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Kabinettsrat erklärt, daß man sich auch mit Ser Ar beitslosenfrage beschäftigt habe. Nach der Statistik gebe es in Frankreich etwas über 10 000 Arbeitslose. Die Lage in Frankreich könne also in dieser Hinsicht nicht mit der der übrigen Länder verglichen werden, die Millionen von Arbeitslosen zählten. Uebrigens seten alle Maßnahmen getroffen worden, um eine Ausdeh nung der Weltwirtschaftskrise auf Frankreich zu ver hüten. Schwere Erkrankung dos Marschalls Joffre. Marschall Joffre, der seit einigen Tagen an einer Entzündung der Gelenke der unteren Glied maßen leidet, mußte dieser Tage dringlich operiert werden. Die Operation, die vor einigen Tagen durch-- geführt wurde, hatte zunächst eine vorübergehende Besserung im Befinden des Marschalls zur Folge, jedoch ist der Zustand des Marschalls zur Zeit wieder besorgniserregend, lieber die Krankheit selbst war aus ausdrücklichen Wunsch des Marschalls vollkommen Stillschweigen gewahrt worden. Parlamentseröffnung in Japan. Fatsche Attentatsgerüchte. , Der Kaiser von Japan hat mit dem üblichen Zere moniell das Parlament eröffnet, das sich unmittelbar darauf bis zum 22. Januar vertagte. Wahrscheinlich wird die neue Session ruhig verlaufen. Weder im Unterhaus noch im Geheimen Staatsrat droht der Regierung irgendwelche Gefahr. Von offizieller Seite wird das Gerücht von einem Attentat auf den Kaiser von Japan während der Fahrt zur Eröffnung des Parlaments dementiert. Das Gerücht ist darauf zurückzuführen, daß ein Mann, der eine persönlich« Bittschrift dem Kaiser überreichen w Ute, sich an das Automobil herawdrängte und da bei ein Brillenfutteral fallen ließ, das die Menge irr tümlicherweise für einen Revolver hielt. Der Bitt steller wurde auf der Stelle festgenommen. Lord Melchett ch Ein englischer Wirtschaftsführer deutscher Herkunft. Der britische Wirtschaftsführer Lord Melchett, frü her Sir Alfred Mond, ist im Alter von 62 Jahren gestorben. Lord Melchett, der deutscher Herkunft war und zu den bedeutendsten Industriellen Englands ge hörte, bekleidete im Kabinett Lloyd George (1921/22) das Amt des Gesundheitsministers. Der verstorbene Lord Melchett war der Sohn des bekannten aus Deutschland gebürtigen Chemikers Dr. Ludwig Mond. Seine wissenschaftlichen und kommer ziellen Fähigkeiten verschafften ihm bald eine aktive Rolle in den Industrien, die sein Vater ins Leben ge rufen und entwickelt hatte. Seine Laufbahn war ein wunderbares Beispiel von Zähigkeit, Weitblick und Mut. Als Vorsitzender von Brunner Mond Ltp. und der Mond Nickel Company Ltd. trug er sehr viel zur Schaf fung des riesigen Chemical Jndustry Ltd. Konzerns mit einem autorisierten Aktienkapital von 95 Millionen Pfund bei. Lord Melchett, der lebhaftes Interesse an der Entwicklung Palästinas nahm und in der Nähe des Tiberias-Sees eine große Farm erwarb, trat sür enges Zusammenwirken von Arabern und Juden ein. Eine der größten Aufgaben, die er sich in der letzten Zeit gestellt hatte, war die Jndustrie-Friedens-Bewe- gung. Er gehörte zu den prominenten Jndustriesüh- rern, die mit den Mitgliedern des Rats des Gewerk schaftskongresses Beratungen abhielten und den Natio nalen Rat für Industrie und Handel gründeten. Lord Melchett trat 1906 ins Parlament als Libe raler ein. 20 Jahre später verließ er die Liberalen infolge starker Meinungsverschiedenheiten mit Lloyd George und schloß sich den Konservativen an. Im Jahre 1928 erhielt er die Pairswürde und wurde da durch Mitglied des Oberhauses. Im selben Jahre war er Vorsitzender der Weltkraftkonferenz. L " L7NSL-S LIE I Geheimrat Rosenthal amtsmüde. Er legt den Borsitz bes ErPortförderungsansschusscs nieder. Wie WTB.