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Beiblatt zum A-or-er Grenz-sten Druck und Verlag von Otto Meyer, Adorf (Bogtl.) Mv. 162 D-GNSt^ ÄDW IS. IM I^ZV SS. JMrg. EMMes. Sa- Ardettsbefthaffungsprogramm der Regierung 50 Millionen werben angeforvert. Dem Landtag ist soeben die vom Ministerpräsidenten angekündigte Vorlage, betreffend Bekämpfung der Arbeits losigkeit durch Arbeitsbeschaffung, zugegangen. In der Begründung sagt die Regierung, daß sie es im Inter esse der darniederliegenoen Wirtschaft für oringenv geboten halte, die Ermächtigung zu erhalten, über die Mittel be reits vor Verabschiedung des Etatgesetzes für 1930 zu verfügen. Es handelt sich hierbei insbesondere um die Mittel für bereits in Ausführung begriffene Bauten, für Neubauten, für den laufenden Bauaufwand, für Stra ßen- und Wasserbauten, für die Verstärkung des Wagen parkes des Staatlichen Kraftwagenunternehmens, sowie nm andere Einrichtungen, die im Interesse der Arbeits- befchaffung ebenfalls vorweg bewilligt werden möchten. Der Regierungsvorlage ist eine Uebersicht beigesügt, aus der hervorgeht, daß die Regierung insgesamt 50 590 900 RM. zum Zwecke der Arbeitsbeschaffung an- fordert. An wichtigen Posten seien genannt: 13 Millionen RM. für Bauten, Neubauten und laufenden Bauaufwand Staatsstraßen, für das Wege- und Wasserwesen rund 12 Millionen RM.. für werteschaffende Arbeitslosenfür- iorge 6 450000 RM. als Landesanteil, außerdem ein Darlehen von 3 Millionen zur Förderung des Klein wohnungsbaues. Aus dem Landtage Die Landtagsfraktion der Wirtschaftspartei wählte Abg. Kaiser zum 1., Abg. Dr. Wilhelm zum 2. Vor sitzenden, Abg. Aßmann zum 3. Vorsitzenden und Kassierer Die sozialdemokratische Landtagsfraktion wählte zum 1. Vorsitzenden den Abg. Böchel, zum stellvertretenden Vor sitzenden Abg. Edel. * Die deutschnationale Landtagsfraktion hat folgenden Antrag eingebracht: „Im Hinblick ans die Tatsache, daß es in Sachsen bereits Sammelschnlen für katholische Kin der und weltliche Versuchsschulen für Kinder, die vom Reli gionsunterricht abgemeldet sind, gibt, während für die evangelischen Kinder keine Sammelschulen bestehen, bean tragen wir, der Landtag wolle beschließen, die Regierung zu ersuchen, durch eine Gesetzesvorlage die Möglichkeit zur Wiedererrichtung evangelischer Sammelschulen oder we nigstens Saimnelklassen im Freistaat Sachsen zu schaffen." Leipziger Allerlei Vor-Ferkn-Krawall — Leipziger unterwegs — Kleinzschocher unk. Leutzsch un Höllental — Fremd enlegionäre Gottlob — die unerträglich schwüle Hundstagszeit hat mit Sturmgebrans, Donnerhall und Wogenprall ein vor läufiges Ende genommen. In diesen heißen Tagen lag die Leipziger City in der glühenden Nachmittagssonne wie ausgestorben. Inzwischen hat sich das Bild geändert, denn kurz vor Ferienbeginn haben traditionsgemäß die Som merausverkäufe eingesetzt, damit auch die Leipziger Ge schäftshäuser in diesen dürren Zeiten heimsen, was zu henmen fitz ehe die große Flaute einsetz.t Auch die Sommer feste der Schreber-, Turn-, Spar- und sonstigen Vereine werden noch vor den Fenen unter Dach und Fach ge bracht, so daß das Paukengeknall an den Sonntaqsnach- mittagen kein Ende mehr nimmt. Ohne starke Erschütterung unseres Trommelfelles geht ja heute fast nichts mehr ab! Vor allem während der Zeit der Landtagswahlen folgte em Sprechchor, Wahl- umzug zu Fuß, Rad, Motorrad, Auto, mit und ohne Fackeln, dem anderen. Aber trotz allen Wahl-Tamtams svies Leipzig 24 Prozent Wahlfaule auf - ein ernstes Zeichen der Gleichgültigkeit der Wähler für die Parteien! Symbolhaft: ein leuchtendes Licht in dunkler Nacht, überquerte Zeppelin auf seiner Deutschlandfahrt nächtlicher weile ganz unverhofft unsere Stadt. Nun aber ist gold'ne Sommerferienzeit! Mit rie- riesigem Ansturm auf die Reichsbahnzüge entfleuchten die reiselustigen