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habt. Nach der im letzten Jahre vollzogenen Reform haben wir große Veränderungen cingeführt; aber der Impuls der Regierung rührt nicht von einer einzigen Quelle her; dem entsprechend ist soeben verfügt worden, daß in Zukunft der Name Daimio außer Gebrauch gesetzt werde, daß alle bisherigen Daimios die Functionen von Präfecten in ihren Provinzen versehen und den Titel: Ka-gakou (Adelige) führen sollen." Landtagsverhaudlungeu. jj Dresden, 25.Novbr. In der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer erstattete Secr. vr. Gensel Directorial- vortrag über den Antrag des Abg. von Einsiedel, die Interpretation von § 6 der Normativbestimmungen vom 9. Oct. 1869 betreffend. Das Direktorium schlägt vor: Die Kammer wolle beschließen: 1) zu erklären, daß sie nach der jetzigen Fassung von § 6 der Normativbestimmungen vom 9. Octbr. 1869 die anderwcite Berathung über solche Anträge, welche in der Vor- berathung abgelehnt worden, «) sowohl im Allgemeinen, als b) insbesondere in Bezug auf die beiden in der Vorberathung abgelehnten Anträge der Abgg. vr. Wigard und Genossen (Einberufung eines neuen Landtags rc., Civilstandsregister rc.) nicht nur für zulässig, sondern auch für geboten erachte; 2) für die Zukunft dagegen dem 8 6 der Normativbestimmungen folgenden Zusatz als Alinea 5 beizusügen: „Sind jedoch bei der Vor berathung sämmtliche Anträge, beziehendlich Abänderungsvorschläge abgeichnt worden oder hat nur ein Antrag darauf, daß der ursprüngliche Antrag aus sich beruhen bleibe, Annahme gefunden, so hat eine weitere Berathung nicht Statt." Abg. von Einsiedel: Er sei mit dem Directorialantrag einverstanden und habe im Namen seiner politischen Freunde zu erklären, daß sie demselben beistimmen würden. — Abg. Lemper vertritt die Ansicht, daß jeder Vorberathung eine Schlußberathung solgen müsse. Die Vorberathung vertrete die Deput.-Berathung, und ebenso wie ein Antrag, der in der Deputation abgeworfen, dennoch zur Berathung im Plenum komme, so müsse es auch mit Gegenständen geschehen, welche in der Vorberathung ab gelehnt worden. Man möge sich nur bemühen, weniger zu sprechen, die Vorberathung würde dann nicht zu viel Zeit kosten. Er beantrage deshalb, zu beschließen, „daß jeder Vorberathung eine Schlußberathung solgen müsse." — Abg. Wigard: Den Gründen des Vorredners füge er noch bei, daß die Möglichkeit eintreten könne, einen Antrag nur mit einer Stimme Majorität abgelehnt zu sehen und daß vielleicht in der nächsten Sitzung, an welcher sich mehr Abgeordnete betheiligen, eine Majorität sich sür Liesen Antrag herausstellen könne. Uebrigens wolle er nicht verkennen, daß auch Gründe für den Directonal-Antrag sprächen. - Abg. vr. Minckwitz: Der Zusatz des Direktoriums passe zu den Normativbestimmungen nicht; er sei allerdings aus der Geschäftsordnung des Reichstags entlehnt, aber dort seien drei Lesungen, was die Sache wesentlich ändere. Er ersuche deshalb die Kammer, den Zusatz abzulehnen. — Vicepräsident Streit: Es könne nicht in der Absicht der Kammer liegen, über abge lehnte Sachen immer wieder Berathungen zu eröffnen. Auch taffe er den Wigard'schen Grund nicht gelten, bezüglich der Ab lehnung mit einer Stimme Majorität, denn es sei Pflicht der Abgeordneten, sich an jeder Sitzung zu betheiligen. Die 3 Lesungen des Reichstages erstreckten sich nur aus Gesetzentwürfe. — Abg. vr. Minckwitz: Gerade deshalb, weil er wünsche, auch Negierungsoorlagen in Vorberathung zu nehmen, bitte er uni Ablehnung des Directorial-Antrags. — Abg. vr Panitz: Die Konsequenz des Directorial-Antrags bestehe darin, daß alle Gegenstände, welche in der Vorberathung angenommen wurden, keiner Schlußberathung unterworfen werden dürften. — Abg. Heinrich (Borna) polemisirt gegen Temper, weil er der Kammer Lerhaltungsmaßregeln gegeben. — Präs. Haberkorn: Man möge sich doch von beiden Seiten befleißigen, alle Reibereien zu vermeiden, dann werde man dem