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Feierabend. Untrrhaltilngs-Kkilage der „Sachs. Volkszeitung". .N 2. Sonntag, den 11. Oktober. 1903. Oktober. Gedicht von R. AngrcS. (Flachdruck vcrdolru.) Fleißiges Regen ^Allerwegen, Des .Herbstes Sechen Bringt mir tzercin! Scho» blinkt im Laube Die köstliche Traube, Drum sleißig sein! Sie kündet dem Zecher Den Sorgenbrecher, Ten süßen Wein. Darum rech ohn' Ende Fleißig die Hände Und erntet ein. Nimmer ans Erden Wird Lohn Euch werden Ohne den Fleiß. Schasst spät und frühe. Blüht für die Mühe Köstlicher Preis! Olgas Irrtum. «>. gorlsrpu»,,.) Originalnovellc von Alca Ruth. (Nachdruck vrrtwtrii'» „Nun? Was weiter?" fuhr er unwillkürlich auf. „Die wird doch wohl nicht Anspruch darauf machen, von mir als „gnädig" tituliert zu werden. Mein Herr, ich wiederhole — sie dient!" „Allem Anscheine nach scheint die Dame nicht sehr „gnädig" mit Ihnen nmznspringen." „Ach," verächtliche Handbewegnng, „das gnädige Hernmsptingen ist ganz ans ihrer Seite. Wer wie die nach Brot gehen muß — und so stolz dabei! Na, ich will darüber nicht sprechen." „Diese stolze Dame", begann Detten harmlos, „ist Dienstmädchen." „Nanu, doch nicht gerade." „Oder Kammerzofe?" „Auch das nicht," meinte sie etwas kleinlaut. „Was könnte sie mehr sein? Meine Weisheit ist zu Ende." „Mein Herr, wenn Sie wüßten, was ich wüßte," begann sie orakelhaft. „Na — los damit." „Wir Chambrieres sprechen nicht über die privaten Verhältnisse der Herrschaften." „Sehr löblich", versetzte Detten, indem er gelassen seine Börse, die er wie spielend in der Hand wog, wieder zu sich steckte, „werde nicht verfehlen, Ihre phänomenale Verschwiegenheit an maßgebender Stelle zu erwähnen." „Oh", machte sie gedehnt, da er Miene machte, die Treppe hinabzusteigen, dann aber wieder schnell gefaßt, „Anerkennung, mein Herr, ist eine Blume, die nur ans Gräbern blüht. Ich bin nicht so gestellt, nach meinem Tode Lnrus zu treiben. Schauen Sie her", sic öffnete geschäftig die Schachtel, „zwanzig Paar abgelegter Hand schuhe, echt englisches Leder, bis znm Oberarm hinanf- reichend .... Abgelegt? Wie dumm! Ueberzengen Sie sich: so, mein Herr, sehen abgelegte Handschuhe einer nwainla ,1nma ans — und das gnädige Fräulein Kommerzienrat ist eine grumte ciame! Ein, zweimal getragen, dann heißts: „Mademoiselle Florence", sagt sie. „die schenke ich Ihnen." Sehr nobel, äußerst nobel! Wissen Sie auch, mein Herr, daß die hantiere mir das Stück mit einem Franken be zahlt? Ein Franks das Stück abgelegter Handschuhe!" „Ich komme Ihnen noch inehr entgegen", begann er im Tone eines Geschäftsmannes, „und bezahle Ihnen das Ltück mit zwei Franken, wenn Sie nicht zu viel unnütze Redereien machen und auf den Kern der Sache kommen." „Nennen Sie mir den Kern." „Wie nennt sich die Dame, von der ich sprach?" „Olga, mein Herr, Olga", erwiderte sie prompt. „Unsinn! Das weiß ich." Sie hob die Angenbrancn. „Warum fragen Sie mich denn?" „Kennen Sie den Zunamen nicht?" „Bedauere, den nennt man in der Familie des Kommerzienrats nicht." „Sie wissen aber, welche Stellung die Dame einnimmt?" „Hm; das ist schwer zu bestimmen. Zuweilen liest sie der gnädigen Frau vor, und ich sage mir. sie ist Vorleserin. Dann sehe ich sie mit dem gnädigen Fräulein an der Jammerkommode sitzen — sie hat nichtsdestoweniger 3000./^ gekostet — und denke mir, sie ist Klavierlehrerin. Wenn ich sie dann wieder mit dem gnädigen Herrn die Brief schaften erledigen sehe, kommt mir der Gedanke, daß sie eher noch Geheimschreiber oder so was Aehnliches ist. Ich sehe sie aber auch den Joko füttern —" „Wollen Sie wohl schweigen!" brach er etwas grob los. „Ei, du meine Güte! Wer anders als Sie hat mich denn znm Sprechen anfgcfordert?" „Schon gut: hier nehmen Sie Ihre Bezahlung für das „echt englische Leder", das Sie mir meinetwegen ans meine Bude tragen können." Damit warf er ihr ein Geldstück auf die Schachtel und stieg die Treppe hinab. „Wenn der kein Kriminalbeamter ist", dachte sie und schaute ihm nach, „meinetwegen — er wird die Handschuhe wohl nicht gezählt haben", und sie entnahm der Schachtel die besten Paare. Der Pseudo-Kriminalbeamte ging indessen langsam die Digne entlang. „So, lieber Karl", sprach er befriedigt zu sich selbst, „auch ohne Deine Beihilfe, die mir überdies noch hätte unbequem werden können, bin ich über das, was ich Nüssen will, informiert." Gleich darauf kehrte Eichbach ins Hotel zurück und trat in Dettens Zimmer. „Na. Vogel ausgeflogen?" Sein Blick fiel ans die offene Schachtel. „Heliotropgeruch! Uff!" Er stand starr. „Damenhandschnhe?! — Wahrhaftig Damenhandschuhe! O, Fritz. Fritz!" Lachend ging er hinaus. „Er ist verliebt, wirklich verliebt!" Eine Stunde des Nachmittags pflegten die Freunde immer ans der bedeckten Terrasse des Kurhauses, das dem Hotel „Royal belge" gegenüberliegt und nur durch die nach Ostende-Stadt führende Straße von demselben getrennt ist, znznbringen. Uebcrall an den runden kleinen Tischen saßen dort einzeln und gruppenweise die Kurgäste und schlürften den duftenden Mokka ans den niedrigen Schälchen. Karl Eichbach, der unermüdliche Plauderer, ward von allen Seiten begrüßt und angerufen, erwiderte prompt Scherzworte und neckische Anspielungen und fand für alle dringende Einladungen, die allesamt ans ein und dieselbe Stunde erfolgten, keine ablehnende Antwort. Detten blieb schweigend, schien angelegentlichst mit dem Studium der Ornamentik des Balkons erster Etage seines Hotels be schäftigt nnd ärgerte sich, daß ans dem Balkon Papa