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.( Nr. 4L — L1Z. Jahrgang D-nner-tag den »». Februar IiichslschkUolksrcitlMg Erscheint tSgllch nachm, mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. ^ "!! 8'it in Wort und Bild- viertelMriich «- .<!" Dresden durch Boten S.4<» > An -an, Deutschland frei Haus S.SS in Oesterreich 4,4» L/ ^ ?. °bne ill,Girierte Beilaqe vierleliiibrli» 1,8« NL'LA KL «KNL r -- Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserate werden die «gespaltene Petitzeile oder deren RAM mit 18 4, Reklamen mit S« 4 die Zeile berechnet, bei Wiederholungen entsprechenden Rabatt. «nchdrnckeret, Redaktion und «eschäftSstellei Dredden, Piüut-er Straft« 4«. - Fernsprecher 1»«S AürRückgabe unverlangt. SchrtstMcke keine iverbtndltchkeit RedaklionS.Sprechstunde: II bt» 1« Uhr. Kaktee-Oenuü ist teuer, wertlos, gesunäyeitZscbäcligencl. Kalcao - Oenuü ist billix, veNvoll kür LrnLlirunx uns Oesuncltieit. wolilscstmeckeiill uncl delrirmmlicn. >Vir empkeklen unsere Sperlnlsortea ru 80 100 120, 140-200 pfg. per pkunä. Oerlinx Le I-ocKstrok, vresäen. blieclerlsgen in allen Stsätteilen. Die nervösen Rationalliberalen. Die anspruchsvolle Partei im Reichstage und in allen Parlamenten — sowohl in der Gesamtheit wie in den ein- zelnen Abgeordneten — sind und bleiben die National- liberalen, bis sie in ihren letzten Gliedern zerrieben wer den. Wer nationalliberal ist, siihlt sich stets als etwas Be sonderes: er hat entweder mehr Bildung — in der Regel nur Einbildung — als alle anderen, oder mehr Besitz, oder gehört zn der „Gesellschaft". Daher seine vielen Ansprüche: inan könnte hierüber ganze Bände schreiben. Die Liberalen können es nie verstehen und werden es nie lernen, andere Parteien als gleichberechtigt anzusehen und zu behandeln: daß sie in Reih und Glied mit diesen marschieren sollen, daß sie nicht Alleinherrscher sind, geht in ihre .köpfe nicht hinein. Jeden Tag eine Extrawurst. Diese Heraushebung ist zum Teil auf ihre frühere Bedeutung im Reichstage zurückznführen, wo sie einstens die Mehrheit hatten und rücksichtslos — befahlen. Der entthronte Abdul Hamid kann nicht verstehen, daß er nichts mehr zu sagen hat: Bismarck war todunglücklich über seine Kaltstellung, und die Liberalen erhalten stets einen Schüttelfrost, wenn sie a» die einstige Größe und die heutige Schwäche denken. Und doch müssen sie an die eigene Brust schlagen und sich sagen, daß sie ganz allein schuld sind an dem Niedergange ihrer Partei! Wie wurden sie von der Regierung verhätschelt. Das Volk stand anfangs der 70er Jahre auf ihrer Seite. Warum hat es in Massen die libe ralen Reihen verlassen? Weil die Unfähigkeit der Führer Enttäuschungen brachte, weil die liberale Weltanschauung nicht aufbanend und erhaltend, sondern zersetzend wirkt. In der Geschichte des Liberalismus aller Länder bleibt der Niedergang des deutschen Liberalismus das lehrreichste Blatt. Die Blockperiodc sollte eine künstliche Aufpäpelung des Liberalismus einleiten: aber obwohl dieser nur auf Krücken, gehen konnte, stellte er doch Anforderungen und Ansprüche, wie wenn er der Alleinherrscher des Reiches wäre. Der liberale Terrorismus sprengte den Block. Seither aber lernt man diese Partei erst recht in ihrer Hohlheit und Nacktheit kennen. Wenn sie mit der Re gierung geht, dann fordert sie Alleinherrschaft. „Alles schweige, jeder neige" vor Bassermann sich Wenn sie in politischer Kurzsichtigkeit die ödeste Hetze gegen die Mehr heit und die Grundfesten des Reiches führt, dann verlangt sie noch besondere Schonung und spielt schnell die Rolle der gekränkten Unschuld, wenn man ihr diesen Spiegel vorhält, wie es kürzlich im preußischen Abgeordnetenhause geschah. Ob mit oder gegen die Regierung: liberal sollen wir stets regiert werden, so lautet das Abc dieser Partei, und sie sorgt für die Durchführung dieses Grundsatzes durch „Wahrung der Personalien". Man prüfe einmal die lei tenden Männer und