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Adorfer Grenzbote Dies Blutt enchält die smUichen TeknrrrinwchvRsen LerTmtLheUpimorl«schast Oelsnitz, des Amtsgerichts, der Amlsan» wÄtscheft 8nd Les StLdtretes zu Adorf. Fürsprecher Nr. 14. VerenLrvorÜicher Schriftleiter, Drucker und Verleger Otto Meyer in Adorf. Tel .Ldr.: Grenztote - - - - - - — , 171 Freitas, ds» 27. Juli iSZ3. . Hahr',. 88« Vrotnmrken-Ausgabe Freitag, den 27. IM 1923, nachmittags 2-^6 Uhr im Riedelschen Hause, Freiberger-Straße 1. Die Ausgabe der Karten erfolgt nur gegen Vorlage des Lebensmittelausweises. Sämtliche Karten sind sofort nochzuzähstn und Unstimmigleiten unverzüglich zu melden. Adorf i. V., den 26. Juli 1923. Der Stadtrat. Oaspreis betr. Der Easpreis ist von Anfang Juli 1923 ab auf 6309 Mark für das odm erhöht worden. Von Anfang August ab muß eine weitere Erhöhung eintreten, die j.doch noch nicht beziffert werden kann. Adorf, den 26. Juli 1923. Der Stadtrat. Was gibt es AeueS? — Die neue Gvldanleihe des Reiches wird in Höhs von 20 bis 25 Millionen an den Markt gebracht werden, f — Der Orientfriedensvertrag wurde in Lausanne unter zeichnet. . — Die deutsch-amerikanische Kommission für die Re ¬ gelung der gegenseitigen Ansprüche hat ihre weitere» Be ratungen bis zum Herbst vertagt. . — Baldwin hat bei einem Festessen die Bemühungen Englands für ein Wiederherstellungs-Kompromiß zwischen Herr Verbündeten auSeinanoergesetzt. M4-1S2Z. Wer an den KriegSbeginn im Jahre 1814 zu rückdenkt, der wird sich erinnern, daß die Entente kiicht allein aus ihre Uebermacht baute, sondern fast hoch mehr darauf, daß der Ausbruch von inneren Un ruhen in Deutschland ihren Heeren den Weg bahnen würde. Es war namentlich der englische Minister des kluswürtigen, Greh, der diesen Glauben teilte, denn keine Agenten hatten ihm berichtet, daß das Deutsche pkeich vor einer Katastrophe stände. Der Ausfall der letzten Neichstagswahten vor dem Kriege, in welchen die Sozialdemokraten einen erheblichen Mandatszu- wachs erlangt hatten, bestärkte Grehs Ueberzeugung, der Deutschland, wie die meisten Engländer, zu wenig kannte, um sich von den Verhältnissen bei uns ein klares Bild machen zu können. Es ist wohl anzunehmen, daß die Negierung in «ondon nicht so leichtherzig mit beiden Beinen in den großen Krieg hineingegangen wäre, wenn sie sich nver die Verhältnisse besser unterrichtet hätte. Denn die Berechnungen über die Kriegskosten ent sprechen den späteren Tatsachen so wenig, daß sie nur Ms einer weitgehenden Verkennung des deutschen Volkscharakters im ersten Kriegsjahre erklärlich sind. . Was den Engländern bei ihrem eigenen Volks selbstverständlich erschien, die nationale Sache den Par teiangelegenheiten voranzustellen, das trauten sie uns sticht zu und erschien ihnen zum mindesten sehr zweifel haft. Der Deutsche war dem Engländer noch kein kbenbürtiges politisches Wesen, man dachte in London, Vbwohl man die deutsche Invasion fürchtete, noch immer geringschätzig von uns, wie in jener Zeit, wo die „ar- snen deutschen Prinzen nach Großbritannien kamen, um die reichen englischen Prinzessinnen zu heiraten". t Die Franzosen hallen sich 1914 wohl kaum so Mündlich über Deutschlands Macht informiert, sie hiel ten das für wahrscheinlich, was sie wünschten, und be lauschten sich an ihren eigenen Phrasen. Aber ihre Eitelkeit redete ihnen vor, daß die Deutschen sich »Nehr von Paris würden beeinflussen lassen, als von, ^Militarismus in Potsdam". Sonst hatten sie ja von «e an die Revanche gedacht und waren überzeugt ge wesen, daß sie im Verein mit Rußland die Partie ku ihrem Gunsten entscheiden würden. Daß die Fran- tpsen uns wenig kannten, konnten wir ihnen nicht Mel nehmen, denn Geographie war niemals ihre starke »eite. . Seit 1914 hat sich der Krieg mit seinen bekannten Folgeerscheinungen abgespielt, aber daß viel von unse ren Gegnern über uns gelernt worden ist, kann gerade nicht gesagt werden. Das deutsche Volk wird heute poch nicht so eingeschätzt, wie es dies verdient, soweit find selbst die Engländer noch nicht gekommen. Sie Empfinden nur, daß wir ihrs guten