Suche löschen...
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 26.06.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-06-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512382794-188406260
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512382794-18840626
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512382794-18840626
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote
-
Jahr
1884
-
Monat
1884-06
- Tag 1884-06-26
-
Monat
1884-06
-
Jahr
1884
- Titel
- Chemnitzer Anzeiger und Stadtbote : 26.06.1884
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Chemnitzer Unteifter und Stadtbot». Nr. 14V. Donnerstag, 26. Juni 1884. Seite 3. —N. Der Wasserstand unserer Chemnitz, sowie auch der durch unsere Stadt fließenden Bäche ist jetzt schon soweit wieder gefallen, daß «S nur kurze Zeit noch währen wird, bis derselbe wieder die gewöhnliche Höhe erreicht hat. AuS gar manchem Keller wird frei lich noch das eingedlungene Wasser gepumpt und viele Brücken, so z. B diejenige über die Gablenz am Friedrichsplatz, sind arg be schädigt worden, so daß sich erst jetzt recht ermessen läßt, welchen Schaden das Hochwasser am Senntag in hiesiger Stadt verursacht hat —k—. Zahlreiche Besucher des alten JohanniSkirchhofes hatten sich am gestrigen Tage um den dort befindlichen alten Denkstein der Salz burger Emigranten geschaart, an welchem ein Herr in warmen Wor ten die Leiden dieser glauhenslruun Flüchtlinge schilderte und dabei besonders der Toleranz güxrchte, welche Preußen gegen-die aus ihrer Heimaih Vertriebenen zeigte- ' Lauschend hörten die vielen Um stehenden von den ihnen ganz fremden Ereignissen und jetzt erst mochte ihnen für das Vorhandensein dieses Denlsteins auf unserem Friedhofe — der ja außerdem nvch> gar manches der Erinnerung Werthe birgt — ,ejn »erstänpnjß' g'ewoxden sein. —U. Den ^jetzt jfertig grstelstcn Weg > vom Wallgraben nach dem BahnüL«rgang zu der N'eeleMaße' wird man wahr scheinlich Wo dem Verkehr übergeben können und dürfte dieser Weg infolge seiner grünenden, angenehmen Umgebung seitens des Publi kums jedenfalls stark frequentirt werden, , / —to. Gestern Mchmittag ereignete sich in der Nähe von Sachse's- Ruhe ein höchst beklagenswerthxr',sUnglüiM»H, Drei Schulknaben, darunter zwei Brüder, waren, bn ihrem Spaziergänge, bis zu der über' die, Chemnitz führenden BMe gekommen. HiEMtfernte sich der einender Knaben, Namen^L., Hon seinen Begseiterns dett^ Ge brüdern Ä,-und begab sich um sbch zu baden, ins WWr' Plötzlich schrie er um Hilfe, worauf ihm auch der 13jährige B.Heherzl nach--! sprang.. Doch- auch dieser lief beinahe-selbst GefqM zu eririnkch mH wurde nur dadävch.genüet,'"daß ihy sein» 11-Dhriger Pichder, sich, an einem'Strauche stschaljrjch-mit Hilfe Ahes» zügeMtzten GarlenhäckchSt^ welches er--beh sichans Usch zvg.>H. - wAc "'' verloren,-da er in d Whiömnng des augescWgllknen gcrieth. Auch einige eWpchiene Personen, WÄihe, während das Un glück sich ereignetes herzukattlüt» koimkv^uichts'zük'Mütuiig dLs Per-j ««glückten thm^,—Wrgestchn ch>ch ein^ältererHpMe, welchcy beim Botanifiren' vom schlüpfrig^^UserchPdeabgeruifchj^Hin Minier gleichfalls im Chemnitzfluß titrunkeü Hin. .' 