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Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 30.01.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-01-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188401304
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18840130
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18840130
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1884
-
Monat
1884-01
- Tag 1884-01-30
-
Monat
1884-01
-
Jahr
1884
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 30.01.1884
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" ' '" """ Ghemnltzer Anzeiger «nd Sladtbot«. N». ÄS Mittwoch, 30. Januar. Seite 3. — Die vom Theater- und Landschaftsmaler Otto ThomaSczek gezeichneten, in photographischem Lichtdruck herausgegebenen und der Verlags-Expedition von Alexander Wiede zum Vertrieb überwiesenen Ansichten von Chemnitz (in großem Carton 3 Mk.) sind außer iu den hiesigen Buch- und Kunsthandlungen von jetzt an auch im Cigarrengeschäft deS Herrn Theodor Richard Lutz, (Poststraße Nr. 5) zu entnehmen. — In unserer erfindungsreichen Zeit, wo auf indu striellem Gebiete und in allen wissenschaftlichen Fächern, neue Bortheile und Erleichterungen erstrebt werden; hat man auch auf dem Gebiete der Schrift wesentliche Fortschritte gemacht. Ist eS doch nicht zu leugnen, daß die Schrift in ihrem bisherigem Wesen nicht allen An forderungen der Zeit vollkommen genügt. Hauptsächlich im geschäft lichen Verkehr wie im parlamentarischen Leben machte sich der Mangel einer Kurzschrift, welche sich für den allgemeinen Gebrauch eignet sehr fühlbar, ja häufig wird schon bei Besetzung verschiedener Stellen die Kenntniß der Stenographie als Bedingung mit gestellt. So wurden denn auch seit mehreren Decennien sowie auch in neuerer Zeit vo» begabten Männern schnellschriftliche Systeme aufgestellt. Von dieser ist das erst seit 8 Jahren von Heinrich B aller in Berlin aufgestellte System Wohl eines der zweckmäßigsten und infolge seiner ^ .leichten Erlernung und praktischen Verwendbarkeit empfehlenswerthesten. ' Erfreut sich doch dasselbe seit seinem erst kurzen Bestehen einer all- seitigen guten Aufnahme, sowie raschen Ausbreitung. Wir glauben daher nicht unterlassen zu können, auf die bevorstehende Eröffnung eines neuen Unterrichtskursus nach diesem System aufmerksam machen zu müssen. — Eine während dieser Wintersaison neugegründete, geschloffene Gesellschaft arrangirte unter dem Namen „Familien-Verein" in dem großen Saale des vollständig modernisirten und jetzt allen Anforderungen entsprechenden „alten Schützenhauses" bereits zwei wohlgelungene Unterhaltungsabende; dieselben boten beifälligst aufgenommenemusikalische, Gesangs- und andere Vorträge und ein Tänzchen fand die lebhafteste Betheiligung der bereits zahlreichen Mitgliedschaft. Letztere bildete sich hauptsächlich aus solchen Familien, welche in den derAnnabergerstraße nahe gelegenen Stadttheilen wohnen, und versammelt sich jeden Mittwoch im „alten Schützenhaus." — Nach einer bei der Gemeind everwaltung zu Gablenz für das Jahr 1883 aufgestellten Geschäfts üb erficht sind bei derselben im vorigen Jahre 23d2 Wohnungs- und Logiskarten, 503 Zeugnisse und Bescheinigungen, 226 Arbeitsbücher und Arbeitskarten, 32 Gestndezeugnißbücher, 76 Gewerbeanmeldescheine ausgestellt und 332 Strafverfügungen erlassen worden, und kamen 5528 kommunliche Steuerzettel, 3140 