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f 's für Chemnitz und die Vororte: Altchemmh, Altendorf, Bernsdorf, Borna, Furth, Gablenz, Glösa, Helbersdorf, Hilbersdorf, Kappel, Neustadt, Schöna». Abonnementsbeftelluugen, Vierteljahr!. 125 Pf. (Zutr. 40 Pf.), monatl. 42 Ps. (Zutr. 15 Ps.). nehmen I Jnsertionspreis: die schmale (Ispaltige) KorpuSzeile oder deren Raum 1V Pfennige. — au die Verlagsexpedition u. Ausgabestellen in Chemnitz u. obigen Vororten. Außerhalb dieser Orte kann der An-! — Unter Eingesandt pro Zelle 30 Pfennige — Auf große Amwncen und Wiederholungen Rabatt. — zeiger nur b. d. Postanstalten—Postztgs-Liste 7. Nachtrag Nr. 1059 —(Vierteljahr!. 150 Pf.) bestellt werden.! Annonce» - Annahme für die nächste Nummer bi- Mittag. — Ausgabe jeden Wochentag Nachmittag. Verlags-Expedition: Alexander Wiede, Buckdruckerei, Chemnitz, Theaterstraße 48 (ehemaliges Bezirksgericht, gegenüber dem Kasino). Bekanntmachung, Reklamationen der Reserve-und Landw ehr- mannschaften, sowie der Ersatzreservisten l. Klasse aus Zurückstellung betressend. Nach 88 12 und 18 der Kontrolordnung vom 28. September 1875 haben die Reservisten und Landwehrleute, ingleichen die Ersatz-Reservisten I. Klaffe, welche aus Zurückstellung aus Anlaß ihrer häuslichen und gewerblichen Ver hältnisse für den Fall einer Mobilmachung, etwaiger Verstärkung des Heeres oder sonstiger Einberufung Anspruch machen, ihre Gesuche bei dem Stadt- rathe beziehentlich Gemeindevorstande ihres Wohnorts anzubringen, welcher dieselben zu prüfen und nach Maßgabe des Befundes darüber eine an die Königliche Amtshauptmannschaft einzureichende Nachweisung auszustellen hat, aus der nicht nur die militärischen, bürgerlichen und Vermögensverbältnisse der Bittsteller, sondern auch die obwaltenden besonderen Umstände ersichtlich sind, durch welche eine zeitweise Zurückstellung bedingt werden kann. Zu Gesuchen dieser Art find lediglich Formulare zu verwenden, welche von der Kanzlei der Königliche» Amtshauptmannschaft Chemnitz zu beziehen sind, und werden Zurückstellungsanträge, welche in anderer Form abgefaßt sind, zurückgegeben werden. Zurückstellungen der in Frage befangenen Art dürfen aus folgenden Gründen erfolgen: a. wenn ein Mann als der einzige Ernährer seines arbeitsunfähigen Vaters oder seiner Mutter, beziehungsweise seines Großvaters oder seiner Großmutter, mit denen er dieselbe Feuerstell« bewohnt, zu betrachten ist, und ein Knecht oder Geselle nicht gehalten werden kann, auch durch die der Familie bei der Einberufung gesetzlich zu stehende Unterstützung der dauernde Ruin des elterlichen Hausstandes nicht abgewendet werben könnte; d. wenn die Einberufung eines.Mannes, der das dreißigste Lebens jahr vollendet hat und Grundbesitzer, Pächter oder Gewerbetreibender oder Ernährer einer zahlreichen Familie ist, den gänzlichen Verfall des Hausstandes zur Folge haben und die Angehörigen selbst bei dem Genüsse der gesetzlichen Unterstützung dem Elende preisgeben würden; «. wenn in einzelnen, dringenden Fällen die Zurückstellung eines Mannes, dessen geeignet« Vertretung auf keine Weise zu ermöglichen ist, im Interesse der allgemeinen Landeskultur und der VolkSwirth- schaft für unabweirÜG.nothwcndig erachtet wird. Zur Berathung und Entscheidung über dergleichen angebrachte Gesuche Wird die unterzeichnet« Königliche Ersatz-Kommission 1. für den Aushebungsbezirk Chemnitz-Stadt Dienstag, den 6. Mai d. J„ Vormittags 10 Uhr, in dem Gasthause „zur Linde in Chemnitz; 2. sür den AuShebungSbezirk Chemnitz-Land Mittwoch, den 21. Mai d. I., Vormittags l0 Uhr, m dem Gasthause „zur Linde" in Chemnitz; 3. für den Aushebungsbezirk Stollberg