'E — Hirlstchtlich des Selbstmordes eines FleischerlejDrws auf den Hermannsträße, von dem wir letzthin berichteten, chMhnen wir noch nachträglich, daß der bcdauernswerthe junge Me^tch sich in dev Wettinerstraße mit einigen Kindern auf sein Hundegeschirr; welches schon mit drei Kälbern und einem Schaf schwer belade»-war, gesetzt hatte und so einem entgegenkommenden Geschirr nicht -rechtzeitig aus zuweichen vermochte Glücklicherweise wurde hierbei ketneH der Kin^ der verletzt, während der'Wagen umstürzte'uüd der Hund'derart« überfahren wilidv, daß er am Sonntag Abend verendete. Der Lehr ling mag num vielleicht aus Furcht vor der Strafe, die aber, wie uns versichert wird; jedenfalls sehr gelind ausgefallen sein würde, dje unglückselige That begangen haben. ^ , —* Auf der inneren Klosterstraße wurde ein Geschirr- führer beim Anspannen seines Pferdes von letzterem an den linken Oberschenkel geschlagen, wodurch er eine größere Fleischwunde erhielt, sodoß er in sofortige ärztliche Behandlung treten mußte. —* In dem Besitz eines an der. Leipzigerstraße im Dienst gestandenen Knechts wurden eine Anzahl neue Kopftücher vorge funden Man vermuthete, daß die Tücher gestohlen worden seien und brachte dann durch angestellte Recherchen auch in Erfahrung, daß -diesMrn>«W»»..an ver- G»lzsi«che -4u«hrwasiLU,.Hm^lcün amH. Mts. Abends gestohlen worden waren. Auf Vorhalt war der Knecht denn auch des Diebstahls geständig. —x. Gestern Abend gegen 8 Uhr hätte sich auf der Lim- bacherstraße leicht ein größeres Unglück ereignen können. Ein -Fuhrmann hatte nämlich seinen kleinen, etwa 5.Jahre, alten Sohn' auf's Pferd gesetzt und führte nun dieses letztere am Zügel die ge nannte Straße herein. Vor einer daselbst befindlichen Schmiede machte er Halt, um den Kleinen herunterzunehmen;, hierbei scheute jedoch das Pferd vor dem sprühenden Schmiedefeuer und ging mit dem im Bügel, hängenden Knaben durch. An der Leipzlgerstraße, wo sich eine größere Menschenmenge angesammelt hatte, bog es in eine Seitenstraße ^in, welche zum Glück eine Sackgasse war; am Ende derselben blieb es stehen und ließ sich.nunmehr von demnachgeeilten Besitzer ruhig fortsühren. Der Kleine war erfreulicher Weise unbeschädigt. —x. Gestern Abend, kurz vor 7 Uhr, zeigte« auf dem Roß markte zwei vor einen Wagen gespannte Pserde. große Lust zum Durchgehen. Sie drängten den Wagen über das Trottoir und hätten mit demselben um ein Haar die Schaufensterscheibe eines daselbst be findlichen Porzellanwaarengcschäftcs eingedrückt. Der- Energie des Geschirrführers gelang eS jedoch mit Beihilfe eines Zweiten, dies zu verhüten und die erregten Thicre zu beruhigen. —tn. Gestern wurde ein seit einigen Tagen vermißter Einwohner L. von Altchemnitz im Oberhermersdorfer Gehölz erhängt ausge funden. Mißliche Geschäftslage soll den Betreffenden zum Selbstmord getrieben haben. Die Leiche wurde nach Allchemnitz übergcführt. krankenkassc anzugehören, befreit, jede» Austritt eine- Mitgliedes binnen einer Woche bei ------ Woche bei der Meldestelle zur Anzeige zu bringen habe». In der Debatte nahm ziierst Oberbürgermeister Andr6-Chem nitz das Wort und sprach seinen Zweifel darüber aus, daß das Ge setz im Stande sein werde, die Sozialdemokratie lahm zu legen, gerade das Gegentheil werde entstehen. Man müsse nur sehen, dem Gesetze eine gute Seite abzugewinnen und es so einrichten, daß es marschiren kann. Wenn den Arbeitern freie Hand gelassen werde, da werde es vielleicht besser gehen. Beutler erklärte, daß sein Standpunkt kein feindlicher gegen die freien Kassen sei. Stadtrath B önisch-Dresden stellt sich auf den Standpunkt Schurig's und Andr« 's. Bürgermeister Hirschberg- Meißen meinte, daß der Zweck der Debatten nicht polemische Erörterungen sein könnten, sondern nur, recht