Einkommensteuerzettel und 3950 Zahlungsauflagen zur Behändigung; ferner wurden 998 Pfändungen vorgenommen, davon waren 788 mit Erfolg, 210 ohne Erfolg. Wegen verschiedener Vergehen und Uebertretungen wurden von der Schuhmannschaft 534 Anzeigen erstattet und kamen 181 Personen zur Haft. Die Registranden weisen 5042 schriftliche Eingänge, die Abgangsregistranden 3103 schriftliche Abgänge — Verfügungen, Zufertigungen u. s. w. — nach. Zur Impfung kamen 588 Impflinge ,140 Personen erhielten lausende wöchentliche Unterstützung. Weiter wurden beim hiesigen Standesamt 559 Geburtsfälle und 440 Sterb efälle zur Anzeige gebracht und von 92 Aufgeboten 88 Eheschließungen vorgenommen. Die Standesamts- registrande weist 246 Einträge nach. — Längs der hohen Mauer, nach dem Teiche zu, zeigte sich seit einigen Tagen in der Gartenfläche des Schloßrestaurants ein Riß, der die Behörde veranlaßte, sofort alle möglichen Anstalten zu treffen, um den etwaigen Einsturz der betreffenden Mauer zu verhüten. Zunächst hat man den Riß auf dem Boden des Schloßgartcns mit einem Zaun umgeben und die Mauer mehrfach durch starke Holzstämme gestützt. Der Aufgang zum Schloßrestaurant wird von diesen Vor kehrungen überdies in keiner Weise berührt und derjenige nach Schloß Miramar ist bereits wieder freigegcben worden. Sobald die Witterung es gestaltet, wird jedenfalls eine Reparatur der Mauer vorgenommen werden. —* Ein an der äußeren Johannisstraße hier inLehre befindlicher Fleischerbursche gerieth mit der rechten Hand unter das vierschneidige und 4 Ctr. schwere Wiegemesser, sodaß ihm die drei Mütelfingerspitzen sofort abgeschnittcn wurden. Der Bcdauerns- werthe wurde in dem Stadtkrankenhaus ausgenommen. —eli. Gestern Nachmittag gegen 3 Uhr wurde in der inneren Johannisstraße ein vor einen Kohlenwagen gespanntes Pferd scheu und zeigte große Lust durchzugehen. Dies gelang ihm jedoch nicht und infolgedessen machte es seinem Unmuth durch Bocken und Bäumen Luft, so daß der Geschirrführer, der sich wohl zehn Minuten lang mit dem störrischen Gaul Herumplagen mußte, ihn nur mit großer Mühe ausspannen konnte. Daß cs bei dieser Scene wie gewöhnlich nicht an müssigen Zuschauern fehlte, ist selbstverständlich. — Altenburg. Der in vorletzter Nummer gemeldete Strike hat insofern ein schnelles Ende gefunden, als Förster der Forderung der Arbeiter: Herausgabe der Gelder der bisher von ihm verwalteten Fabrikkrankenkaffe, sowie achttägige, anstatt vierzehntägige Lohnzahlung stattgegeben hat. Die Arbeit ist, nachdem Förster das weitere Ver sprechen gegeben, keinerlei Maßregelungen eintreten zu lassen, von allen Arbeitern am Morgen des 24. Januar wieder ausgenommen worden. Sächfisch-S. , — Kommunalbank des Königreichs Sachsen. Ob wohl in dem Jahre 1883 die Differenz zwischen dem Zinsfuß der Anlehnsscheine der Konimunalbank des Königreichs Sachsen und dem von dieser an die Gemeinden herausgegebenen Darlehn nur eine ge- geringfügige war, so wurde doch in Folge der außerordentlichen Ent wicklung, welche die Zahl und die Höhe der Anlehnsabs chlüsse genommen hat, ein recht günstiges 2 esammtresultat erzielt. In seiner kürzlich statt gefundenen Sitzung des Aufsichtsrathes wurde die Dividende für das letztverflossene Geschäftsjahr auf 9'/. Prozent, gegen 8^ Prozent im Vorjahr, festgesetzt. — Mit I. Februar beginnt die Schonzeit für Rehböcke, Hasen, Fasanen, Schnepfen, Auer-, Birk und Hosclwild, Wachteln, Bekassinen