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Sächsische Volkszeitung : 22.01.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-01-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-190501226
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19050122
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19050122
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-01
- Tag 1905-01-22
-
Monat
1905-01
-
Jahr
1905
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 22.01.1905
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keine Entschädigung zu geben, sondern als Notstandsgeldor 3 Millionen Mark zu genehmigen. Die Abgeordneten Dr. Bachem und Dr. Spahn betonten insonderheit, daß eine rechtliche Verpflichtung seitens des Reiches nicht vor liege; man möge doch die Konsequenzen bedenken. Die Abgeordneten Singer (Soz.) und Dr. Müller-Sagan (VolkSpt.) erklärten sich auch bereit. Notstandögelder zu ge nehmigen. Der Zentrumsabgeordnete Erzbergec betonte, daß die Einschätzungen deS Schadens viel zu hoch seien; jeder Firmer habe seinen gesamten Schaden einschätzen dürfen bis znm letzten Knopf und davon seien nur 3 Proz. abgestrichen worden. Bei dem Manöverschaden gehe man anders vor. Auch müsse es tiefe Verwunderung Hervor rufen, weshalb Gouverneur Lentwein, der doch in Berlin weite, nicht zu den Kominiisionüberatungen zngezogen werde; I er könne. doch am sichersten Auskunft geben; es gehe doch ! nicht an. nun Leutwein ohne weiteres als Snndenbock in die Wüste zu schicken. Er müsse so den Eindruck erhalten, als ob man dein Reichstage nichts nutteilen wolle. (Sehr richtig!) Die Vertreter des BnndeSratS schwiegen hierauf. Der Abg. Dr. Bachem (Zentr ) betonte wiederholt, daß diese Summe auf das gesamte ÄufstnndSgebiet zu verteilen sei. also auch für die Schäden des Wilboi- und Bondel- zwartS-Anfstandeü in Anrechnung kommen. auf eine Ent schädigung lasse man sich überhaupt nicht ein. Dr. Spahn (Zentr.) verlas sodann einen bisher nicht publizierten Brief des Samuel Maharero an Lentwein. dessen Inhalt der Kommission nur vertraulich milgeteilt wurde und über den wir nichts publizieren dürfen, so wertvoll er zur Beurteilung der gesamten Frage des Ansstandes auch ist. Der Volks- parteiler Sturz beantragt nur I Million zu genehmigen. Dieser Antrag wnrde gegen die Stimmen der freisinnigen und Sozialdemokraten abgelehnt; der Antrag Erzberger und Dr. Bachem iZentr. >. zur Unterstützung aller Ge schädigten 3 Millionen anszmverfen. fond gegen die Stimmen der Sozialdemokraten Annahme, für 3 Millionen stimmten die Konservativen, Reichspartei. Ratioiialliberale und der Bund der Landwirle; der Antrag Bachem, die Summe ans das gesamte Sch.,»gebiet zu erstrecken fand einstimmig Annahme. Am Dienstag ist Weiterberatnng. Der fall drs Pastors Fischer zieht viele Wellen; jetzt werden die Schriftstücke publiziert, in welchen der Kirchen- gemeinderat der Berliner Martns-Genieiiide, an welcher der ungläubige Pastor wirkt, gegen diesen protestiert. Tie Positive» rieten zur Abwehr; die Parochialvereine der ersten Berliner Smiode verbreiten ei» Flugblatt, dnS mmiche inter essante Stellen enthält; es heißt hierin unter anderem: „Wir denken nicht daran, irgend jemandem seine Glaubens- und Gewissensireiheil anzntaslen. Ader auch Andersdenkende, wenn sie die Sachlage unparteiisch hetrachten wollen, werden