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— 344 — Das Scherenfernrohr - (ff)' Im. Kirchturm von Frelinghien sitzen der Führer, der Beobachtungsoffizier und der Beobachter der 7. Bat terie des Fußartillerre-Regiments 19 und starren auf die versteckten Feindesgräben von Mesfines hinaus, In den Kirch turm von Frelmghaen schlagen schwere Granaten ein. Schraps nelle schleudern krachende Trümmer dröhnend hinab in den Turmschacht. Das Dach zerbirst von den schweren Granaten aus Feindesrohren. Schon starrt der ganze, einst so schmucke Kirchbau als rauchende Ruine in den Oktobertaz. Da, endlich weichen die deutschen Artilleristen aus den Trümmern, steigen Stufe um Stufe den Turm hrnab, von Splittern und Balken trümmern umsprüht. Einer kehrt aus halber Treppe um, Walther Rhode, Unteroffizier der 7. Batterie. „Wohin wollen Sie denn/zum Kuckuck?" schallt ihm die Frage entgegen. „Wir haben doch den Richtkreis oben stehen gelassen." Bis über die schwankenden Glocken steigt er hinauf in den brennew- den Turm und holt den Richtkreis. Die anderen warten. Nun haben sie endlich alle den Turmeingang glücklich erreicht, aufatmend. - „Schade, daß wir das Scherenfernrohr dalassen mutzten; der Aufbruch war auch gar zu plötzlich," bedauerte der Batterieführer. Unteroffizier Rhode hört es. Er weiß, das Scherenfernrohr war angeschraubt, es kostet Zeit, bis Man es loskriegt. Still kehrt er um und erklimmt ohne Befehl noch einmal den bebenden, brennenden Glockenstuhl. In halber Höhe verlegt ihm eine einschlagend- Granats den Weg. Es kracht und sprüht um ihn. Der gelbe Staub der englischen Granatenfüllung überschüttet den braven Korporal. Rhode wartete einen Augenblick, verschnauft sich und klimmt weiter hinauf. Er hat das wertvolle Instrument unversehrt ge funden, abgeschraubt und hinabgebracht. Anten warteten Of fizier und Kameraden mit angehattenem Atem auf seine Wiederkehr. Sie zählten zwanzig Volltreffer, dis unterdes in den Kirchturm einschlugen, an mehreren Stellen die Treppe in dem Turm zerrissen, Walther Rhode kam heil und ver gnügt heruntergeturnt. „Da oben ist nichts mehr zu holen .jetzt." Er brachte das Scherenfernrohr und erhielt für seine kühne und gefahrvolle Turmbesteigung die Silberne St.-Hein- richs-Medaille. Keck« Hemdstreiche (ff) Drunten an der Somme tobt die Schlacht. Der Wind trägt ihr Dröhnen bei Tag und Nacht zu uns. Bei einem sächsischen Reserve-Regiment aber herrscht der Klein krieg. Woch-nlang hatte Tommy Anfang Juli auf unseren Gräben herumzetrommelt, auch hie und da nachsehen wollen, ob wir nun endlich mürbe seien. Allmählich aber war er kleinlaut geworden, denn die Gebeine seiner Kameraden bleich ten au,f dem kurzen Raume Wischen den Stellungen nach jener Nacht, die so verhännisvoll für ihn wurde, damals vom 1. zum 2. Juli 1916. Unsere Maschinengewehre und Handgranaten haben ihm die Lust zu gröheren Taten ge nommen. Doch unsere braven Landser läßt der Tatendrang nicht ruhen. Allenthalben wird die Gelegenheit zu einem kecken Handstreich erkundet. Wie geschaffen dazu ist das Trichter gebiet, das sich zwischen uns und dem Feind längs des rechten Flügels hmzieht. An beiden Rändern spähen ver einzelte Posten hüben wie drüben. Die feindlichen auszu heben schien lohnend. Nachts stellten Patrouillen fest, daß vom feindwärts gelegenen Rande zweier Trichter eine Sappe herführte, in deren Kopf eine starke englische Unleroffizier patrouille Wache hielt. Eines Mittags nun beobachtete der Kompagnieführer lange Zeit durch das Scherenfernrohr den Sappenkopf. Der Posten drüben, hinter seinem Drahthin dernis, war in Gedanken versunken, die Gelegenheit zur lleberrumpelung günstig. Unter der Führung des Gefreiten Schraps, Hohndorf, stellte sich die Patrouille, bestehend aus den Gefreiten Redetzke, Borsdorf, Neunrann, Obrrullersdors Richter, Dresden, den Soldaten Henker, Dresden und Tracksdorf, Waltersdorf, S^A., am Ausgangspunkt der Sappe bereit. Die Stiefel wurden ausgezogen, Pistolen und Handgranaten fettig ge macht. Der Kompagnieführer sicherte durch Verstärkung der Tagesposten den Hauptkampfgraben. Auf seinen Wink spran gen dre Leute mit einem gewaltigen Latze über die eigene Brusttoehr und über das Hindernis hinweg in den Trichter: Damit war die Patrouille im Nu am jenseitigen Trichterrand dicht vor dem englischen Posten. Dott teilten sie sich; je drei Mann sprangen über das starke