-Handelsdienst hört, hat der bekannte Porzellanindustrielle, Geheimer Kommerzienrat Dr.- Jng. h. c. Philipp Rosenthal das Amt des Vorsitzen den des Exportförderungsausschusses des Reichsver bandes der deutschen Industrie niedergelegt. Geheimrat Rosenthal hat seine Auffassung über die für die Exportförderung nötigen Maßnahmen in einer Denkschrift niedergelegt, die seinerzeit in weitesten Kreisen größte Beachtung fand. Er ist es auch gewesen, der bei dem Sinken der deutschen Valuta zuerst den am Export interessierten Industrien vorschlug, in aus ländischer Währung zu fakturieren, ein Vorschlag, des sen Durchführung Deutschland vor dem Schicksal des Ausverkaufs bewahrte. Der Reichsverband der deutschen Industrie hat Geheimrat Rosenthal mitgeteilt, daß nach der Nieder legung seines Amtes der Exportförderungsausschuß des deutschen Industrie- und Handelstages und des Reichsverbandes der deutschen Industrie ihn als Schöp fer deutscher ExportförderungSpolittk zum Ehrenvor sitzenden erwählt habe Der Reichsverband der deutschen Industrie weist ferner darauf hin, daß Geheimrat Rosenthal durch seine segensreiche Arbeit für die Leipziger Messe eine Einrichtung geschaffen hat, um die uns heute die ganze Welt beneidet und die durch ihre große sich immer wie der erneuernde Anziehungskraft einer der wichtigsten Mittelpunkte des deutschen Exportgeschäftes gewor den ist. RaaMrrsall in Hamburg. Ein Täter fest genommen. Wie aus Hamburg berichtet wird, betraten am Sonnabendabend gegen 7 Uhr zwei junge Burschen ein Milchgeschäft, fielen über den allein anwesenden 70iäh- rigen Inhaber her, schlugen ihn mit einem harten Ge genstand nieder, so daß er besinnungslos wurde, und schleppten ihn dann in das hinter dem Laden gelegene Zimmer. Dort raubten die Täter aus einem Schrank rund 120 Mark in Papiergeld sonne einen Beutel mit alten Münzen und etwas Kleingeld. Ein Kriminalbeamter, der von einer Passantin, die Verdacht geschöpft hatte, von dem Vorfall benach richtigt wurde, konnte einen der Täter in dem Augen blick ergreifen, als er mit seinem Komplizen den Laden verließ. Der Festgenommene, ein bereits wegen Ein bruchs und Diebstahls vorbestrafter 19jähriger Schläch terlehrling, hatte den Beutel mit den Münzen und eini ges Hartgeld bei sich. Das Papiergeld will er seinem Komplizen ausgehändigt haben. Der Uebersallene, bei dem unmittelbare Lebensgefahr nicht besteht, wurde einem Krankenhaus zugerührt. Reue Kümpfe i« Mrslks Paris, 29. Dezember. Wieder wird von einer militärischen Aktion Frankreichs in Marokko berichtet. Aus Colomb-Bechard wird berichtet daß eine nicht unterworfene marokkanische Abteilung, die über 200 Gewehre verfügte, von Tafilalt aus einen Einfall auf algerisches Gebiet unternommen und am 24. Dezember gegen Abend den Lagerplatz unterworfener Eingeborener angegriffen habe. Die Marokkaner hätten den Häuptling und drei weitere Eingeborene getötet und hundert Kamele weggeführt. Daraufhin hätte eine französische mobile Ab teilung und eine Fliegerstaffel die Verfolgung der marokkani schen Abteilung ausgenommen. Die französischen Flieger nahmen die Eingeborenen unter Maschinengewehrfeuer. Am 25. Dezember kam es zu einem heftigen Kampf, der bis zum Einbruch der Nacht dauerte. Die verfolgte Einge borenenabteilung zog in der Dunkelheit unter Zurücklassung eines Teiles ihrer Beute und zahlreicher Toter ab, wurde am 26. Dezember von zwei ausgesandten französischen Flieger staffeln wiederum bombardiert, erlitt schwere Verluste, konnte ledoch abermals im Schutze der Dunkelheit fliehen. Die Verlust« auf französischer Seite sollen sich aus vier getötete eingeborene Reiter und