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-tr. rrOS — L«». Jahrga», Mlriw»ch de« «. TePLember IVI» »rl»etn> «Salich na«m. mtl «uSnahme der Sonn- und Ieslt-Igk. BaOaad» t mll .Die Zeit >n Korl und Niid- vierleltShrNch L.N» In Dre-ve» durch Bolen 2,41» In «an» Peullchliind srel -au» 2 S2 4k! tn Oeslerretch 4.1» X. » In Dre-den Hau« 2.22 ohne llluNrlerle Beilaa» dlerleljAbrllM l,»»a 4». >n durch Boten 2 1« In gaiijDeMchland frei 2 U»! l» vellerrelch 4 «? X - »lnjel Br. IN 4. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat« werden dle Ngelvaltene Pekll^elle oder deren R.ium mll 1L ^ BeName» mit kt» 4 die Zeile derechnel. bei WU deri,o>>u,^,n enilprechenden Nabalt. Buchdenllerel, »trdakllon und MeschüslSsielle! Dreddcu, Billultzer Strafte 4». — I, rulprecher I»««« IürSiSckgabe „uverlan«». SchrlstftiliketeineVerblndltchlett NedaklionS Sbrechslundc: I I bi» 12 Uhr. t^orn8pr. 8S7S 8psrisl - pv1rv»L«-on- unü Uütrvng08ohLtt IDpsscisn-^., sZiliAsipalZe 26 eek« Vibtoeiasiesss«, de« i.l»nd»tsnd>»c>,vn Ssnb klspseatwesn unkt blsu-änfseiigunßsn Die Ariedensdemonstraiion der Genossen. Dresden, den 5. S>p»ember 1911. Mit Staunen werden die Reichsdentsci)en gelesen haben, daß am Sonntag im Treptower Park „Hunderttausende non Arbeitern und Arbeiterinnen" versannnelt waren, um. wie die hiesige sozialdemokratische Zeitung so schön sagt. ..über politische Hochstapler und Kriegshetzer zn Gericht zn sitzen". Wo sind diese Kriegshetzer? sragt man sich. Wo sind jene.Kreise im Deutschen Reiche, „die in verbrecherischer Weise die Brandfackel zwischen die Nationen Wersen"? Wer will denn den frivolen Krieg? Wir kennen in Deutsch land nur zwei Blätter, die einem Verleger gehören, die in KrieqSsport tun; wir kennen auch zwei Münchner Do zenten, die in diesem Handwerk reisen und die eine P'' n- tafie besitzen, die wohl zum Romanschreibcn befähigt, u'cht aber zur Politik. Es mögen dann auch noch einige Tausend Alldeutsche da sein, die immer nach „kalten Wasserstrahlen" rufen, die man anderen verabreichen soll, nicht aber ihren überhitzten Köpfen. Sonst aber kennen wir niemanden, den man der Kriegstreiberei schuldig bezeichnen könnte. Unsere Negierung bewahrt Nnhe und Besonnenheit, führende mili tärische Maßnahmen sind nicht getroffen; die Börse ist rnhig und nicht im Fieber, das hier so schnell auftritt. Alle gro ßen bürgerlichen Parteien fordern nur Entschiedenheit und Ausdauer. Alle unsere Soldaten sind wie jedes Jahr ruhig in die Manöver abgceilt und im ganzen Reiche zerstreut. Nirgends also eine ernste Andeutung von Kriegsmaßnah men. Und nun doch der rote Protest gegen den Krieg! Dieser Protest aber richtet sich nicht gegen Frankreich, das seine Manöver abbestellt hat, nicht gegen England, das alle seine beurlaubten Offiziere plötzlich zur Fahne ruft, nein, er richtet sich und darin liegt das Scha m lose — gegen dieeigenen deutschen Volksgenossen! Aber es kcmmt noch ein erschwerender Umstand dazu. Wir wissen, daß Frankreich und England Anstalten treffen, die auf eine Mobilmachung Hinziele», wir wissen, daß Bel gien seine Festungen mit Kriegsgeschossen versehe» hat, bei uns ist all dies nicht. Und trotzdem protestieren nun die Sozialdemokraten in England, Frankreich und Belgien nicht, Wohl aber in Deutschland, wo alles seinen gewohnten Weg geht. So wird dieser Protest nicht nur zur Lüge, sondern zur Förderung der Kriegsströmnng. In anderen Ländern sagt man ganz offen, daß Deutschland einen Krieg wolle, nian sehe es ans der Demonstration der Sozialdemokraten, die für den Friede» eintrete». Was die deutsche Sozial demokratie derzeit dem Reiche schadet, ist unermeßlich. Es gibt keinen Ansdruck, der dieses schamlose antinationale Ge baren scharf genug kennzeichnen kann! Woher kommt aber die rote Großsprecherei? Sie dient in erster Linie den Parteizwecken. Man hat heute nichts zu protestieren, darum erfolgen die lärmenden Friedenskund gebungen in Deutschland; man will damit die