Sonnabend, den 81. Mai d. I., Vormittags 10 Uhr, in dem Gasthause „zum Roß" in Stollberg versammelt sein, was den Betheiligten hiermit bekannt gegeben wird. Im Uebrigen wird noch darauf hingewiesen, daß nach 8 12 der Kontrol ordnung dieienigen Mannschaften, welche vor erfüllter aktiver Dienstpflicht auf Reklamation entlassen worden sind, bis zu dem ihrer Entlassung zunächst folgenden Klassifikationstermine hinter die letzte Jahresklasse der Reserve zu- rückgestcllt bleiben und haben dieselben etwaige Anträge auf weitere Zurück- stellung gleich wie alle übrigen Mannschaften zu. stellen. Wenn nach dem allgemeinen Entlassungslermin der Reserven dringende Verhältnisse die sofortige Zurückstellung einzelner der entlassenen Mannschaften gerechtfertigt erscheinen lassen, so kann die vorläufige Zurückstellung solcher Mannschaften bis zum nächsten Klassifikationstermin hinter die letzte Jahres- klaffe der Reserve versügt werden und sind bezügliche Anträge bei der König!- Amtshauptmannschaft auzubringen. Ebenso können Militärpflichtige, welche nach dem Klasfifikationstermin des laufenden Jahres der Ersatzreserve erster Klasse zugetheilt werden, auf Antrag vorläufig hinter den letzten Jahrgang zurückgestcllt werden. In anderen als den vorbezeichneten Fällen sind außerterminliche Zurück stellungen unstatthaft. Insbesondere sind Gesuche um Zurückstellung im Augenblick der Einbe rufung unzulässig. Chemnitz, den 28. März 1884. Die Königlichen Ersatz-Kommissionen der Aushebungs-Bezirke Chemnitz-Stadt, Chemnitz-Land uyd Stollberg. Der Militär-Borsitzende. Der Zivil-Borsitzende, von Loeben, Schwedler, Oberst z. D. u. Bezirks-Kommandeur. Amtshauptm., Geh. Regier.-Rath. " ... . Erledigt .. , . . hat sich die den Handarbeiter Karl Gustav Friedrich Drechsler, genannt Unger, anS 'Eibenstock betreffend«..Vorladung vonu 2ö. dsS. Mrs. durch Gestellung DrechSler'S. ^ , Chemnitz, am ^1. März 1884. ? - König! Staatsanwaltschaft. 3-: Bachmann, Ass. Konkursverfahren. Das Konkursverfahren über das Vermögen deS Kaufmann- Carl Guido Horn, Inhabers der Firma Guido Horn in Chemnitz, wird nachdem der in dem Bergleichslermine vom 31 Januar. 1884 angenommene Zwang-Ver gleich durch rechtskräftigen Beschluß vom 31. Januar 1884 bestätigt ist, hierdurch aufgehoben. Chemnitz, den 31. März 1884. Königliches Amtsgericht. Nohr. Vorladung. Die ledige Auguste Pauline Wächtler, welche zuletzt bei ihrer in Hart- mannsdors bei Burgstädt wohnhaften Mutter aufhältlich gewesen, ist tu einer vor der Strafkammer 1 des Königlichen Landgerichts hier anhängigen Strafsache zu der am 9. April dieses Jahres Vormittags '/»II Uhr anbe- raumtcn Hauptverhandlung als Zeuge zu vernehmen. Die Wächtler wird, da ihr dermaliger Wohnort hier unbekannt ist — vermuthlich hält sie sich in irgend einem Bordell auf — hiermit öffentlich geladen, sich zu diesem Termine einzufinden und ergeht an alle Behörde« das Ersuchen, dieselbe im Betretungsfalle auf diese Vorladung aufmerksam zu machen und hiervon Nachricht anher zu geben. Chemnitz, den 1. April 1884. Die Königliche Staatsanwaltschaft. > Bachmann. Schütz. 8. öffentliche Sitzung der Stadtverordneten. Chemnitz, am 3. April 1884, Abends 6 Uhr. Tagesordnung: 1. Geschäftliche Mittheilungen. 2. Berichte deS Ber sungSausschusses über: ». das Regulativ für die Fortbildungsschule den Rathsbeschluß, die Rückzahlung einer von Weber aus Petersburg hinterlegten Kaution von 6000 M. betr.; o. den Rathsbeschluß, die Ein führung des SiebenklaffensystemS in den Bezirksschulen betr. 3. Berichte KontrvlpMchnff.es über: ä. das Gesuch des Schneiders Josef Reike aus immerp m Böhmen um Aufnahme in dxp ,sächs, StaatSuuterthanen-Ber« band;kbi dasselbe Gesuch deS PlalerS Ed. Werner an- SchloMverth in Böhmen ; o. vergleichen des Handelsmann Fr. H. Herold aus Thefising in Böhmen Hieraus geheime Sitzung. ' Der Stadtverordneten-Vorsteher . Rechtsanwalt vr. Enzmann. TageSckronik. ' 4. April. 