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3342 wie diese Arbeiteragitatoren einander gegenseitig Herunterreißen und wie der eine beschuldigt wird, im Dienste des Grafen Bis marck zu stehen, und der andere, für die Firma Hietzing zu reisen. In 14 Tagen wird auch Schweitzer hier erscheinen, vermuthlich wird er keine besseren Geschäfte machen als Bebel. Bayern. München, 23. Novbr. Die Regierung hat an die zum Concil reisenden Bischöfe eine Weisung ergehen lassen. Dieselbe ist in einer Entschließung des Kultusministeriums ent halten, welche dieser Tage an den Bischof von Regensburg erging, worin es u. A. heißt: „Das bevorstehende Ereigniß einer allgemeinen Kirchenversammlung, welches nach dreihundert Jahren unserer Zeit wiederkehrt, erregt, wie be kannt, allerorten lebhafteste Theilnahme. Auch in Bauern, dessen Bewohner zum größeren Theile zur katholischen Kirche zählen, sieht man mit Spannung, zugleich aber auch nicht ohne Besorgnisse den Beschlüssen des Concils ent gegen. Die Staatsregierung, welche dieser Erscheinung mit Aufmerksamkeit gefolgt ist, muß lebhaft wünschen, daß der Erfolg alle entstandenen Be sorgnisse als unbegründet erscheinen lasse. Sie begegnet hierbei mit Be friedigung der von den zu Fulda jüngst versammelten Bischöfen ausge sprochenen Ueberzcugung, „nie und nimmermehr werde und könne ein all gemeines Concil Lehren verkündigen, welche mit den Grundsätzen der Ge rechtigkeit, mit dem Rechte des Staates und seiner Obrigkeiten, mit der Gesittung und den wahren Interessen der Wissenschaft oder mit der rechts mäßigen Freiheit und dem Wohle der Völker im Widerspruch stehen wür den." Wenn sich diese Voraussicht erfüllt, so wird kein Widerstreit der Concilsbeschlüsse mit der bayrischen Staatsverfassung zu besorgen sein und die nach der Versassungsurkunde erforderliche und hiermit ausdrücklich vor behaltene Genehmigung S. M. des Königs zur Verkündigung und Voll ziehung jener Beschlüsse im Lande wird dann keinem Anstaude begegnen. Es ist der lebhafte Wunsch der Staatsregierung, mit der katholischen Kirche in Frieden zu leben und den derselben angchörenden Staatseinwohnern das volle Maß ihrer Segnungen ungeschmälert zu erhalten. In gleicher Weise muß aber auch die Staatsregierung wünschen, daß die außerhalb der katholischen Kirche stehenden Staatsangehörigen nicht in Beunruhigung ver setzt werden und daß insbesondere die bayrischen Bischöfe nicht zu Be schlüssen mitwirken, welche mit den Grundprincipien der bayrischen Staats- Verfassung, mit der allgemeinen Staatswohlsahrt, mit der Eintracht der verschiedenen Religions-Genossenschaften und mit der garantirten Gewissens freiheit im Widerspruche stehen würden. Unter diesen Voraussetzungen kann die Staatsregierung dem großen historischen Ereignisse einer allge meinen Kirchenversammlung mit voller Beruhigung entgegensehen und im glücklichen Verlause derselben segensreiche Wirkungen für die Kirche sowohl als die staatliche Gemeinschaft erhoffen. München, 7. Novbr. 1869. Auf Sr. kgl. Majestät a. h. Befehl, (gez.) v. Gresser." Oesterreich. Wien, 24. Novbr. Abermals hat ein Priester der Diöcese Linz, der Pfarrer zu Sarmingstein, Alois Anton, einen Absage brief an das bischöfliche Ordinariat gerichtet, in welchem er er klärt, daß er, Angesichts des Widerspruchs zwischen dem Clerus und dem Geiste der Zeit, Angesichts des bevorstehenden Concils nicht länger dem Priesterstande angehören könne lind sich zurück ziehen werde. Bischof Rudigier hat an diesen Priester , ein eigenhändiges Schreiben gerichtet, welches zwar beweist, daß Pfarrer Anton bei dem Bischof in großer Achtung stand, welches aber den beabsichtigten Erfolg nicht gehabt hat. Ein hiesiges Blatt sagt über die Abdankung: Pfarrer Anton hat wegen des unge ziemenden Auftretens der geistlichen Würdenträger auf alle weiteren kirchlichen Functionen und Ruhegehaltsbezüge' freiwillig verzichtet und ist trotz seines vorgerückten Alters von mehr als 50 Jahren unter die Journalisten gegangen. Pesth, 23. Nov. Eine auf heut Nachmittag für die Katho liken