Geschäftsgänge am Meisten nützen. (Bravo.) — Hiermit schloß die Debatte. Bei der Abstimmung trat die Kammer mit großer Majorität dem Directorial-Antrage bei, wo durch sich der Temper'sche Antrag erledigte. — Hierauf ging die Kammer zur Berathung des königl. Decrets über, die Ausgabe der bei der Staatsschuldencasse hinterlegten 5procentigen Staats- schulden-Cassenscheine betreffend. Außer den bereits er wähnten Deputations-Anträgen (s. vor. Nr.) waren noch folgende Anträge eingegangen. Vom Abg. Günther: „Die Kammer möge beschließen, an die Regierung das Gesuch zu richten: Die selbe wolle, anstatt zur Ausgabe von 6 Millionen 5procentiger Staatsschuldcn-Cassenscheine zu verschreiten, 12 Millionen 4^pro° centiger Staatspapiere zum Course von ca. 95 Procent emittiren, bei Einzahlung dieser Papiere aber die Hälfte des Nominal-Be trags in 4procentigen sächsischen Staatspapieren zum Course von 90 Procent annehmen"; eventuell: „Die Kammer wolle be schließen, die Finanzdeputation mit Berichterstattung über diesen Antrag zu beauftragen, bis zum Eingänge derselben aber die Beschlußfassung über die jetzt vorliegenden, denselben Gegenstand betreffenden Vorschläge auszusetzen". — Vom Abg. Schreck: „Die Kammer möge, unter Ablehnung des vorliegenden königl. Decretes, beschließen, an die königl. Staatsregierung das Gesuch zu richten: Dieselbe wolle vor Fassung anderweiter hauptsäch licher Entschließung die Frage, ob nicht anstatt der Ausgabe öprocentiger Staatspapiere, die Creirung einer Prämien-Anleihe nach dem Umfange der Bedürfnisse des Staates den Vorzug ver diene, nochmals in Erwägung ziehen und, je nach dem Resultate der diesfallsigen Erwägungen, den Kammern eine anderweite Vorlage zugehen lassen". — Vom Abg. Mehnert. „Die Kam mer möge, unter Ablehnung des vorliegenden königl. Decretes, beschließen, an die königl. Staatsregierung das Gesuch zu richten: Dieselbe wolle vor Fassung anderweiter hauptsächlicher Ent schließung die Frage in Erwägung ziehen, ob nicht statt der Aus gabe 5procentiger Staatspapiere die Beschaffung der erforderlichen Geldmittel durch Convertirung der 20 Millionen 4procentiger Staatspapiere in eine Rentenanleihe vortheilhafter erreicht werde. Auch über das Resultat dieser Erwägung eine anderweite Vor lage den Kammern zu machen". — Nachdem der Abg. Gün ther seinen Antrag sehr eingehend und unter Vorführung sta tistischen Materials befürwortet, motivirt Abg. Heinrich-Borna seine Unterschrift des Deputationsvorschlages. — Abg. Acker mann macht gegen Schrecks Antrag die Bedenken geltend, welche gegen die Prämien-Anleihen sprechen. Sachsen sei finanziell noch so gut situirt, daß es zu solchen Mitteln zu greifen nicht nöthig habe. — Finanzminister v. Friesen legt zunächst die Finanzoperationen dar, welche er bis jetzt eingehalten und spricht die Befürchtung aus, daß augenblicklich mit dem Hinausgeben der 4procentigen Papiere der Cours derselben noch weit mehr, vielleicht auf 80, herunter gedrückt werden müßte, wovor er warne. Man möge deshalb die Minoritätsvorschläge ablehnen und der Majorität beitreten. Nächstdem erklärt sich der Herr Minister gegen den Günther'schen und Schreck'schcn Antrag, insbesondere gegen den letzteren, aus dem Grunde, weil die Prämien-Anleihe zu theuer komme. Auch für Renten sei kein Anlaß vorhanden. In Preußen liege die Sache einfach so: die Ausgaben wären dort größer als die Einnahmen, folglich müssen entweder we ersteren verringert, oder die letzteren durch Erhöhung der Steuern vergrößert werden. Da man mit der Steuererhöhung auf Widerstand gestoßen, würden die Ausgaben beschränkt und daher habe man zur Rente gegriffen. In Sachsen lägen jedoch die Sachen ganz anders ; Einnahmen und Ausgaben deckten sich gegenseitig, ja es sei sogar Hoffnung auf Herabminderung der Steuern vorhanden und deshalb die Rente unnöthig, da es sich bei uns lediglich um Geld für Eisenbahnbauten handelt. — Abg. Schreck vertheidigt die Prämienanleihen gegen alle diejenigen