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Ler dadurch geschaffene Rechtszustand ist daher verfas sungsmäßig. Tie Veranlassung bildete der neuerliche Eingriff in die staatliche Polizeihoheit Bayerns. Ec hat die grundsätzliche Frage des Verhältnisses zwi- sche« dem Reiche und den eiuzeluen Staaten aufgerollt. In erster Linie muß diese Frage im Interesse des Reiches und der Länder einer endgültigen Lösung zu- geführt werden, um die Sicherheit dafür zu schaffen, daß Konflikte für die Zukunft unmöglich werden, wie sie bisher Jahr für Jahr das politische Leben des Rei ches und der Länder erschüttert haben. Einigkeit be stand auch darüber, daß eine Veränderung im Oberbefehl des bayerischen Teiles der Reichswehr untragbar wäre." Danach beharrt die bayerische Regierung auf ihrem ablehnenden Standpunkt, und wenn nicht noch in letzter Stunde irgendeine Vermittlung gelingt, dürfte diese Antwort auch in dem offiziellen Antwortschreiben an die Reichsregierung zum Ausdruck kommen. Deutsches MH. — Berlin, den 1. November 1923. 0 Sparmaßnahmen auch in Preußen. Tas preußi sche Kabinett ist zur Zeit damit beschäftigt, eine Reihe einschneidender Sparmaßregeln vorzubereiten, die sich im wesentlichen im Rahmen der vom Reiche betriebenen Sparpolitik bewegen. Zum Teil gehen die Absichten der preußischen Regierung noch darüber hinaus. Die LHratungen sollen nach Möglichkeit so beschleunigt wer den, daß bereits für die nächsten Tage mit ihrem Abschluß zu rechnen ist. Die vom Kabinett ausgearbei- LMn Verordnungen werden, da der Landtag zur Zeit M den Ferien ist, dem Ständigen Ausschuß des Land tages zur Kenntnis gebracht werben. ° Spaltung der Beamteuverbände. In einer Sit zung der fünf Beamtenspitzenorganisationen am 30. Oktober wurde von dem Deutschen Beamtenbund, dem Allgemeinen Deutschen Beamtenbund und dem Gewerk schaftsring eine „Kampffront" der Beamten gegen die vorstehend mitgeteilten Regierungsmaßregeln ausgerich tet. Diese Kampffront ist gedacht unter Anwendung aller gewerkschaftlichen Mittel. Ter Gesamtverbano deutscher Beamtengewerkschaften (christlich-national) und der Reichsbund der höheren Beamten hielten sich aus dieser Kampfgemeinschaft fern, weil sie es ablehnten, in der jetzigen schwersten Lage des Vaterlandes das Elend des Volkes einschließlich desjenigen der Beamten durch einen Streik zu vergrößern und an Aktionen sich zu beteiligen, die als unmittelbare Gefährdung des Berufsbeamtentums erkannt sind. « Nottarif für Lebensmittel. Um dem wirtschaft lichen Leben Zeit zu lassen, sich auf die Goldwährung umzustellen, führt die Reichsbahn aus schonendster Rück sicht auf die Ernährungslage vom 1. November ab einen Nottarif für Lebensmittel ein. Die jeweils gültigen Frachtsätze der regelrechten Tarifklasse und der Aus- nahmetarise werden für die folgenden Lebensmittel um 30 Prozent ermäßigt werden: 1. Getreide und Hülsen- früchte, 2. Mühlenerzeugnisse, 3. Teigwaren, kochfertige Suppen und dergl., 4. frische Feld- und Gartenfrüchte der Klasse C und E, 5. frische Mohrrüben und frische Kohlrüben der Klasse F, 6. Seefische usw. des Aus nahmetarifs 8, 7. Milch des Ausnahmetariss 25, K. Autter, Butterschmalz, Margarine, Fette aus pflanz ¬ lichen und tierischen Stoffen der Klasse D zur mensch lichen Ernährung. 