zngehen müssen, das; die .Kirche nicht hestehe» tan», wenn sie von A mtswegen eine Predigt znlassen soll, die allc Grundlagen der christlichen GlgnhenSgemeinschgft verleng net. Bon unsere» Übereilen Gegnern wird nnS vorgeworsen. das; wir sie ihres Rechtes ans solche Prediger berauben wollten, die nach ihrem Sinne reden. Tieser Vorwurf be ruht ans einem Mis;verständ»iS. Niemand in der Kirche hat ein Recht darauf, das; ihm gepredigt werde, was er gerade gern hören möchte. Der Kirche ist der göttliche Berns an vertrant, das Evangelium zu verkündige». Diesem Berns darf iie keinem Mensche» zuliebe nntren werde». Das; i» ihrer Mitte Glieder leben, die sich die evangelische Wahr heit noch nicht im Glauben angeeignet haben, soll ihr nur ein Antrieb sein, ihnen diese Wahrheit immer eifriger und reiner z» bezeugen. Aber niemals darf sie um solcher willen, Serien das göttliche Wort eine z» barte Rede dünkt, den Vortrag minderwertiger und zurückgebliebener religiöser Aniclk-mnnge» gnlheißen. die das Ehristentnm ans die Stufe des fslam oder des Reformjndentnms brrabdrncken würden. Wir sind in unserem guten Rechte, wenn wir nnS dagegen zur Webr setzen. Es gilt das heiligste Gut unseres Volkes, es gilt linieren evangelische» Glauben, den Glaube» unserer Väler! Darum, liebe Brüder, seid fest, unbeweglich, und nehmet immer zu in dem Werke deS Herrn! Tie positiven Parochialvereine der Synode Berlin l." In den Berliner liberalen Kreisen herrjebt nach der „Tgl. Rnndsch." eine Auf regung, die „beinahe an die Prvtestkimdgebiiiige» gegen die Anshebnng des ^ des Iesnitengesetzes" erinnere. Der freisinnige Reichslagsabgeordnete Prediger Hoeck meinte dieser Lage ausdrücklich ans einer Protestveriammliing: Der Kamps gegen das Zentrum gelte auch zugleich der evan gelischen Ortlwdocie. Leider begreifen das manche glanbens- lrene Evangeliiche noch immer nicht" bemerkt hierzu die „Krenzzeitnng". Fn dem loninie» Gerede des Professors Mleiderer. der keine Lebrgrnndiätze, also keine Dogmen, son dern nur einen „Griindigtz des Lebens" gepredigt wissen will, bemerkt dasselbe Blatt: „Wenn i» der ebangelisclx'ii Kirche die Lehre in das Belieben der Prediger gestellt werden soll, dann wird man auch katbolis ch e und israeli tische Lehre ans ebangeliichen Kanzel» predigen dürfen. Dies zu verhüten, müßte man schon weitergehen und in der liberale» evangelischen Kirche nicht die Freibeit der Lehre, sondern ei» Verbot jeder Leine einsühre»; nur so könnte alles Siivranatnrcilisti'che, alles Transcendeiite, alles die unssonichaitliche Erkenntnis ttebersteigende ans der Kirche ferngebalte» werde». Es wäre dringend zu wünschen, das! die Liberalen eimnas in größerem Mas;stabe den Versuch mochten, ob eine solche doginenireie. rein ethische Kirchengc- mein'clxKt möglich ist. Es gibt ja reiche Nationalisten ge nug. n»! eine freie „Kirche" z» bilden. Warum bleiben sic in einer Kirche, die ans den Namen Gottes des Paters, Gottes des Solmes und Gottes des Heiligen Geistes taust und konfirmiert?" Als Katboliken baben wir alle Anlaß, die Sache eingebend zu verfolgen. Kardinal Fischer von Köln bat, wie wir gestern meldeten, an de» Kassierer des christlichen Bergarbeiter- b,indes z» Essen zur Unterstützung notleidender Bergarbeiter die Summe von 1000 Mark gesendet, und in dem Schreiben bemerkt: „Ich darf aber den Wunsch beifügen, das; es