1521. Luther begiebt sich auf den Reichstag nach WormS- 1639. Schlacht bei Chemnitz 177 t. Olliver Goldsmith, „Vioar ok IValcsliolck", gest 1807. Lalande gest. 1860. Ausstand in Palermo. 1871. Die Aufständischen in Paris plündern Kirchen und Klöster. 1879. Dowe gest. Telegramme des Chemnitzer Anzeigers. Vom 2. April. Berlin. Der Kaiser ist seit gestern erkältet. Er wird in Folge dieser Erkältung einige Tage ans Zimmer gefesselt sein. . Berlin. Der Kaiser erledigte trotz seiner Erkältung die ge wohnten Regierungsgeschäfte und Vorträge und empfing die Besuche mehrerer Mitglieder der königlichen Familie Berlin. Der Kronprinz ist heute früh 7»« Uhr nach London adgereist. Wien. Die „Wiener Zeitung" veröffentlicht die Ernennung des Fürsten Nikolaus Wrede zum Gesandten in Stuttgart. Wien. In der Staatsdruckerei brach eine Feuersbrunst aus, die eine große Masse von Stempeln und Papier vernichtete und deren Löschung erst nach einstündiger angestrengter Thätigkeit gelang. Pest. Abgeordnetenhaus. Der Deputirte Mocsacy beantragt die Bestrafung zweier Journalisten, welche den Abgeordneten Her mann gestern auf der Straße thätlich insultirt hätten; Minister präsident Tisza erklärt, die Regierung werbe die ganze Strenge des Gesetzes walten lassen. Paris. Der Bahnzug mit der Leiche des Herzogs von Mbany, «»S Cannes kommend, traf um 11 Uhr Vormittags im Lyoner Bahn hof ein. An der Bahn war Lord Lyons mit dem gesammtcn eng lischen Botschafts-Personal und dem Schwager des Verstorbenen, dem jungen Prinzen von Waldeck, versammelt. Der Prinz von Wales verläßt zuerst den Salonwagen und begrüßt den Botschafter Lyons und den Prinzen von Waldeck, dann die Botschaft und die fran zösischen Persönlichkeiten. Der Prinz von Wales sieht sehr ange griffen aus. Der Leichenwagen ist ein einfacher Güterwagen, innen schwarz ausgeschlagen und schwarz verhangen. Er wird geöffnet und der Prinz von Waldeck legt «inen Kranz aus Ihecrosen und Veilchen auf den Sarg, worauf der Wagen wieder plombirt uud nach dem St. Lazare-Bahnhof überführt wird, von wo ab ein Extrazug um 1 Uhr Mittags die Leiche und ihre Begleiter nach Cherbourg fährt. London. Die „Times" plaidirt energisch dafür, daß Gordon Hilfe geleistet werde und zwar würde dies an, besten dadurch ge schehen, daß das englische Protektorat über Egypten und das Küsten gebiet des rothen Meeres und Khartum proklamirt würde. Dadurch würde wahrscheinlich nicht bloS die Entsendung englischer Truppen zum Entsatz Khartums unnöthig gemacht, sondern auch mit einem Federzuge eine ausreichende Garantie für die eghptische Schuld gegeben werden. London. Es geht da- Gerücht, Granville habe abgedankt. Dasselbe machte auf die Börse einen guten Eindruck, da Granville zu den Ministern gehört, welche einer energischen Politik in Egypten ab geneigt find. London. Die „Times" fragt, ob Gordon's Glaube an eine loyale Unterstützung von Seiten Englands getäuscht werden solle? Man habe der Regierung vertraut, sie offen und beständig unterstützt, allein das Vertrauen würde ihr entzogen werden, wenn beabsichtigt würde, Gordon im Stiche zu lassen. — Nach einer Meldung aus Khartum glaubt Gordon, daß englische Truppen auf dem Wege seien, um ihm zu helfen. — Aus Obeid wird berichtet, daß dort ein ! Komplott zur Ermordung des Mahdi entdeckt worden sei. >! Kairo. Aus Suatin wird von heute gemeldet: Osman Digma j sucht gegenwärtig