zwei Verletzte belaufen, während man bei dem Gegner fünfzehn Tote und eine große Anzahl Verletzte seskgestellt haben will. Sin rasender Dnivisch. Blutbad in einer Moschee. Ein fanatischer Derwisch, der frühere Sch uch eirres geschlossene» Klosters, versuchte in einer Moschee der zwischen Smyrna und Magnesia gelegenen Stavt Me- nencn, die Menge gegen die Regierung auszuhetzen« Der Terwisch, der die grüne Fahne mit einem Koran vers trug, war von fünf bewaffneten Anhänger» be gleitet. Ein in der Moschee weilender Lehrer, der Schwei gen gebot, wurde getötet. Sein Kopf wurde auf die grüne Fahne des Propheten gespießt. Der Derwisch und seine Anhänger verbarrikadierten sich darauf in der Moschee. In dem sich entspinnenden Kampfe wur den zwei Gendarmen und vier Fanatiker getötet. Die Polizei nahm zahlreiche Personen fest, die der Teil nahme an dem Aufruhr verdächtig sind Allerlei aus aller Welt. * Verhaltung eines Tesrauvantc». Der Vertreter- Richard Otto Christiveik, der eine Geldkassette mit 500 Mark, ein Sparkassenbuch und einen Scheck der Allge meinen Deutschen Kreditanstalt in Leipzig gestohlen hatte und dann geflüchtet war, ist in Wien verhaftet und ins Landesgericht eingeliefert worden. Man fand bei ihm 2159 Mark und 166 tschechische Kronen. * Ei» Näuüer erwischt. Am 15. November war zwischen Wanfried und Mühlhausen (Hessen) ein Chauf feur von einem Kaufmann Gotthold Schmidt aus Mühl hausen und dessen Sohn August zu einer Fahrt auf genommenworden. Vater und Sohn schlugen den Chauf feur nieder und raubten ihm 2000 Mark. Der Chauf feur ist später schwer verletzt aufgefunden worden. Er hatte nur dadurch sein Leben retten können, daß er sich tot stellte. Der junge Schmidt war vor einiger Zeit in Kaiserslautern verhaftet worden. Als der Verdacht auf tauchte, daß sich Gotthold Schmidt nach Wien begeben habe, schickte die Kriminalpolizei Kassel einen Krimi nalbeamten nach Wien, mit dessen Hilfe es gelang, Gotthold Schmidt hier fest-,»nehmen. Schmidt, bei dem Die jüngste Predigerin der Welt. Die 5 Jahve alte Tochter Marie des Pfarrers Kichey aus St. Louis hat die große Begabung ihres Vaters geerbt und predigt bereits von der Kanzel der Tri- niti Kirche in St. Louis zu einer jugendlichen Ge meinde, bei der sie sich großer Beliebtheit erfreut. Iohannes Termolen Originairoman von Gert Rothberg. 18. Fortsetzung Nachdruck verboten Termolen war hier hinausgegangen, wenn er aber drau ßen zusammengebrochen war, wenn er ernstlich verletzt war? ,Ich will nach ihm sehen, bitte, warten Sie hier auf mich." Sigrid starrte auf die Tür. Und eine Sünde dünkte sie es plötzlich, daß sie immer den Wunsch gehegt, Termolen möge sie einmal küssen. Nun war ihr vermessener Wunsch in Erfüllung gegangen. Sigrid grub den Kopf in die Kissen und schluchzte wild. Wodurch hatte sie ihm je Gelegenheit und das Recht dazu gegeben, so schlecht, so niedrig von ihr zu denken? Mittlerweile war Stettenheim drüben die Treppe hin aufgegangen. Vor Termolens Schlafzimmer machte er halt. Er hörte ihn drinnen hin und her gehen, immer hin und her. Einmal hörte er ihn bitter auflachen und da wußte er auf einmal, daß er dem Freund jetzt die Beschämung er sparen mußte, daß es das beste war, wenn dieser jetzt in seiner Seelenstimmung allein blieb. Langsam ging er wieder hinüber. Aklf der Treppe blieb er einen Augenblick stehen, lehnte den Kopf an die Wand. Es war ein Gefühl in ihm wie damals, als in den Lehm gruben in Frankreich sein einziger Bruder, der junge Fähn rich, auftauchte: „Heisa, Arnim, ich bringe dir was zu fut tern. Ich hab' ..." Im nächsten Moment war nichts mehr^von dem frischen Jungen zu sehen als ein paar armselige Fetzen. Und