Leipziger dem heimischen Asphalt. Sind es in diesem Jahre vielleicht auch weniger Leute, wird der Aufenthalt auch kürzer bemessen als sonst — verreist wird aber doch! Wenn sich Leipziger unterwegs begegnen — und sie begegnen sich oft — so ergeben sich daraus oft kuriose Si tuationen! Kehrte ich z. B. einmal vor Jahresfrist in ei nem Mittenwalder Gasthaus zur Mittagszeit eiu. Fünf, sechs, sieben Gäste zähle ich; reder allein an einem Tische fitzend. „Freilein gäm Se mir ma die Schpeisegarde riewer" sagt der eine. „Mir bring Se eene Gardoffel- suppe un dann Globs mit Salad" läßt sich ein anderer vernehmen. Als die Sieben in unverfälschtem Leipziger „Gäsegeilchen-Dialekt" bestellt haben, steht die erschüt ternde Tatsache fest, daß sieben Leipziger die Gäste sind, von denen keiner vom andern Notiz nimmt! Ja so sind oie gemütlichen Leipziger unterwegs! Eine weitere denkwürdige Begegnung mit Leipzigern batte ich an der Felswand über den Knappenhäwern un Höllcntal. Wir kletterten auf dem plattigen Gefels empor, rine Gruppe kommt vom Joch her entgegen. Begegnung an einer exponierten, durch Seile geschützten Stelle auf dem ^epenvfade; jäh fällt die Felswand mehrere hundert Me ter tief ab. „Gudden Dach" grüßt einer, der sich Vorüber- zwängenden. „Guten Tag, na, wenn Sie nicht aus Leipzig sind, da will ich mein Lebtag hier stehen bleiben!" „Wo her wißen denn Sic, daß ich aus Leipzig bin?" „Kunststück, ein leipziger darf nur die „Gusche" ausmachen!" „Sic wohl ooch Leipzcher?" „Versteht sich!" „Ich wohne in yleenzlmocker, wo wohn denn Sie?" „Ich bin Leutzscher!" „So, aus Leitzsch sinn Se, saachen Se ma, kenn Se da den un den?" Volksgemurmel erhebt sich links und rechts der Felswand, denn der wißbegierige Kleinzschochersche ver sperrt die schmale Passage. „Na, villeicht träffn mir uns ä ma in Leipzch Widder, viel Vergniechen!" empfiehlt sich der Alpiniste im Weiterklettern. Aber so ist's, wenn sich ein Kleinzschocherscher und ein Leutzscher im Höllental bc- gegenen! Wie mag da erst die Begegnung der beiden Leipziger Brüder ausgefallen sein, die sich beide als französische Fremdenlegionäre in Tonkin (Indochina) unvermutet tra fen? Der eine Bruder verließ Leipzig 1920, der andere Bruder wanderte 1925 nach Amerika aus, abenteuerte durch die Welt, kam als Kohlentrimmer übers große Wasser wieder nach Frankreich, wo er sich in die Fremdenlegion aufnehmen ließ. So sahen sich die Brüder wieder. Im nächsten Jahre wollen beide zusammen wieder nach Leip zig zu den Eltern zurückkehren. Dem dramatischen Wieder sehen zwischen den Brüdern möchte ich beigewohnt haben! Frohe Ferienzeit wünscht allen Lesern Konrad aus Lipsk. Aus Sachsens Gerichtssälen. Wichtige Entscheidung sirr Gemeindebeamte Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hatte die Frage zu entscheiden, ob die Nichtausführung von Gemeindever ordnetenbeschlüssen einen wichtigen Kündigungsgrund dar- stellt. Es hat diese Frage bejaht. Nach den Entscheidungs gründen des Oberverwaltungsgerichts hat dem Kläger nur aus einem wichtigen Grunde, der in seiner Person lie gen muß, gekündigt werden können. Um was es sich dabei handelt, habe der Kläger gewußt. Ein Anfang 1929 festgestellter Kassensturz habe zahlreiche Mängel und Unstimmigkeiten in der vom Kläger verwalteten Gemeinde spar- und Girokasse, an den Tag gebracht, weswegen er sich vor den Gemeindeverordneten zu verantworten hatte und der Gemeinderat am 27. Februar 1929 die Anordnung traf, ihm halbmonatliche Kassenabschlüsse zur Genehmigung vorzulegen und nach Schluß jeden Monats eine Uebersicht über die Entwicklung der Sparkasse anzufertigen. Dadurch, daß der Kläger diese Anordnungen, die den Zweck ver folgten, Ordnung in die Buchführung der Gemeinde zu bringen, nicht oder nicht rechtzeitig befolgte, habe er eine grobe Nachlässigkeit bewiesen, die als wichtiger, in seiner Person liegender Kündigungsgrund anerkannt werden müsse. VArse und Handel Amtliche sächsische Notierungen vom 12. Juli. Die Effektenbörsen in Dresden, Leipzig und Chemnitz bleiben an Sonnabenden geschlossen. Leipziger Produktenbörse. Weizen, inl. 286 bis 292; Roggen, hiesiger, alter, 161 bis 165; Sandroggen, neu 160 bis 170; Sommergerste, inl., alt 180 bis 190; Win tergerste, alt und neu 155 bis 163; Hafer 164 bis 174; Mais, amerik. 