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3339 dem besten Rufe, ein ruhiger, besonnener Mensch, gestand zu, den Auszügler Zschech damals erschossen zu haben. Er hatte den Kramladen seines Principals zu Oßling zu verwalten und kam hierbei öfter mit Zschech in Berührung. Letzterer war, darin stimmten die Aussagen der Zeugen mit Lemsers An gaben wesentlich überein, ein beschränkter, blödsinniger Mensch, der leidenschaftlich Cigarren rauchte und Tabak schnupfte, und sich durch zudringliches Betteln um Cigarren und Schnupftabak bei den Einwohnern Oßlings häufig lästig machte, der sich nicht leicht abweisen ließ, sich sogar den Tabak selbst nahm, wenn er ihm auf sein Betteln nicht gereicht wurde, und am Wirksamsten durch Drohungen mit Schießen zurückzuschrecken war, da er eine besonders große Furcht vor Schießgewehren hatte. So ist Zschech öfter in den Kramladen zu Lemsern gekommen, um Tabak zu erbetteln und auch von Letzterem durch jene Drohung vertrieben worden. Am 20. Octbr. d. I. fand sich Zschech wieder in dem gedachten Laden ein und sprach um Schnupftabak an, nahm auch vom Fenster einen von Lemsern dort liegen gelassenen Cigarrenstummel weg und an sich und verlangte wiederholt noch ein Loth Schnupf tabak; Lemser erklärte ihm darauf: „Du kriegst heute Nichts" und nahm schließlich, da er Zschechen durchaus nicht los werden konnte, seine doppelläufige Jagdflinte, welche an der Wand stand, zur Hand, um Zschechen damit zu bedrohen und zu erschrecken und hielt daM dieselbe, wiewohl unabsichtlich, in der Richtung nach Tschechen zu, der nun zu Lemsern sagte: „Ne, schieße nicht", aber immer noch nicht den Laden verließ. Lemser wußte damals beim Ergreifen des Gewehrs recht wohl, daß beide Läufe desselben mit Hasenschrot geladen waren und daß sich auf beiden Pistons Zünd hütchen aufgesetzt befanden und bemerkte zugleich, als er das Ge wehr ergriffen hatte, daß der eine Hahn aufgezogen war. Indem er nun, das Gewehr immer noch in der Richtung nach Zschechen zu, der wenige Fuß von ihm entfernt an der Thüre stand, haltend, den Hahn in Ruhe setzen wollte, entschnappte dieser seiner Hand, schlug auf das Piston auf, der Schuß ging los und die ganze Ladung in das Gesicht Zschech s, der sofort lautlos zusammen- sank und alsbald verschied. Lemser bezog sich darauf, daß die Doppelflinte mit sogenannten Versicherungen versehen und solche bei dem aufgezogenen Hahne vorgeschoben gewesen ist, allein er mußte zugeben, daß das Gewehr sich mitunter trotz der vorge schobenen Versicherung entladen hat und das Gutachten des Sach verständigen, sowie die in der Verhandlung vorgenommene Be sichtigung und abgenommene Probe veranschaulichten und be wiesen, daß die hier fraglichen Versicherungen in schlechtem, schad haftem Zustande und, wenn auch ordnungsgemäß vorgezogen, den noch keineswegs geeignet waren, vor einer Entladung des Gewehrs zu schützen und eine solche zu verhindern. Der Vertreter der k. Staatsanwaltschaft, Herr Assessor Schwerdfeger, beantragte wider Lemsern das Schuldig wegen Tödtung aus Unbedachtsamkeit und dessen Bestrafung nach Art. 165 des revid. Straf-Gesetz-Buches, verwendete sich aber zugleich im vorliegenden Falle auch seiner seits dafür, daß der Angeklagte mit einer milden Strafe angesehen werden möchte, weil er durch seine bisherige Reue gezeigt, wie schwer er die Folgen seiner That gebüßt, weil Arbeitshausstrafe diesen moralisch tüchtigen Menschen gewiß vernichten würde, zur Sühnung seiner Schuld aber eine angemessene Gefängnißstrafe hinreichc. Lemsers Vertheidiger, Herr Advocat Höckner, erklärte, das Gesetz sei allerdings verletzt, das Gesetz müsse daher auch ge sühnt werden, stellte aber an den Gerichtshof die Bitte, wenn dem schuldlos Getödteten die Sühne über das Grab gegeben werde, beim Hinblick auf den Todten nicht den Lebenden und dessen Zukunst zu vergessen und mit ihm milde zu verfahren. Der An geklagte wurde schließlich wegen Tödtung aus Unbedacht samkeit, in