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Grund der Erörterungen der politischen Lage erkannte der Ministerrat die Notwendigkeit an, daß tein Mit glied der Regierung Rom verläßt. Wie angenommen werden darf, bildeten die österreichisch-italienischen Ver handlungen und die Frage einer etwaigen Teilnahme Italiens am Kriege den Gegenstand der Ministcrbe- sprcchungen. Außerdem wohl die Reise des Königs nach Genua zur Teilnahme an der morgigen feierlichen Ein weihung des Garibaldi-Denkmals, wohin er sich heute von Civitavecchia aus auf der Jacht „Trinacria", be gleitet von einem Kriegsschiff, begibt. Anfangs hieß es, den König würden Ministerpräsident Salandra, fer ner die Minister des Krieges, der Marine und per Finan zen begleiten. Die politische Lage hat es aber, wie der Beschluß des Ministerrats beweist, für nötig erscheinen lassen, daß alle Minister in Rom bleiben. Nach der Ein weihung des Garibaldi-Denkmals in Quarto bei Genua, bei der der deutschenfresserische Dichter d'Annunzio eine — vermutlich kriegshetzerische — Rede halten wird, begibt sich der König nach Pavia zur Grundsteinlegung einer neuen Poliklinik. — Eine neue russische Kriegsanleihe. Tas russische Finanzministerium nimmt demnächst eine neue innere Kriegsanleihe von l Milliarde Rubel auf. Sie soll Mitte Mai zur Emission ausgelegt werden. Diese Kriegsanleihe besteht, genau genommen, aus zwei An leihen, aus einer kurzfristigen, die den Inhabern bis Mw Jahre 1921 5V^ Prozent gibt und sich sodann automatisch in eine fünfprozentige langfristige Anleihe verwandelt. Nach 5 Jahren können die. Inhaber die Auszahlung des Nominalbetrages beanspruchen. Tic neue Anleihe übernehmen die Staatsbank und die staat- lMen Sparkassen unter Beteiligung eines Syndikats russischer Kommerzbanken. Letztere sollen 600 Mil lionen Rubel übernehmen. — Trunkenheit rind Hasardspiel in Rußland. Der Petersburger „Rjetsch" schreibt: Das Alkoholverbol habe seine Wirkung verfehlt. Dies beweise die Ent deckung vieler heimlicher Schnapsbrennereien und die Verwendung zahlreicher Surrogate. Außerdem ver breite sich auf dem flachen Lande dadurch das Hazard- spiel. Das einzige Mittel, der eingewurzelten Alkohol sucht wirksam zu begegnen, sei die Beschaffung besserer Unterhaltung für das Volk und die Einführung von Lesehallen und volkstümlicher wissenschaftlicher Auf klärung, sonst sei zu befürchten, daß nach dem Äbiege alles im alten Gleise bleibe, da mit dem Verbot allein nichts zu erreichen sei. — Japan vor der Entscheidung. Nach einer Mel dung des „Daily Telegraph", der schon französische Zeitungsmeldungew vorausgingen, hat China die re vidierten japanisclkm Forderungen abgelehnt. Als einen Eingriff in die eigenen Hoheitsvechte betrachtet China die Forderungen Japans. Damit hätten, wenn sich die Nachrichten bestätigen, die diplomatischen Bemüh ungen der Japaner mit einem gänzlichen Mißerfolg ge endet. China scheint, ehe es sich zu einem erniedrigenden Vertrag Mit Japan entschließt, abwartcn zu wollen, ob der drohenden japanischen Geberde auch die Tat folgen wird. Vielleicht verspricht es sich von englisch amerikanischer Seite diplomati-che Rückendeckung. Ob diese beiden Mächte aber im gegenwärtigen Augenblick die Macht besitzen, einem entschlossen vorgehenden Japan eich wirksames Hindernis zu bieten, wird wohl die allernächste Zukunft entscheiden. Bei dem bisherigen scharfen japanischen Vorgehen erscheinen solche Hoff nungen ziemlich trügerisch. Jedenfalls ist jetzt an Japan die Reihe, sich zu entscheidenden Handlungen zu enl- sMießen. Tie japanische Presse fordert ein kriegerisches Eingreifen, und die Kviegsvostbereffungen der japa nischen Heeresleitung lassen kaum eine andere Deutung zu, als, d aß auch die Regierung die gewaltsame Lös- nng der japanisch-chinesischen