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— PvovuklEnMM. Die heutige Berliner Pro duktenbörse verkehrte in sehr fester Haltung. Die Meldungen von einer wetteren Verschlechterung der Mark im Auslande wirkten verstimmend auf den Markt. Infolgedessen übte der Beschluß des Börsenvorstan des, heute keine Devisen zu notieren, keinen Einfluß aus. Die geringe Zuteilung in der letzten Zeit er schwerte ja sowieso das Geschäft mit Auslandsgetreide Banz außerordentlich. Das Angebot in Jnlandsgetreide bleibt weiter klein, die geforderten Preise worden erhöht. Doch war auch die Kauflust infolge der un sicheren Politischen Lage in allen Artikeln sehr ge- ning. Hinzu kommt, daß der Markt nur sehr schwach besucht war. Allerlei aus aller Wett. * Schiveves Eisenbahnunglück bei Lindau. Ein trus Lindau ausfahrender Leerzug stieß mit einem von Pindau—Reutlingen einfahrenden Güterzug zusammen. Zwei Waggons des Leerzuges wurden zertrümmert, die Lokomotive und zwei Wagen des Güterzuges ent- sleisten. Ein Eisenbahnbeamter wurde getötet, drei ^n dem Leerzug sich befindende, aus dem Ruhrgebiet vertriebene Eisenbahner wurden schwer verletzt. * Deutschland soll einen Ozeanriesen für ameri kanische Rechnung ban-n. Wie die „Morning Post" Hus Washington meldet, steht der Shipping Board mit deutschen Reedern zum Bau eines Schwesterschiffes der „Vaterland" in Unterhandlung, das in den trans atlantischen Dienst eingestellt werden soll. Die Deut schen sollen teils in bar, teils mit Schiffen bezahlt werden, die bei Ausbruch des Krieges beschlagnahmt worden sind. Die größten davon wären „Mount Ver non", früher „Kronprinzessin Cecilie", und „Aga memnon", früher „Kaiser Wilhelm II." * Großes Schadenfeuer. In dem Schloßgut Er- Hing bei München brach ein großes Schadenfeuer aus, Hu dessen Bekämpfung die Münchener Feuerwehr ge rufen wurde. Der Brand, der u. a. 2000 Zentner Heu vernichtete, hat einen Schaden von vielen hundert Millionen verursacht. * Polnische Nazzia gegen Palntahäudlrr. Im Sächsischen Park in Warschau fand eine große Razzia vegen die Valutahändler statt, die der mit der Be kämpfung der Spekulation betraute Kommissar lei tete. Es wurden 120 Personen verhaftet und nach dem Polizeirevier abgesührt. * Polnische RiesE-Radiostation. Dis Bauarbei- ren einer großen Radiostation bei Warschau nähern sich, wie uns gemeldet wird, ihrem Ende. Die neue Station soll den drahtlosen Verkehr mit Amerika und Wladiwostock vermitteln. Die Station hat zehn An tennen und zehn Masten, die 126 Meter hoch sind. Die Eröffnung der Station soll noch im Laufe dieses Monats stattfinden. * Di« Hitzewelle kn England. Das kritische Insel- reich leidet noch immer unter einer enormen Hitzewelle. In den letzten Tagen erreichte der Thermometerstand einen Rekord, wie man ihn seit 19!1 nicht wieder erlebt hdt. Ungewöhnlich schwere Gemitterstürme hau sten im Norden und Westen Mittelenglands. In Lon don stieg die Temperatur bis auf 91 Grad Fahrenheit. lDas sind etwa 63 Grad Celsius, also eine Temperatur, wie wir sie in den letzten Tagen auch in vielen Städten Deutschlands gehabt haben.) * Ränb<runwesen in Chin». Wie aus Peking ge meldet wird, ist neuerdings wieder ein Eisenbahnzug von 40 Räubern aufgehalten worden, wobei 90 Passa giere ermordet wurden. Chinesische Truppen nahmen die Verfolgung der Banditen auf, von denen 20 getötet wurden. * Naubmord odrr Gattenmord? In Gangloff sömmern bei Erfnrt wurde nachts die 33jährige Ehe frau des Landwirtes Robert Buechner auf bestialische Art ermordet. Man fand die Frau mit durchschnir- tener Kehle in ihrem Bette tot auf. Daneben schliefen die beiden viev- uno sechsjährigen Knaben der Er mordeten. Würste sowie Kleidungsstücke waren ver schwunden, so daß zunächst ein Raubmord angenommen wurde. Beim Absuchen des Gehöftes fand die Po- ' lizsi jedoch einen Sock mit Wurstwaren in der Scheune, f und ein Sack mit Kleidungsstücken wurde im anliegen» - den Kornfeld gefunden. Tags darauf wurde der Ehe mann unter dem dringenden Verdacht des Gatten mordes verhaftet. » ' * Französische Fahrknnst. Ein außergewöhnliches Eisenbahnunglück hat sich auf der Strecke Langendreer— Bochum-Nord ereignet. 