viele Erfahrungen mit nach Hause zu bringen. In Meißen habe mau beschlossen, nicht Weiler die Versicherung auszudehnen, als nöthig. Bo» der Gemeindeversicherung habe man dort abgesehen, bis ausreichende Erfahrungen vorlicgcn. Handlungs- und Apothekergehilfen, in Hausindustrie- und vorübergehend Beschäftigte, beschloß man nicht der Versicherung zu unterstellen, cinestheils wegen Schwierigkeit, ander, ihcils wegen Unnöthigkeit. Oberbürgermeister Kuntze-Plauen äußert sein Bedauern, daß die neue soziale Gesetzgebung nicht an die ursprüngliche historische Ordnung sich anlehne, an die Gemeinde, und daß sie weite Schichten in reine Interessengruppen theile. Stadtrath Schmidt Zettas meinte, die Tendenz des Gesetzes gehe unstreitig dahin, möglichst groW*l«estungsfähige Kassen zu schaffen. Damit vereinbare sich nun aber nicht die Trennung nach Geschlechtern. In Zittau sei dieselbe nicht möglich, vielleicht eher in großen Städten, wie Leipzig, Dresden. Die sittliche Gefahr sei wohl nicht so brennend, wenn die Versammlungen mit Takt geleitet würden. Er ist übrigens micht der Meinung, daß alle Arbeiter eines Arbeitgebers auch in eine. Klasse kommen können. Eine Abstimmung fand nicht stäkt,- Vor Schluß der Sitzung wies der Vorsitzende darauf hin, 'svie zweckmäßig es gewesen sei, die Thesen nicht der Abstimmung zu rL i wL Lider Es habe sich eine so große Meinungsverschieden. D . .^- ^.^Hilt i'ikundgegeben, daß es schwer gewesen wäre, bei diesen divergirenden Ansicht^ Einigung-über eine These zu erlangen. AuS alledem sei aber nicht auf eine Abneigung gegen das Gesetz selbst zu schließen, sondern Alle würden sich bestreben, dasselbe so gut wie möglich aus- zusühren. - In der zweiten am Sonnabend abgehaltenen Sitzung wurde die Bettel- undVagabondenfrage behandelt. Als Referent fungirte Bürgermeister .Hirsch b erg-Meißen:/Seine Ansichten über die zu ergreifenden Gegenmaßregeln formulirte derselbe in folgenden Thesen: 1./Insofern das.Bettel- und Landstreicherthum einer durch Arbeits losigkeit oder Arbeitsunfähigkeit verschuldeten Nothlage entspringt, ist demselben durch möglichst^ Beschaffung von Arbeit entgegenzutreten; die desfallsigen Bestrebungen Her politischen Verbände und der freien Liebesthätigkeit, wie sie in dxn Bezirksarmevhäusern, Bezirkskranken- häusern,.! Arbeiterkolonien, Verpflegstationen und Errichtung von Arbeitsstätten hervortreteo, Find zu fördern. 2. Insofern das Bettel- und Landstreicherthum in Unsittlichkeit oder schranken loser .Freiheit wurzelt, ist 1) die sittlich-religiöse Erziehung des Volkes zu heben und insbesondere dabei das Verderbliche der sozialdemokratischen Weltanschauung ins Klare zu stellen, 4) sind die Bestrebungen der freien Liebesthätigkeit zur Bekämpfung der Trunksucht zu unterstützen, 3) ist das Schankgewerbe gesetzlich strenger als bisher zu regeln und dabei das Gothenburger System (Monopolisirung durch die Gemeinde) und die Beschränkung der Schankstätten auf einen Prozentsatz der Bevölkerung ins Auge zu fassen, 4) die Trunksucht und Völlerei für strafbar zu erklären, 5) ist die unbedingte Wanderfreiheit zu beschränken und vom Besitze einer .smllzeilicheuLegitimaüon-alchäntzig zu. machen. AlS.Korrefer.ent sprach Stadtrath Schmidt-Zittau, dessen Thesen noch bedeutend umfänglicher waren; doch erfolgte eine Abstimmung über die Thesen nach längerer Debatte ebenso wenig, wie am ersten Verhandlungstage. Nachdem noch einige interne Angelegenheiten erledigt, wurde hierauf der Ge- meindetäg geschlossen. Vertreten waren auf demselben folgende Ge meinden : Dresden, Leipzig, Chemnitz, Plauen i. B., Zwickau, Bautzin, Oclsnitz i. V., Mittweida, Wurzen, Ehrenfriedersdorf, Geyer, Pieschen, Cotta, Neustädte!, Eibau, Löbtau, Lindenau, Schandau, Großenhain, Marienbcrg, Grimma, Bischofswerda, Radeburg, Crimmitschau, Pirna, Leisnig, Meißen, Nossen, Gohlis, Scbnitz, Rochlitz, Thum, Schnceberg, Königstein, Glashütte, Meerane, Freiberg. Frankenberg, Buchholz, Kirchberg, Radeberg, Zittau, Plauen b. Dresden. ..