Kunden waren, Nnd daß sie Einbuße davon haben, daß wir es nicht wehr sind. Als vollwertige Geschäftsleute nehmen sie Nns schon deshalb nicht, weil wir ihnen ihr erstes praktisches Gebot: „Zeit ist Geld" nicht genügend beherzigen. Aber die Engländer sind doch dahin in ihren An schauungen gekommen, daß sie uns für ein Volk halten, "aß im Interesse des wirtschaftlichen Aufbaues Euro pas notwendig ist und dem eine gewisse Gleichbercch- ^gung auch mit Großbritannien zugestanden werden Nuß. Soweit ist England von 1914 bis 1923 vorge- chritten, und es ist auch bereit, seine umgewandelten Anschauungen in Taten, freilich keine erstklassigen, um- ßUsetzen, wie e- da» in diesen Tagen bewiesen hat. Hingegen W Frankreich eher zurück als.vorwärts ge schritten. Es erwartet heute, daß Deutschland an seinen eigenen Schwächen zusammenbrechen wird. i „Das Siegen" ist den Franzosen im Weltkriegs recht sauer geworden, und wenn sie sich eine Dosis vornehmer Gesinnung bewahrt hätten, so würden sie Deutschland einräumen, daß wir eine tapfere Nation sind, die ihren Standpunkt zu wahren und ihre Ehre zu schützen weiß. Sie müßten sich heute sagen, daß wir die Ruhraktion nicht als eine Nebensächlichkeit, sondern als einen Feldzug betrachten, in dem es keine Kapitulation gibt. Wir dürfen die Haltung, die wir im Verlaufe »er Jahre zurückgewonnen haben, nicht aufgeben und Nüssen nach allen Seiten hin beweisen, daß die Würde »es deutschen Namens nicht Schall und Rauch, sondern .Kern und Gehalt ist. Wir haben keine Wahl, wie wir ans in Zukunft stellen wollen, sondern es gibt nur bas Muh der Tüchtigkeit und Tapferkeit und Treue. Die Dinge liegen in dieser Beziehung 1923 nickt an ders wie 1914. Dre Gefahren des 29. Zu!i. DersammLuu^vcNbst in gariz Preußen. Angesichts der Befürchtungen, daß es am kom menden Sonntag zu Unruhen kommen kann, gibt das preußische Ministerium des Innern folgendes bekannt» „Der Artikel 123 Absatz 2 der Neichsvcrfassung jibt die Möglichkeit, Versammlungen unter freiem Himmel zu untersagen, wenn die öffentliche Sicher heit «nmitteVbar gefährdet ist. Zahlreiche Vorgänge in der letzten Zeit haben gezeigt, daß die politischen Lei denschaften als Folge ständig zunehmender Bev- hetzung vom radikalen Seiten derart überhand ge- Nommen haben, daß unmittelbare Gefahren für die öffentliche Ruhs, Sicherheit und Ordnung für den Fall bestehen, daß jetzt politische Kundgebungen mit parteipolitischem Charakter unter freiem Himmel ab gehalten werden. Die Zusammenstöße der letzten Wo chen, z. B. bei den Stahlhelmfeiern in ErlerrSmvg und EislÄbem, des Jungsturms in DrnmSnrg, sowie bei den jüngsten Kundgebungen in Frankfurt a. M. reden eine deutliche Sprache. Der preußische Mini ster des Innern hat deshalb an die Oberpräsidenten die Verfügung ergehen lassen, sämtliche Versamm- L«ng»n unter freiem Himmel mit Einschluß der Nm- züg-e bis ans weiteres zu untersagen. Ueberall in der Bevölkerung, wo man sich über die Notwendigkeit klar ist, im vaterländischen Lebensinteresse die Partei- interesscn zurücktreten zu lassen, wird die in diesem Verbot liegende Warnung und Mahnung zur Be sonnenheit vollauf verstanden werden." Der Erlaß des Ministers schließt mit den Wor ten: „Man wird es sicherlich begrüßen, daß mit dem Unterbleiben der für die nächste Zeit beabsichtigten öffentlichen politischen Demonstrationen auch ein we sentlicher Faktor der innerpolitischen Beunruhigung in Fortfall kommt." k , Maßnahmen der Reichörvgierung. Wie seitens der Reichsregierung amtlich mitge teilt wird, Kat der Reichsminister des Innern ein Rundschreiben an die Landesregierungen ergehen las sen, in dem auf die Möglichkeit von Zusam menstößen, insbesondere am 29. Juli, hingewie sen und ersucht wird, alle MaßnahmenzurVer- hinderung von Störungen der Ruhe und Ordnung zu treffen. Ganz besonders wird auf die genaue Durch führung der reichS- und landesgesetzlichen Bestimmun gen über das Waffentragen und das Mitführen von Waffen in Versammlungen und Aufzügen hingewie sen. Mit Rücksicht auf die Notwendigkeit der Ruhe und Geschlossenheit im Innern gerade im gegenwärtigen