80 Güterwagen, die aneinan der gekuppelt auf dem von den Franzosen besetzten Bahnhof in Langendreer standen, sind ins Rollen ge kommen und auf dem abfallenden Schienenwege auf den in deutschen Händen befindlichen Bahnhof Nord gelaufen, wo unter donnerndem Getöse die ersten 10 Wagen umstürzten und einen Trümmerhaufen bildeten. Der Rauhzug nach Farmen. Nur gMnM Bents. Wie jetzt feststeht, sind von den Franzosen in Barmen verhaftet worden: Die Schupooffiziere Ober leutnant Johann und Hauptmann v. Mechtersheimer, sowie Bankdirektor Crusius. Außerdem wurden von den Franzosen gesucht, jedoch nicht gefunden, Regie rungspräsident Grützner und Regierungsassessor Trappe von der Regierung in Düsseldorf. Im Rat haus Barmen beschlagnahmten die Franzosen einen großen Teil wichtiger Akten der Regierung Grützner. Weitere Beschlagnahmungen sind bisher nicht bekannt, Der Versuch, bei der Neichsbank Gelder zu beschlagnah men, gelang nicht, da die Schlüssel in den Händen von Herren sind, die verreist waren. Die Franzosen kün digten an, sie würden wiederkommen. s Der „Grund" dies Raubzuges. Die Besetzung Barmens durch zahlreiche franzö sische Truppen aller Waffengattungen galt in erster Linie dem Rathause.- Als „Grund" für die Besetzung wurde angegeben, daß vor einigen Tagen französi sche Soldaten und Zollbeamte, dis versehentlich die Grenze ves besetzten Gebietes bei Hermsdorf überschrit ten hätten, von Schupo mißhandelt und nach Elberfeld gefangen abgeführt worden seien. Diese Behauptung entspricht nicht den Tatsachen. In Wirklichkeit spielte sich der Vorgang folgen dermaßen ab: Es hat ein Geplänkel zwischen fran zösischen Soldaten, Zollbeamten und Schmugglern an ver Grenze stattgesunden, wobei die Schmuggler einig« in ihre Hände gefallene Soldaten mißhandelten. Ein zu Hilfe geeiltes Lastauto mit Schupobeamten aus El berfeld befreite die Franzosen und die Zollbeamten aus der Hand der Schmuggler und brachte sie nach» Elberfeld in Schutzhaft. Es ist falsch, wenn der di« Einbrecher befehligende Oberst die Dinge jetzt so dar- gestellt hat, als ob die deutschen Schutzpolizisten dis französischen Soldaten und Zollbeamten mißhandelt hätten. Volksleben und MrtsHasl. — Einigung über dis wertbeständigen Löhne. Am Freitag fanden zwischen dem Neichsarbeitsminister! Brauns und Vertretern der Vereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände Besprechungen über die Einfüh rung wertbeständiger Löhne statt. Das Ergebnis war, daß die Vertreter der Arbeitgeber einer Entschließung des Reichswirtschaftsrats zustimmren, die bekanntlich einen Passus über die wertbeständigen Löhne enthält. Es dürfte anzunchmen sein, daß die gleiche Zustim mung von feiten der Gewerkschaften durch» das Reichs-' arbeitsministerium ebenfalls herbeigsführt wird. VermiMS. f Mo du hi «gehst, will ich auch hinKhen ... s — Wie man weiß, träumt jedes junge Mädchen davon, einen Mann zu bekommen, der weiß, was er will. In den Zukunftsbildern, die es sich ausmalt, ist es immer der Mann, der zu bestimmen hat, Drei Monate nach der Hochzeit beginnt sie sich vorzustellen, wie es wäre, wenn er ihr gehorchte. Sie möchten aber beileibe nicht, daß der Mann die Veränderung merkt. Es ist ja auch gar kein Vergnügen, einen Mann zu beherrschen, der selbst nicht weiß, was er will. Der Reiz liegt darin, einen Mann, der wirklich einer ist, un-, ter die Fuchtel zu bekommen. „Ich will alles tun, was du willst," das ist die Zauberformel, die eine Frau anwenden mutz, wenn sie selbst dis Zügel zu ergrei fen wünscht. Liebt eine Frau ihren Mann, und hat sie es ihm ein dutzendmal gesagt, daß er ihr Herr und Beherrscher sei, und daß seine Entscheidungen allein sie beglücken, so beginnt ja der Mann das