namentlich die Geheimräte auf ihre politische Ueberzeugung: 95—100 Prozent nationalliberal sind sie alle. In der heutigen Rcichstagsmehrhcit ist es ein offenes Geheimnis, daß die meisten Minister und Staats sekretäre viel lieber mit den Liberalen gehen würden als mit Konservativen und Zentrum. So hat der Liberalismus immer seine Günstlinge und Lehrer im Ministerium. Wenn nach außen hin Theaterdonner aufgeführt wird, darf man sich darüber nicht täuschen: das gehört zur Maschinerie. Hinter den .Kulissen wird das Mehl gemeinsam gewonnen. , Am spaßigsten erscheinen die heute so entrüsteten Nationalliberalen, weil die Konservativen ihnen die Vasallendienste kündigten. Seit 24 Monaten führen die Liberalen die verlogenste Hetze gegen die Konservativen: sie dringen in deren Besitzstand ein. Dies alles sollen sich die Konservativen gefallen lassen und gar wohl noch Beifall klatschen, wenn man ihnen die Haut abzieht. Da solche Ansprüche und Handlungen aber doch zu schmerzhaft sich gestalten und die Konservativen sich wehren, so vollziehen die Liberalen einen Heidenlärm und schreien auf der ganzen Linie über die konservativen Friedensstörer. Wer sich von den Liberalen nicht ausräubern läßt, der ist in ihren Augen ein Friedensstörer, gegen den man am liebsten die gesamte Regierung mobil machen würde. Diese eine Tatsache zeigt den Liberalismus in seiner ganzen Anmaßung und Bru talität, zeigt jene gefährliche Partei in ihrer heutigen Haltung. Wir haben gar nichts dagegen einzuwenden, wenn die Liberalen wie andere Parteien mitarbeiteten: wir wollen sie absolut nicht ausschließen. aber wir wehren uns mit allem Nachdruck gegen die Vorherrschaft derselben. Jetzt suchen sie diese sogar mit den Sozialdemokraten zu erreichen und schließen offene und geheime Verträge mit diesen ab. Daß solche Abmachungen schon bestehen, wissen wir ganz bestimmt. Daraus ziehen wir die Nutz anwendung, daß Konservative und Zentrum sich auch zu verständigen haben und keinesfalls bei den nächsten Wahlen sich so verhalten dürfen, daß die Liberalen oder Sozial demokraten den Gewinn erhalten. Diesmal muß die alte Windthorstsche Taktik „Das kleinere Uebel" sich schon in der Hauptwahl zeigen. Die Zusammensetzung des Reichs tages, nicht die Zählung der Stimmen, ist das Ent scheidende. Diese Generalregel gilt auch für das Zentrum. Wie sie in den einzelnen Wahlkreisen anzuwenden ist, be stimmen diese. Aber man muß die Wähler auf diesen Kern der kommenden Wahlparole schon jetzt aufmerksam machen. Die Parole lautet: unter allen Umständen gegen das liberal-sozialdemokratische Reichsregiment! Die anttkirchliche Hetze. Unser vatikanischer Korrespondent schreibt uns unter dem 20. d. M.: Ich habe in meinem letzten Briefe klar und ausführ lich über die Stellung des Vatikans zu den Feierlichkeiten während des Jubiläuuisjahres 1911 geschrieben. Diese Stellungnahme des Heiligen Stuhles kann mit wenigen Worten folgendermaßen gekennzeichnet werden: Der Vati kan wird während der Tauer der Feierlichkeiten eine wür dige, reservierte Haltung einnehmen. Diese Stellungnahme wird ihm durch den ausgesprochenen antiklerikalen Charak ter der bevorstehenden Feierlichkeiten auferlegt. Es handelte sich vor allem um die Haltung des Vati kans zu den eventuellen Besuchen fremder Staatsober häupter. Wird der Heilige Vater sie empfangen oder nicht? Diese Frage gilt natürlich für die nichtkatholischen Fürsten, denn für jene, die römisch-katholischer Konfession sind, bleibt selbstverständlich das alte Prinzip aufrecht. Nach verläßlichen authentischen Informationen habe ich früher geschrieben, daß der Heilige Vater die nichtkatho lischen Souveräne, die eventuell zu den Jubiläumsfeierlich keiten nach Rom kommen würden, nicht empfangen werde, weil angesichts des antiklerikale» Charakters der Festlich keiten das betreffende Staatsoberhaupt sich trotz Protest und rokorvatio mkiitali« mit den Beleidigungen gegen den Heiligen Stuhl