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82 Gestalt im dunklen Mantel, den Kopf nrit einen: Schleier »«erhüllt; in der Reinhold auf den ersten Blick Jsabella er kannte. Jsabella hier und zu dieser Stunde! Ein seliges Gefühl durchrvogte Reinholds Brust bei Isabellas Anblick, aber sein Verlangen ging über allen irdi schen Besitz empor zu Gott. Er sammelte die Blüten irdi- scher Liebe in feinem Herzen und brachte sie, auf seine Kniee niedersinkmid, Gott zum Opfer dar. Ruhig und klar wollte er sich ihr aussprechen und dann scheiden — für immer. Jsabella hatte keine Ahnung gehabt, daß Reinhold in der Kirche gewesen und sie erschrak, als sie heraustretend ihn nun plötzlich vor sich sah. „Reinhold" sagte sie leise. Der Name war fast unbewußt ihren Lippen entschlüpft und ihre Hand zitterte, als sie dieselbe in die seine legte, die er ihr bot. „Ich bin gekommen, um Abschied zu nehmen, Gräfin," sagte er, „denn ich gehe nun, meinen Beruf zu erfüllen." Sie schaute fragend zu ihm auf und er fuhr ihren Blick verstehend, zu sprechen fort. „Ich will Priester wer den und Missionar. Das war seit meiner frühesten Jugend meines Herzens Sehnen, meiner Wünsche Ziel. Slls ich ein Kind war, erzählte mir nieirre Mutter viel von den Männern, die in edlem Opfermut Gottes Wort hinaustra gen in ferne Welten und ich lauschte in atemloser Spannring ihren Erzählungen. „Mutter," rief ich, „ich will auch so ein Priester wer- den." Da strich sie sanft mit der Hand über nrein wirres Kraushaar, blickte mit ihrem milden Lächeln in nrein er regtes Antlitz und sagte: Werde erst ein Mann, nrein Knabe, und lerne dein eigenes Herz bezähmen, das ist oft schrverer, als wilde Völker zur Wahrheit bekehren. Ich verstand es damals nicht, was sie meinte, aber der Wunsch, Missionar zu werden, ist mit mir groß geworden. Zwölf Jahre habe ich in der Welt gelebt und ich habe gelernt, was damals die Mutter gesagt, mein eigenes Herz bezähmen! Klagelos hatte ich einst der Welt entsagt, tränenlos bin ich aus ihr geschieden, da sah ich Sie, Jsabella, und — ich lernte er kennen. daß ich ein menschliches Herz in der Brust trage. Die Welt, die ich so lange verachtet, schien nrir plötzlich schön in Jhreni Blick, das Leben reizvoll in Ihrer Nähe und oft habe ich an der Mutter Wort gedacht, das ich jetzt verstand: es ist manchanal schwerer, das eigene Herz bezähmen, als wilde Völker zur Wahrheit bekehren. Ich kämpfte einen schweren Kampf. Gottlob, er ist zu Ende." Sie tvaren durch eine Tür in den Garten getreten. Jsabella ging still an Reinholds Seite. In ihren! Her- zen hatte doch noch ein Funke von Hoffnung gelebt, und es ist eine schwere Stunde, wenn wir diese letzte Hoffnung unseres Jugenstraums zu Grabe tragen. Jetzt ist da? Band gelöst, das mich an die Welt ge- fesselt hat," fuhr Reinhold fort, „und ich gehe — gehe freu dig. Aber ich wollte nicht von Ihnen gehen, Jsabella, ohne Ihnen inein Herz zu öffnen. Jsabella, darf ich hoffen, daß Sie mir nicht zürnen?" „Nein, ich zürne Ihnen nicht, ich werde stets die Stunde segnen, als ich Sie zuerst gesehen." Sie reichte ihm die Hand zum 9lb schied. Als Reinhold eine Stunde später, nachdem er seine An gelegenheiten mit dem Grafen geordnet batte, nach seinen: Zimmer ging, trat Cäcilie ihm im Korridor entgegen. „Sie wollen fort?" rief sie bewegt. „Sie ivollen uns verlassen und schon so bald?" „Ja, wünschen Sie nrir Glück, ich bin endlich am Ziel!" erwiderte Reinhold. „Ich weiß. Sie sind glücklich, und ich möchte sie fast beneiden um dieses Glück — aber Jsabella? Was wird aus ihr werden?" „Beruhigen Sie sich, sie ist auf guten Wegen. Seien Sie. Cäcilie. der gute Engel, der sie zum Altar emporführt." „So beten Sie für mich, rvenu Sie am Altar stehen," sagte Cäcilie, „daß