und wilde Tauben. Dagegen ist die Fischerei in fließenden Gewässern vom genannten Tage an sreigegebcn. — Die vierte Wagenklasse soll mit Eintritt des nächsten Winterfahrplans, also vom 15 Okt. d. I. ab auch auf folgenden sächsischen Staatsbahnlinien eingesührt werden: C Hemnitz-Zwickau- Reichenbach, Glauchau-Gößnitz-Gera, Leipzig-Reichenbach-Hof und Neumark-Greiz. Ein dahingehendes Versprechen hat das Kgl. Finanz ministerium dem Fabrikanlenverein auf diesbezügliches Ersuchen gege ben. Eine frühere Einführung dieser Maßregel sei nicht möglich, da erst die hierzu nöthigen Wagen angesertigt werden müßten. — Mülsen St. Jacob. Vergangenen Sonntag früh gegen 8 Uhr wurde der seit 4 Tagen vermißte Johann Friedrich Thomä, in einer hiesigen Scheune versteckt, lebend aufgefunLen. Derselbe hatte vor 6 Jahren bei einer ähnlichen Affarre seine beiden Beine erfroren, was deren Amputation nöthig machte. — Wegen Unterschlagung wurde in Zwickau der vor malige Gerichtsamtmann, zuletzt Landgerichts-Sekretär Rudolf Notlrott daselbst zu 2^ Jahren Gesängniß veruriheilt. Der Vcrurtheilte war Vormund für eine geisteskranke Dame, und als solcher hat er sich Unterschlagungen schuldig gemacht. Er machte sich dadurch verdächtig, daß er trotz wiederholter Ordnungsstrafen keine Vormundschaftsrechnung ablegte; auch hatte er sich — auf welche Weise ist noch nicht ermit telt — in den Besitz der Vormundschaltsakten zu setzen gewußt. — Zw ei Deserteure vom Freib erg er Jägerbataillon wurden in Neuhausen bei Sayda vom Gendarm erwischt und nach Freiberg zurückgebracht. Dieselben hatten im dortigen Gasthofe gei stigen Getränken stark zugesprochen und dem Gendarm gegenüber er klärt, daß sie zum Flurschutz nach Deutschcinsiedel kommandirt seien; der Eine nannte sich Zech aus Bärenstein und der Andere Lütz aus Oberlosa. Vermischtes. — Ein tragisches Jagd- und Liebesabenteuer hat sich in den ersten Tagen dieses Monats in Löwen in Massachusetts zugetragen. Arthur Legrand Stafford, der sich rühmt, ein natürlicher Sohn des Earl von Dunraven zu sein. kam im November in New- Aork an und logirte im St Nicholas-Hotel, wo er die Bekanntschaft einiger Südländer machte, welche beabsichtigten, in Maine der Jagd und dem Fischfänge obzuliegen Stafford schloß sich der fportlustigen Gesellschaft an. In Bangor, Me., machte er die Bekanntschaft einer jungen Newyorkerin, in die er sich verliebte und bei der er heiße Gegenliebe fand. Nur noch ein kühner Jagdzug, dann sollten die Liebenden auf ewig verbunden werden. Stafford verließ am 31. Dezember das Lager, um, mit einer Jagdflinte bewaffnet, den wilden Wald zu durchstreifen. Bald darauf brach ein heftiger Schneesturm herein, und der Jäger kehrte am Abend nicht zurück. Seine Freunde üchten nach ihm, und fanden ihn am folgenden Tage erfroren, um- chlungen von einer ebenfalls erfrorenen Bärin. Die letztere hatte an der rechten Vorderschulter eine tiefe Wunde, die von einem Jagd- meffer herrührte. Nicht weit davon lag ein halb ausgewachsener junger Bär am Boden, mit einer Stichwunde im Herzen. Der Führer er klärte, daß Stafford zuerst den jungen Bären erstach und dann von der Bärenmutter angegriffen wurde. Als man der jungen Dame in Bangor die traurige Nachricht brachte, wurde sie wahnsinnig. Man brachte sie dann nach dem Asyl in Elmira. — Ut mine Festungstid. In einem entlegenen Treppen- winkel des Märkischen Museums, so schreibt das „B. T.", kaum von dem Tageslicht erhellt, steht, an die Wand gelehnt, eine bräun an gestrichene Thür mit einem Keinen runden Guckloch; die in die Luft ragenden Angeln find von ungewöhnlicher Dicke und scheinen tief in der Mauer gesessen zu haben. Ein einfacher Zettel berichtet: „Thür der Zelle aus der Berliner Hausvoigtei, in welcher Fritz Reuter im Jahre 1837 detinirt gewesen." Besagte Thür scheint ihren Dienst lange Zeit gethan zu haben, denn es finden sich in dem Holz ver- chiedene Figuren und Buchstaben, sowie Jahreszahlen, welche von 1781 bis 1872 reichen und augenscheinlich mit stumpfen Nägeln ein geritzt sind. — Fritz Reuter gedenkt dieser Thür in „Ut mine Festungstid" (Berlin un de Husvagtei) pax. 295 wie folgt: „Ick kloppte an de Dör un würd up den Gang herunter laten; dor drop ick en ollen Kammergerichtsbaden, de mi ut frühem Tiden bekannt was, Heubold heit de Kirl, hei fall nahsten wegen Unerschleif up de Festung kamen sin, wat ick äwer nich verbürgen kann. Wenn hei dorhen kamen is, denn hett't de Hallunk allein all för den Hohn verdeint, den hei mi mit sin grinsiges Gesicht entgegensennt, as ick em fr,g: „Heubold, wissen Sie nicht, wie lange wir hier noch blei ben müssen?" Dor stunn hei vör mi mit dat olle weile, Witte, upgedunsene Gesicht: „Sie bleiben immer hier, glauben Sie, daß der König alle diese großen Gebäude hier leer stehen lassen will? Nein, Sie bleiben hier und Ihre Kameraden kommen alle nach." Seite 296 kloppte der Gefangene schon wieder an de Dör, „ick wull en Protokollführer hewwenl Ick wull mi bi't Kammergericht be weren! Richtig! nah er por Stun'n kämm en Kirl herinnen, so'n oll binnen un buten smeriges Worm von Referendorius, von de Ort, de ehr Richterexamen nich farig kriegen könne un ehr Lewen lang as Schauhputzer bei de höhern Gerichte vernutzt werden." Fritz Reuter scheint hinter jener Thür furchtbare Seelenqualcn erlitten zu haben, denn er schreibt p->ss. 298: „Ja, Schandor Res' un uns' Herrgott er lösten uns dunnmals unse Qual, un ick will den Herm Kriminal direktor Dambach dat nich anreknen, eben so as ick öwer sine annem Quälereien, de hei in den Unnersäukungsarrest gegen mi utäuwt hett, ock en dicken Strich maken will, öwer i» eine Hinsicht fall hei mi Red' stahn — hei is all dod, up dese Jrd kann hei't nich mihr—, öwer up Jensid fall hei sick verantwurten, worüm hei minen ollen Bader, de grad in desen Dagen in sine hartliche Leiw för sinen een- zigsten Söhn nach Berlin kamen was, um wat för sin Frikamen tau dauhn — worüm hei minen ollen Vader de twintig Schritt tau min Gesängniß nich wis't hett, dat de Söhn doch an Laders Bost sick mal utwinen künn. - Dorför fällst Du mi Red' stahn." — Ertappte Wallnuß-Diebe. In einem Dorfe in der Nähe Detmolds wurde dieser Tage rin mächtiger Wallnußbaum gefällt un) zersägt, wobei man in seinem Innern an einer hohlen Stelle eine Menge Wallnüsse vorfand, fast l—2 Scheffel. Der Baum, der im vorigen Jahre stark getragen hatte, war in kurzer Zeit eines großen Theiles der Früchte beraubt gewesen. Der Besitzer glaubte damals, sie seien gestohlen, während es sich nun herausstellt, daß ... . Eich hörnchen die Entwender sind. — Die neueste Nummer des in Berlin erscheinenden „Bär" ent hält folgende interessante Anekdoten: Blücher und das Ha zardspiel. Der greise Fürst Blücher war bekanntlich ein eifriger Hazardspieler. Zu seinen vertrauten Be kannten gehörte ein verabschiedeter