er? Er hatte die Fäuste geballt. „Das zahle ich euch heim!" Stettenheim hatte jetzt dasselbe leere Gefühl in sich wie damals. Langsam ging er wieder ins Zimmer. Angstvoll blickte Sigrid ihm entgegen. „Termolen ist in seinem Zimmer. Er will jetzt nicht gestört sein. Es ist nur eine leichte Verletzung," sagte er, um das junge Mädchen wenigstens etwas zu beruhigen. Das gelang ihm auch. Sigrid sagte leise: „Ich will fort, weit fort. Ich schäme mich, unsagbar schäme ich mich." Stettenheims Entschluß war längst gefaßt. „Ich telegraphiere sofort meinen Eltern. Mit dem Abendschnellzug fahren Sie." Sie nickte nur wortlos. Am nächsten Abend brachte Stettenheim Sigrid zur Dahn. Es war ein Regentag und die Lokomotive spie dicke Dampfwolken aus. Der Zug verließ die große Halle. Stettenheim blickte ihm nach, bis er als winziges Pünkt chen in der Ferne verschwand. Stettenheim brannte es plötzlich in den Augen. Er ge brauchte ein paarmal das Tuch, dann ging er schnell durch das Gewimmel der Halle zum Wagen und fuhr nach Hause. Er hatte Termolen am Morgen flüchtig gesehen. Jetzt ging er jedoch direkt zu ihm. Termolen saß am Fenster und blickte ihm entgegen. Um den Kopf trug er einen kunstgerechten Verband. Er be merkte den Blick des Freundes und sagte: „Löwenbeck hat mir die Geschichte genäht. Eine anstän dige Narbe wird bleiben. Meinen Denkzettel hätte ich also weg. Wo ist das kleine tapfere Mädel?" Stettenheim merkte, wie Termolen sich zu seinen Worten zwang. Er sagte: „Wir Männer benehmen uns manchmal unsagbar dumm, Hans. Na, so was ist hinterher nicht zu ändern, aber bessern kann man sich. Du fragst, wo Sigrid ist? Sie ist zu mei nen Eltern nach Thüringen gefahren." „Sie ist bei deinen Eltern?" Dis Frage sollte harmlos klingen, man hörte ober doch den starken Unterton von Mißtrauen heraus. Ein kurzer Blick Stettenheims in Termolens Gesicht belehrte diesen, daß der Freund in einer merkwürdigen Verfassung war. Von innerer Ruhe konnte jedenfalls vorläufig keine Rede sein. „Was dachtest du denn, was nun hätte geschehen sollen?" fragte er nach einer Weile vorsichtig. Termolen stand auf, kam zu ihm herüber. „Ich bin zu jeder Summe bereit." Stettenheim trat zurück. Jetzt wußte er, daß sich die winzige Hoffnung, Termolen liebe Sigrid am Ende doch aufrichtig, nicht verwirklichen konnte. „Du irrst dich, Hans. Sigrid Lengenfeld gehört nicht zu den Frauen, deren Ansprüche man sich durch Geld vom Halse schafft. Sie stellt keine Ansprüche. Sie ist still aus deinem Leben gegangen und will dich nicht mehr sehen. Sie wird vorerst bei meinen Eltern bleiben." Termolen reichte Stettenheim die Hand. „Ich danke dir, Arnim, und ich will dir auch noch sagen, daß ich tief bereue, mich so vergessen zu haben." 8. Kapitel. Stettenhcim suchte sich mit Arbeit zu betäuben. Doch manchmal stieg seine Liebe zu dem blonden Mädel wieder in ihm hoch und auch der vermessene Gedanke: „Wenn es doch noch sein könnte?" Er hatte von seiner Mutter mehrere Briefe erhalten. Sie teilte ihm immer wieder mit, wie glücklich sie her Besuch der kleinen Sigrid mache. „Vater ist ein ganz anderer geworden. Er taut täglich mehr auf. Ich bin froh, daß er aus seinem verbissenen Schmerz gerissen wird. Abends spielt uns Fräulein Len genfeld vor. Sie spielt wundervoll Geige. Wußtest du das nicht, mein Sohn? Mir kommen immer die Tränen, wenn die Geige schluchzt und singt unter den weißen Mädche»- händen." An diese Zeilen seiner Mutter dachte Stettenheim jetzt. Sinnend blickten seine ernsten Augen. Seltsam, daß er das nicht gewußt hatte. Und das Urteil seiner Mutter stimmte ihn nachdenklich. Die Mutter verstand viel von Musik. (Fortsetzung folgt.)