9. Käse und Quark. - ° England interveniert! In England scheint man das wüste Treiben der Separatisten im Rheinland und die Unterstützung, die Frankreich jenen zuteil werden läßt, satt zu sein. Aus London wird nämlich gemel det, daß die britische Regierung dem französischen Aus wärtigen Amt eine Note betreffend die Rheinlandfrage zustellen wird. Ter diplomatische Mitarbeiter des „Echo de Paris" glaubt zu wissen, daß Lord Curzon in dem Schriftstücke ausführt, die Abfallbewegung ent spreche nicht dem Gefühl der örtlichen Bevölkerung des Rheinlandes. Ferner kritisiere der englische Außen minister die Haltung der französischen und belgischen Regierung, die nicht in Uebereinstimmung mit dem Ver sailler Vertrage stehe. Ihrerseits kündigt die englische Regierung an, sie sei entschlossen, weder de jure noch de facto eine aus der; Abfalloewegung hervorgegangene Regierung anzuerkennen. ° Französische Unverschämtheit. Die Pariser Dol- schafterkonserenz hat beschlossen, der deutschen Regie rung eine Note zugehen zu lassen, in der sie auf die Wiederaufnahme der interalliierten Militärkontrolle drängt. Die Konferenz hat ferner beschlossen, die Ge hälter der Mitglieder der Kontrollkommissionen in Deutschland einer Revision zu unterziehen und hierbei der Erhöhung der Lebenshaltungskosten in Deutschland Rechnung zu tragen. — Es ist entschieden der Gip fel der Unverschämtheit, sich auf Kosten des hungernden Volkes mästen zu wollen. Ohnehin erhält jetzt schon ein gewöhnlicher Leutnant dieser überflüssigen Kommission so viel Gehalt wie ein deutscher Minister. ° Der englische Kohlentredit bewilligt. Tie Lon doner Blätter melden, daß das Kohlcnabkommen, das die Berliner Großbanken zur Deckung des Bedarfes der Reichseisenbahn in London abgeschlossen haben, end gültig zustande gekommen sei. Die Verhandlungen, die auf englischer Seite Mac Kenna in seiner Eigen schaft als Präsident der Middlandbank führte, ergaben, daß ein Syndikat, bestehend aus der Middlandbank, Rothschild und Bankhaus I. N. Schröder, gegen Garan tien der Berliner Großbanken für die Kohlenbeschaf fung der Reichseisenbahn in England einen Kredit von drei Millionen Pfund, vorläufig nur auf sechs Mo nate, zu dem jeweiligen in London üblichen Zins für Handelskredite einzuräumsn einverstanden ist. Der Kredit ist an die Bedingung geknüpft, daß die Kohlen bestellungen jeweils zu gleichen Teilen bei der Ste- vensongrube und bei den Baldwingruben (die dem englischen Premierminister gehören) erfolgen. " Berlin. Das ReichÄoehrministerium und das Reichs- Ministerium des Innern werden je einen Vertreter nach Frei- bcrg (Sachsen) entsenden. Ihre Ausgabe ist, dort eine un- vartciische Untersuchung der blungsn Vorfälle oorzu- nehmen. " Brrl-u. Ter ReichAvehrminister hat auf Grund des Paragr. 1 der Verordnung des Reichspräsidenten die „B e r- liner Volkszeitung" vom 30. Oktober an für eins Woche verboten, weil sie am 29. Oktober „in der Neber- schrift wie im Leitartikel die Maßnahmen der Reichsre gierung gegen Sachsen als Staatsstreich und Verfassungs- bruch" bezeichnet hat. ° Berlin. Dis hiesigen Sozialdemokraten haben folgen des beschlossen: „Die Funktionärversammlung der V. S. V. D. Groß-Berlins schließt sich dem Vorgehen der Funk tionäre von Leipzig an und verlangt den sofortigen Aus schluß des Reichspräsidenten Ebert aus der Bar ¬ tet. Eine Begründung nach den letzten Handlungen de» Reichspräsidenten erübrigt sich." ' ' ° Kaiserslautern. Eine Statistik der Pfälzischen Schuh industrie ergibt ein erschreckendes Bild. 316 Schuhfabriken wurden in der allerletzten Zeit stillgelegt und etwa 10 003 Arbeiter brotlos gemacht. ZuMOZ-ZMWsu. Abschied des amerikanischen Botschafters aus London -c- Der scheidende amerikanische Botschafter Harves sprach bei einem Essen, an dem auch Lord Curzon teil nahm, von der säst völligen Regelung der Beziehungen zwischen Großbritannien und Amerika und erklärte, er hab« nach dem, was er von Lord Curzon erfahren habe, Grund, zur Annahme, daß noch vor seiner Abreise am Sonn abend die zwei oder drei Frage», dis noch zu behandeln seien, erledigt sein würden. Gr werde die große Ehr« und Freude haben, seinem Nachfolger einen vollkommen reinen Tisch zwischen den Vereinigten Staaten und den» britischen Reiche zurnckzulasten. * * * Paris. Nach einer HavaSmeldung aus Konstan tinopel hat Ismet Pascha das Angebot Mustafa Keniat Paschas, das Kabinett zu bilden, angenommen. Handelsnachnchien. Berliner