den den Engländern befreundeten S'ämmen bei i Handub und Tamanieb das Wasser abzuschneiden. Mahmud Ali sammelt Streitkräfte, um sie Osman Digma cntgegenzustellen. Der Zusammenstoß wird bald erwartet. Paris, 3. April, Mittags. Infolge einer Havasmeldung aus Massuah vom 1. April zirkulirt das Gerücht, daß der Mahdi an einer Krankheit gestorben sei. Wien, 3. April. Der in Pest verhaftete soz. Redakteur Scheffler gestand, er sei in einer in der Nähe Wiens abgchaltene» Sitzung, in welcher die Ermordung Hlubeck's und Blöch's beschlossen wurde, zugegen gewesen. Gin seltsames Ländchen. Man wird sich erinnern, daß vor einig:» Tagen Nachrichten über einen sonderbaren Konflikt durch die Zeitungen gingen, der wegen der Republik Andorra zwischen Frankreich und Spanien drohen sollte. Eigenthümliche, wohl in der ganzen weilen Welt nicht wieder vor kommende Ursachen hätten beinahe das Zwergland Andorra zu einem tragikomischen Zankapfel zwischen den Nationen der Franzosen und Spanier gemacht und es ist interessant genug, diese erst bedrohliche und dennoch erheiternde Affaire zu verfolgen und zu sehen, wie sie gleich einem Sturm im Glase Wasser endete. In einem weltvergessenen Winkel auf der Südseite der östlichen Gebirgsgruppe der Pyrenäen liegt zwischen der französischen und spanischen Grenze und umgeben von schneebedeckten Bergen die uralte Republik Andorra. Schon Karl der Große soll den winzigen, nur 7 Quadratmeilen und eine Bevölkerung von nur 5000 — 6000 Ein wohnern zählenden Freistaat auf seinen HeereSzügen gegen die Mauren vorgefunden haben. Zum Danke für die freundliche Haltung der streit baren Gebirgsbewohner bestätigte der große Frankenkaiser auch die Freiheit Andorras und stellte die kleine Republik unter die Ober lehnsherrlichkeit des Bischofs von Urgel. Den Freibrief Andorras bestätigten die Nachfolger Karls des Großen und so verbrachte die kleine Republik ihr idyllisches Dasein bis in das 13. Jahrhundert, in welchem der tapfere und eroberungslustige Graf von Foix die Oberherrlichkeit über zwei Gebirgsthäler erlangte und sich nicht darum kümmerte, daß sie der Bischof von Urgel auch besaß. Später wurden die kühnen Nachfolger des Grafen von Foix aber Könige von Na varra, diese verschwägerten sich mit den Königen von Frankreich und so kam mit Heinrich IV., der an Stelle des ausgestorbenen HauseS ValoiS das HauS Navarra-Bourbon auf den französischen Königs thron brachte, die Republik Andorra unter französische Oberhoheit. Frankreich fühlte sich aber nicht veranlaßt, den Lehnsbrief deS Bischofs von Urgel, der spanischer Unterthan war, für annullirt zu erklären und so haben trotz mancher Stürme der Zeit Frankreich und Spanien gemeinsam die Oberherrlichk.it über Andorra ausgeübt. Die Ausübung dieses hohen Amtes bereitete allerdings bei An dorra niemals Schwierigkeiten. Die Andorresen sind ein friedlieben des, biederes Hirtenvölkchen katatonischer Abkunft, leben hauptsächlich von Schafzucht und etwas Ackerbau, besitzen trotz ihrer Freiheitsliebe eine patriarchalische Verfassung, sind sehr bescheiden und sittenrein und kennen keine andern Vergnügen als Gesang und Tanz und vielleicht »och die Jagd im Hochgebirge. Verwaltet wird das Ländchen durch einen Generalrath, in welchen die Gemeinden je vier Familienhäupter wählen. Frankreich und Spanien üben ihre Hoheit über Andorra dadurch aus, daß sic in Andorra Vignicrs, Statthalter, Stellvertreter haben. Es besteht nun der Brauch, daß Frankreich seinen Statthalter ernennt und Spanien, resp der Bischof von Urgel, seinen Statthalter aus den Andorresen erwählt. Die gegenwärtigen Statthalter haben nun wegen Eifersüchteleien Streit mit einander, wobei