solidarisch erklären würde. Alle ehr lich denkenden Menschen werden die Billigkeit dieser Ent schließung des Papstes ohne weiteres begreifen und gut heißen. Ans dem Gesagten geht klar hervor, daß der Hei lige Stuhl keinen Anlaß hatte, die Mächte durch eine diplo matische Note von seiner Stellungnahme zn den eventuellen Besuchen fremder Souveräne in Kenntnis zu setzen. Auch die Zeitungsente bezüglich stattgefundener oder stattfinden der Unterhandlungen zwischen der deutschen Negierung und dem Vatikan über einen Besuch Kaiser Wilhelms in Nom ist grundfalsch und völlig aus der Luft gegriffen. Die deutsche Presse und die jüduch-freimaurei ischen Journale des Auslandes haben den Versuchsballon von einem Besuche des deutschen Kaisers in Rom zu einer heftigen tendenziösen Campagne ausgenützt. Der Zweck der letzteren ist nur, die Kirche zn diskreditieren und überall Haß »nd Zwietracht zn säen. „Wenn der Kaiser es unterläßt, Rom zu besuchen," schrieb ein deutsches Blatt, „so ist der Vatikan schuld daran . . ." „Der Vatikan ist," schließt das tapfere Blatt mit einer bemitleidenswerten Logik, „der Feind Italiens, der Feind des Dreibundes, der Feind des allgemeinen Frie dens." Ein anderes Blatt weiß seinen Lesern folgendes Märchen zu erzählen- „Das Staatssekretariat Sr. Heilig keit ist in der Frage des eventuellen Besuches des Kaisers überhaupt nicht gefragt worden-, die deutsche Regierung brauchte sich nicht vor dem Heiligen Stuhle zu demüti- gen (!), uni solche Konzessionen (?) zu erreichen-, den Heili gen Stuhl geht die ganze Sache nichts an . . . Der Vati kan wird von den Negierungen boykottiert: er ist eine untergegangene Sonne." Für uns Katholiken ist aber der Heilige Vater und die katholische Kirche keine untergegnngenc Sonne, selbst für die Gegner ist er ein Faktor, der in jeder internationalen Frage das Zentrum der heftigsten und interessantesten Po lemiken ist. Wäre Kirche und Papsttum eine untergcgan- gene Sonne, so würde man sich mit ihnen nicht mehr be schäftigen. VolMsche Rundschau. Drei den, den 22. Februar ISN. — Der König von Sachsen hat dem Staatssekrctär des Innern StaatSmintster Dr. Delbrück das Großkreuz mit dem goldnen Stern deS AlbrechtSordens verlieben. — Dem päpstlichen Dekret vom 20. August v. I über die administrative Amtsenthebung von Pfarrern ist von der bayrischen Regierung da« Plazet erteilt worden. — Der Reichstag beriet am Dienstag den Etat des Reichsjustizamtes. Der Zentrumsabgeordnete Dr. Beizer leitete die Debatte mit einer klaren Uebersicht über die schweren juristischen Fragen ein, wobei er namentlich her- vorhob, daß in weiten Kreisen das Volk wenig Vertrauen zur Justiz habe: die Richter möchten sich dies merken und dem Gerede von der Klassenjustiz keinen Vorschub leisten. Der Sozialdemokrat Frank polemisierte gegen das noch nicht im Entwürfe vorliegende Strafgesetzbuch, was ihn« Staatssekretär Lisco mit Recht entgegenhielt. Der frei sinnige Abgeordnete Dr. Ablaß unterhielt das Haus über den bekannten Prozeß Becker-Maltzahn über zwei Stunden lang, ohne daß er etwas Neues vorbrachte. Das Interesse des Hauses erlahmte dabei so stark, daß keine 50 Abgeord- nete mehr anwesend waren. — Die Debatte ging nicht zu Ende. , . — Das preußische Herrenhaus hielt am Dienstag seine 3. Sitzung und erledigte in kurzer Debatte einige kleinere Vorlagen. — Nächste Sitzung Mittwoch. — Das preußische Abgeordnetenhaus setzte die Bo- ratung des Eisenbahnetats fort und bewilligte die Ein nahmen aus dein Personen und Güterverkehr. Der Wunsch der Zentrumsabgeordneten Freiherrn Henckel v. Donners- marck lind Goebel auf Ermäßigung der Gütertarife für die schlesische Kohle wurde vom Minister v. Breitenbach abge- lehnt, ebenso die vom Abgeordneten Macco (Ntl.) gewünschte allgemeine Tarifermäßigung. Die freisinnigen Abgeord- neten Schepp und Wenke wünschten erweiterte Gewährung von Fahrtermäßigungen (Schülerfahrten, Arbeiterkarten usw.). Bei den