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W W M U Feierabend M U Unterhaltungs-Beilage -er Sächsischen Volkszeitung Nr. HO Sonntag den b Oktober Ml )in ^»llnitzer Fviedrichsgvunde. (Lin Traumbild ans den 80cr Jahren.) V^och dasselbe Baches Rauschen, H Noch dieselben dunklen Lichten I Noch wie damals will ich lauschen deinen heiteren Geschichten. Als wir, die Geschwister, wallten Abends durch des Grundes Schatten, Hinter uns die Schritte schallten Noch der elterlichen Gatten; Noch die Wipfel sich im alten Abendsonnenglanz vergolden; Doch wo seid ihr, ihr Gestalten Aus der Jugend, wo ihr holden Angesichter meiner Teuren? Weh, dahin! Allein ich eile Durch den Grund jetzt, als ob euren Schritt ich höre, ich verweile. Könnt ein Zauberwort doch locken Luch, wie sonst, zu diesen Bäumen I — Wie das Herz mir klopft! Erschrocken Lahr' ich auf aus schweren Träumen. — <D sic sind, sind noch die Tage, Die ich träumte als vergangen! Traum, o Traum nur meine Klage! Meine Lieben all umfangen Heut mich noch; noch Jugcndwonne Auf den Wangen sich mir malet, Und des neuen Lages Sonne Lrcundlich mir cntgcgcnstrahlet. — Carl Theodor Schulz, Dresden. 17. Sonntag nach Pfingsten. Evangelium: Das Hauptgcbol. Matthäus 22,34-36. Es ist der ausdrückliche Befehl Gattes, daß wir ihn lieben, dies ist das größte und erste Gebet. Wenn man aber das Tun und Lassen der Menschen betrachtet, so findet inan nur wenige, die Gatt wirklich lieben, daß es den An schein hat, als ab es nicht möglich sei, dies Gebot der Liebe zu erfüllen. Dach wie sollte dem also sein? Weh mir, ruft der heilige Augustinus aus, wenn ich dich nicht liebte. Wir sollen Gott lieben, nicht bloß mit der Zunge, sondern in der Tat und in der Wahrheit, wir können und sollen ihn lieben nicht mit halbem, sondern mit ganzem Herzen, wir können und sollen ibu lieben nicht bloß unter gewissen Umständen, etwa in der Kirche und bei der heiligen Kommunion, son dern immerdar. Tu sollst den Herrn, deinen Gott lieben aus deinem ganzen Herzen und aus deinem ganzen Gemüte. Und das ist nicht so schwer, als mancher es sich vielleicht eiu- bilden mag; um Gott recht zu lieben, sind nur zwei Stücke erforderlich: Wirken und Leiden. Um Gott zu lieben, muß man wirken, das heißt man muß die Sünden meiden und Gutes tun. Wer meine Ge bote hat und sie hält, spricht der Herr, der ist es, der mich liebt. Wie man den Baum an den Früchten, den Vogel an: Gesänge, die Glocken am Klange erkennt, so gibt sich die Liebe durch die Werke kund. Der Prüfstein der Liebe, sagt der heilige Gregor, ist die Uebung guter Werke. Tie Liebe ist nie müßig, wo sie im Herzen vorhanden ist, da wirkt sie Großes. Blicken wir aus Maria Magdalena, von der der Herr selbst sagt, daß sie viel geliebt habe. Bald ist sie im Hause Simons, bald in Bethanien, bald beim Kreuze, bald beim Grabe Christi! ihre Liebe scheut kein Opfer und fürchtet niemanden, sie benetzt, trocknet und küßt die Füße Christi, sie bleibt beim Kreuze, bis ihr geliebter Herr ver schieden ist, sie weilt am Grabe und beklagt sich bei den Engeln, daß man ihr ihren lieben Herrn hinweggcnommen habe. Blicken wir auf Paulus! Wie viel Großes hat er aus Liebe zu Gott vollbracht! Schauen wir auf die Hei ligen insgesamt! War ihnen wohl ein Werk zu schwer, wenn es galt, ihre Liebe zu Gott zu bekunden? Es ist also einleuchtend: Je mehr wir Gott lieben, desto mehr gute Werke werden wir üben und je weniger gute Werke wir üben, desto geringer ist auch unsere Liebe. Was soll inan nun von den Christen sagen, die Tag für Tag Gottes Gebote übertreten, keine guten, sondern nur böse Werke üben und dadurch Gott beleidigen? Sie glauben an Gott, sie erkennen an, daß er als ihr Herr und König das Recht habe, ihnen Gesetz zu geben und daß sie verpflichtet sind, diese zu befolge:., ater ihre Werke widersprechen diesem Bekenntnisse ihres Mundes und es finden die Worte des Apostels ans sie Anwendung: Sic geben vor, daß sie Gott erkennen, aber mit den Werken ver leugnen sie ihn. Sie sagen zwar, wenn sie beten: O Gott, ich liebe dich, aber, wenn die Welt mit ihren Gütern, Ehren und Freuden lockt, wenn böse Menschen sie zu irgend einem unerlaubten Vergnügen einladen, wenn 'hre Begierlichkeit sie reizt, ach, dann denken sie nicht an Gott, bann folgen sie nicht seinen Geboten, sondern den Lockungen der Welt und den Gelüsten ihrer Begierlichkeit. Heißt das Gotc lieben? Nein, sie lieben ihr Fleisch, ihr Geld, ihre Ehre, ihre Ver gnügungen, aber Gott lieben sie nicht. Wenn cS gilt, ein vorteilhaftes Geschäft abzuschließen, irgend einen Gewinn zu machen, oder ein Vergnügen zn genießen, dann ist ihnen nichts zu schwer, aber, wenn sie aus Liebe zu Gott sich selbst verleugnen, auf irgend eine sündhafte Lust Verzicht leisten sollen, dann ist ihnen alles zu schwer. „Tie Liebe ist nie müßig, wo sie im Herzen vorhanden ist, da wirkt sie Großes." Wehe dir, wenn du aus Liebe zu Gott nicht allein nichts Großes, sondern nicht einmal etwas Kleines wirkst, wenn dn nicht einmal aus Liebe ein kleines Almosen geben, die vorgeschriebenen Fasten halten oder den Gottesdienst besuchen willst. Dann liebst du Gott nickst: denn wo keine guten Werke sind, da ist auch keine Liebe: denn „die Werke sind der Prüfstein der Liebe". Um Gott ivahrhaft zn lieben, muß man auch leiden, das heißt, man muß aus Liebe zu ihm bereit sein, so viel Hartes und Bitteres zu dulden, als er uns aufzuerleacn für gut findet. Die wahre Liebe, sagt der heilige Petrus Chrysologus, wird ohne Leiden nicht als probehaltig dargetan. Die Saite gibt den schönsten Ton, wenn sie auf der Geige angespannt wird, die Kräuter verbreiten den angenehmsten Geruch, wenn sie zerrieben und zerstoßen werden. So leat auch der Mensch seine Liebe zu Gott am deutlichsten dann an den Tag, wenn er aus das Kreuz gespannt und von Leiden und Trübsalen hin- und hergeworfen, die Geduld nicht verliert und alles Gott zuliebe trügt. , . - .