Zeitpunkt ersucht der Reichsminister in dem Rund schreiben, von vornherein mit wirksamen Mit teln einzugreifen und nötigenfalls Versamm lungen unter freiem Himmel für den 29. Juli über haupt zu verbieten. Die Frankfurter Bluttat. Zu« Ermordwns des SiWatsanwaktrs. Ueber die unerhörten Vorgänge in Frankfurt am Main, die in der Ermordung des Staatsanwaltes: Dr. Haas gipfelten, behauptet ein Augenzeuge noH folgendes: „Der Demonstrationszug, der durch die Schwind-- straße marschierte, machte vor dem Hause des Staats-» anwalts Halt. Ein Mann aus dem Zuge stieg auL da» Gartentor des Nebenhauses und gab von hier zwet Schüsse in der.Richtung auf das Haus ab. Die Meng» war daher der Meinung, daß Dr. Haas, der sich ge rade im Vorgarten befand und das eiserne Vorgarten» tor verschließen wollte, die Schüsse abgegeben habe« Einige stürzten deshalb auf das Tor los, und Dr«. Haas erklärte: ,Hch versichere Ihnen aus mein Ehren» wort, daßichnichtgeschossenhabe." Ein Mani» von der Menge fragte ihn hierauf, ob er im BesitzG einer Schußwaffe sei. Der Staatsanwalt erwiderte» ,^Gewiß, ich bin als Staatsanwalt verpflichtet, ein- Waffe zu tragen. Hier haben Sie meine Waffe unk auch den Waffenschein. Bitte, überzeugen Sie sich, dal ich nicht geschossen haben kann. Ich versickere Ihne» «us niein vag la» Nlchl gejchviie^ habe." Trotzdem drang die Menge in das Haus de^ Staatsanwalts ein. z Daß der Ueberfall auf das Haus des Staats-f anwalts geplant war, ergibt sich wohl daraus, daA ein Teil der Menge von rückwärts von der Schubert-» straße her die Gartenmauer überstieg und in daSk Haus eindringen wollte. Da die Haustür widerstand, holte ein Mann aus einer nahen Baustelle eine groß« Hebestange. Mit diesem Werkzeug wurde die Haustür^ die ebenfalls mit eisernen Gittern versehen war, voll ständig zerschlagen. Die Menge drang in das HauG und wütete darin ganz unbeschreiblich. Kein Möbel-» stück ist darin mehr unversehrt." Es wurde eine große Anzahl von Personen ver-> haftet, die verdächtig sind, sich an der Ermordung des Dr. Haas in der Schwindstraße beteiligt zu haben.» In der Mehrzahl sind es junge Burschen. s Ehrhardls Fluchlhelser. ! Weitere Verhaftungen. In der Fluchtsache Ehrhardt ist eine Anzahl wei terer Verhaftungen vorgenommen worden. So wurden in Ger»rode a. H. auf Veranlass»^ des Oberveichsamvalts der dort wohnende Freiherr? v. d. Wusfche und seins Frau unter dein Verdacht der; Beteiligung an dem Fluchtunternehmen Ehrhardts der-, haftet. In der Wohnung des Ehepaares fand man imr Bett versteckt zahlreiche Akten- »uw Schriftstücke, diq sich auf Ehrhardt bezogen, unter anderen einer» ge nauen Flnchtplan mit allen Eiuzrlheiten, die Stamem weiterer Helfer usw. Bei der Durchsuchung des Schlafzimmers fanH der Beamte im Bett unter dem Kopfkissen eine Anzahl von Aktenstücken und Papieren, die sich bei flüchtige« Durchsicht sämtlich als im Zusammenhang mit dem» Fall Ehrhardt stehend erwiesen. Als der Beamte dar-! auf hin zur Festnahme des Freiherrns schreiten wollte^ leistete ihm dieser Widerstand und es kam zu hefti-t gen Szenen, in deren Verlauf die Freifrau dem Be-j amten eines der beschlagnahmten Schriftstücke aus devj Hand riß, es blitzschnell zusammenknüllte und, eh« der überraschte Beamte es hindern konnte, hinun-i ter schluckte. Die beschlagnahmten Paviere sollens unter anderen einen bis in die kleinsten Einzelheiten! gehenden Plan der Flucht Ehrhardts aus denk Leipziger Untorsnchungsgefängnis, ferner ein sich eben-, falls nur mit Ehrhardt befassendes Tagebuch deM Freiherrn sowie Listen von Helfershelfern Ehryardtsj enthalten. Auf die telephonische Mitteilung von dert erfolgten Verhaftung wurden der Freiherr und seinq Gattin am Montag abend mittels Kraftwagen untev Polizeibedeckung zunächst nach Aschersleben und vortz dort weiter nach Leipzig transportiert. Freiherr v. d. Gussche, der ebenso wie seine Gattin in mittleres Jahren steht, war früher Farmer in Südafrika undi wohnte seit etwa Jahresfrist in Gernrode, wo er eine: Villa gemietet hatte. Seine Frau soll eine Englände rin. und zwar eine geborene Carpenter sein. —L