auch ich mein Ziel bald erreiche." Zwei Jahre waren vocübergegangen und wieder ging cs dem Herbste zu. Graf Heimbach hatte mit seiner Tochter den Winter in Italien, den Sommer auf Reisen verlebt und kehrte nun nach einer Abwesenheit von beinahe einen: Jahre in die Heirnat zurück. Cäcilie war schon seit einiger Zeit leidend. Sie magerte sichtlich ab, hiistelte und fühlte sich matt und müde. Der Zustand der Kranken ward immer schlimmer und bald konnte sie das Zimmer nicht mehr verlassen, aber sie verlor ihre Heiterkeit nicht und ihren Mut und bewahrte in den schwersten Leidensstunden ihr sonniges Lächeln. Frau von Lastorf hielt sich dem Krankenzimmer so fern als möglich. Ein Herz, das all sein Sinnen u:ü> Trachten den: Irdischen zugewcndet hat, schaut nicht gern den: Tod ins Auge. Sie kam wohl zuweilen herein, um nach der Kranken zu sehen und ihr einen flüchtigen Gruß zu bieten, aber imrner verschwand sie schnell wieder. Um so getreuer hielt Jsabella bei ihr aus und es tvar ein eigenes Leben stillen Schaffens urw Wirkens, das in dem kleinen Krankenzimmer sich entfaltete. Der Winter ging vorüber, ein junges, frisches Leben kämpft lange gegen den Tod. Erst als linde Lüfte Blätter und Knospen weckten, als es in Busch und Hag sich zu regen begann und die warme Frühlingssonne in das kleine Krankenzimmer hereinschien, schloß Cäcilie die Augen zum ewigen Schlaf. Sanft wie ihr Leben, Nxrr auch ihr Sterben. Frau von Lastorf gab sich an: Sarge ihrer einzigen Tochter, mit der sie so viele stolze Hoffnungen zu Grabe trug, leidenschaftlichen Ausbrüchen ihres Schmerzes hin. Doch schon nach kurzen: schob sie alles beiseite, tvas die Er- innerung an Cäcilie in ihr weckte, sie wollte nicht an ihren Schmerz genmhnt sein. All ihre Hoffnungen wandten sich nun ihren Söhnen zu und sie schmiedete neue Pläne, baute neue Luftschlösser. Jsabella hingegen weinte stille Tränen eines tiefen Schnwrzes, aber auch sie sollte sich ihrem Kumnwr nicht lange hingeben dürfen. Wenige Wochen nach Cäciliens Tod traf sie ein neuer Schlag, der sie zu energischen: Handeln aufrüttelte. Ihr Vater N>ard von einen: Schlaganfall betroffen. Ein Jahr lang pflegte Jsabella ihn unermüdlich und treu und in den vielen einsamen Stunden, die sie bei den: Kranken weilte, in den endlosen Nächten, die sie an seinem Lager durchwachte, vollendete sich in ihren: Innen: der Kampf zwischen Gott und der Welt, denn wie man den Saft der Rebe unter den: Kelter anspreßt, so strömt auch die Seele ihre edelsten Säfte aus unter dem Kelter der Leiden. In: Frühjahr 1800 las Jsabella in den Kriegsberichten der Zeitung von einen: Priester der Gesellschaft Jesu namens Schönberg, der als treuer Hirt in Peking die Ge Alchxsn, und Spider: st'ufer Gemeinde mit aufopferndem Heldenmute geteilt batte. Jsabella erblaßte, als sie den Namen des Priesters las. Ueber sie war die Erinnerung an vergangene Tage mächtig hereingebrochen und überflutete, ivie ein Strrrm, der plötzlich sein künstlich gemauertes Bett durchbrochen hat, ihr Herz. Als Jsabella an diesem Abend in ihr stilles Zimmer kam. kniete sie noch lange vor den: Bilde des Gekreuzigten, das über ihren: Schreibtisch bing. Es war ein heißes Dank gebet, das ans ihren: Herzen ausstieg. nicht die leiseste Bit terkeit mischte sich in die Erinnerung an ihn, den sie einst ge liebt und — verloren. 9knr Freude und Begeisterung er füllte sie bei den: Gedanken an sein großes, schönes Wirken, denn sie batte ihr Herz über alles irdische Wünschen und Verlangen emporgehoben. * » Ettva 15 Jabre später starb in: Kloster der barfüßigen Karmelitessen in S. eine Nonne im Rufe hoher Frömmig- keil. Die Schwester Maria Magdalena von: heiligen Kreuz j war die demütigste dieser demütigen Mägde Christi gewesen.