Volltext Seite (XML)
27 same gefordert haben, — indem sie sich weder durch Einschüchterungen, noch durch Entbehrungen bestimmen lassen, ihre politische Freiheit preiszugeben, erweisen sie sich als Männer, welche der Unterstützung der großen liberalen Partei nicht entbehren dürfen." — Halle, 29. Dec. Eine von Fritz Mende berufene „Ge neralversammlung" des allgem. deutschen Arbeitervereins fand gestein im Odeum hierselbst statt. Vertreten waren 12» Ortschaften mit 23,000 Mitgliedern durch 3 5 De put irte. (!) Hauptgegcnstand der Tagesordnung war: Ausstoßung des bisherigen Präsidenten Schweitzer und des bisherigen SecretairS Tölcke. Da Schweitzer nicht persönlich erschienen war, so wurde er in eontumaviam verurtheilt und auf Grund verschiedener schwerer Beschuldigungen sammt seinem Sccretair Tölcke durch die Versammlung der sämmtlichen Mitglieder» rechte enthoben. Die Hauptbeschuldigung war die, Schweitzer habe sich den Diensten der preußischen Reaction verkauft. Di« Versamm lung, von ungefähr 50 Mitgliedern de- Verein- besucht, hatte einen ruhigen Verlauf und schloß mit eurem Hoch auf Lassalle, sowie aus Mende und die Gräfin Hatzfeld, die Beide im Hotel zur „Stadt Ham burg" hier logiren. — (Der Kölner Dombau im Jahre 1 8 69.) Daß auch im lctztabgrwichenen Jahre die Bauthätigkeit eine sehr regsame war, ergiebt sich schon au- der Zahl der hierauf verwandten Arbeiter. Während diese- Baujahres waren nämlich in den Bauhütten und auf den Gerüsten im Durchschnitt täglich 500 Wcrkleute und Hand langer thätig. Zu diesen kommen noch etwa 300 in den Steinbrüchen am Neckar, in Westfalen und an der Nahe beschäftigte Brucharbeiter, so daß im Ganzen Tag für Tag ungefähr 800 Menschen für den Kölner Dombau in Thätigkeit waren. Hauptsächlich ist zu erwähnen, daß der nördliche Thurm vom erreichten zweiten Hauptgefims um 30 Fuß höher gebracht worden und hierdurch im Ganzen zu einer Höhe von 180 Fuß über dem Boden der Kirche empor gewachsen ist. Der südliche Thurm wurde wegen der Baulosigkeit de- alten Mauer werkes bi- zum zweiten Hauptgefims abgetragen und dann von die sem um 20 Fuß neu aufgebaut, so daß er jetzt wieder zur Höhe von 170 Fuß gediehen ist. Ferner wurde auf dem nördlichen Thürme die Aufstellung einer Dampfmaschine von acht Pferdekralt und die Herstellung eines Kesselhauses am Fuße desselben, von wo der Dampf im Innern de« Thurmes hinaufgelcitct wird, au-geführt. Die Förder zeit diese- neuen Apparats zum Hkbin der Werkstücke und sonstiger Materialien beträgt nur drei Minuten gegen j Stunden, welche bei der früheren Hebe-Vorrichtung erforderlich waren. Auch für die in nere Ausschmückung des Domes und in Bezug auf die unmittelbare Umgebung desselben ist im Jahre 1869 BemerkenswertheS geschehen. In den nächsten Jahren sollen die Thürme um je 30 Fuß gefördert und am Schlüsse de- Jahre- 1870 soll die Höhe de- dritten Haupt- gefimseS erreicht werden. Ueber diesem letztem beginnend, wird als dann das allseitig als Achteck entwickelte vierte Thurmstockwerk empor steigen, da- weiterhin mit gleichförmiger Grundriß-Anordnung in da« Helm Octogon übergeht. Die Mauermassen der Thürme verjüngen sich schon jetzt, und in dem Verhältniß, als dies weiterhin geschieht, nimmt die Höhe de- in jedem folgenden Jahre zu bewirkenden Auf baues stetig zu. Diese progressive Beschleunigung rechtfertigt die Zu- verficht, daß, im Fall« di« Dombau-Prämien-Collecte mit Hinzu rechnung des StaatS-ZuschusseS und der Vereinsbeiträge, wie bisher, so auch für die nächsten sechs Jahre jährlich 250,000 Thlr. für den Bau zur Verfügung stellt, der Kölner Dom im Jahr 1875 vollendet dastehen wird als da- erhabenste und herrlichste Bauwerk der Erde. — Vorbeck (Rheinpr), 28. Dec. Gestern Abend hat man den am 18. d. M. au- der Strafanstalt zu Werden entwichenen Sträfling Thiessen in einem neben der Wohnung seiner Mutter belegenen Hause ermittelt, in polizeilichen Gewahrsam genommen und der Strafanstalt wieder zugeführt. Thiessen wurde unter einem um gekippten Brottrog« auf dem Speicher, wo er sich versteckt hatte, ein Messer und einen Zündnadelcarabiner in der Hand haltend, von der Polizei überrascht. T. ist im Mai d. I. wegen Körperverletzung, die