— Der nächste sächsische Gemeindetog soll im Jahre '1886 in Chemnitz stattfinden. Dev sächsische Gemeindetag in Bantzrn. Am vergangenen Freitag und Sonnabend fand in Bautzen der Sächsische Gemeindetag statt, dessen Programm wir in Nr. 141 des „Anzeiger" mittheilten. Ueber gepflogene Verhandlungen wird nunmehr Folgendes berichtet: Oberbürgermeister lir. Stübel-Drcsden eröffnete am Freitag nach 10 Uhr die Versammlung. Bürgermeister Löhr hieß im Namen des Orts-KomiteeS die Versammelten will kommen. Di-. Stübel erklärte zunächst, warum erst Heuer, nach Ab laus zweier Jahre, die Versammlung einberufen sei, und erbat und erhielt die Zustimmung zu seinem Vorschläge, wenn nicht besonderer Verhandlungsstoff vorliege und es sonst dringlich sei, die nächste Ver sammlung erst im Jahre 1886 zu berufen. Ueber „Das Reichsgesetz betr. die Krankenversicherung der Arbeiter" referirt Bürgermeister Beutler-Meerane. Die vom Referenten ausgestellten Thesen sind: 1) Der sächsische Gemeindetag begrüßt das Gesetz, betreffend die Kranken versicherung der Arbeiter vom lb. Juni 1833, als eine» werthvollen Anfang sozialer Reformgesetzgebung. 2) Man erachtet cs, abgesehen von Knappschasts- und Jnmnigskranken- kassen, der Absicht des Gesetzgebers am entsprechendsten, möglichst alle vcr- sichcrungSPslichtigen Personen den Orts- oder Betriebs- und bez. Baukranlcn- kassen zuzuweisen, während die Aemeindekrankenkassen nur für diejenigen Ver- sichcrungSpflichligen, welche nach Lage der Verhältnisse einer andere» Kasse nicht zugewiesen werden können, einzurichtcn sind 3) Auch bei der Gemeindekrankcnversicherung empfiehlt cs sich, daß die Kaffenmitglieder sowohl als die Arbeitgeber derselben bei der Verwaltung der Kaffe vertreten sind. « » ^ Soweit es die örtlichen Verhältnisse irgend gestatten, ist von der in 8 ^ enthaltenen Besugniß der Erstreckung des Versicherungszwanges wenigstens aus di« unter Nr 1, 4 und 5 daselbst genannte» Personenklaffen Gebrauch zu machen. Der Korreferent Stadtrath Sch urig-Plauen stellt sodann folgende Thesen auf: « der Ortskrankenkaffen ist thunlichst auf Trennung der Geschlechter Bedacht zu nehmen. <m «.NN sich', daß in jeder größeren Gemeinde eine gemeinsame Meldestelle sür di« Gemeindelrankenvcrsicherung und sämmtliche OrtSkranken- kaffen deS BezwkS errichtet und daß noch 8 78 des Gesetzes Anordnung da hin getroffen werde, daß die Krankenkassen des Bezirks, deren Mitgliedschaft von der Verpflichtung, der Gemeindekrankenversicherung oder einer OrtS> BermifchteS. — Ein überaus bcklagenkwerthcr Vorfall wurde dieser Tage aus Straßburg berichtet, welcher wieder einmal ein grelles Streif licht auf die auch in studentischen Kreisen zur Zeit »och herrschende» Ansichten von Ehre und dem damit in Verbindung stehenden „Dncll- zwang" Wirft. — Ein keiner Verbindung angehöriger Student »ahm Veranlassung, sich über das rüde Verhalten eines studentischen Korps gelegentlich einer Feier bei der Universitätsbehörde