VörsenberiHie vom 31. Oktober. — Devisenmarkt. Die Devisenkurse zogen heutt nachdem sie einige Tage unverändert geblieben waren, wieder an. Der Dollar kletterte auf 72,5 Milliarden« Die Reichsbank mußte scharfe Repartierungen vorneh men. Dollarschatzanweisungen konnten des außeror- dentlich hohen Auftragseingangs wegen überhaupt nicht, notiert werden. Damit sinkt natürlich die Bedeutung als Zahlungsmittel in sich zusammen. — Effektenmarkt. Infolge des Anziehens der De-« Visenkurse war auch hier die Haltung fest und es gab! überwiegend verdoppelte Kurse. — Produktenmarkt. Die heutige Produktenbörse» eröffnete in fester Haltung bei stark anziehenden Prei-' sen. Nachdem heute morgen bereits Amerika einem höheren Dollarkurs meldete, zogen an der heutigem Börse die Kurse für ausländische Zahlungsmittel gleich falls an, was nicht ohne Einfluß auf den Produkten- mark blieb. In Roggen bestand unvermindert starke: Nachfrage, während in Weizen das Geschäft weniger groß war. Für Hafer war gleichfalls Begehr, während- Gerste weniger Beachtung sand. Futtermittel, Hülsen früchte und Oelsaaten fest. Ter Stand der Mark. 31. 10. 30. 10.1 (In Millionen Mark.) G. B. B. 1 holländischer Gulden 28329 28471 25163) 1 belgischer Franken 6351 3 669 326H 1 norwegische Krone 11171 11228 10O7Ä 1 schwedische Krone 1 dänische Krone 19152 12596 19248 12631 17043! 11228! 1 italienische Lira 3252 3268 2927' 1 englisches Pfund 324188 325812 29072» 1 Dollar 72319 72681 65162 1 französischer Franken 4269 4291 3809! 116M 1905! 1 schweizerischer Franken 1 tschechische Krone 12868 2115 1 2932 2125 1 österreichische Krone 1,017 1,023 V.92S Grandhotel' Waöylon Eine geheimnisvolle Geschichte von Arnold Benne t t. In diesem Augenblicke machte der Kranke eine kramps- ^afte Bewegung, und Nella eilte an sein Bett und be ruhigte ihn. Von dort aus sah sie zu Prinz Aribert hin- «über, und er erwiderte ihren leuchtenden Blick. Sie trug «in dunkles Neisekleid und eine große, weiße Schürze dar- jüber. Tiefe dunkle Ringe, Zeichen der Schlaflosigkeit und »Übermüdung, umschatteten ihre Augen, und dem Prinzen -amen ihre Wangen bleich und eingefallen vor; ihr Haar »bedeckte ihre Schläfen und fiel fast über die Ohren. Aribert ^antwortete nicht auf ihre Frage und sah sie nur mit «trauriger Eindringlichkeit an. i „Ich glaube, ich werde mich jetzt ein wenig ausruhen," «sagte sie endlich. „Sie wissen doch alles wegen der Medizin?" „Schlafen Sie wohl," sagte er und öfsnete leise die Aür für sie. Diese Nacht war es an ihm, Wache zu halten, denn sie fürchteten noch immer einen plötzlichen Besuch oder über- jfall von Jules. Racksole schlief unten im Wohnzimmer. Mella hatte ihr Zimmer im ersten Stock, und Miß Spencer swar im Giebelzimmer eingespcrrt. Die letztgenannte Dame Hoar merkwürdig ruhig und teilnahmslos, nahm die Spei fen, die Nella ihr brachte, und stellte keinerlei Fragen. Die «lte Frau verließ abends das Haus, um ihr eigenes Quar tier im Hafenviertel aufzusuchen. Stunde um Stunde saß Aribert still am Bette seines Neffen, mechanisch die nöti- «en Dienste versehend und immer wieder in das ausdrucks lose Gesicht starrend, als wollte er ihm sein Geheimnis ent reißen. Der Gedanke quälte und verfolgte ihn, daß eine kurze Unterredung mit Eugen alles aufklären und ebnen iwürdr, und daß er diese Unterredung nicht früher erreichen Rönne, als bis das Fieber gewichen sei. Während der (Zeiger der Uhr langsam auf zwölf vorrückte, wurde der Wachende immer nervöser durch dis elektrisch geladene Atmosphäre, die jeden Schwerkranken zu umgeben scheint, sind geriet mehr und mehr in den Bann dumpfer Ahnun gen und schrecklicher Befürchtungen. Er fragte sich, was geschehen würde, wenn Eugen unglückseligerweise hier in -diesem Bette sterben sollte, wie er es seinem Vater und dem Staate erklären sollte, und womit er sich