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<sei. rrabeii Uvtnhiltllnzs-Keilise der „Sachs. Volkszeitung". ..N 8. Sonntag, den 19. Februar. 1»«s. 'SS' 1 Die schwarze Schar. Roman, »ach dem Französischen von Ludwig Wechsler. 2 >. gorlikdiüig. lNttchdriick vrrdotcnl Bidache, der bereits bei der Tür angelangt war, kehrte nun zn dein alten Herrn znriick nnd fragte ihn, womit er ihm dienlich sein könnte. „Es handelt sich nm eine sehr eigentümliche Geschichte, die anch für Sie Interesse haben wird," erwiderte der alte Herr. „Hentc morgen erhielt ich einen Brief von einem jungen Mann, mit dem ich in Meriko bekannt und be freundet war. Ten Brief selbst werde ich Ihnen nicht vor- lesen, da er in spanischer Sprache abgefaszt ist. Der junge Mann schreibt mir ans Lorient, wo er seit acht Monaten etwa im Krankenhause liegt. Ter Sachverhalt ist kurz folgender. Mein Freund schiffte sich am di. Mai in Vera-Ernz ein, nm eine Vergnügungsreise nach Frankreich anzntretcn. Er ist reich nnd hatte zahlreiche Empfehlungsbriefe bei sich, die ihn in die beste Pariser Ge sellschaft einführen sollten. Namentlich besaß er eine sehr gewichtige Empfehlung an den spanischen Gesandten. Anfangs Juni langte er in Lorient an, wo er in einem Gasthofe abstieg, nm sich ein wenig auszurnhen, bevor er nach Paris weiterreiste. Am Tage seiner Ankunft machte er in den ersten Abend stunden, kurz nach eingenommenem Diner, einen Spazier gang durch die Stadt, als er am Quai von einem Manne überfallen wurde, dessen Gesicht er nicht sehen konnte. Der Mann warf sich ans ihn, stieß ihm einen Dolch mitten in die Brust und warf ihn, nachdem er ihn ausgeraubt hatte, kopfüber ins Meer. Mein Freund siel von der beträchtlich hohen Quaimauer in die Tiefe nnd schlug mit dem Kopfe gegen den Rand eines Fahrzeuges, das des hohen Wasserstandes wegen sich sehr nahe am Ufer befand. Am nächsten Morgen fand ihn ein Matrose bewußtlos, m seinem Blute gebadet, halb im Wasser liegen. Er war mehr tor als lebendig und wurde ins Krankenhaus geschasst. Seine Brieftasche, die seine sämtlichen Papiere enthalten hatte, war ihm von dem Mörder geraubt worden, nnd da anch sein Gepäck keinerlei Namen trug und er sich anch im Gasthofe noch nicht ins Fremdenbuch einge tragen hatte, so wußte inemand, wer er sei- Mehrere Mo nate hindurch schwebte er zwischen Tod nnd Leben. Der heftige Schlag auf den Kops, den er im Aufschlagen gegen das Fahrzeug erhalte», batte seine geistige Tätigkeit der maßen beeinträchtigt, daß er das Erinnerungsvermögen verlor. Erst vor einigen Tagen ist ihm die Erinnerung wieder gekehrt; jetzt erst ward er sich bewußt, welch ein Unglück ihm zugestoßen war. Nun schreibt er mir, daß er beim Staatsanwalt zu Lorient die Klage eingereicht habe; doch erschwere ihm seine mangelhafte Kenntnis der französischen Sprache ungemein die Schritte, die er unternehmen muß, um seinen Mörder ausfindig zu machen. Er bittet mich demnach, bei der hiesigen Polizeipräfektnr die Sache zu befürworten, damit man ihm zwei tüchtige Detektive nach Lorient schicke, die die Untersuchung in der geheimnisvollen Angelegenheit zu führen hätten." „Uird hat er keinerlei Verdacht, wer sein Angreifer wohl sein könnte?" „Nein. Offenbar hatte er es mit einem gewöhnlichen Dieb zu tun, der aber gelvaltig enttäuscht sein mußte, denn mein Freund Valledorös war ausgcgangen, ohne Geld zu sich zu nehmen." „Wie heißt Ihr Freund?" „Marquis Ludwig v. Vallaüorös." „Sie können sich die Mühe ersparen, zur Polizei zu gehen," sagte Bidache; „denn ich werde selbst heute oder morgen dort vorsprechen und Ihre Angelegenheit so ge wissenhaft vertreten, als wenn es die meinige wäre. Wo wohnt Herr v. Valladorös in Lorient?" „Er schreibt mir, daß er das Krankenhaus bereits ver- lassen und im Hotel de France Wohnung genommen hat." „Schön." Und ohne M<Kentier Zeit zu lassen, ihm seinen Dank abzustatten, verabschiedete sich Bidache von ihm und begab sich zu seinem treuen Verbündeten, Patrick O'Keddy, zurück. X. Es war fünf Uhr abends geworden und schon ziemlich finster. „Wenn Sie meinem Rat Folge leisten wollen," sagte Bidache zu Patrick, „so gehen wir jetzt zum alten Brous- miche und statten heute abend dem Paradiesgäßchen einen Besuch ab. Ich habe einen Plan entworfen, den ich Ihnen unterbreiten werde und der Ihnen gewiß zusagen wird, ob- schon er nicht gerade leicht genannt werden kann." „Am »leisten wird er mir Zusagen, wenn er mit Gefahr und Schwierigkeiten verbunden ist," erklärte Patrick. „DaS Alltägliche bat keinen Reiz für mich." „Sie sollen zufrieden sein," sagte Bidache. „Die Sache ist die." Sie bemerkten in diesem Augenblick auf dem Italiens- Boulevard einen eleganten Herrn, den sie sofort erkannten. Es war der Gras v. Easerte. der mit einem jungen Manne plauderte. Gerade reichte ihm dieser die Han- und schritt dann zu seinem Wagen, der einige Schritte entfernt auf ihn wartete. „Es freut mich ungemein, daß ich Sie bereits so weit hergestellt sehe, mein verehrter Graf," sagte Patrick, der auf den Grafen zugetreten war, um ihn zu begrüßen. „Ja," gab der Angeredete zur Antwort: „es geht mir Gott lob schon viel besser und der Arzt empfiehlt mir. flei ßig auszugehen, denn der sechswöchentliche Aufenthalt im Zimmer hat mich sehr geschwächt." Jetzt erblickte er auch Bidache, und ihm die Hand reichend, fragte er: „Nun, lieber Freund, haben Sie meinen Mörder be reits gefunden?" „Noch nicht, Herr Graf," erwiderte Herr Bidache be- scheiden. „Toch gebe ich die Hoffnung nicht auf. daß es mir gelingen wird, Ihnen schon in den nächsten Tagen die Fest nahme dieses verwegenen Banditen anzuzeigen." ..Das würde mich ungemein freuen: allein ich fürchte, daß die Sacke eine äußerst schwierige ist, denn der Polizei kommissar gab mir lange nicht soviel Hoffnung wie Sie. Beiläufig, lieber Meister," wendete er sich wieder zu Patrick, „kennen Gie den jungen Mann, mit dem ich vorhin sprach