Rittmeister, etwas jünger als er, doch auch schon ein ältlicher Herr, der leidenschaftlich spielte. Eines Abends verlor Blücher an ihn 27,000 Thaler. Es war an einem öffentlichen Orte in einem schlesischen Städtchen; die Karten wurden bei Leite geworfen, die übrige Gesellschaft rückte zusammen und die Champagnerkorken feierten knallend den Sieg des Rittmeisters über den Fürsten. Dieser blätterte beim Trinken in den Zeitungen und las in einer Anzeige, daß ein nahe gelegenes hübsches Gut für etwa 30,000 Thaler zu verkaufen sei. Er ließ den mit dem Kauf beauf tragten Notar in der Stille zu sich in ein Nebenzimmer rufen, wurde mit ihm Handels einig und veranlaßte ihn, sogleich den Kontrakt aufzusetzen. Dann kehrte er zur Gesellschaft zurück und sagte zu dem Rittmeister: „Höre, alter Junge, ich habe eine Bitte! Willst Du sie erfüllen?" Natürlich betheuerte dieser, daß der Wunsch des Fürsten ihm Befehl sei. Blücher aber verlangte im Voraus das Ehrenwort dafü^ welches der Partner gab. Nun rückte der greise Marschall mit seiner Bitte heraus und nahm ihm das Wort ab, nie mehr zu spielen. Der arme Rittmeister war ganz unglücklich und meinte, nun sei sein Amüsement zum Teufel; allein sein Schuldner ließ sich nicht erweichen und bot ihm als Bezahlung seiner Spielschuld einen ge stempelten Bogen Papier zum Unterzeichnen Es war der Kontrakt über den Ankauf des Gutes. Der Rittmeister ging gerührt darauf ein und hat sein Wort, nie wieder zu spielen, brav gehalten. Noch heute befindet sich das Gut in den Händen der Nachkommen jenes glücklichen Gewinners. „Wenn Er kurirt sein wird, so melde Er sich bei mir." Hohendorf that es und wurde Oberforstmeister. * Das verständliche ^Latein Friedrich Wilhelm I. Friedrich Wilhelm I. sah es nicht ungern, wenn ihm von seinen Unterthanen Geschenke in die Hofküche gemacht wurden. Er äußerte sich darüber mit treuherziger Gutmüthigkeit, daß er solche Beweise der Zuneigung gar nicht übel nähme, da ohne Zweifel dadurch auf seine Tafel bessere Speisen kämen, als die sein Küchenmeister ein kaufte. Ein Kandidat der Gottesgelahrtheit auS Westfalen hatte hiervon gehört und da eine Predigerstelle erledigt war, so bat er unmittelbar den König um deren Verleihung und sandte ihm zugleich zwei geräucherte Schinken. Friedrich Wilhelm war sehr ungehalten darüber, die Schinken aber waren ganz nach seinem Geschmack. Auf die Eingabe de» Kandidaten ließ er, indem er sie der obersten geist lichen Behörde zusandte, die Verfügung schreiben, dem Supplikanten die erbetene Stelle zu ertheilen, falls er in der Prüfung gehörig be funden wäre und sich sonst dazu eigene. Es fiel ihm aber noch ein, daß in dieser Eingabe des Geschenkes der Schinken ausdrücklich Er wähnung gethan sei, und deshalb fügte er als Nachschrift eigenhändig hinzu: „ö'ik-oüibiliu »o» »nur veututrlli».'' Stadttheater. Schauspiel- M»ntag, den 28. Januar: „Durchlaucht haben geruht!" Lustspiel in 4 Akten von Fritz Brentano. Zwölfte Novität! — Fritz Brentano, soviel uns bekannt, Journalist und Redakteur in Berlin, hat nicht nur im komischen Feuilleton BemertenS- werthcs geleistet, er hat auch Gedichte und ernste und heitere Tbemerst,icke zeschrieben, von welch letzteren das obengenannte das beste und gelungenste ein dürste. v ' Originell ist diese Komödie zwar nicht. Wie schon dieser Tage in diesem Blatte angedeutet worden, stad es wieder die herkömmlichen, wohlbekannten