zu beschweren Das Korps ließ ihn durch einen aus seiner Mit>e beliebig genom menen Kommilitonen zur Mensur auf Säbel fordern. Der Beleidigte verstand sich auf das Waffenhandwerk nicht; um aber nicht als feig zu erscheinen, stellte er seinerseits die Forderung auf Pistolen. DaS Korps verlangte jedoch, daß zuerst seiner Forderung nach zukommen sei und äls jener auf seiner Forderung be stand , wurde er als „infam" erklärt. Ter Beleidigte »ahm sich das so zu Herzen, daß er sich ums Leben brachte! — Die „Be>l. Volksztg." bemerkt hierzu mit vollem Rechte: „Dieser letzte Fall ist nicht minder traurig, als jene Unzahl anderer, die aus Offiziers, und Militärkreisen gemeldet werden, ober er ist charakteristisch nach zwei Seiten hin: Das Korps tyrannisirt durch seinen „Kom ment" den Kommilitonen, übt gewissermaßen einen Zunstzwaug aus; das mag komisch genug sein, aber noch wunderbarer ist die andere Seite: was sür einen seltsamen Begriff von „Ehre" muß das un glückliche Opfer gehabt haben! So seltsam, daß man fast außer Stande ist, ihm die allgemein menschlichen Sympathien zuzuwenden Die Berichte schildern den Todtcn als einen exaltrrten Mensche». Mag sein; jedenfalls liegt cs im Interesse des Korps, derartige Auf fassungcn durch die Presse zu verbreiten. Aber in so und so viel anderen Fällen ist sicherlich von Exaltirtheit keine Rede gewesen. Und thatsächlich ist eine Verrufserklärung sür manchen Studenten etwas sehr Verhänguißvolles, nicht minder verhängnißvoll wie für einen Offizier." Weiterhin knüpft das erwähnte Blatt hieran sehr beachten« werthe Bemerkungen über das Duell überhaupt. Es sagt: „Darüber, daß es in den meisten Fällen mehr Muth verrälh, eine Forderung auszuschlagen und damit den Hohn und Spott von Raufbolden und Cassagnacs zu erdulden, ja sich bösen Folgen in Bezug auf den Be ruf auSzusetzen, als eine leichtsinnige Forderung leichtsinnig zu akzep- tiren, herrscht längst nur eine Stimme. Verurthcilt wird das Duell überall, in der Presse wie in Privatkreisen, und verboten ist es durch Gesetz längst, aber nichtsdestoweniger mehrt sich die Zahl seiner Opfer, weil die Handhabung der Gesetze nicht eine solche ist, wie das Volk cs verlangt. Lassen wir heute die Frage der Osfiziersehre aus dem Spiele: aber gegen das Eindringen mittelalterlicher Anschauungen in die bürgerlichen Kreise ist das deutsche Gesetz vollkommen in der Lage, rücksichtslos vorzugehen. Sobald die öffentliche Meinung merkt, daß Fein mölilirtes Wohtl- das Gesetz zur Wahrheit wird, daß unsere Richter, von studentischen nebst Schlafzimmer sofort zu und militärischen Reminiszenzen abschend, bürgerlich Recht sprechen I vermiethen Wiesenstraße 6, III. und einmüthig sind in der «oralischen und rechtlichen Berurtheilung dieser wahrhaft grandiosen Unfugs, so werden sich auch die Begriffe von Ehre wieder in den Schichten der Bevölkerung klären, welche durch ihre Eitelkeit zu einer „standesgemäßen" Auffassung des Ehrge fühls sich haben leiten lassen. — Wir wollen für heute unS auf diese eine prinzipielle Seite der Sache beschränken. Bon Wichtigkeit wird zunächst die Entscheidung der Straßburger Universitätsbehörde sei»; dieser sehen wir daher mit ganz besonderer Spannung entgegen." — Eine Blutthat in Prag. Der frühere städtische In genieur Vinzenz Brzorad in Prag wurde am 20. Juni Abends in seiner Wohnung auf dem Leonhardiplatze auf schreckliche Art ermordet. Noch am Abend hörte eine Frau, welche vor der Wohnung Brzvrard's vorüberging, Rufe: „Hilfe, Mörder!" Sie schlug Alarm und sah aus der Wohnung einen Artillerieführer treten, der die Thür ver- perrte und sich rasch entfernte. Herbeigerusene Polizei sprengte die Thür. Große Blutlachen bedeckten den Boden ; der Oberkörper deS Ermordeten mit bis auf die Wirbelsäule durchschnittenem Halse und tiefer Stichwunde in der Brust lag im Zimmer, die unteren Extremi täten in der Küche. Neben dem Oberkörper lag ein blutiges, neues Küchenmesser. Der Mörder wurde am nächsten Tage, Mittags halb 2 Uhr, in der Wohnung seiner Eltern, in der Sokolstraße, in der Person deS Arlilleriekadetten Emil Waßmundt eruirt und verhaftet. Waßmundt saß ganz ruhig, «ine Pfeife rauchend, bei Tische, als die Kommission eintrat, und folgte (in voller Uniform) zur Polizei- Direktion. Anfangs leugnete er hartnäckig, der Mörder zu sein; an gesichts der vorliegenden Indizien schritt er jedoch gegen Abend zu einem vollen Geständnisse. Er erklärte auf's Bestimmteste, den Mord nur auS Eifersucht begangen zu haben, weil Brzorad ihm seine Ge liebte durch Geld abtrünnig gemacht hatte. Die That vollführte er, laut eigenem Geständniß, nach einem scharfen Wortwechsel, indem er einen Stich gegen die Brust Brzorad'S führte. Jm-Ringen mildem Angegriffenen olgten dann die weiteren Stiche, bis schließlich der Ingenieur zu- ämmenbrach, worauf Waßmundt ihm den Hals durchschnitt. Da er ich bemerkt wähnte, so ging er in ein Haus in der Plattnergasse bis in den dritten Stock, wo er ein Dienstmädchen unter dem Vorwände, er habe sich in die Hand geschnitten und wolle sich das Blut ab- waschen, um Wasser bat, was ihm auch bereitwillig gewährt wurde. Beim Waschen hatte Waßmundt seine blutigen Handschuhe vergessen, die dann zum Verräther an ihm werden sollten, indem jenes Dienst mädchen dieselben bei der Polizei deponirte. Als festgestellt worden war, daß ein Feuerwerker den Mord begangen habe, wurden im Laufe der heutigen Nacht und des Vormittags sämmtliche in Prag weilenden Feuerwerker Polizeilich vernommen. Waßmundt war der Letzte, und schon sein plötzliches Erbleichen beim Eintritte des Oberkommissars machte ihn verdächtig. Er ist absolvirter Techniker, 23 Jahre alt, war in Wien Einjährig-Freiwilliger und sodann Kadett an der Artillerieschule im Arsenale Krankheitshalber superarbitrirt, wartete er bei seinen Eltern die definitive Entscheidung ab und fungirte inzwischen beim Kompagnon Brzorad'S, dem Architekten Kindl, als Bauzeichner. — Einen sensationell-grausigen Abschluß fand am 20. d. »Lübeck die Schwurgerichts-Verhandlung gegen denvr. mscl. Jenner aus Beschendorf, der eines Verbrechens gegen die Sittlichkeit ange- Nagt war. Nachdem sich die Geschworenen zurückgezogen hatten, traten ie nach einstündiger Berathung in den Sitzungssaal ein. Der Obmann Verla- als Spruch der Geschworenen: „Schuldig mit mehr als 7 Stim men." Der Angeklagte, ein in den fünfziger Jahren stehender Mann und Familienvater, hörte, ohne auch nur mit einer Wimper zu zucken, das Urtheil an. Nachdem der Staatsanwalt 3 Jahre Zuchthaus gegen den Angeklagten beantragt hatte und der Vertheidiger, um Zu lassung mildernder Umstände bittend, für das Strafmaß von ein Jahr Zuchthaus eingetreten war, entfernten sich die Richter in das Be- rathungszimmer. Der Angeklagte schien völlig ruhig dem mit ihm sprechenden Vertheidiger zuzuhörcn und machte sich nur unter seinem langen Barle mit der Hand am Halse zu thun, als schöpfe er, den Hemdkragen lüftend, Athem. Plötzlich begann er zu