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S L K Z l L A« « 118 Son» Sie NUNj Er begann seins Tagesarbeit in der Kanzlei wie immer, rendanten etwas von den Spuren seiner Sorgen zu sehen. r r weihnachtli Hedwig für Stephan Kurz bevor seine Bürozeit zu Ende war und er in seiner sorgfältigen pedantischen Art alles, was aus dem Schreibtisch lag, einschloß, sodaß auch nicht ein kleiner Zettel liegen blieb. - wurde er ans Telephon gerufen. Er wollte dem Sekretär schon sagen: Nicht mehr an wesend. Aber dann ging er doch und hörte die Stimme seines Freundes, des Professors Hartdegen, der ihn bat, nach Tisch zu ihm zu kommen, da er ihm wichtige Dinge mttzuteilen habe. : Fortsetzung folgt. „Ja, liebe Mutter", — erwiderte Hedwig, - „unser Stephan kommt bestimmt zurück. Ich höre immer, was mein« Seele zu mir spricht, und habe nicht das Empfinden/ daß ihm etwas zugsstotzen sein kann. Ich werde gegen mittag bei -ir vorsprechen, vielleicht haben wir dann schon eine weitere Nachsicht." — Der Domrendant aber war zu seiner Kanzlei gegangen und hielt auf dem Wege die Augen zu Boden gesenkt, als , scheue er sich, den Menschen ins Angesicht zu sehen. Dabei hielt er ein bitteres Selbstgespräch: „Ja — da ist es mir altem Menschen bis jetzt zu wohl ' gegangen. Da lebt und sitzt man hier in seinem alten Schlendrian, so wie man es alle Tage getan, und weist nur aus den Zeitungen — bei uns ist Krieg. Da draußen an der Grenze, da zünden die Nüssen unseren galizischen Bauern die Dörfer an, schlagen die Frauen tot, hängen und erschießen die Männer, und die Kinder verkommen irgendwo, falls sie nicht vom Glück in gute Hände getragen werden. Und un ser« Truppen schlagen sich dort mit den Russen herum und fallen zu Tausenden, und andere Tausend« kommen hier in unser« Spitäler, bleiben ihr Lebelang Krüppel, und die an dern können's noch werden. Man selber aber sieht dem allen zu, gibt hier und da, so man etwas geben will oder mag und ist wie ein ganz fahrlässiger Mensch, der nicht weiß, wie wenig Recht er augenblicklich dazu hat, daß es ihm gut geht . . . Aber" — er lachte so ingrimmig auf, daß ihn Vorübergehende erstaunt ansahen, — „dort über uns unser großer Herrgott, d«r zeigt es mir und auch wohl den andern, daß unsere BrüiKr und unser Volk in harten Kriegszeiten sind. Wir, die wir wie alle Tag« prassend leben, murren, daß das Brot nicht so weiß ist wie früher, und der Kuchen nicht so frisch. Ha! was brauchen wir Kuchen. Der läutert uns nicht. Der macht uns nur gottloser. Härte brauchen wir. Ganz gehörige Härte." — Er blieb stehen und faltete die Hände. Unbeküm mert um den Straßenlärm, sah er zum Himmel, —„da dank ich dir, du lieber großer Gott im Himmel, daß du mir diese , Sorgen geschickt hast, die mich belehren, daß Röt und Schmer,z ! heute in hunderttausend Menschen vorhanden sind und ich von > dir auserlesen worden bin, mit ihnen dasselbe zu fühlen." ! Dann ging er weiter und war förmlich erleichtert, daß seine Seele einen Weg gefunden hatte, auf dem er die Sorgen tragen konnte. Nun war der Krieg an ihn selbst herangetreten. Nun lehrte ihn der Krieg, wie ein Geschenk des Himmels, sich end lich aus sich selbst zu besinnen und sich zu schämen, daß er § so viel Gutes, das er bisher genossen und empfangen, als , etwas Selbstverständliches genommen. e Mädchen stärker und !, lebenserfahrene Frau, er Liebe «inen größeren besäß, als dk Lene '» Und dies« Arbeit war es, di« ihre nur Mit äußerster Irafr aufrechterhaltene mutvoll« Stimmung mit Mcher Hoff? iungh«l«gte., ^Zie Mußte plötzlich auf ein« geheimnisvolle Stimme lauschim, die in Mem Innern zu ihr sprach und sagte: ziehjacke; da und ihre Migen streiften Vie Arbeit, «Ir kie in den fahl»: grauen, werdenden Morgen durch das Fenster sah. Die beiden Damen waren sprachlos. Di« Mutter wagte nichts zu erwidern; da sie ihr Knü> in «iner so maßlosen Erregung noch nie kennen gelernt hatte. Zum erstenmal Kat ihr ihr« Tochter als erwachsene Person gegenüber. Zeigte