Theatersiguren, die uns darin in alten »nd neuen Situationen entgegentreten. Aber diese alten Bekannten, berühren uns meist sympathisch; sie bewegen sich frisch und lebendig innervalb der Schranken wohlthuender Natürlichkeit und prechen eine glatte, je nach ihrer Stellung sogar eine gewählte Sprache, der unter Umständen der treffende Witz und die zündende Wärme nicht mangelt. Die Situationen und Verwechselungen sind gleichfalls nicht neu, aber trotz dem amüsant und öfters außerordentlich lustig und erheiternd, hie und da vielleicht etwas gewagt, stets aber harmlos. Der liebenswürdige, burschikose Fürst eines kleinen Staates, incognito unter dem Namen Emil Fürst auf tretend, wird der bereitwillige Heirathsvermittler zwischen drei Paaren und gewinnt dabei selbst eine Braut: das ist doch genug Arbeit für einen an gehenden Landessouverain und zugleich eine ausgiebige Gelegenheit für allerlei ergötzliche Neckereien und komische Mystifikationen des schalkhaften Liebes gottes ! Vielleicht hätte sich der Verfasser hie und da etwas kürzer fassen dürfen; jedenfalls aber erreicht er völlig seinen Zweck, einem unterhaltungS- und lachlustigen Publikum einige Stunden behaglich und angenehm zu ver treiben. Die Lustspielneuheit war von Herrn Otto sehr hübsch In Scene gesetzt und erzielte einen prächtigen Ersolg. Doch möchten wirrathen, die kommen den Wiederholungen in rascherem Tempo zu nehmen und die unerläßliche Bedirmung einer größeren Sicherheit im Dialog gewissenhafter zü'erfüllen. Der Vertreter des fürstlichen Kammerdieners, Herr König, wird am besten wissen, auf wen wir mit der letzteren Bemerkung namentlich abzielen. Die Hauptrolle des Stückes, die des Fürsten, lag in den Händen des Herrn Stein, der sie mit noblem Anstand, überlegenem Humor und sympa thischer Herzlichkeit durchsührte und nur zuweilen sein Mienenspiel vor gewissen Unarte» mehr bewahren durfte. Seine Partnerin, Frl. Winckler, vermittelte die Prinzeß Marie gleichfalls mit edler Anmuth und wohlthuender Herzenswärme. Ob aber ihre Toilette in den beiden letzten Akten dem Wesen und Geschmack der feinsinnigen Fürstin vollständig entsprach, das wollen wir dahingestellt sein lassen- Die Mode ist eben eine Tyrannin, die auch dem besten Geschmack zuweilen einen Streich zu spielen vermag. Indessen müßte cs die Kunst, die doch auf der Bühne allein maßgebend sein soll, verstehen, jeden solchen Streich zu pariren! Herr Brüggcmann zeichnete den ahnenstolzen Oberhofmarschall, diesen lächerlichen „Ritter der Etikette", ganz charakteristisch und erregte viel Heiter keit. Die treuherzig lustige Lucie und die schüchterne Franziska fanden in Frl. Krauß und Frl. Kuhs« treffliche Vertreterinnen; auch die beiden Liebhaber derselbe», Gustav Wild und Franz von Osten, wurden von den Herren Hartmann und Hornau leidlich dargestellt. Etwas feiner Schick und mehr Beweglichkeit hätte Beiden nichts geschadet. Herr Otto gab in dem alten Medizinalrath Senft eine wohlgelungene, naturwahre Charakter studie, und Herr Huhn entfaltete in der wirksamen Rolle des Peter Strips eine Fülle von zwergfellerschütternder Komik, ohne zu übertreiben. Seine Partnerin, Frl. Schräder (Babette), war aber bei weitem nicht lebendig und mobil genug. Die beiden kleinen Rollen des schlafsüchtigen Wirthes und de» fürstlichen Hundewärters waren bei den Herren Zieseniß und Zeißler bestens aufgehoben. Auf die Wiederholungen der sehr beifällig