Streitfragen erstrebt. Don den westlichen Kriegsschauplätzen. — Die Angst der französischen Regierung vor der Wahrheit. Basel, 4. Mai. Die „Nationalzeitung" erwähnt wiederholt, daß anscheinend die französischen Schwerverwundeten, die über Konstanz ausgetauscht worden sind, noch immer nicht zu ihren Angehörigen entlassen worden sind. Beim Lazarett in Konstanz sind in den letzten Tagen zahlreiche Briefe eingelaufen, in denen die Verwandten sich nach dem Befinden von Invaliden erkundigen, die schon längst nach Frankreich ausgcliefert worden find. So fragt z. B. die Mütter eines Offiziers, ob denn der Transport der Ver wundeten noch immer nicht stattgefunden habe. Da bei befindet sich der invalide Offizier bereits seit über einem Monat auf französischem Boden. Aus brief lichen Nachrichten geht hervor, daß die Invaliden, von Lyon aus nach Korsika gebracht worden sind. >— Das Baseler Blatt bemerkt hierzu: Es liegt nahe, zu glauben, die französische Regierung wolle verhindern, daß die Invaliden über die Verhältnisse in Deutschland sprechen, die doch immerhin ganz andere sind, als die französische Presse sie schildert. — Die Beschießung Dünkirchens. Wie die Genfer „Dribuna" aus Havre meldet, sind bei dem deutschen Artillerie-Bombardement auf Dünkirchen bis 2. Mas 350 Personen und fast Wndert militärischn Zwecken dienende Baulichkeiten zum Opfer gefallen. Die deut sche Beschießung der Festung dauert fort. — Tie Beschießung von Dünkirchen. Die „Times" meldet aus Nordsrankreich: Tie Splitter der Gra naten, die in Dünkirchen niedergefallen sind, wurden einer Untersuchung unterzogen. Sie ergab, daß diese wahrscheinlich von Haubitzen von 38 Zentimeter Größe herrühren. Einer der Splitter trug den NamenKrupp, andere wieder Skoda (Pilsen). Einige Sachverständige halten es sür Wahrscheirtlich, daß die Geschütze, aus denen sie abgefeuert wurden, dieselben sind, welche den Fall der Festungen Namur, Lüttich, Antwerpen' Maübeuge verursachten und alles zertrümmerten. Ihre Geschosse tragen wenigstens 32 Kilometer weit. Neber die Wirkung der Geschosse erzählt der Korrespondent der Times noch folgendes : Tie Wirkung ist schrecklich und Deutsche Treue. Kriegserzühlung von Ludwig Blümcke. (Nachdruck verboten.) Tie letzten Heerespflichtigen hatten heute das freund liche Bogesendörflein verlassen. Tiefes Schweigen lag Über- dem von waldigen Höhen umragten Tal, und vom glasklaren Himmel lachte Gottes goldene Sonne so recht heiter auf die grünen Matten, als wäre das Furchtbare, alle Gemüter Erschütternde, das sich, nur Kenige Stunden von dieser Stätte des Friedens ent fernt, bereits heute abspielen sollte, nichts als ein böser Traum. Und doch hatte man den ganzen Vormittag vvm Westen her Kanonendonner gehört. Flüchtlinge zogen klagend und jammernd vorüber, Kriegsgeschrei erfüllte die Lande. — Bittere Wirklichkeit also: das Völkerringen nahm seinen Anfang." Vor seiner weinumsponnenen, armseligen Hütte, die etwa tausend Schritte vom Dorf entfernt, unter alten Tannen und weitästigen Buchen versteckt lag, saß um di'e Mittagszeit mit finsterem Gesicht der gräfliche Hilssjäger Joseph Mühlhaus. Ein hochgewachsener, breitschuldriger junger Mann war das, dessen biederes Wesen, Pflichtgefühl und Unerschrockenheit in der Ge meinde hinlänglich bekannt waren. Alle rechtschaffenen Leute hielten darum große Stücke aus den stattlichen Waidmann: Schmuggler, Wilderer und Holzdiebe aber, deren es hier im Grenzgebiet leider genug gab, haßten ihn tödlich und machten ihm sein gefahrenreiches Da sein sauer genug. Mit einem tiefen Seufzer schaute Joseph jetzt empor 8u dem schattigen Blätterdach über ihm, in dem die Finken ihre Lieder schmetterten und blinkende Sonnen kringel hüpften. „Fort sind sie alle", sprach er wehmütig zu sich selber, „alle, alle- sogar die