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1 eierabend K>tkrh>lt»«ss-Keii>tk der „Sachs. Bolkszeitung" .4° Ä4 Sonntag den 16. Juni 1S07 Juninacht. Nun füllst du. Mond, mir nsieder mein Gemüts, Wenn deine Strahlen sanft sich erdwärts neigen. Und Wunderdinge sich den Blicken zeigen, Still ordnen die Gedanken sich zum Liede. Ein Silbcrglanz liegt auf der Rosen Blüte Im Hag. Siehsi du der Elben lichten Reigen? Hörsi du der Harfe Ton. die Hellen Geigen? Siehst du die Wichtelmännchen auf dem Riede? Hörst du die Nachtigall das Weibchen locken. Das Bächlein leise plätschern wie im Traume? Siehst du die Falter auf den Blumcnglockcn, Die scheuen Rehe dort am Waldessaume, Johanniswürmchen leuchten in den Lüften? Und atmest du der Blumen zartes Düften? » Aloys Walther, Leipzig. Steckenpferde. Humoristischer Roman von Karl von Bezold. I. Fortsetzung- (Nochdruck verboten.) Die Herren- traten ein. Da stauden hohe Schränke mit schweren, reichgeschn.itz- ten- Türen, massive Tische, Heren Platten auf Löwenfüßen oder Adlern ruhten, hochlehnige Stühle und Sessel, deren Polster mit verblichenen seidenen Stoffen überzogen tvaren, Fanlbänke, Betstühle und niedrige Schemel. Auf den Schränken und Tischen standen altdeutsche Krüge, griechische Vasen und römische Urnen-, an den Wänden hingen Ge mälde, deren Sujets man auch dann schwerlich erkannt haben würde, wenn die Beleuchtung vorteilhafter gewesen wäre. — „Da finden Sie jedes Zeitalter, jeden Stil vertreten," sagte Nikolaus Krebslein, sich stolz in die Brust werfend. „Und mm werfen Sie einen Blick in die Schränke. Da fin den Sie! venetianische Flügelgläser, altdeutsche Humpen, gothisck>e und byzantinische Reliquienkästchen, kostbare Kir chengefäße, geschlitzte Elfenbeinplatten, wertvolle Perga- mentbüchr und andere Kunftsachen." Ernst hatte einige Schränke geöffnet, auch der Gastwirt inarf neugierig einen Blick hinein und äußerte fein Erstau nen über die Reichhaltigkeit der Sammlung. „Jetzt wirst du bald genug haben," sagte er, „diese Sammlung repräsentiert ja ein enormes Kapital." Nikolaus Krebslein lächelte geschmeichelt. „Das Kapital ist vorzüglich angelegt," erwiderte er, „der Wert dieser Gegenstände steigt mit jedem Tage —" „Und frißt Zinsen!" „Bah, die Zinsen kommen zehnfach heraus, wenn ich die Sammlung veräußern wollte!" „Und alle diese Sachen bat Ihr Agent Ihnen ver schafft?" fragte Ernst. „Größenteils. Die Möbel lxibe ich meist in Scheunen und Ställen, in alten Klöstern und Nnmpelkammemrn ge funden, freilich in einem Zustande, der sie ganz wertlos erscheinen ließ. Tie Restauration kostete viel Geld." „Sie macken also auch selbst Entdeckungsreisen?" „Gewiß." „Na, dann könntest du morgen mich begleiten," sagte der Gastwirt. „Vielleicht findest du ein Kabinettstück in den Dörfern, durch die wir fahren." „Es geht nicht," sagte er, „ich habe keinen zuverlässigen KommisI" . K 1 ä-Ä-1 „Na, für einen Tag —" „Nein, es geht wahrhaftig nicht, wenn ich dem hoff- vungsvollen Herrn nicht auf die Finger sehe, macht er eine Dummheit nach der anderen." „Nun, wie du willst!" „Jetzt, meine Herren, zeige ich Ihnen die Krone mei ner Sammlung, meine Gemäldegalerie," sagte Krebslein. Er öffnete abermals eine Tür und die beiden Herren traten nun in ein kleines Kabinett, welches außer einigen Gemäl den in kostbaren Goldrahmen nur drei Sessel enthielt. „Voilül" Nikolaus Krebslein zeigte mit leuchtenden Angen auf die Gemälde. „Da sehen Sie einen echten Rubens, einen van Dyck, einen Holbein und einen Correggio. Hier finden Sie Adrian von Ostade, Re-mbrandt, Ruysdaell und van de Velde, dort Raphael Mengs, Pussin und Salvador Rosa. — Die übrigen Gemälde haben weniger Wert, sind aber auch von bedeutenden Meistern gemalt." lieber das Gesicht des jungen Mannes glitt wiederum jener ironische Zug, der starke Zweifel ausdrückte. „Nun? WaS sagen Sie dazu?" fragte der Modewaren händler triumphierend. „Wenn diese Bilder echt sind —" „Echt? Gewiß sind Sie echt, — glauben Sie. ich —" „Herr Krebslein, ich sage nur, daß' ich mir kein Urteil darüber anmaßen kann, weil ich in diesem Fache nicht die hinreichenden Kenntnisse besitze," erwiderte Ernst ruhig. „Wenn sie echt sind, so besitzen Sie einen Schatz, dessen Wert kaum zu ermessen ist. Und nun empfangen Sie ineinen herzlichsten Dank für die Freundlichkeit, mit der Sie mir Ihr Heiligtum erscksiosscn haben; ich bedauere recht sehr, daß die Kürze der Zeit mir nicht erlaubt, jedem Gegenstand besondere Aufmerksamkeit zu widmen." „Wenn Sie das wünschen, — mein Haus steht Ihnen zu jeder Stunde offen/' sagte Krebslein, „es wird mich sehr freuen. Sie recht oft hier zu sehen." Ernst nahm mit Worten des Dankes die Einladung an, die beiden Herren verabschiedeten sich. „Nun?" fragte der Gastwirt, als er sich kurz darauf allein mit seinem Sohne in dem traulichen Hinterstübchen seines Gasthofes befand. Ernst stand am Fenster und blickte gedankenvoll in den Garten hinaus, dessen Bäume der Herbst schon entblätterte. „Hulda ist hübsch geworden," erwiderte er. „hübscher, als ich glaubte." „Und sie hat Geld!" nickte der korpulente Herr bei stimmend. „Daran dachte ich noch nicht, Vater, mich bestimmt allein das Gefühl der Zuneigung zn ihr, das ich seit den Jahren der Kindheit im Herzen trage." „Hallo — Geld ist „Ein sehr schwaches Fundament des Glückes," siel Ernst seinem Vater ruhig ins Wort, „indes will ich nicht leugnen, daß es eine angenehme Zugabe ist." „Du bist also entschlossen, um ihre Hand zu werben?" i fragte er nach einer Pause.