ihr, daß sie den Kinderschuhen entwachsen war und «in kräftiges, selbständiges Deilken besaß. Di« Mutter Stephans aber akn«k erleichtert auf. Ihr war zu Mut, wie einer vom Ge witterregen zu Boden gebeugten Pflanze, die nun ein kräftiger Sonnenstrahl wieder zu neuem Leben emporrichtet«. daß wir ihn auf sine Zeitungsnachricht hin als einen Toten ansehen. Stephan ist nicht tot. Was Ihr für kleingläubige Seelen s«id. Auslachen wird er Euch und mit Recht auf Euch schelten, daß Ihr kotz Eures Alters wie kleine Kinder seid. Ich will mir meinen Srnn nicht mehr verwirren, und damit : vrr oegann feine m vel ^vunzixi «vte immer, du siehst, wie wenig ich an Stephans Tod glaube,, setze und niemand vermochte in dem ruhigen Gesicht des Dom- ich mich jetzt ans Fenster und mache die Wrihnachtsarbeit - . — ' ' " für ihn fertig." > Ohne sich weiter um die alten Damen zu kümmern, ging sie zum Fenster, nahm ihr« Arbeit vor und saß dort, als ob sie tatsächlich völlig unbekümmert wär«. Unsinnig l Hänge nicht trüben Gedanken nach. Di« Ar- HHt dort hast du nicht umsonst angefängen, und dein Stephan Mrd sich- sehr darüber freuen. Wenn ich Vir einen guten Rat geben farm, so Petze dich nachher, wie du es alle Tage getan, än deinen Fensterplatz — mmm die Weihnachtsarheit vor, denke an deinen Stephan, freue dich auf die Festtage und schau dann und wann durch das lustige Schneetreiben auf die Gasse hinunter, ob nicht vielleicht der, an den du denkst, dein Herzallerliebster, nut schnellen Schritten zu dir kommt. Kennst ja seine Schritt«, fest und plastisch. Horch — find sie nicht schon auf der Basse zu hören? Ganz erst^coekn blickte sie auf ihr« Mutter, di« mit rot- ! geweinten Augen nicht «inmal Kaffee Kinken wollt« und sah > dann auf ihren Datei, der auch nur wenig Kaffes getrunken und nicht gegessen hatte, sondern stark rauchte. Dann auf die Mutter Stephans, welch« ganz mechanisch, wie ein Mensch, der nicht weiß, was er tust einen Schluck Kaffee kank und «in Stückchen Brot nahm und wieder Kaffes trank und wieder Brot nahm — wie eine Maschine. Ihre Augen blickten völlig ins Leere. Ihr Gesicht war so blaß^ daß die Adern _ der Stirn mit bläulichem Schimmer zu sehen waren, und hier und da zuckten ihre Mundwinkel, al? müsse sie, auch ohne es zu wissen, einen Schmerz bekämpfen. Die Uhr auf öem Kamm schlug mit Hellen, silbernen Schlägen acht. Da stand der Domrendant auf und ging aus dem Zim mer, um seine Kanzlei auszusuchen. Dann rief Hedwig nach dem Mädchen und ließ den Tisch abräumen. Hierauf stand die Frau Domrendant auf, sah ganz entsetzt auf ihre Tochter und rief: „Sag mal, Hedwig, — wie darfst du nur eine solch' farbig« s«id«ne Bluse anziehen. Sofort gehst du auf dein Zimmer und Neidest dich um. Nachher werde ich mit der Mutter unsres lieben Stephan und mit dir in die Stadt fahren und uns passende Kleidung beschaffen/' Sie wollt« nicht sagen: Trauerkleidung. Aber Hedwig verstand, was sie mit passender Kleidung meinte. Da kotzte sie auf: glaube, Euch narrt allesamt ein Spuk. Dom Vater angefangen, den ich gar nicht mehr versteh'. Ich denke gar nicht daran, mir «ine andere Blus« anzuziehen. Bevor ich nicht weiß, vom Kriegsministsrium bestätigt, daß Stephan nicht mehr unter den Lebenden weilt und gefallen ist, Halts iich es "für «in sündhaftes Verbrechen an uns und an ihm, tter. Fast scheu sah sie zu Hedwig hinüber und stand leise reichte der Frau DvMttstdant die Hand und sagte: „Die Hedwig hat recht. . Ich danke ELch für Eure Liebe und werd« 'jetzt nach Haus« gehen. Dort erhalte ich ja.«ine günstige oder ungünstige Nachricht am schnellsten." ,/SqF ich dich begleiten?" fragt« Hedwig am Fenster. Sie ging zu ihr und streichelt« der Sitzenden schmeichelnd mit gütiger Hand über das blonde Haar. „Nein, mein liebes Kind. Ich bin wieder stark genug, und ich dank' vir für die guten Worte, di« du erst gesprochen hast. Sie haben mich wieder mutig gemacht. Ich hege auch wieder Hoffnung." Gtzristbikmn hatte beg