kommenden Wahlen beeinflussen. Das ist aus dem Verlaufe der Ver sammlungen und den Resolutionen zn ersehen; in der Trep tower Entschließung heißt es zum Beispiel: „Weiter erklären die Versammelten, daß sie sich durch den von den Interessenten entfachten Kriegsrummel nicht abhalte» lassen werden, bei der nächsten Reichst ags- w a h l Abrechnung zn halten mit dem volksfeindlichen und volksansbeutenden Verhalten der jetzt herrschenden Par teien und den hinter ihnen stehenden Regierungen, indem sie mit allen Kräften für die Wahl der sozialdemokratischen Kandidaten cintreten. Denn einzig und allein in der So zialdemokratie finden die Interessen der arbeitenden Bc- völernng ihre Vertretung und nur durch die Sozialdemo kratie werden die Forderungen der Kultur und der Völker freiheit erfüllt." Auf die Ncichstagswahlen läuft also der ganze „Kriegs rummel" hinaus. Die führenden Genossen wollen den Mitläufern und Anhängern die Macht ihrer Partei zeigen; sie werfen ihnen so lange großsprecherische Phrasen um den Kopf, bis der simple Anhänger sich zn dem Wahne ver- steigt, er und seine Partei seien es, die de» Weltfrieden diktieren. So kann man es jetzt jeden Tag in der roten Presse lesen und der Leser glaubt an diese Machtverherr lichung so gern. Was die Sozialdemokraten als Friedens kundgebung bezeichnen, ist in Wirklichkeit die erbärmlichste Umschmeichelnng der Masse, ist elendeste Demagogie, die die Macht der Partei stärken soll. Die Sozialdemokratie braucht solche Machinationen, weil sie sonst nicht leben kann. Früher hatte sie den Zukunftsstaat, mit dem sie lockte. Alle Redner vor einem Jahrzehnt schlossen »och mit dem Hinweise ans dieses irdische Paradies, das die An hänger begeistern sollte. Heute zieht dies nicht mehr; der Zukunftsstaat ist in die Rumpelkammer gewandert; man hört und liest nichts mehr von demselben, die Genossen schämen sich, wenn man von diesem nur spricht. Positive Arbeit kann die Partei des Niederreißens nicht leisten und darum braucht sie alle Jahre ein anderes Schlagwort zu? Demonstration. Jede Gelegenheit wird dazu benützt, sei es der Tod eines bekannten Genossen oder ein neues „Wahlrecht", oder „Verteuerung der Lebensn'ittel" oder eine „Friedensdemonstration". Alles ist eitel Mache, die der Masse die Bedeutung der robm Partei kund tun soll. Alles soll der Agitation dienen. So soll aus den Köpfen der Genossen der Begriff Vater land verschwinden, man sc ' international werden, während die Sozialdemokratie aller anderen Staa - t e n keinen solchen L a » d ' Sverrat treibt. Darum ist eS auch schwer verständlic!. daß die Berliner Behörden am letzten Sonntage die ueuei > Demonstration gestattet haben, daß sic indirekt niithalseu im Auslande den Eindruck zn verstärken, als bedürfe es tan uns einer Demonstration fü> den Frieden. Das denlnhe Volk ist friedlich gesinnt, das be weisen die letzten -10 es ist aber auch entschlossen, seine Ehre und llnabbau stgkeit gegenüber -edermann mit allen Machtmitteln zn verteidigen — trotz einer Partei, die mit ihrem Maulhelden!nm dem Ansehen des Vaterlan des schadet! Hohenfinow und — Norderney. Zwei liberale Blätter haben die Geschmacklosigkeit, eine Parallele zwischen dem einsamen Hohenfinow, wo der Reichskanzler wohnt, und der belebten Sommervilla des früheren Reicl-skanzlers Fürsten Bülolv zu ziehen und daru, zu sagen: Hier der Einsiedler und Eremit, der ein Welt reich leiten soll, dort der geschäftskundige Weltmann, der leider ausgeschifft sei. Wir finde» in diesem Vergleiche eine Geschmacklosigkeit sondergleichen; wir nehmen ihn aber ans, nm der historischen Wahrheit willen und um kine Legende» aufkommen zu lassen. Fern liegt uns dabei, daH wir zu einem Lobredner des heutigen Reichskanzlers wer den, aber man soll auch auf die unfähige Stirn keinen Lor beerkranz winden. Wie sagte Gordon von Kröcher in jkvlir so deutlich: „Dem Minien flicht die Nachwelt keine Kränze." Zutreffend ist, daß der heutige Reichskanzler in