235 bis 240, Mais, cinqu. 255 bis 265; Erbsen, alte 250 bis 280. Tendenz: Weizen, ruhig: Rog gen, Gerste, Erbsen behauptet; Hafer fest; Mais se- schäftlos. Sie DeälMMragi«. Annäherung in der Kopfstencrfragc Am Sonntag setzten im Reichstags die Finanz sachverständigen und einige Parteiführer der hinter der Regierung stehenden ReichStagssraktionen gemein sam mit Vertretern der Finanzministerien der grö ßeren deutschen Länder ihre Besprechungen über die Deckungsvorlagen, insbesondere über ihre Ergänzung durch eine Kopfsteuer fort. Für Preußen waren Fi- uanzminister Dr. Höpker-Aschosf und Ministerialdirek tor Dr. Hog erschienen, für Bayern Ministerialdirek tor Dr. Hammer, für Württemberg Gesandter Beßler. I» den SVsstündigcn Beratungen machte, wie wir höre», besonders der preußische Finanzministcr Vie stärksten Bedenken gegen eine Kopfsteuer nnv gegen die Möglichkeiten ihrer Durchführung geltend. In nicht ganz so scharfer Form äußerte sich auch der baye rische Negierungsvertreter gegen dis Kopfsteuer, trotz dem wurden die technischen Möglichkeiten für vir Durchführung der Kopfsteuer genau vurchgcsprochen. Die Fraktionen behielten sich ihre endgültige Stel lungnahme vor, doch gelang es, wie verlautet, eine An näherung in den Auffassungen der Regierungsparteien herbcizuführen. Beschlüsse wurden zwar nicht gefaßt, doch geht die Tendenz dahin, es im wesentlichen bei den vor einigen Tagen von der Regierung aufgestell ten Ergünzungsvorschlägen zu den' Deckungsvorlagen zu belassen. Wieder ein gräßliches MW. «7 Tote bei einer Stratzenbahnkatastrophe. Bei der argentinischen Hauptstadt Buenos-AireS durchbrach ein mit 70 Personen besetzter Straßenbahn wagen, als er die Zugbrücke über den Riachuelofluß Passierte, der Buenos-Aires von der Ortschaft Aval- laneda trennt, das Geländer und stürzte in den Fluß. Man befürchtet, daß die 7V Personen, die sich in dem Wage« befunden haben sollen, sämtlich umge kommen sind, mit Ausnahme von drei Passagieren, die sich auf der Plattform des Wagens befanden und ans dem Wasser gezogen werden konnten. Bis zum Mittag wurden 53 Insassen tot ge- borgen. Die Katastrophe ereignete sich früh um 6 Uhr. Die Mehrzahl der Todesopfer sind Arbeiter, die zu ihrer Arbeitsstätte fuhren. Vermutlich infolge des herr schenden dichten Nebels bemerkte der Fübrer des Wa gens nicht, daß die Brücke geöffnet war, und fuhr so in den Fluß hinein. Bei der Identifizierung der Leichen durch die An gehörigen spielten sich erschütternde Szenen ab. Die Fabriken erlaubten ihren Angestellten, die Arbeit zu verlassen, da alle wegen des Schicksals von Angehörigen in Unruhe waren. Fahnen halbmast! Di« Bestattung der Opfer in Neuvode. Am Sonntag find die toten Bergknappen von Neurod« zur letzten Schicht gefahren worden! Trauer in Neurod«, Trauer in Schlesien, Trauer in Preußen, Trauer in ganz Deutschland. Von öffent lichen und privaten Gebäuden wehten die Fahnen, halbmast. Das Sonntagsprogramm der Rundfunksen der war dem ernsten Charakter des Tages entsprechend abgeändert worden. Erschütternde Abschiedsszenen. In Neurod« läuteten am Sonnabend stundenlang und den ganzen Sonntag bis zur Beendigung der ergreifenden Beisetzungsfeierlichkeiten di« Glocken zur Trauer. Im Belegschaftshaus der Wenzeslaus-Grube waren die 102 Särge aufgebahrt, in denen die toten Knappen ruhen. Vor dem Haus stauten sich die Arbeitskol legen, die