der Franzstadt anberaumte Versammlung, von welcher ebenfalls die Beibehaltung der C onfessi onsschu len discutirt werden sollte, war noch tumultuarischer als die gestern in der Josephstadt ftattgefundene (s. vor. Nr.). Pfarrer Szilagyi spielte wieder die Hauptrolle. Die Versammlung war unter Pfeifen, Toben, Lärmen und Auslöschen der Lichter, unter Verhöhnen Szilagyi's, der für die Ultramontanen wieder eintrat, auseinander gelaufen. Nachher wurde Szilagyi abermals, wie gestern, eine Katzenmusik gebracht. Die Organe der Stadthauptmannschaft haben sich sowohl in der Versammlung, als bei der Katzenmusik passiv verhalten. Szilagyi telegraphirte gestern sofort dem Primas den Erfolg der Versammlung, sowie, daß man ihm eine Katzen musik gebracht. (Vgl. tel. Nachr.) Cattaro, 23. Nov. In dem im Hafen vor Anker liegen den Lloyddampfschiff „Benaco" gingen in verflossener Nacht 3000 Proviantstücke durch das eindringende Wasser zu Grunde. Fort während die heftigsten Regengüsse. Die Truppen sind zufolge der heillosen Witterung und der ungeheuren Strapazen stark von Erkrankungen heimgesucht. Frankreich. Paris, 23. Nov. Die „Patrie" dementirt officiös das Gerücht, daß die schleswigsche Deputation sich nach Paris wenden werde, „obgleich die dänische Sache bei Frankreich und seiner Regierung stets auf warme Sympathie rechnen dürfe." — Eine Depesche aus Carmeaux meldet: „Es ist hier eine Arbeitseinstellung der Bergwerksarbeiter ausge- brochen. Es herrscht eine große Aufregung. Die Arbeiter machen Drohungen gegen den Unter-Ingenieur und den Werk meister. Es wird noch von keinen Handgreiflichkeiten gemeldet." (Die letzten Nachrichten constatiren indeß, daß die Arbeiter wieder in's Bergwerk eingefahren sind, mit Ausnahme von nur zwanzig, die bis jetzt sich nicht eingestellt haben.) Großbritannien. London, 24. Novbr. Dem „Record" zufolge hat Lord Derby ein Vermögen von 190,000 Lstr. (etwa 1,300,000 Thlr.) jährlicher Revenuen hinterlassen. Als der Verstorbene beim Tode seines Vaters in den Besitz des Vermögens kam, sollen die Jahrescinkünfte nicht einmal ein Drittel so viel betragen habe». Das schnelle Anwachsen wird der Ausdehnung der Fabrikan lagen in Lancashire zugeschrieben. — Vier englische Offiziere werden die Organisation der persischen Armee übernehmen. Die königliche Genehmigung ist erfolgt. Einer wird den Rang als Generalmajor erhalten, während die drei übrigen unter ihm stehen und den Charakter als Obersten führen. Türket. Die Mittheilungen mehren sich, wonach die Pforte fest ent schlossen sei, ihren Conflict mit Egypten sofort wieder auf- zunehmcn, wenn die Rücksichten geschwunden seien, welche ihr bisher durch die Anwesenheit der fürstlichen Persönlichkeiten am Hose des Khedive auferlegt wurden. Die „Patrie" erfährt, daß die Pforte eine Sommation an den Khedive richten wolle, der er sich binnen 14 Tagen zu fügen habe, widrigenfalls die Pforte mit Gewaltmaßregeln gegen ihn vorgehen werde. Den vereinten Anstrengungen der Mächte sei es nur gelungen, von der Pforte einen Aufschub dieses äußersten Schrittes bis zum 5. Decbr. zu erwirken. Im klebrigen habe die Pforte jede Einmischung der auswärtigen Mächte in diese Angelegenheit abgelehnt. Gegen wärtig richte die Diplomatie alle ihre Anstrengungen darauf, die egyptische Regierung zu einem nachgiebigeren Verhalten gegen die Pforte zu bewegen. Die Vertreter der Mächte hegten die Hoff nung, vor ihrer Rückkehr von Kairo nach Konstantinopel zu einem Ergebniß in dieser Beziehung zu gelangen. (Wie verlautet, ist Khali-Bei, erster Secretair im Ministerium des Auswärtigen und naher Verwandter Jsmail-Pascha's, designirt, das Ultimatum der Pforte nach Kairo zu überbringen und als außerordentlicher Commissar der Pforte in Egypten zu fungiren.) Japan. Die Versammlungen von Daimios, welche in Hedda tagten, sind ausgelöst worden. Der Minister des Aeußern des Mikado hat an die diplomatischen Agenten der Mächte am 23. Sept, folgendes Circular erlassen: „Seit den ältesten Zeiten bis aus unsere Tage hat Japan di? feudale Regierungsform ge-