seinem Sommersitze - er hat die feinsten Kirschen der Mark und prachtvolle Alleen ans seinem Gute — ziemlich allein ist und daß politische Besucl>e selten sind; er empfängt solche und lädt Politiker und Parlamentarier zu sich ein, ohne, daß viel Lärm gemacht wird. Als der Schnnkelwalzer von Nordernetz 1907 eingelcitet und 1903 fortgesetzt wurde. n>ar es freilich anders; damals tanzten zu aller Welt Belustigung Herr v. Payer und Graf Mirbach zusammen Mazurka; aber wie sie die Rechnung des politisclzen Festmahles bezahlen sollten, hatte die Partei des Herrn v. Payer nur Löcher in den Taschen, aber kein Geld. Soll eine solcix' Komödie in der politischen Sommerfrische fortgesetzt werden? Bülow lebte nur vom Zeitungsruhm und war tief betrübt, wenn solcher anSblieb oder gar mit Angriffen avwcchselte. Ist es da ein politischer Verlust, wenn sein Nachfolge'- ernster ge stimmt ist? Aber eine Parallele ist nach einer anderen Richtung angezeigt. Man beantworte uns einmal die Frage: Was erreichten wir denn international unter dein cuhmseligen Bülolv? Die Weltlage war für uns günstig wie nie; Eng land war in Südafrika schtver gebunden; fremde Mächte loten uns ein Bündnis gegen England an. Bülow wollte keine „Reibungssläcl-en" schaffen und lieh schnell das Offert in London mitteilen. Dort lachte man über den deutschen Michel und nahm den Faden in nmgekehrter Richtung auf. Aus der englischen „tti>l<>n«lill iualntion" zn Anfang des ersten Jahrzehntes des 20. Jahrhunderts ist zu Ende des selben die Einkreisung Deutschlands geworden und nur dev greise Kaiser Franz Joseph rettete uns vor der vollendeten Isolierung, indem er bei dem berühmten Diner in Ischl dem engliscl>en König Eduard eine solche Antwort gab, daß eisiges Schweigen von da ab herrschte. Se'bst in der bos nischen Frage mußte Bülolv vom Kaiser geschoben werden. Verpaßte Gelegenheiten heißt die Politik Bülows und dabei soll er ein Diplomat gewesen sein. Das deutsche Volk Hai a» dieser Führung seiner Geschäfte übergenug. Von der .-luslandspolitik des größten Schul de nmachers reden wir lieber gar nicht Man kann es nun angesichts der heutigen Wendung der Anslandspolitik begreiflich finden, wenn man in der Nordernever Villa nicht sehr freudig gestimmt wird: denn der ..Einsiedler" hat in zwei Jahren mehr erreicht wie der „Seiltänzer" in einem Jahrzehnt. Wir würden das nicht «Armewerdet ihr immer bei euch haben" oder Der neue geistliche Kronzeuge de>- Sozialdemokratie. l. Die rote Presse hat ein großartiges Fnndlein gemacht- längst suchte sic nach einem katholischen Geistlichen, den sic ihren Genossen als Zeugen für die lautere Wahrheit des roten Evangeli vorführcn konnte. Nun ist ihr dies Glu k zuteil geworden, und durch die Spalten der roten PrZse Deutschlands läuft zurzeit ein Artikel „Arme werdet ihr immer bei euch haben", der zusammengestoppelt ist ans der Broschüre des Apostaten Feuerstein. Dieser, bisher Stadt- pfarrverweser in Gaildorf, bat sich in seinem Groll, daß er nach lljähriger Tätigkeit noch keine definitive Anstellung erhalten, hingesctzt und in einer Broschüre ..Sozialdemo Katie und Weltgericht" der Kircl>e den Fehdehandschuh hingeworfen Der Mann hat sich, das ist der Eindruck, den die Schrift macht, seinen Verstand verlesen an den Büchern der sozia listisch angelxmchten Schweizer Pastoren Kutter. Ragaz. wie an den Büchern von Marx und Engels, erst recht an denen der Adoentisten und Schwärmer für das tausend jährige Reich, an Irving und anderen Apokalyptikern. Jetzt sieht er das Weltgericht heranziehen, und zwar beginnt diese Katastrophe in allernächster Zeit, denn im Jahre 1932 erscheint Christus, um daS tausendjährige Reich auszu- riclstcn! Das hat Feuerstein genau ausgerechnet, nur Mo nat und Tag und Stunde dieses merkwürdigen Ereignisses, im Jahre 1932 hat er für sich behalten; aber ganz bestimmt 1932 beginnt die Sack>e, wer ihm nicht glaubt, zahlt einen Taler, denn Feuerstein ist sich bewußt, ein auserwählter