sie auf vom Grabe, eilte, den Geliebten zu suchen. Cie rief seinen Namen, er hörte sie schreien, lief ihr ent gegen. Aber sie konnten einander nicht finden. Sie riesen sich wieder, tasteten, stolperten, stießen an Steine, umarmten Kreuze, brachen über die Hügel ins Knie, fprangen empor und riesen und suchten. Da sah sie etwas Dunkles erscheinen — o grauenvoll! — da erblickte er etwas Weißes vor sich wie ein Gespenst. — da schrien sie beide auf vor Entsetzen. Eins war dem andern Ge spenst geworden, ein Schreckbild des Grauens. Da brach sie zu sammen mit lautem Ausschrei. Nun begriff er doch, daß sie es war, niemand andres als die Geliebte, Er eilte z» thr, umschlang sie erschrocken, setzte sich aus den Hügel zu ihr und barg ihren Kops an seiner Brust. Schweigend verharrten sie lange Zeit, starrten voll Graue» in Nacht und Nebel. Doch da geschah es, daß ihre Augen zu« Lichte landen, das still und tröstend herniederslrahlte. Allmählich hoben sich Linien ab auf den Scheiben des Fen sters, ordneten sich, ihre Augen erkannten Form und Gestalte». Plötzlich stand leuchtend ein Bild vor ihnen, strahlend in Glorie: Ein osscnes Grab, die Wächter zerschmettert kauernd am Bode» und der Heiland ausschwebcnd in Macht und Glanz, Immer klarer trat es hervor, wundersam verheißend und tröstend. Ihr« Augen hingen dürstend daran. Ruhe strömte in ihre Seele». Das Grauen entfloh, Friede sank in geän.stete Herzen. So saßen sie aneinandergeschinlcgt, die Hände verschlungen, blickten ruhig empor zum Bilde. Und der Morgen kam, und der Nebel wich, und die Sonne schwang sich Uber die Hügel. Ein Bildwerk Uber die Breslauer Bischöfe. Mitte Mars wird in der Ostdeutschen Vcrlagsanstalt Breslau in bester Aus stattung ein großes Bildwerk erscheinen, das alle irgend erreich baren Bildtafeln der Breslauer Fürstbischöfe seit dem Jahre 1000 enthalten wird. Außerdem find sämtliche bcs.hösüchen Wappen beigegebcn. Der Herausgeber und Verfasser des Textes ist Studicnrat Dr. theol. Karl Kast"er. Das llnternebme» wird im katholischen Deutschland groß.em Interesse begegnen^ Von Oliok-Iotte Oükma ^ verwöhnte, elegante Junge, hinter dem alle Madels her waren — wer hätte dem so etwas zugetraut! Bloß weil ihn der Lehrer neulich einen unfertigen Jungen genannt hatte, der auch dies^ mal wieder die Versetzung nicht erreichen würde, weil er ander« Sachen im Kopf hatte, für die er noch längst nicht reif wart Nein — Nein — darum brauchte inan doch etwas so llngehener- liches nicht zu tun — der konnte es sich doch leisten, noch ein paar Jährchen die Schulbank drücken, dein brauchte doch um sein« Zukunft nicht bange zu sein! Aber ihm — ach Gott, ihn, war jetzt oft so furchtbar angst. „Hefte abgeben!" Fritz schrak zusammen. Hastig deckte e, das Löschblatt über die leere Seile und schob das Heft an das Ende der Bank. Es kam dann auch ganz so, wie er es sich gedacht hatte, Sein Ordinarius, bei dem er wohnte, sprach ihm freundlich zu^ als er ihm beim Schulschluß den üblichen vorbereitenden Brief an den Vater in die Hand drückte. Er sollte sich in den Ferien erst einmal tüchtig erholen und zunächst alle Bücher beiseite lassen, aber an Regentagen sollte er sich doch einmal recht einst- lich Uber die Mathematik hermachen. Er wüßte doch, daß man ihm wohlwollte, daß man ihn so gern zum nächsten Quartal durchschleusen möchte, aber er müßte auch das Seinige dazu tun. Fritz hörte nur mit halbem Ohr hin; mechanisch nahm er den Brief — mechanisch stopfte er daheim die Sachen in sein Kösferchen — noch hatte er Zeit, sein Zug ging erst gegen Abend. Dann stieg er hinaus in den Wald. Die Schatten waren ganz kurz: in der glühenden Hitze kocht« der Harzdust aus den Tannen, keine Erasspitze bewegte sich — wie etwas Körperhaftes stand die Mittagsstille zwischen de» Stämmen. Fritz wischte sich die Stirn — diese lastende Laut»