Ausgaben begründet der Abgeordnete Schmedding (Ztr.) einen Antrag betreffend gleichmäßige Festsetzung des Gehaltes für Assistenten mit dem Reiche. — Mittwoch Fortsetzung. — Dir Besserung der RrichSfiuauzeu zeigt sich mit jedem MonatSabschluß; bis Ende Januar haben die Ein- nahmen ein Plus von 34 Mill. Mk. ergeben. Der zehn- monatige Ertrag hat den ganzen Jahresetatsanschlag bei der Börsensteuer um 1,2 Mill. Mk.. bei der Prtvatlose- steuer um 3,4 Mill. Mk.. bei der Tantiemesteuer um 0.1 Mill. Mk., bei der Kraftfahrzeugsieuer um 0.5 Mill. Mk.. bei der Erbschaftssteuer um 0.8 Mill. Mk. und bei dem Grundstücksübertragungsstempel um 10,9 Mill. Mark überschritten. Einige weitere Steuerquellen ver sprechen eine Ueberschreitung oder wenigstens eine Er reichung des Etatsanschlages für das Ende des Rechnungs jahres, so der Frachturkundenstempel. die Pcrsonenfabr- kartensteuer, die Brausteuer, die Zuckersteuer, die Zigaretten- steuer. Dagegen gibt eS auch einige Steuern, die höchst wahrscheinlich unter dem Etatsanschlag bleiben werden. Dazu gehört zunächst und zwar mit einer ganz bedeutenden Summe die BranntweinverbrauchSabgabe. Aber alles in allem steht man deutlich, daß der Etat einen guten Ab schluß liefern wird, der dann zur Schuldentilgung dient. — Zur Mühlbergscheu Rede wurde der Kölnischen VolkSzeitung gegenüber dem neuen veröffentlichten Berichte eines Festteilnehmers aus der Augsburger Postzeitung ebenfalls von einem Teilnehmer an dem KaiserSgeburtstagS- essen in Rom geschrieben: „Gegenüber der Aeußerung eines süddeutschen Blatte», daß der „Eindruck der Rede" des preußischen Gesandten v. Mühlberg beim Kaiserdiner „niederdrückend war", kann ich als Teilnehmer am Festessen erklären, daß ich von diesem „niederdrückenden Eindruck" nicht das geringste ge merkt habe; ebensowenig auch, daß man „stumm die Gläser angestoßen" „und eisiges Schweigen" gefolgt sei. Im Gegenteil stimmten alle anwesenden Herren in das Hoch auf den Kaiser mit Begeisterung ein und die Unterhaltung war nachher wie vorher gleich lebhaft." Darauf veröffentlicht der römische Gewährsmann der Augsburger Postzettung in der gestrigen Nunimer folgende Antwort: „Gegenüber der Beschwichtigung der Kölnischen Volks zeitung Nr. 131 halte ich meine Darstellung der Vorgänge bei der Rede des preußischen Gesandten v. Mühlberg voll aufrecht. Wenn die Kölnische VolkSzeitung wirklich etwas berichtigen zu müssen glaubte, so konnte sie etwa sagen, daß der Artikel aus einer Konjunktur heraus geschrieben war, die in dem Moment, wo derselbe in der Augsburger Postzeitung erschien, schon überholt war. Die hier und anderwärts herrschende pessimistische Auffassung hatte sich inzwischen geklärt. Das liegt aber an den Zufälligkeiten der italienischen Post." — Die Kaiser-Hetze wegen der unterbliebenen Romreiss geht im „Berl. Tagebl." ruhig weiter; es hat den früheren Minister Baccelli ausgehorcht, der großmütig meinte: „Wenn der Kaiser nicht kommt, soll man daraus kein» übertriebenen Konsequenzen ziehen, soweit die italienischen! politischen Kreise in Betracht kommen. Diese zweifeln nichL an Deutschlands Bundestreue und Freundschaft. Allein! bei dem Volke, das sich von äußerlichen Dingen beeinflussen! läßt, würde das Nichterscheinen des Kaisers dessen Beliebt heit, sowie der Sympathie für Deutschland in hohem Grads schaden. Der Dreibund würde zwar darum nicht gleich in die Brüche gehen, denn er ist durch Artikel und Paragraphen festgelegt, an die die Kabinette sich halten müssen. Allein das Fernbleiben des Kaisers, während Falliöres kommt» würde in der italienischen Volksseele tiefe Spuren hinter lassen. Denn das italienische Volk würde sich sagen: Zwi schen dem Vatikan und Italien wählend, hat der protestan tische deutsche Kaiser, in dessen Reiche einst ein Martin Luther erstanden, den Vatikan vorgezogen." Großartig! Das stets unzuverlässige Italien will vnU Vorschriften machen über Bundestreue. Mit dem ratest