aufgenommenen Novität machen wir alle Freunde eines harmlos ergötzlichen Lustspiels angelegentlich auf merksam. vr. Lipps. Wo ist Wedell? Als Zielen am 9. Oktober 1744 den Ueber- gcmg über die Moldau bei Thein forcirte, blieb im Gefecht Friedrichs de» Großen Liebling Wedell. Der König kam außer sich auf das Schlachtfeld und rief immer wieder: „Wo ist Wedel, wo ist Wedell?" Da richtete sich ein Lieutenant mit zerschmettertem Fuße halb auf und antwortete laut: „Hier liegen lauter Wedells!" Friedrich stutzte, sah den Verwundeten an und sagte: „Er hat mir eine gute Lehre gegeben, ich danke ihm dafür. Wie ist sein Name? „Hohendorf!" Gerichtshalle. Januar. Der Schulknabe Her« (l4 Jahre alt) hat in der Nacht —tr. Strafkammer II. vom 26. mann Gustav Geisel aus Diedenhain zum 6. Januar d. I. seinem in Waldheim wohnhaften Großvater ein Por. temonnaie mit 33 Mk. gestohlen, und den Diebstahl verübt, nachdem er ein Fenster eingedrückt und in die Wohnung seines Großvaters gestiegen ist. Der jugendliche Verbrecher erhielt 3 Monate Gesängniß zuerkannt. Strafkammer III vom 28. Januar. Der Schuhmacherlehrling Emil Gustav Nitzsche, detinirt in der Strafanstalt zu Sachsenburg, hat sich daselbst des im Rückfalle verübten Diebstahls schuldig gemacht und wurde deshalb mit 3 Monaten Gesängniß belegt. Die Fabrikarbeiterin Lina Selma Mann aus Harthau, jetzt in Lim ba ch wohnhaft (1860 geboren und bereits vorbestraft) stand heute wegen im Rücksalle verübten Diebstahls unter Anklage. Sie wurde des ihr Beigemessenen für schuldig erachtet und zu I Jahr 5 Monate» Zuchthaus veruriheilt. Mehrere Verhandlungen mußten heute aussallen, da zu denselben die auf freiem Fuße befindlichen Angeklagten nicht erschienen waren. Verantwortlicher Redakteur: vr. xbil. O. Müller in Chemnitz. Standesamtsnachrichteri. «ISsa. Geboren: F. A. Heilmann, Gutsbesitzer in Glösa eine T. F. W. Henker, Fabrikarbeiter in Borna eine T- H. O. Müller, Fabrikarbeiter in Borna ein S. W. G- Jähnig, Eisengießer in Furth eine T- A. B. Schröter, Dienstmagd in Furth ein S. unehel. F. A. Frenzel, Fabrikschmied in Furth ein S. Gestorben. E- A. Pappelbaum, Fabrikarbeiter in Furth ein S. (1 Jahr). C. G. Thamm, Fabrikarbeiter in Borna ein S. (2 Jahre). C. H. Uhlig, Fabrikarbeiter in Furth ein S. (1 Jahr). C. E. Emmerich, Handarbeiter in Borna. (36 Jahre). F. I. Reitemann, Oberschweizer in Glösa ein S. (10 Monate). Familiennachrichten. eboren: Ein Knabe Herrn Max Wieprecht in Bernsdorf. Ein Mädchen Herrn M. Böttcher. Ein Mädchen Herrn Otto Kaulfers. Verlobt: Frl. Martha Brückner mit Hrn. Otto Tetzner. Frl. Martha Leupold in Eltcrlein mit Herrn Hugo Porstmann in Burkhardtsdorf. estorben: Helene, Tochter des Herrn Karl Misiling (5 V. I.). Herr I.)- Herr Joh. ' "1 Jahre). Dresden. Gasthofbesitzcr Karl Heinrich Wagner in Grünhainichen (69 ,. Friedr. Parvus (83>/, I.). Herr Maurer Bug. Friedr. Esche (62 Herr Fritz Zweiniger. Frau vcrw. Werkführer Riedel geb. Linke in 4 Vereins-Anzeiger. Allgem. Kriegervereinigung. Mittwoch den 30. Januar Abend-8 Uhr im „Deutschen Krug" Generalversammlung. Geselliger Zirkel. Mittwoch den 30. Januar Abends 8 Uhr Kränzchen im Saale des Herrn Horn, Köniastraße. Handwerkervcrein- Mittwoch den 30. Januar Abends 8 Uhr Komitee- sitzung. Turnverein. Mittwoch den 30. Januar Abends 8 Uhr Generalversamm lung im Speisesaale des Gasthauses zur „Linde".
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