der im Rnbrgebiet tätigen Miilisterialkomiiiission gelingen werde, den für die weitesten Kreise verbängiiisbollen. den Woblstand, und was noch mebr ist. den für die gedeihliche Entwicklung niEercs Vaterlandes notwendigen sozialen friede» schwer sckiädigeiideii. traurigen Streik in geeigneter Weise z» beseitigen. Dazu bedarf es freilich der Besonnen heit und weiser Mäßigung beider Faktoren. Ich füge auch den anderen Wunsch bei, daß es sich ermöglichen lasse durch vorsorgliche Maßnahmen, namentlich auch durch Beihilfe der Gesetzgebung, für die Zukunst solche folgenschwere Vor kommnisse tunlichst zu verhüten." Freisinnige und liberale Blätter sehen darin einen Anstoß an die Gesetzgebung und hoffen, daß nunmehr die Negierung mehr Entgegenkommen gegen die Arbeiter beweise; schon aus Zentrninsfurcht! Das Zentrum selbst hat am letzten Sonnabend durch den Abge ordneten Herold im Abgeordnetenhause und am Freitag durch den Abgeordneten Stützet im Reichstage auch sehr deut lich erklärt, das; es ans seiten der Arbeiter steht. Diese Gabe des Kölner Kircheiifnrsten wird in allen katl)oliscl)en Ar beiterkreisen Befriedigung Hervorrufen, selbst der „Vor wärts" muß anerkennen, daß der Kardinal von Köln ein gutes Beispiel gegeben bat; wenn er von dem „nnendlicl)eii Sckiatz der reichen katholischen Kirche" spricht, so soll darin mir die Verdächtigung liegen, als sei die Summe nicht hoch genug! Nun wollen wir doch einmal abwarten, was so manche „nnendlich reiche" Sozialdemokraten spenden werden. Ta ist zunächst der Millionär Arons, steinreicher Schwiegersohn des Bankiers Bleichröder; wir haben noch nicht gelesen, daß er auch nur 1 Pfennig gespendet hätte. Und erst Singer, der all seinen Reichtum doch nur dem Schweis; der Arbeiter verdankt? Tietz, der reiche Verleger? Bebel, der reichgewordene Schriftsteller? Also nur nicht so gewöhnlich verdächtigen. Tie Tat des Kardinals zu Köln, wird in katholischen Kreisen gewiß sehr reichliche Nach ahmung finden. Eine am 20. d. M. in Bochum abgelialtene Ver sammlung von 7000 ausständigen Bergarbeitern nahm ein stimmig einen Beschlnßantrag an, welcher gegen die Ab weisung der rechtmäßigen Vertretung der Bergarbeiter durch den Bergbaulichen Verein Verwahrung einlegt und die Er wartung ansspricht, daß mit ihr über die Forderungen der Arbeiter, welche nur zu gerecht seien, verhandelt werde, um im allgemeinen Interesse znm Frieden zu gelangen. Von der Regierung erwarte die Versammlung, daß sie den Not schrei der Bergarbeiter höre und ihnen durch endliche Ein führung gesetzlicher Reformen ans dem Gebiete der be kannten Forderungen ausreichende Hilfe genMre. Tie Resolution spricht schließlich den Entschluß ans, im Lohn- kamps ansziibaire», ihn in Nnbe, Ordnung und Disziplin önrchznsühren, erwartet von den Behörden gerechte Behand lung bei Anfrechterhaltiing der Ordnung und volle Ver sammlungsfreiheit und lüttet »in de» Beistand des Bürger tums. Tie Lage wird von Tag zu Tag ernster. Sehr er schwert sind die Verhandlungen dadurch, daß die Arbeitgeber sich weigern, gemeinsam mit den Arbeitern vor der Mini- sierialkommissjo» zu verhandeln. Tie Grubenbesitzer stehen ehen im Kriege gegen den alleweil höflichen, preußischen Staat. Es muß »im der schwerfällige Weg schriftlicher Ver ständigung eingeschlagen werden. Sehr bedeutsam erscheint uns, das; Herr Hantel für seine Zeche „Rheiiiprenßen" (nicht für seine anderen Zechen) die Forderungen der Streikenden bewilligt hat. Ter Name Hcmiel ist einer der ersten im Rnbrgebiet. Tie Zahl der Ausständischen wird vom „Reichsanzeiger" ans 200 200 für Tomierstag berechnet und ist inzwischen »och gestiegen. Dem Versuch, die staatlichen Gruben im Saargebiet gegen die Bergarbeiter ansziinntzen, tritt das Handelsamt der König lichen Vergwerksdirettio» Saarbrücken prompt entgegen. Nach einer Wolsschen Depesche bat diese Behörde ans Anfrage perschiedener Kohlenbändler, die die günstige Konjunktur nusnntzen wollten, mitgeteilt, daß es Kohlen nach dem Ans- standsgebiet nicht Periende. Man sieht, daß die Negierung unparteiisch bleibt. Tas; der „Vorwärts" mit seinem Schelten ans die Regierung den reinsten Arbeiterperrat begeht, wird hoffentlich in den Vergarbeiterkreisen recht deutlich empfunden werden. Erfreulicherweise hat der offiziöse Trabt ansgebört, die tendenziösen Nachrichten der „Rhein.- westsäl. Ztg." über Streikniiriibeii weiter zu bringen. Aufs ganze gesehen bewährt sich der gesetzliche Sinn der Berg arbeiter trefflich. Ans Pier bis sechs Wochen erhalten sie zu meist »och rückständigen Lohn ansgezahlt und können darum wob! etwas anshalten. Not wird es allerdings unendlich viel geben. Tie beiden anarchistischen Berliner Sendlingc sind, wie „Ter freie (anarchistische) Arbeiter" wehklagend mitteilt, bei ihrer Ankunft Dienstag in Gelsenkirchen sofort in Polizeiarrest geführt worden. Hoffentlich hält mau sie seit, bis der Arbeitskampf bornbcr ist. Es besteht gar keine schwere Gefahr für die gesamte Arbeiterbewegung, als daß Fanatiker den Bergmann zur Gesetzlosigkeit treiben. Glück licherweise läßt die Negierung sich nicht durch die Zecl>cn- presse informiere». — Ein liberales Prunkstück. Der nengewählte natio- iialliberale Abgeordnete Biising bat, unterstützt pon anderen Mitgliedern der natioiialliberalen Partei, im Reichstage folgende Interpellation eiiigebracbt: „Will der Herr Reichs kanzler nicht dem dom Vnndesrate in seiner Sitzung vom 20. Oktober 187!) gefaßten Beschlüsse: „Die Erwartung ans- znsprechen, es werde den großberzoglich Mecklenburgischen Negierungen gelingen, eine Aenderiing der bestehenden Mecklenburgischen Verfassung mit dem Mecklenburgischen Landtage zu vereinbaren", im Wege bniidesfreniidlicher Verhandlungen eine weitere Folge geben, da die Großher zoglich Mecklenburgischen Regierungen seit länger als 2-1 Jahren keinen Versuch mehr gemacht lmben, der vom Bnn- desrat ausgesprochenen und von ihnen ausdrücklich gebillig ten Erwartung zu entsprechen?" Wann die Beratung die ser Interpellation erfolgt, ist noch sehr zweifelhaft; mit dieser ist ein altes liberales Prunkstück ans dem Schrank hervorgeht. das schon in den Zeilen des Norddeutschen Bundes viele Debatten verursachte. Das Großherzogtnm Mecklenburg bat noch eine ständische Verfassung; die Ritter schaft und die Vertreter der Stände bilden den Landtag. Nun haben sich im Norddeutschen Reichstage die beiden Ab geordnete Weiggers sehr viel Mühe gegebnen, um für Mecklenburg auch eine Verfassung zn erbalten, der eine Ab geordnete Weiggers schilderte hierbei namentlich auch die traurige Lage der Katholiken in Mecklenburg. Aber der Vimdesrat bat es stets abgelebtst, einzngreifen. Windt- borst war sckion 1809 und ebenso als Führer des Zentrums gegen ein