Drahthindernis in die Sappe. Erst jetzt wurden sie von vier Engländern bemerkt; einer von ihnen alarmierte sofort die Besatzung. Inzwischen spwlte sich im Sappenkoof ein kurzer Kampf ab. Die E» MM Schrap s und Redetzke stürzten sich auf den -inen Posten und warfen ihn in den Trichter, die übrigen vier Mann wandten sich gegen die andern beiden Posten: Handgramtten flogen hin und her. Da nahte englische Unterstützung; es konnte also nichts helfen, die feindlichen Posten mußten daran glauben! Die ganze Patrouille eilte nun sofort zurück und erreichte mit ihrem unvsrwundetzen Gefangenen ohne Verluste den eigenen Graben. Tommy kam zu spät und suchte durch erhöhte Schieß tätig ke.it seinen Zorn an seinen Feinden auszulässen. Dieser schöne Erfolg ließ dem Ehrgeiz der Nachbar kompagnie keine Ruhe. Rasch findet sich bei dem schneidigen Kompagnieführer «ne Gruppe Freiwilliger zusammen, die eine ähnliche Patrouille für den nächsten Morgen in Aussicht nimmt. Seit Mehreren Wochen waren in diesem Abschnitt infolge von mehreren kurz aufeinander folgenden Sprengun gen die „Eisenbahnsappe" und die nach den Sprengtrichtern führende „Schrödersappe" zwei der gefährlichsten Punkte im ganzen Bataillonsabschnitt. Durch Beobachten und Horchen in den anliegenden Minenstollen hörte man schon lange, daß Tommy sich wie toll auf unsere Sappe zu bohrte; an scheinend wollte er uns noch im Juli „schaukeln". Mehrere Patrouillen hatten schon den Betrieb in der englischen Sappe beobachtet und so bot sich hier wiederum eine gute Gelegen heit, dem Heiter etwas auszuwischen. Still dämmert der Morgen des 30. Juli heraus, der Jahrestag des Beginns der Ruhmestage des Regiments Nr. . . . Ein leichter Nebel liegt über der Landschaft und be günstigt das Unternehmen. Um 7 Uhr früh macht sich die Patrouille, bestehend aus: Unteroffizier Kubenz, Ebersbach. Unteroffizier Hähner, Großenhain, Gefreiter Weickelt, Reiche nau, Ers^Res. Spändl, Zittau, Soldat Frank, Werdau, Soldat Kleinhempel, Zwickau, sämtlich von der 2. Kom pagnie, die Soldaten Otto, Friedrichsgrün Geimer, Ober hausen (Rhld.), Stackelbeck, Herne (Wests.), der Pionier- (Mim-)Kompagnie Nr. ... in der Sappe bereit. Ein Wink und im nächsten Augenblick ist die Patrouille schon am eng lischen Sappenkopf. Ein Sprung und sie ist darin verschwun- . den. Der Posten wird niedergeschlagen, die Sappe selbst nach dem englischen Graben hin abgedämmt. Inzwischen wendet sich der Führer der Patrouille gegen den im Sappenkopf angelegten Tiefschacht. Drunten hört man das Hämmern und Klopfen der Mineure. Einer von ihnen sitzt auf den zum Schacht hinabführenden Stufen. Im Nu ist'er gepackt und zwei Mann bringen ihn nach unserm Graben. Durch Handgranaten sind nun auch die feindlichen Mmierer aufmerk sam geworden und schießen aus dem Schacht heraus. Es hilft aber nichts. Die geballten Ladungen werden hinunter geworfen und entzündet. Ein Sprung — die Patrouille ist verschwunden. Und im nächsten Augenblick zwei dumpse Knalle: der feindliche Schacht ist durch die Sprengung in die Luft gegangen. Ohne Verluste — trotz des nunmehr einsetzenden Infanterie- und Maschinengewehrfeuers aus dem , feindlichen Hauptkampsgraben — erreicht die ganze Patrouille mit dem Gefangenen den eigenen Grobem Diese beiden Leistungen wurden dadurch noch wertvoller, daß sich an den gefangenen Engländern die Anwesenheit ! ganz neuer Truppen vor der Front feststellen ließ. Die schneidigen Führer wurden für ihre kühne Tat ausgezeichnet: Unteroffizier Kubenz mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse, Gefreiter Schraps zu einer hohen sächsischen Kriegs- s auszeichnung vorgeschlagen und wegen Tapferkeit vor dem Feinde zum Unteroffizier befördert. Dis übrigen Teilnehmer schmückt bereits das Eiserne Kreuz 2, Klasse. Und dann durften die Tapferen in die liebe Heimat aus Urlaub gehen! * 115 alt. Der Oheim des früheren ungarischen Ministerpräsidenten Dr. v. Lukacs, Julius Lukacs in Buda pest, hat rüstig und geisterst i.ch H en 115. Geburtstag gefeiert. ' Kaninchenumrst. Seit einigen Wochen gibt es im ver schiedenen Fleischerläden und Gastwirtschaften Berlins Ka- ! ninchenwurst, das Pfund zu 6 Mark, hm uüd wieder auch § schon zu 5.40 Matt. Di« Wurst wird viel begehrt und ist stets bald verkauft. Verantwortlicher Redakteur: Ernst Roßberg in Frankenberg t-S. — Druck und Verlag von L. S. Rotzt rrg in Frarckenberg i.L