rechtfertigen könnte. Er sah sich wegen Mordes an seinem Neffen an geklagt und verurteilt — er — ein Prinz von Geblüt! Dann sah er wieder in das Gesicht des Kranken und ver meinte den Tod in den verzerrten und entstellten Zügen zu sehen. Er hätte laut schluchzen können. Jetzt hörte er die Turmglocke, die die Mitternacht verkündete. Ihren Schlägen folgte noch ein anderer Laut: ein seltsames Scharren an der Tür. Er horchte und sprang auf. Nichts! Tiefe Stille. Und doch zog es ihn gewaltsam zur Tür. Nach Sekunden, die ihm Stunden dünkten, raffte er sich aus und ging zur Türe; sein Herz pochte wie besessen. Als er die Tür öffnete, erblickte er auf dem Boden des Ganges eine Gestalt: es war Nella, vollständig ange kleidet und anscheinend bewußtlos. Er nahm ihren schlan ken Körper in seine Arme, trug sie ins Zimmer und bettete sie in den Lehnstuhl beim Kamin. Eugen war vergessen. „Was ist dir, mein Engel?" flüsterte er, und dann küßte er sie zweimal. Er konnte sie nur ansehen und wußte nicht, wie er ihr beistehen sollte. Endlich öffnete sie die Augen und seufzte. „Wo bin ich?" fragte sie mit schwacher, zitternder Stimme. «Ach, Sie sind es!" — Sie erkannte den Prin zen. — „Habe ich etwas Dummes angcstellt? War ich be- wußtlos?" „Was ist geschehen? Sind Sie krank?" fragte er angsterfüllt. — Er kniete zu ihren Füßen und hielt ihre Hand fest in der seinen. „Ich habe Jules bei meinem Bett gesehen," flüsterte sie. „Ich weiß bestimmt, ich habe ihn gesehen. Er hat mich ausgelacht. Ich hatte mich nicht ansgezogen. Ich sprang furchtbar erschrocken auf, aber er war schon fort, und da lief ich hinunter, — zu Ihnen." „Sie haben geträumt," beruhigte er sie. ? „Glauben Sie?" „Sie müssen geträumt haben. Ich habe keinen Laut ge hört. Es kann unmöglich jemand ins Haus gekommen sein. Aber wenn Sie es wünschen, werde ich Mr. Racksolo Wecken." „Vielleicht habe ich wirklich geträumt — wie närrisch!" „Sie waren übermüdet," sagte er, noch immer ihre Hand haltend. — Sie blickten einander an. Nella lächelte ibm ZU. . ... 5 .... . ... ' „Sie haben mich geküßt!" sagte sie plötzlich. — Et- tvurde feuerrot und erhob sich. — „Warum haben Sie mich! geküßt?" „Ach, Miß Racksole," flüsterte er stotternd, „verzeihen! Sie mir! Es ist unverzeihlich, aber ich bitte Sie, ver zeihen Sie mir! Ich war nicht Herr meiner selbst, meine. Gefühle haben mich übermannt." „Warum haben Sie mich geküßt?" wiederholte sie.- „Weil — Nella! Ich liebe Sie, aber ich habe nicht das! Recht, es Ihnen zu sagen." „Warum haben Sie nicht das Recht?" „Wenn Eugen stirbt, wird es meine Pflicht sein, alSs Herrscher den Thron zu besteigen." „Arm," sagte sie ruhig mit entzückender Vertrauens-! seligkeit. „Papa hat vierzig Millionen. Könnten Sis nicht abdanken?" „Ach Gott," stöhnte er, „zwingen Sie mich nicht, so« etwas zu sagen. Ich dürste mich meinen Pflichten nicht ent ziehen, und der regierende Fürst von P. darf nur eins Prinzessin heiraten." i j „Aber Prinz Eugen wird leben!" säst« 8» bestimmt- ' „Darrn werde ich frei sein. Ich würde gerne all mei nen Rechten entsagen, wenn — wenn — : „Wenn, was?" - ' „Wenn Sie mich zum Manne wollen." „Bin ich Ihnen also reich genug?" t „Nella!" — Er zog sie in seine Arme. Da krachte splitterndes Glas. Aribert ging zum Fenster und öfsnete es. Im sternefunkelnden Dunkel konnte er eine Leiter erkennen, die an die Hinterwand des Hauses gelehnt war. Er glaubte Schritte im Garten z« hören. . „Das war Jules!" rief Nella und eilte ohne ein wer teres Wort hinauf in das Giebelzimmer. Das Nest war leer, der Vogel ausgeflogen. Mill Spencer war spurlos verschwunden. * Hochwasser der Fulda. Infolge der anhaltendes Regenfällc der letzten Zeit fllhrt die Fu»« "Hochwasser- das eine Ucberflutung der Kelter in «MAveugendew Stadtteilen verursachte. Durch den starken Druck des Wassers wurde eine große Padebrück^ qbgMssey,-