den Tod zur Folge hatte, zu einer 10jährigen Zuchthausstrafe v«» urtheilt worden. — Eine freundliche Anweisung hatten laut dem „Publ." die Berliner Executoren vor Weihnachten erhalten, nämlich sich der Pfändungen an den Tagen vor den Festen gänzlich zu enthalten. — Augsburg, 29. Decbr. Vergangene Nacht hat Ludwig Armbruster, Fabrikarbeiter in Göggingen, seine Frau und seine beiden Kinder erstochen und nach vollbrachter That sich freiwillig bei der Polizei als Mörder angczeigt. — Die große, der Firma Ritter gehörige Mablmühle Stracic bei Görz am Jsonzo ist in der Nackt auf den 28. Dec. ein Raub der Flammen geworden. Die Papierfabrik soll gerettet sein. In diesen zwei Etablissement- wurden über 6000 Personen beschäftigt. — Pesth, 29. Dec. Herr Nepomuk Ebner, Chef der alten und geachteten Firma N. F. Ebner Söhne, hat sich gestern Nacht in einem Anfall von Geistesstörung entleibt. Bei dem aufgenomme- nen Vermögensstande zeigte sich, daß ein reelles Vermögen von 200,000 Fl. vorhanden ist. — Aus Zug schreibt man der ,,N. Z. Z.": „Nachdem in mehreren Blättern die Nachricht die Runde gemacht, daß im Canton Zug rach mittelalterlicher Weise zur Erpressung von Geständnissen bei Jnquisiten Da um schrauben und Stockprügel angewendet werden, ist es wohl am Platze, zur Aufklärung der Publikums den leider nur zu wahren Thatbestand, welcher hierzu Veranlassung gab, zu ver» öffentlichen. Landjäger Weiß von Zug ist angeklagt, einen bedeu tenden Diebstahl aus verschlossenem Raume verübt zu haben; derselbe ist auch dieses Verbrechen« durch Zeugen, sowie durch eine Menge zu- sammenhängender Jndicien in jeder Beziehung überwiesen, indessen leugnet er beharrlich. Gestützt auf die Nctenlage hätte der Richter den Jnquisiten dennoch verurcheilen können, leider aber wollte da« Verhöramt vom Jnquisiten ä tont xiix ein Geständniß haben und wendete hierzu (nicht einmal in Anwesenheit der Canzlei, sondern nur cn Gegenwart des Gefangcnwartes und eine« Landjägers) nach den Acten wörtlich folgende« Verfahren an; „Jnquisit wird vom 26. Oct. bi« und mit dem I 0. Nov. auf schmale Kost (anhaltend Wasser und Brot) gesetzt. Es erfolgt kein Geständniß. Den 10. Nov. wird Jn- quifit nochmals ernstlich aufgefordert, zu bekennen, ansonst noch schärfere Maßregeln erfolgen. Jnquisit bemerkt, er könne nicht« Weiteres mehr bekennen, al« was er schon angegeben. Dem Jnquisiten werden die Daumschrouben angelegt. Kein Geständniß. Jnquisit wird aufge zogen (mit einem Strick an einem an der Wand befindlichen großen Haken); Jnquisit bekennt wieder nicht«. Dem Jnquisiten werden durch den Landjäger (seinen früheren College») sich« Stockstreiche auf den entblößten Rücken applicirt. Jnquisit winselt und jammert, bemerkt aber, er könne nichts Weiteres angebcn. Nach nochmaliger Auffor derung zum Geständniß werden dem Jnquisiten nochmalige sechs Stock- streiche applicirt. Jnquisit: „Und wenn Sie mich todtschlagen, Herr Verhörrichter, ich kann nichts Weitere« angrben." Jnquisit wird heruntergclassen und nochmals zum Geständniß aufgefordert — kein Geständniß. Jnquisit wird auf gewöhnliche Gefangenschaftskost gesetzt." DaS Criminalgericht fand den Jnquisiten des qualificirten Diebstahl« chuldig und verurtheiltc ibn zu zwei Jahren Gefängnißstrafc (wovon 70 Tage Untersuchung«haft abgehen) und Verlust der bürgerlichen Rechte und Ehren auf zehn Jahre rc. Zu bemerken, als für den Fall hauptsächlich sprechend, ist, daß der Verhörrichter nicht etwa ein älterer, sondern ein ganz junger Mann ist, der vor einigen Jahren von der Universität Heidelberg in die Heimath „Stadt Zug" zurück- kehrte. Wir könnten noch weitere Fälle anführen, in denen Aehn- iche«, zum Theil Mehrere«, in Untersuchung vorgekommen ist." — Diesen Winter erfolgt in Pari«, Loulsvarck lles Italiens blo. 26, die Versteigerung der prächtigen weitbekannten Gcmäldesamm- ung de- Palastes San Donato bei Florenz, sowie der daselbst auf bewahrten historischen Merkwürdigkeiten. — In ter ersteren befinden ich aus der neueren Schule Gemälde von Delaroche, Scheffer, Bon- rington, Delacroix rc„ während die ältere Schule durch Meisterwerke von Paul Veronese,,. Carlo Dolci, Murillo und Anderen vertreten ist.