sich die An dorresen auf Seite des erwählten Statthalters Spaniens stellten und gegen den französischen Statthalter eine drohende Haltung einnahmen, ja, ihn sogar mit seinen Beamten gefangen setzten. Darüber schwoll natürlich den Franzosen der Kamm und sie drohten mit Repressalie», wenn Spanien nicht sofort in Andorra der französischen Oberlehns- herrlichkeit Rechnung trage. T ie spanische Regierung bewirkte deshalb die sofortige Freilassung des französischen Statthalters in Andorra. Inzwischen ist aber auch der französische Präfekt der Ostpyrenäen in Andorra erschienen und hat erklärt, daß der Pariser Kassationshof die Affaire prüfen würde und die Mitglieder des BeneralrathS der Republik Andorra persönlich für die Ruhe und Ordnung zu haften hätten, auch sollten oie Andorresen ihre Waffen abliefern, sonst würde Frankreich die strengsten Maßregeln ergreifen, was es ja auch viel leichter kann als Spanien, da Andorra seine gesammte Ein- und Aus fuhr fast nur über die französische Grenze treibt. So wird also wahr scheinlich die kleine Republik Andorra künftig mehr als bisher von der Gnade ihrer großen französischen Schwester abhängen, da Spanien keine Lust hat, sich wegen Andorra mit Frankreich zu Überwerfen. Die Straßenkampfe in Cincinnati Den nunmehr vorliegenden ausführlichen Berichien über die blutigen Vorgänge in dem von überaus zahlreichen Deutschen be wohnten Cincinnati entnehmen wir des Weiteren noch Folgende-: In der Stadt herrschte schon lange Erbitterung über die Rechts pflege, welcher mau geradezu Käuflichkeit vorwarf. Ein Prozeß, der gegen einen deutschen Brauknecht, Namens Wilhelm Berner, geführt worden war, brachte jedoch das Maß zum Ueberschäumen. Berner hatte in Gemeinschaft mit einem Irländer und einem Neger seinen jung verheiratheten Brodherrn, der ihn stets gut behandelt hatte, überfallen, erschlagen und ausgeraubt Berner wurde des Raub mordes angcklagt, aber nicht zum Tode verurtheilt, sondern nur des Todtschlags für schuldig befunden und zu zwanzig Jahren Kerker verurtheilt. Das erbitterte die Bevölkerung ungemein, um so mehr, als in dem Gefängniß von Cincinnati nicht weniger als 42 Mörder sitzen, die nach Ansicht der Bevölkerung alle den Galgen verdient hätten und demselben wohl auch nicht entgangen wären, wenn nicht wahrscheinlich fromme und bekehrungseifrige Elemente die Seelen dieser Uebelthäter noch zu retten hofften. Es wird direkt die Be schuldigung erhoben, die Geschworenen seien bestochen gewesen. Dies war die Stimmung der Bevölkemng, als am Freitag Abend durch die Handelskammer ein Massenmeeting nach der Musik halle berufen wurde, um der Entrüstung über das Urtheil im Äerner'schen Prozeß Ausdruck zu geben. Die Versammlung war von vielen Angehörigen der besseren Stände besucht und ein Kapitän Kemper führte den Vorsitz. Auch die Beschlüsse waren zwar energisch, aber ruhig gehalten. Erst als die Versammelten auseinandergingen, kamen einige, denen sich alsbald ein Haufe anschloß, auf den Ge danken, nach dem Gefängniß zu ziehen Auf dem Wege wuchs die Schaar zu Tausenden an und rasch erhitzten sich die Gemüther. DaS verschlossene Gefängnißthor, welches auf Klopfen nicht geöffnet wurde, versuchte man alsbald mit zwei Balken einzurennen, und als dies gelungen war, drang die Menge, nachdem sie noch ein eisernes Gitter durchbrochen hatte, in den Hof des Gebäudes. Hier aber standen vierzehn Gefängnißbeamte mit geladenen Revolvern, welche sic auf das Volk richteten. Anfangs schreckte dies die Angreifer, ein riesiger Neger aber bahnte den Weg, indem er rief, »aß die Beamten Befehl hätten nicht zu schießen, was auch thatsächlich der Fall war -7: ss- i