allmäh lich zu glauben. Es gibt Paars genug, die auf diese Weise als ein Herz und eine Seele leben. „Das kommt daher, weil ich meinen Willen durchzusetzen verstehe," erzählt der Ehemann. „Wenn ich sage, ich will, so bleibt meiner Frau eben nichts anderes übrig, als sich zu fügen. Sie Weitz das übrigens ßo gub, daß es ihr nicht im Traume einfiele, sich dagegen aufzu- lehnsn." Trotzdem kommen immer wieder Fälle vor, wie dis folgenden: Der Mann liebt graue Anzüge, sie aber zieht für ihn dunkelblau vor. Und man sieht ihn in Blau. Er liebt leichte Musik und möchte den freien Abend in einer Operette Zubringern sie sieht lieber ein ernstes Stück. ' Siehe da, sie gehen ins Schauspielhaus. Diese Frau ist klug genug, nicht etwa ihre Autorität geltend zu machen. Aber ihr Mann hält sie für vernünftig und wünscht ihr eine Freude Zu machen, so tut er, was sie will. Ein FraucnmunSi ist nun einmal nicht für den Kommandoton geschaf« 5. lassen und überlegen, ob sie der Stimme des Gewissens, die sich immer wieder mahnend gemeldet seit ihrem Hochzeitstag, Gehör schenken, sich Lothar offenbaren sollte. Wenn sie denn sterben mußte, so wollte sie nicht mit einer Schuld dahingehen, so wollte sie tun, was in ihren Kräften stand, um sie zu sühnen oder doch wenigstens dazu helfen, daß sie einst gesühnt wurde. Es waren schwere Stunden, die Jutta an diesem Tage durchkämpfte. Aber schließlich hatten die guten und reinen Stimmen in ihrem Innern den Sieg davongetragen. Es war still in ihr geworden. Ergebung in ihr trauriges Geschick, bas ihr unabwendbar schien, erfüllte sie setzt. Und eine große Dank barkeit, daß sie das höchste Glück, das die Erde ihr geben konnte, doch noch genossen, daß sie den über alles geliebten Mann ihr eigen genannt. Lothar fand seine Frau in dem parkähnlichen Garten des Sanatoriums, der an den Wald stieß. Jutta lag an einem schattigen Plätzchen auf ihrem Liegestuhl, sorgsam von Decken umhüllt, und ließ ihre dunklen Augen, die groß und ernst aus dem zarten Gesichtchen hervorsirahllen, auf dem lieblichen Landschafts- bild ruhen, das sie umgab. Und während Lothar auf sie zuschrikt, dachte er daran, wie still und schön es hier war in der würzigen Lust dieser Tannen wälder, an diesem Platz, der zur Genesung wie geschaffen war. Und daß es seinem armen jungen Weibe dennoch nicht beschieden schien, hier gesund zu werden, nach dem, was der Arzt ihm heute gesagt. Eine große Traurigkeit, eine tiefe Wehmut erfüllte ihn. Er küßte Juttas wachsbleiche Stirn, fragte nach ihrem Befinden und nahm ihre feine Hand in die seine. ist- „Morgen reisest du also, Lothar?" „Ja, Iuttalein. aber ich kürze alle Besprechungen nach Mög lichkeit ab. um bald wieder zu dir zu kommen, erst für einige Tage, später im Sommer für längere Zeit." Sie lächelte sehr wehmütig, sagte: „Werde ich diesen Som mer denn noch erleben, Lothar?" Er war sehr erschrocken, sah Jutta so klar? Er meinte be ruhigend: „Was für dumme Gedanken, kleine Jutta. Dieser Sommer wird dir die Genesung bringen, das glaube ich ganz fest." „Nein, Lothar," sagte die Leidende entschieden, „das glaubst du nicht. Und ich selbst weiß, wie es um mich steht." „Rotkrauts Gelöbnis". Original-Roman von Lola Stein. Loporigkl 1922 bv Kurl Köhler L Co., Berlin W. !5. L7- (Nachdruck verbalen.) , Sie kehrte Anfang April in die Heimat zurück, sehr schwach, -sehr zart und bleich und nicht erholt, wie sie alle gehofft. Ihr Musten verschlimmerte sich in der ungünstigen Witterung des Ber liner Vorfrühlings, der Sanitätsrat schlug einen längeren Auf- ienthalt im Schwarzwald vor. Wieder sträubte sich Jutta ent- nchieden, in eine neue Trennung zu willigen, und nur Lothars 'Versprechen, sie hinzugeleiten, und eine Woche bei ihr zu blei- A>en und sie auch dann nur kurze Zeit allein zu lassen, um später Ale Sommermonate mit ihr zu verbringen und dort an feinem (Werk zu arbeiten, veranlaßten sie endlich, sich zu fügen, st Nun war das junge Paar