wanken, nzan glaubte» er falle in Ohnmacht. Der Vertheidiger und der neben dem Angeklagten postirte Polizist suchten ihm zu Hilfe zu kommen; der in diesem Augenblick die Brust des Di-. Jenner überfluthende Blutstrom ließ erkennen, daß der Angeklagte sich selbst die große Halsarterie durchschnitten hatte. Nicht weniger als sechs Aerzte. welche zum Theil in der Verhandlung als Zeugen aufgetreten waren, sprangen sofort zu Hilfe. Mit fast übermenschlicher Kraft schleuderte Di-. Jenner die Helfenden zurück. Obgleich eS dem zunächst stehenden PhysikuS l)i-. Tuerk gelungen war, die Halsmuskeln des Unglücklichen, von hinten zugreifend, zusammenzupressen, stürzte vr. Jenner doch wenige Sekunden, von dem enormen Blutverlust entkräftet, zu Boden und alsbald mußten die Aerzte den eingetretenen Tod konstatiren. Die Oeffentlichkeit der Verhandlung war während der ganzen Beweisauf nahme ausgeschlossen worden. Nachdem der Spruch der Geschworenen verkündet war, wurde der Zuschauerraum wieder geöffnet, und gerade während der Augenblicke, als !)>-. Jenner Hand an sich legte, drängte das neugierige Publikum in den Saal, um zugleich Zeuge des schauer lichen Schlußaktes der Gerichtsverhandlung zu werden. Das Urtheil des Gerichtes lautete auf zwei Jahre Zuchthaus und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. — Der Kaffee ist in Gefahr, auf den Aussterbeetat gesetzt zu werden. Die Blatlkrantheit der Kaffeebäume verbreitet sich immer weiter in den Pflanzungen auf Ost-Java. In manchen Pflanzungen haben die Bäume alle Blätter verloren, die Früchte werden nach und nach schwarz und fallen ab. Die Krankheit dehnt sich über ganz Zentral-Java aus, so daß man sich wegen der Ernte ernstlichen Be fürchtungen hingiebt. — Der kritische Gast. In einer feineren Restauration des Bezirkes Wieden spielte sich dieser Tage, wie das „W. E--Bl." er zählt, eine bewegte Szene ab, die im dichtbesetzten Lokale Sensation erregte. Ein elegant gekleideter Mann, beiläufig 40 Jahre alt, sou- pkrte ununterbrochen nahezu eine Stunde lang, wobei nacheinander die auserwähltcsten Speisen auf den Tisch kamen. Beim letzten Gang sprang plötzlich der Gast vom Tische aus, begann aufgeregt zu schreien, polterte den Wirth herbei und machte ihm unter einer Fluth von Worten den Vorwurf, daß im „Backhändl" eine Nähnadel stecke, an der er bald erstickt wäre. Durch den Lärm, der das ganze Lokal durchdrang, angelockt, liefen alle Gäste zusammen, die aufgeregt die Exklamation des Gastes verfolgten, der sich immer tiefer in seinen Zorn hineinredete. Wirth und Kellner wandten alles Mögliche auf, um den, Gast ihre Unschuld zu versichern. Als nichts nützte, sprang der Gast mit den Worten: „Ich hole Polizei!" auf die Gasse. Der Wirth beschäftigte sich noch im Lokale damit, die anderen Gäste seiner Unschuld zu versichern, und der „Gast" hatte Zeit — zu verschwinden. Es kam keine Polizei und nach einer Stunde waren Wirth, Kellner und Köchin der festen Ueberzeugung, daß der kritische Gast den Schwindel blos inszenirt hatte, um mit der theuren Zeche durchzu brennen. Verantwortlicher Redakteur: vr. pdil. v. Müller in Chemnitz Familiennachrichten. Geboren: Ein Mädchen: Herrn Gustav Heidcnheim. Gestorben: Ei» Knabe: Herrn Prof. vr. Johnson. Herrn Theodor Clement. Frau Johanne Christiane verw. Franke geb. Hayn zu Oberlichtenau. Freundl. möbl. Zimmer, auf Wunsch mit Pension, zu verm. per 1. Juli Annenstr. 7, III. links.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)