Alten über vierzig Jahre >— der Landsturm. Du allein darfst dem Deutschen Kaiser nicht dienen in diesem gerechten Kriege. — Ein Krüppel bist du, trotzdem es keiner von den Burschen im Dorse an Körperkraft mit dir aufnimmt, und es kohl wenig Grünröcke gibt, die ihre Büchse zu hand haben wissen wie du die deine. — Ach, es ist ein Jam- Ker ohnegleichen. Niemals im ganzen Leben kommst du darüber hinweg." Ja, man hatte diesen jungen Recken nicht zum Mi litärdienst genonimen, weil sein linker Arm ein wenig —kaum siel es ans — verkrüppelt und ein paar Finger der linken Hand steif waren. Nicht etwa von Geburt besaß er den Fehler, der ihn in seiner Be rufstätigkeit rein gar nicht behinderte. Einer kühnen Tat aus der Knabenzeit verdankte er ihn. Damals, als der Blitz ins Schulhaus fuhr, war das gewesen. Ganz deutlich stand in diesem Augenblick jenes Ereignis wiedar vor seiner Seele: das furchtbare Gewitter, der augenblendende Strahl, das mark- und beinerschüt- ternda Tonnergetöse. —- Wie lief und schrie die zu Tode erschrockene Schar durcheinander! Ter Lehrer lag betäubt am Boden. — Vier der größten Küaben schlepp ten ihn hinaus. Alle gelangten ins Freie. Nur das vor Schreck gelähmte Gretchen vom Grenzausseher Golder fehlte. Erst als schon die glimmenden Dachsparren sielen und verzehrende Glut aus Türen und Fenstern lohte, merkte man es. Beherzte Männer versuchten umsonst, das unglückliche Kind hinauszuschleppen. Aber ihm. dem verwegenen Joseph, dem tollkühnen Hegemeisters sohn, sollte es dennoch gelingen. Und gerade in dem Augenblick, als starke Arme ihm das ohnmächtige Kind abgenommen, das er, Glut und Qualen nicht achtend, glücklich bis ans Fenster getragen, da stürzte ein Bal- ken, da prasselte die Decke auf ihn hernieder, rind niemand glaubte, daß ein heiles Stück an ihm ge blieben sei. — Sein Vater zog ihn unter den Trüm mern hervor. Grausig entstellt sah er aus: doppelt gebrochen der linke Arm, von Brandwunden bedeckt der ganze Körper, versengt das Haar, die Kleider. Aber er lebte, und der Arzt hatte Hoffnung, ihn am Leben zu erhalten. — O, die entsetzlichen Schmerzen, das lange, lange Krankenlager! Und Gretchen kam, als sie die Folgen des Schreckes und der Angst über wunden,t äglich zu ihm hinaus nach Rabenhorst, wo das Forsthaus lag, weinte an seinem Schmerzenslager, brachte ihm Geschenke und wußte nicht, wie sie ihm dankbar fein sollte. (Fortsetzung folgt.) verheerend. Der Donner der Explosion gleicht dem, wenn eine Pulverfabrik in. die Luft geht. Am Donners tag und Freitag waren durch diese Geschosse förmliche Krater von großem Umfange in den Straßen Dün kirchens aufgerissen. Im Zentrum der Stadt waren mehrere Gebäude sehr schwer getroffen, in den Außen- vierteln vier kleine Häuser vollständig zerstör r. Das Opfer der ersten Granate war ein junges Mädchen, ein Splitter riß ihr den Kops vollständig ab. Von einer anderen Granate wurden sechs Bürger getötet. Auch das Stadthaus, der Bahnhos und die Kaserne wur den'getroffen, das Militärk-ospital teilweise zerstört und viele Verwundete dabei verletzt. Tas Arsenal, das das Ziel der Deutschen gewesen zu sein scheint, wurde nicht getroffen. Für die Leute, die in England zurückblei ben, sagt der Times-Korrespondent, sei es der Mühe wert, über den Schaden der deutschen Haubitzen und über deren große Tragkraft reiflich nachzudenken. — Tollwütige Hunde für die Deutschen. Im Pariser „Journal" empfiehlt ein Franzose, als Antwort auf die deutschen Greuel einige Tausend Hunde mit Tollwut zu impfen und dann auf die Deutschen loszulassen. Man werde dann bald die unaussprechliche Freude haben, die „Boches" sich dann gegenseitig zerfleischen zu sehen. — Deutsche Gefangene als Hafenarbeiter in Mar seille. Nach dem Pariser „Matin" haben die franzö sischen Militärbehörden auf