solches Eingreifen in die inneren Verhältnisse eines Bundesstaates. Materiell billigte er die Forderung der Liberalen ganz und betonte hierbei namentlich die Frei heit der Neligionsnbung für die Katholiken ini gesamten deutschen Vaterlande. Aber er hatte verfassungsrechtliche Bedenken, die auch heute noch bestehen. Wenn das Reich einmal in die Verhältnisse der Bundesstaaten hineinregiert, gibt es kein Ende mehr; dann haben wir den Einheitsstaat sofort. Die einzelnen Bundesstaaten sind dann nur noch ProvinzenI Dieses Bedenken scheint selbst der Interpellant Büsing zu teilen, denn er wünscht nur noch „bundesfrennd- liche Verhandlungen". Sonderbar berührt es, daß diese gerade dem Grafen Bnlow zugeschrieben werden, der selbst ein Mecklenburger ist, ja, der der Sohn jenes Staatssekre tärs von Viilow ist, der zu Anfang der 70 er Jahre deS letz ten Jahrhunderts im Reichstage immer wieder darlegte, weshalb der Bnndesrat nicht ans Einführung einer Ver fassung in Mecklenburg hinarbeite. So erzeugte es doppel tes Interesse, zn erfahren, wie weit der Sohn den väter lichen Spuren folgt. Man kann auch überrascht sein, wes halb jetzt ans einmal die nationalliberale Fraktion dieses Prunkstück wieder hervorholt. Sind es die Nachwehen der jüngsten Ersatzwahl in Schwerin? Jedenfalls ist dem Lo- elraiizantrag des Zentrums durch diese Interpellation Vor- spamidieiiste geleistet worden, denn jetzt können die Natio- nalliheraleii nicht wehr verfassungsrechtliche Bedenken in den Vordergrund stellen, nachdem sie ans einem anderen Gebiete direkt in einen Einzelstaat hineinregieren wollen von Berlin ans! — Ten Segen der KaiifiiiaiinSgerichte schildert ein Bei sitzer derselben in der „Köln. Ztg." sehr eingehend, indem er seine ersten Eindrücke ans der ersten Sitzung darlegt; es heißt hierin: „Die Empfindungen, welche ich nach Besuch der ersten Sitzung des hiesigen KanfnianiisgerichteS mit nach Hanse gebracht habe, sind die, daß durch seine Errich tung eine große soziale Wohltat erwiesen worden ist, die den beteiligten Kreisen der Handlungsgehilfen und Prinzipalen erst voll zum Bewußtsein kommen und sie mit lebhafter Be friedigung erfüllen wird, wenn diese Sondergerichte einige Zeit bestanden haben werden." Wir stimmen dem bei, fügen aber an, daß die Kanfmannsgcrichte in erster Linie dem Zentrum zn verdanken sind; die Sozialdemokratie hat be kanntlich auch gegen dieses Gesetz gestimmt. — Was die Genossen nicht wissen dürfen. Der sozial demokratische NeichstagSabgeordnete Sachse bat sich am 12. Dezember 1901 in der Besprechung über die Schaffung eines Neichsberggeseves unter anderem dahin ausgesprochen: „Ein Mittel, die Wurmkrankheit zn erleichtern, wäre die Einführung der freien Aerztewahl in den Knappschaften. Herr Mngdan hätte in diesem Sinne auf seine Kollegen in den Knappschaften einwirken sollen. Die Knappschafts ärzte gehen aber mit den Bergwcrksbesitzern durch dick und dünn; es darf ja beileibe nicht zn nie! Medizin verschrieben werden." Es ist mehr als auffallend, daß der „Vorwärts", der die Reden seiner Parteigenossen sehr an-führlich wieder- zugeben Pflegt, gerade den Passus, der von der freien Aerztewahl handelt, vollkommen unterdrückt. Bei ihm lautet nämlich die betreffende Stelle: „ . . . Die Berg- arbeiter sind häufig Versuchsobjekte der Knappschaftsärzte. Tatsächlich ist die ganze Wnrniknr eine Art Pferdekur, durch die die Arbeiter vollständig in ihrer Gesnndhest zer rüttet werden." Die Genossen dürfen nicht wissen, daß einer ihrer Führer sich für freie Arztw.