sechs Tage in St. Blasien, und iba mehrere Anfragen von Wichtigkeit Lothars Anwesenheit in Merlin für einige Konferenzen nötig machten, so hatte er beschloß sten, morgen zu reisen. Frau Gertrud wurde für den nächsten tVormittaa erwartet, da Jutta nicht allein bleiben mochte. Heute batte Lothar eine lange Unterredung mit dem leiten den Arzt des Sanatoriums gehabt. Als er das Zimmer des «Doktors verließ, war ihm Jutta begegnet. Sie hatte sein tod- Ernstes Gesicht gesehen, sein Erschrecken bei ihrem unerwarteten tAnblick, da er sie auf ihrem Zimmer geglaubt. Es war ihm fln der ersten Minute unmöglich gewesen, sich zu beherrschen, sbas, was in seiner Seele vorging, vor den forschenden Frauen- mugen zu verbergen. Und was Jutta feit langem ahnte, xrkannte sie in diesem Augenblick ganz klar, es stand schlimm, es fftand gewiß hoffnungslos um sie. Das verriet ihr ihres Gat- Den Miene. Als sie ihm davon sprach, versuchte er, sie auszulachen. Kr hatte seine Beherrschung nun wiedergesunden, vermochte N ogar, heiter zu sein. Aber es gelang ihm nicht mehr, Jutta zu auschen. Es war ja doch alles nur Selbstbetrug gewesen, wenn ie kn der vergangenen Zeit geglaubt, noch einmal völlig gesund M werden. Tief im Innern hatte stets eine dunkle Stimme ihr Meraunt, daß alle Hoffnung vergebens sei, baß es Genesung ür sie nickt aab. s. Sie lag allein an diesem Nachmittag, hatte Lothar gebeten, Dnen großen Waldspaziergang zu machen. Er wollte bei_ ihr »leiben, aber sie bat so sehr, er möchte gehen, daß er sich fügte. Die hatte allein sein wollen, sich sammeln, sich bedenken, bas Hetzen der vergangenen Jahre an ihrem Geiste vorüberziehen „Woher willst du es wissen, Jutta?" „Ich ahne es, fühle es dunkel. Vielleicht täusche ich mich, vielleicht sehen auch die Aerzte nicht richtig, immer wieder klam mert man sich an diese Hoffnung. Aber ich habe mich heule doch vertraut zu machen gesucht mit dem Gedanken an den Tod und es war nicht so schwer, wie ich immer dachte. Und daß es mir jetzt leichter würbe, zu gehen, das danke ich dir, Lothar, und dem Glück, das du mir gegeben." Er beugte sich erschüttert über sie und küßte den blaßrvten Mund, der so wehmutsvolle Worte sprach. „Tu wirst nicht von uns gehen, Jutta, du wirst bleiben und leben!" „Vielleicht! Hoffentlich!" flüsterte die Kranke. „Aber es erscheint mir notwendig, auch mit der anderen Möglichkeit zu rechnen. Lothar, eine Schuld brennt auf meiner Seele, die muß herunter, wenn ich ruhig sterben soll, sie bedrückt mich s» namenlos." „Und ich kann dir helfen, kleine Jutta?" fragte er gütig. „-Dann nenne sie mir ruhig. Nicht, weil du ans Sterben den ken sollst — nein, diesen Gedanken mußt du weit von dir weisen — aber auch für uns Lebende ist es stets besser, sich zu er leichtern durch Aussprache, wenn uns etwas bedrückt. Und ein Unrecht — wenn es wirklick begangen ist — nach Möglichkeit abzutraaen. Ich kann mir zwar nicht denken, daß du eine Schuld in dir trägst. Kindchen, aber beichte mir getrost, was du als solche empfindest." Sie suchte nach Worten. Ihr fiel das Bekenntnis sehr schwer. Und doch mußte es sein. Sir murmelte: „Ich beging die Schuld nicht, Lothar, sie wurde für mich begangen. Und ich wußte damals auch nichts von ihr. Spä ter, viel später erst erfuhr ick sie. Und daß ich sie dir damals nicht eingestand, daß ick dein Weib wurde, nachdem ich alles wußte, ist mein Verbrechen." „Du sprichst in Rätseln." murmelte er unruhvoll und legte die Hand auf ihre Stirn, denn er meinte, Fiebcrpbantasien hiel ten sie umfangen. Sie sah seinen besorgten Blick, lächelte schwach und saate: „Mir ist ganz wohl, Lothar, und ich habe kein höheres Fie ber als immer in der letzten Zeit. Nein, Lieber, mein Geist ist^ klar, mir fällt die Beichte nur so schwer." „Muß sie denn sein, kleine Jutta, wenn sie dich quält?" f „Sie muß sein," flüsterte sie. „Ich fürchte nur deinen Zorn.z deine — Verachtung so sehr!" ...(Fortsetzung lolgt.;..,^^