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W W W U Feierabend DM MN Unterhaltungs-Beilage der Sächsischen Volkszeitung Nr. 31 Sonntag den Juli Das Alxenglocklein. fernab, am stillen Bergsee, steht <5 Lin Alxenglöcklcin, winzig klein. In seinem Aug' ein Tautropf' liegt, Der ist so sonnenklar und rein; Drin spiegelt sich in Herrlichkeit Des Himmels ganze Seligkeit. Doch wenn der Sturm fährt über'» See, Dann zieht durch's Glöcklein heißes Weh; Dann schließet sich's vor Leid und Schmerz; Dann zittert Glöckleins ganzes Herz: Ls läutet dann ganz leise Des Sommers Scheidewcise. Paul Woziiiak. 11. Sonntag nach Pfingsten. Evangelium: Die Heilung des Taubstummen. Markus 7, 31—37. Der Evangelist erzählt: Und er nahm ihn (den Taub stummen) von dem Volke abseits, legte seine Finger in seine Ohren und berührte seine Zunge mit Speichel, sah gen Himmel auf und sprach zu ihm: Epheta, das ist: Tu' dich auf! Und sogleich öffneten sich seine Ohren und das Band seiner Zunge ward gelöst und er redete recht. Man hat gefragt: Wozu dieser Aufwand von Förmlich keiten, ehe Jesus zur wirklichen Heilung des Kranken kommt, da er sonst mit einem Worte, mit einem Winke Uebel verbannt und den Glauben belohnt, der seine Hilfe sucht? Wie aber, wenn es eben der Glaube war, der seine Hilfe sucht? Wie aber, wenn es eben der Glaube war, der hier mailgelte? Wenn dem Taubstummen mit der Empfäng lichkeit für Wort und Unterricht auch die Fähigkeit abging, die Lehren des Glaubens in sich aufzunehmen? Wenn es der Zeichen bedurfte, mir Herz und Gemüt gläubig zu er wärmen und der göttlichen Gnade würdig zu machen? Alle, die ein die Neugier befriedigendes Schauspiel zu sehen hofften, sollen ihre eitle Erwartung nicht befriedigt finden. Er nimmt den Kranken beiseite, in weiter Entfernung von dem Volke steht er mit ihm still, berührt mit den Fingern seine Ohren und benetzt mit Speichel seine Zunge; redende Zeichen müssen bei dem Taubstummen die Kraft des Wortes ersetzen. Er blickt zum Himmel auf, daß der Unglückliche erkeilne, von wo allein die Hilfe komme, und an Gott, den wahren Erretter aus Not und Elend erinnert werde. Ein tiefer Seufzer drückt das Bedauern aus, daß Mangel an Glauben ihn nötige, seine göttlichen Taten je länger je mehr zurückzuhalten. Nun erst spricht er das gebietende Ephetha, tu' dich auf. und der Taubstumme ist geheilt, das Band seiner Zunge ward gelöst, er redete recht, denn nicht nur seines Leibes Ohren sind geöffnet und seines Leibes Zunge ist frei, auch sein Geist ist der göttlichen Wahrheit im Glauben erschlossen, und sein Wort und Leben geben Zeug nis davon. Sehet hieraus, welches das höchste, unausgesetzte Streben der frommen, heiligen Liebe des Welterlösers war: zu retten und . selig zu machen die Verlorenen nicht nur durch Abwendung zeitlicher Uebel, — sie war nur das untergeordnete Ziel seiner Segnungen, das Mittel für höhere bleibende Gnaden die Menschen zu bereiten, — sondern und vor allem durch Abwendung jener Uebel, welche den Menschen zeitlich und ewig unglücklich machen. O, daß wir darin das Ziel der Bestrebungen einer wahrhaft gottseligen Liebe erkennen möchten! Schön ist es, die Tränen der Armut trocknen und mit den Hungrigen sein Brot brechen; aber unendlich schöner, Hunger und Durst Wecken für die Wahrheiten des Himmels und mit dem Brot des ewigen Lebens der darbenden Seele zu Hilfe kommen! Schön ist es. Kranke und Elende erquicken und ihnen beistehen in ihrer Trübsal mit leiblicher Pflege; aber unendlich schöner, die Leiden der Seele zu erleichtern und ein in Wahn und Zweifel und Unglauben verkommenes Gemüt zurllckzuführen auf die frischen, immer grünen Auen des Glaubens und Gottverträuens! Schön ist es, die Nackten bekleiden, die Gefangenen besuchen, die Toten be graben und in der Barmherzigkeit sich nimmer genug tun; auch nicht ein Trunk Wassers, aus Heilandsliebe dem Bruder gereicht, soll euch unvergolten bleiben, spricht der Herr; aber ist jemand unter euch vom Wege der Wahrheit abgewichen und ein anderer bekehrt ihn, der wisse, daß, wer einen Sünder von seinem Irrwege zurückführt, dessen Seele vom Tode errettet und eine Menge Sünden zudeckt, setzt der heilige Jakobus hinzu. Wie weit entfernt sind wir bei den Erweisungen unserer Liebe meist von dieser höheren Richtung und wie entbehren unsere guten Werke so oft diesen gottseligen Geist, der ihnen erst die christliche Weihe gibt! Von dem Ueberflusse, welchen Gottes Vaterhand uns lieh, eine Gabe mitteilen, die wir noch kaum entbehren; von der rührenden Gestalt des Unglückes erschüttert, zu einer flüchtigen Teilnahme uns gedrängt fühlen: von gewaltigen Heimsuchungen neben uns bewegt, zu einer aufopfernden Hilfe hingerissen werden; — das nennen wir schon christliche Liebe. Glauben wir es den Schwergeprüften schuldig zu sein, sie in ihrem Jammer auf- zusuchen, an ihren Lagerstätten zu verweilen, mit einiger Selbstverleugnung uns ihrer anzunchmen, wie viel wissen wir uns dann um das, was wir getan, und welches Ver dienst glauben wir uns in den Augen dessen erworben zu haben, dessen Gnade uns bisher vor gleichem Schicksale un verdient bewahrt und der, was wir haben und vermögen, uns als ein Gut geliehen hat, womit wir wuchern sollen zum eigenen und zum Heile der Brüder. Daß aber des Menschen wahres Heil das Heil der Seele ist, wie selten be denken wir das bei unseren Hilfeleistungen! Wie selten ver binden wir mit der Sorge für leibliches Bedürfen auch das Streben nach dem Reiche Gottes und seiner Gerechtigkeit! Wie selten fragen wir uns nur, ob, was wir für die Ab hilfe der zeitlichen Not anderer tun, auch geeignet ist, ihre Fehler zu unterdrücken, ihren Torheiten zu steuern, ihre Leidenschaften zu mäßigen, nicht vielmehr sie zu nähren, so daß wir statt Heil Unheil verbreiten. Wohl dürfen wir nicht über jeden herfallen und ihm seinen Sündenspiegel vor die Augen halten und etwa aller- wegs uns zu Richtern aufwerfen über die Brüder und zu Verbesserern ihrer Untugenden; weder unsere Stellung, noch unsere eigene Beschaffenheit, noch die Verhältnisse über haupt dulden es allemal. Aber je nach unseren! Vermögen nnd Dürfen, zumal im engeren Kreise der Unsrigen und von