Frauen und Kinder, um die Toten noch einmal zu grüßen. Das Haus war mit schwarzem Tuch und Tannengrün ausgeschmückt. Hinter den offenen Särgen erhoben sich hohe Leuchter, von denen Kerzen- schein herabflackerte, und Bergknappen in Galatracht hielten Totenwache. Auf der Wenzeslaus-Grube feierten alle Schich ten unter und über Tage zum Zeichen der Trauer um die Toten. Nur ein« Schicht feierte nicht: die Ret tungsmannschaften arbeiteten unermüdlich weiter, um auch die 48, die noch immer eingeschlossen liegen, zu bergen. Die Sanitäter hatten alle Hätlvc voll zu tnn, um Frauen und Kinder, die angesichts ihrer Toten der Schmerz übermannte, Hilfe zu bringen. Bielv Hinter bliebene mußten von Autos in ihre Wohnungen ge bracht werden. In Hausdorf uud Umgebung war am Sonnabend der gesamte Borrat an Schuittblumen aus- gegangen, so daß Blumen aus den entferntesten Ge genden herbeigeschafft werden mußten. „Da unten ist Friede!" Bereits in der 6. Morgenstunde des Sonntags strömten die Massen derjenigen, die den Opfern der Katastrophe in der Wenzeslausgrube die letzte Ehre er weisen wollten, aus allen Gegenden des Waldenburg- Neuroder Bezirks in Neurode zusammen. Ihrs Zahl, wird auf 15 000 bis 20 000 geschätzt. Fast unüberseh bare Reihen von Automobilen brachten Angehörige sowie Vertreter der Behörden und Körperschaften zum Friedhof. Für die Reichsregierung war Staatssekretär Dr. Geib und für die preußische Staatsregierung Ober- berghauptmaun Flemming erschienen. Außerdem Ober präsident Lüdemann mit den beiden Regierungs präsidenten von Breslau und Liegnitz, der Vertreter des Kardinals Bertram, Domvikar Prälat Lange, der Breslauer Generalsuperintendent v. Dr. Schian„ Neichstagspräsident Löbe, der Schlichter der Provinz Niederschlesien, Oberpräsident z. D. Philipp, drr Vor-! sitzende des Provinziallandtages und der Präsident des Landesarbeitsamtes von Niederschlesien. Nm 8 Uhr morgens begann die Trauerfeirtz, die nahezu zwei Stuudeu dauerte, mit einer Trauer musik sämtlicher Bcrgmannskapellen des Waldenburg- Ncuroder Bezirks. Darauf zelebrierte der erzbischöf liche Generalvikar Dittert eine Messe, an die sich ein großes Requiem anschloß. Tie Trauerrede« wurden von dem katholischen und den evangelischen Ortsgeist- lichen gehalten. Mit dem Chorgesang der vereinigten Gesangvereine: „Da unten ist Friede", dem Grabgesang des Bergmannes, wurde die von vielen Schmerzens schreien unterbrochene Feier beendet. Während der Feier brachen viele Angehörige ohn mächtig zusammen. Nicht weniger als 30 Personen mußte» schätzungsweise in der dem Friedhof gegen über als Lazarett eingerichteten Scheune behandelt wer den. Einige Fälle waren sogar ernster Natur. Auf den Zugangsstraßen zum Friedhof hatten die Neuroder Vereine Aufstellung genommen. An ihnen vorbei wurden nach der Feier die auswärtigen Toten in ihre Heimatgemeindsn übergeführt. Die Särge wurden auf Lastkraftwagen, die mit Trauerflor geschmückt waren, befördert, während die Angehörigen in Autobussen folgten. Jedem Zuge schritten eine Bergmannskapelle und eine Abordnung mit zahl reichen Fahnen voraus. Den engeren Angehörigen folgten in schier unübersehbarem Zuge die Freunde und Bekannten der Verstorbenen. Noch am Sonntagnachmittag erfolgte die Bei setzung in den verschiedenen Heimatorten. In Hausdorf gab es nur wenige Menschen, die nicht in Tranerkleidung waren. Wsttmmmgsseiem. Ostpreußen ist deutsches Laud. Bor zehn Jahren, am 11. Juli 1920, ist durch den Volksabstimmungstag im Osten urdeutsches Land gerettet, feindliches Lügengewebe zerrissen und deut sches Selbstvertrauen und Achtung vor dem deutschen Volke wieder angebahnt worden. Historischer Boden blieb dem Deutschtum erhalten. Znm Gedenken an diesen Sieg fanden in den Hauptzentren der Abstimmung, in Marienburg und in Allenstein, Mickte Feiern statt, die den Volks-