-Hl misqc-svrochen hat. — Tie Münchener Neuesten Nachrichten" Nr. 9 schrei ben unter der Spitzmarke „Ein wichtiger Entscheid": „Der Erzbischof von San Jago in Chile stellte an die Inquisi tions-Kongregation in Rom die folgende Anfrage: „Darf ein kranker Katholik znm Zwecke, dadurch die Gesundheit wieder zn erlangen, Papierbilder, welche die Madonna dar stellen, in Wasser aufgelöst trinken oder sie zn Pillen drehen und so verschlucken?" Die „sehr eminenten" Väter (p»t.r<-8 lmiim-ntmmmi) der heiligen Jlignisition beantwortete« die Frage mit Ja, forderten aber, daß mit dieser Andacht kein plberglanben verbunden werde!! Eine solche Handlung ist also in den Angen der heiligen Inquisition kein Aber glaube. Tieser wichtige Entscheid ist im päpstlichen Amts blatt („Analecta ecclesiastica") vor kurzem publiziert wor den. wo man erfabren bat, das; die bcilige Inquisitions- Kongregation ihn schon am 29. Juli 1903 gefaßt hat. So lange also blieb dieses Heilmittel der leidenden Menschheit verborgen." — Ein bayrischer Kanonist, dessen streng kirch liche Gesinnung nicht zu bezweifeln ist, schreibt uns: Wir wollen mit dem Münchner liberalen Blatte nicht darüber rechten, daß es die „Analecta ecclesiastica" ein „pästliches Amtsblatt" nennt. Bekanntlich sind das die „Analecta" nicht, sondern sie sind ein reines Privatuntcrnehincn ihres Herausgebers Dr. Felir Caddne. Aber wir innssen doch ge stehen, daß wir ans den ersten Blick die Entscheidung gerade zu für unmöglich gehalten haben, nicht an sich oder weil wir sie für unrichtig Istelten, sondern weil wir nicht geglaubt bätten, daß eine römische Kongregation auf eine solche Frage antworten würde. In Nom ist man ja hohen Fragestellern gegenüber sehr entgegenkommend und höflich. Aber hier ist zn weit gegangen, und die hohe Kongregation möge an die sem Beispiele ermessen, welchen; Hohn und welcher Ver achtung sie selbst und die katholische Sache preisgcgeben werden in der kirchenscindlichen Presse, wenn diese derartige Dinge in das Publikum werfen kann. Der frivolste Spott wird dadurch ansgelöst. Unbeachtet bleiben solche Entschei dungen bei dein so umfassend organisierten Spürsystem, daS der Evangelische Bund eingerichtet hat, nicht mehr, und es wird durch diesen auch dafür gesorgt, daß die kirchenfetnd- liche Presse der ganzen Welt sie in ihrem ausgebreiteten Publikum herumträgt. Es ist hier in dreifacher Beziehung gefehlt: 1) Dadurch, daß eine solche Frage gestellt wird. 2) Dadurch, daß sie überhaupt von einer der höchsten Kir chenbehörden crnstgenommen und beantwortet wird; wenig stens mußte die Geschmacklosigkeit, welche in einer solchen Art der Mnttergottesverebrung liegt, gerügt wevdem. wenn nicht gleich die ganze Anfrage mit der beliebten Fsr- mcl „loetnm" in den Papierkorb wanderte. 3) Durste eine gegebene Antwort, wenn sie etwa mit Rücksicht auf den Fragesteller oder ans anderen nicht bekannten Gründen nicht eingegangcn werden konnte, jedenfalls nicht publiziert, oder vielmehr es mußte deren Publikation verhindert wer den. Die „Analecta ecclesiastica" haben wiederholt e» «n dem richtigen Taste fehlen lassen. Auch die vielzitterten
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