Prophet des Herrn zu sein; sagt er doch von sich selbst: „Ich will euch sagen, vom Geiste Gottes in mir erleuchtet, was diese Bilder (der Apokalypse) zu bedeuten haben" (S. 127), und er rust den Adventisten zu: ..Nu», ihr Adventisten, habt ihr die neue Offen barung, aus die i b r feithe r g e wartet habt" 'S. 113). Wer so was liest, weiß, wen» er nutzt selbst ein solcher apokalyptischer Schwärmer ist. ohne weiteres, wie er den Mann und seine Broschüre zu beurteilen hat! Und das Oiesagte schon dürfte für die Erkenntnis genügen, daß man es mit einem Wirrkopf und Konfnsionarins pi tun hat, der ohne weiteres erledigt ist. Nicht so die rote Presse. Denn die Fenersteinsche Bro schüre strotzt von Schmähungen gegen die Kirclie. und so was kann sich ein rotes Herz nicht entgehen lassen. So wird den» der ganze Blödsinn von der roten Presse nachgedruckt. Mit Hochgenuß werden Stellen ausgeschrieben, die ledig lich Zeugnis geben von der Verschrobenheit ihres Urhebers! Feuersteins Leitgedanke ist der, daß die Kirck-c' eigen» lich eine Schutztruppe des Kapitalismus ist. dieses vom Teufel erfundenen Wirtschaftssystems. Der Kapitalismus ist nämlich »ach diesem neuen Propheten „ein sinnreich aus- gehecktcs System, es zu ermöglickxm, daß eine relativ kleine Anzahl von Menschen auf Kosten der großen Mehrheit unter möalichster Vermeidung von Mühe und Anstrengung ein Leben voll Luxus und Wonne führe» können" (S. 40). Man sicht, der Mann versteht die moderne Volkswirtsctwft aus dem ff. Boi solcher Bewertung des Kapitalismus als einer Satanserfindung ist es kein Wunder, daß der Mann von Sozialreforin nichts wissen will, das alles ist nur elende Flickarbeit, schlagt deshalb den ganzen Krempel in Scher ben Daher: „Nicht Reform, sondern Umsturz!" (S. 44.) Das Allheilmittel ist ihm die Einführung des Kom munismus, Abschaffung des Privateigentums, »nd daß die Kircl>e von solchen Verrücktheiten nichts wisse» null, das ist ihr schweres Verbrechen, das ihr Feuerstein immer wieder vorrückt I Sie müßte das Zinsnehmen verbieten wie im Mittel- alter! Denn der ZinS eines Kapitals ermöglicht lediglich dem Kapitalbesitzer cin arbeitsloses Schlemmerleben. Die rote Presse täte gut, die betreffenden Abschnitte bei Lassalle nachznlesen über das Zinsverbot im Mittelalter, wo bei den damaligen wirtschaftliche» Verhältnissen der Kredit ledig lich als Konsumtionskredit in Frage kommt und daher an ders zn beurteilen ist als der Produktionskiedit in der mo dernen Volkswirtschaft. Als Schutztruppe des Kapitalismus aber erweist sich nach Feuerstein die Kirche dadurch, daß sie dem Arbeiter, dem „ansgebeuteten, ansgeraubten, nm sein Me»scl>enrecht betrogenen Proletarier predigt, du sollt nicht stehlen aber dem Kapitalisten nicht ;nr»ft: X<>,, Ii,wt" (Es ist dir nicht erlaubt). Allem Anscheine nach weiß dieser Fanatiker nicht einmal, daß im Katechismus auch eine Rubrik „Himmel- tzlireiende Sünden" steht, »nd dort die Rcde ist von der Vorenthaltnng und Entziehung des verdienten Tage- und Arbeitslohnes, was doch gerade auf Arbeitgeber zielt, und die Enzyklika Leos XIII mit ihren Mahnungen an die be sitzenden Klassen über ihre Pflichte» den Nichtbesitzenden gegenüber nm ganz Alltägliches zu nennen ist immer roch nicht zur Kenntnis des Herrn Feuerstein gekommen. Als Schriftansleger überhaupt ist Feuerstein jeden falls eine großartige Kapazität. Er erzählt nämlich, die Kircl(e lege das Wort des Herrn: „Arme werdet ihr allezeit lei euch haben." dahin aus, daß an der Behebung der Armut der notleidenden Klasse» nicht gearbeitet werden dürfe, da nach dem Worte des Herrn die Armut gottgewollt seil? Als Zeuge wird Ketteler, der große Bischof, genannt, mit ein paar Worten aiiiS^ seinen Predigten! Ketteler! Hätte Feuerstein und die Genossen, die ihm seine unsinni ge» Sprüchlein nachbeten, nur einmal das Wirken des großen Mannes näher angesehen, dann tväre ihm zweierlei nicht entgangen: I. daß Ketteler selbst Hand angelegt hat