Berücksichtigung des nicht geringen Grades der letzteren, mit Gefängniß in der Dauer von 1 Jahr bestraft. Dresden. Se. Majestät der König haben geruht, die Ver setzung der Gerichtsräthe Friedrich August Hensel beim Bezirks ¬ gericht Freiberg und Gustav Curt Rudolph Behrn au er beim Bezirksgericht Eibenstock in gleicher Stellung — des Ersteren zum Bezirksgericht Chemnitz, des Letzteren zum Bezirksgericht Freiberg — zu genehmigen und dem Biersteuer-Receptor und Schlachtsteuer- Einnehmcr Julius Heinrich Grießbach in Kreischa die silberne Medaille des Albrechtordens zu verleihen. — Die Regierung hat die Polizeibehörden zur Vermeidung von Mißverständnissen darauf aufmerksam gemacht, daß die früheren Verordnungen in Bezug auf das Verbot der Nach bildung von Papiergeld noch immer in Kraft bestehen. Selbst für den Fall, daß die Criminalbehörde keinen strafrechtlichen Antrag auf solche Nachbildung gründen könne, sei dagegen die Polizei verpflichtet, alle derartigen Nachbildungen in Form von Papiergeld, wodurch auch schon Täuschungen und Betrügereien vorgekommen seien, ohne Weiteres mir Beschlag zu belegen und dies auch mit dem zur Herstellung benutzten Material zu thun, die Contravcnienten aber im Wiederholungsfälle in Strafe zu nehmen. Leipzig, 25. Noobr. In der gestrigen Stadtverord nete nsitzung fand der Antrag: den Rath zu ersuchen, den Bau der neuen Real- und Nicolaischule nunmehr schleunigst in Angriff zu nehmen, einstimmig Annahme. Hierauf trat das Collegium in die Berathung derjenigen Conten des Haushalt planes ein, welche die städtischen Schulen betreffen. Nach dem Voranschlag fordern städtischen Zuschuß : die Thomasschule 13,2711 Thlr., die Nicolaischule 11,477 Thlr., die Realschule 8400 Thlr., sowie die sämmtlichen Volksschulen insgesammt 101,779 Thlr. Nennenswerthe Streichungen waren nicht vorzunehmen und es wurden daher die Conten schließlich genehmigt. — Vor einigen Tagen ist hier der neue Theil der Gas- anstalt vollendet worden, zu welchem von den Stadtverordneten 250,600 Thaler verwilligt worden waren; der Bau wurde am t. Mai begonnen und in der kurzen Zeit von noch nicht ganz 7 Monaten ausgeführt. Unter den Baulichkeiten befinden sich ein Fcucrungshaus mit 12 Oefen und 84 Retorten, ein Reinig ungshaus mit 2 Dampfkesseln, 2 Dampfmaschinen und den sämmtlichen Condensirungs- und Reinigungs-Apparaten, ein Gaso meter, dessen Bassin in seinem Durchmesser von 121^ Fuß das größte in Deutschland ist, Kohlenschuppen, Theerbassins, Werk stätten und eine Röhrenleitung von 20", 16" und 12" Durch messer, die von der Gasanstalt bis rings um die Promenade der Stadt geht. Chemnitz, 24. Nov. Der hiesige Arbeiterverein hat eine Petition an den Landtag beschlossen, wonach um ein Gesetz gebeten wird, das den Arbeitgebern die Pflicht auferlegt, für die in ihrem Dienst verunglückten Arbeiter zu sorgen. Gleichzeitig soll die Regierung ersucht werden, beim Norddeutschen Bunde ein derartiges Gesetz zu befürworten. Eine Petition gegen jede Verwilligung für das Dresdener Hoftheater wird in Gemeinschaft mit dem Fortschrittsvereine vorbereitet. (Eine Kundgebung im letzteren Sinne kommt auch aus den in der Nähe Leipzigs ge legenen Ortschaften.) Preutze u. OL. Berlin, 25. Nov. Das Abgeordnetenhaus setzte beute die Specialberathung über den Etat des Ministeriums des Innern fort. Die Titel 8—12 der fortdauernden Ausgaben er langten ohne erhebliche Debatte die Genehmigung des Hauses. Titel 13—15, die Ausgaben für die Polizeiverwaltungen Königs berg, Danzig, Stettin, Magdeburg, Coblenz, Köln und Aachen, wurden in Höhe von zusammen 183,194 Thalern bewilligt und hierzu nach sehr langer Discussion unter Ablehnung mehrerer anderer folgende Anträge angenommen: 1) die Ausgaben für die Polizeiverwaltungen in den 7 Städten: Königsberg in Pr., Danzig, Stettin (mit Außenbezirk), Magdeburg (mit Sudenburg), Coblenz, Köln (mit Deutz) und Aachen als „künftig wegfallend" zu bezeichnen, und 2) die Erwartung auszusprechen, daß die