Ansuchen der Marseiller Handelskammer deutsche Gefangene zu Hafenarbeiten kommandiert. Der Hafenverkehr war bis dahin äußerst eingeschränkt, da die Hafenarbeiter zum größten Teil cingezogen find. Vorläufig werden 8000 Deutsche bei den Hafenarbeiten beschäftigt. — Eine 'englische „Mahnung" an Italien. Tie Londoner „Morning-Post" veröffentlicht ein Tele gramm aus Petersburg, in dem es heißt: „Gewisse neutrale Staaten treiben in diesem Kriege mit ihrer Neutralität einen wenig würdigen Schacher, der in der Weltgeschichte bisher nicht seinesgleichen hatte. Sie fordern von' beiden Parteien Preisvorschläge, je nach dereü Höhe sie die Neutralität bewahren oder auf geben wollen. Augenblicklich liegt die Sache so, daß die Alliierten erheblich mehr geboten haben als Deutschland. Man wird also wohl hoffen dürfen, daß Italien sich schleunigst entscheidet; denn es kann nicht länger an der Absicht der Alliierten Zweifeln, nur jene Nation beim Friedensschluß Mitsprechen zu lassen, die gekämpft haben, sonst kann es kommen, daß bei Neuordnung der Ver hältnisse im Mittelmeer Italien den Zuschauer zu spielen hat." Von den östlichen Kriegsschauplätzen. — Wiener Pressestimmen zu dem 'Sieg in West- Galizien, In Würdigung des großen Sieges der ver bündeten Armeen in Westgalizien heben sämtliche Blät ter die enge Waffenbrüderschaft hervor und betonen, daß der neue Sieg eine neue Phase des Krieges be deute. Das ,Meue Wiener Tageblatt" sagt u. a.: Der gewaltige Sieg sei vielleicht der wichtigste Erfolg, des bisherigen Feldzuges in Galizien. Das Blatt weist auf Eie erfolgreiche Offensive der deutschen Truppen in Nordwestrußland hin. Dies sei der Beginn der Frühjahrsoffensiven der beiden kriegführenden Käiser- staaten. Das „Fremdenblart betont, daß die Kunde von einem Durchbruch und dem Eindrücken der russi schen Front in Paris und London die ohnehin schon stark geminderten Erwartungen auf Rußland bedeu tend herabmindern werde. Nach der Neuen Freien Presse handelt es sich zweifellos um eine neue groß artige Aktion, deren ganze Bedeutung erst die Zukunft erkennen lassen werde. Der Sieg im Raume von Gorlice sei die militärische Ergänzung der siegreichen Karpathenschlacht. — Der deutsche Vormarsch in Kurland. Ter „Nieuwe Rotterdamsche Courant" schreibt: Der deutsche Aufmarsch in Kowno scheine sür die Russen unerwartet gekommen zu sein, denn erst bei Schauli hätten die Russen einigen Widerstand geleistet und die Stadt in Brand gesteckt, wie es früher mit Moskau geschehen fei. Die Deutschen hätten schon Teile von der Eisenbahn in ihren Händen, die die Festungen Libau und Dünaburg verbindet, so daß Libau ohne Bahnverbindung mit dem Jnlande sei. Ein Teil der russischen Ostsecküste von 350 Kilometer Länge, und zwar der für Rußland be deutende südlichste Teil, laufe Gefahr, in die Hände der Deutschen zu fallen, während die Bedrohung des russi schen linken Flügels nicht ausgeschlossen scheine. Das genannte Blatt glaubt, daß die Operationen von sehr hoher militärischer Bedeutung seien. — Ein Erfolg eines deutschen Fliegers. Aus Czer nowitz wird von einer glänzenden Fliegertat eines deutschen Doppeldeckers berichtet, der einen russischen Flieger gelegentlich der Besichtigung der österreichisch- ungarischen Artilleriestellungen durch Erzherzog Leopold Salvator in einem fünfzehn Minuten währenden Kämpfe vernichtete. Der russische Apparat ging in Flammen auf. Die Insassen waren tödlich verwundet. Erzher zog Leopold Salvatvr beobachtete den Verlaus des Kampfes. Als er d en siegreichen Fliegern begegnete, be glückwünschte er sie mit den Worten: „Das war mein schönstes Erlebnis!" Die deutschen Flieger trafen um 11 Uhr vormittags in Czernowitz ein, wo ihnen leb hafte Huldigungen bereitet ivurden. Der Kämpf spielte sich in einer Höhe von 2080 Metern ab.