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Feierabend. K>tnhilt>,ßs-Kki1i-r der „Sachs. Volkszeitung". M 31. Sonntag, den 21. Mai. 1««». Kohrs Ziet. Schluß. Original-Erzählung von W. Dora. (Nachdruck verboten.) Am Morgen nach jenem verhängnisvollen Abend, wo Prinz Egon Heinibach so hoffnungsreich verlassen hatte, er schien Jsabella nicht beim Frühstück', sie sandte den Reit- tnecht mit einem Briefe an den Prinzen Egon. Der Graf nahm jedoch den Brief zu sich und ging zu seiner Tochter auf das Zimmer. „Jsabella," sagte der Graf und seine Stimme klang so streng, wie seine Tochter sie noch nie von ihm gehört hatte, „ich möchte wissen, loas in diesem Briefe steht." — „Lies," sagte sie nnr, denn sie fand keine Worte für ihr Geständnis. Der Graf erbrach das Kuvert und las. Schmerz, Zorn und Enttäuschung malten sich in seinen Zügen und als er zu Ende gelesen, schleuderte er das Blatt entrüstet zu Boden. „Verräterin!" rief er, „so hast du doch wieder ein schnö des Spiel getrieben mit diesem edlen Herzen." „O Papa, vergib mir," flehte Jsabella, aber er wandte sich kalt von ihr ab. Sie sank vor ihm nieder, hielt seine Hände fest und rief: „Höre mich, Papa, dn mußt mich anhören! ich bin nicht so schuldig, als du denkst — ich wollte dich und ihn nicht täu schen. Gestern noch hatte ich den festen Vorsatz, Prinz Egon mein Jawortt zu geben — ich wußte, daß ich ihn nicht liebe, aber ich wollte ihm ein treues Weib sein — heute kann ich es nicht mehr mehr, ohne Verrat zu üben an ihm und mir — ich kann ihm nicht Treue schwören mit . . .", sie hielt einen Augenblick inne; eine l>eiße Blutwelle schoß in ihr bleick>cs Antlitz und sie senkte den Kopf tief nieder; dann sagte sie leise: „mit einer anderen Liebe im.Herzen." Da lag sic am Boden, sie, die einst ihr schönes Haupt so hoch getragen und bekannte, daß dies stolze Herz be- siegt sei! Der Graf sah ihren Schmerz und ihre Tränen und fühlte sich erweicht von ihrem Flehen. Er konnte sie nicht weinen sehen und konnte ihr nicht lange zürnen — ihr, sei nem einzigen Kinde! „Und dieser andere, Jsabella? wer ist es?" fragte er, indem er sie vom Boden aufhob, „ist er deiner Liebe nicht würdig?" „Doch Papa, er ist tausendmal besser als ich, aber ich kann ihm niemals angehörcn." „Aber, mein Kind, wenn er deiner nicht unwert ist und du ihn liebst, warum kannst du ihm nicht angehören? Ich wäre zu vielem zu tun bereit, um dein Glück zu er kaufen." Er zog sie an seine Brust und küßte die Tränen von ihren Angen. Jsabella schlang die Arme um seinen Hals, preßte den Kopf an seine Brust und flüsterte: „Frage mich nicht, Papa, nnr jetzt nicht; mache mich nickt noch elender, als ich cs schon bin." — Am anderen Morgen verließ Prinz Egon Schloß Warteg, nachdem das Billettchen, das er von Jsabcllas Hand empfangen, alle die schönen Blüten seines Höffens zerstört lratte, wie ein Reis in der Frühlingsnacht Blätter und Blü ten zerstört. Auch in Heiinbach v>ar es plötzlich still geworden, als ob der Hcrbststurm die Sommergäste dort verjagt hätte. Erich und seine Mutter waren abgereist und Frau von Lastcn-s kehrte mit Beginn der Schulen mit den Knaben nach der Residenz zurück. Cäcilie war auf Jsabcllas Bitten in Heimbach geblie ben. Eines Abends saßen die beiden Mädchen beisammen. Jsabella war traurig. Sie lehnte sich in ihren Stuhl zurück und drückte die Hände über die Augen. Ta legte Cäcilie ihre Arbeit bei- feite, stützte die Arme in der Freundin Schoß, schaute voll Zärtlichkeit zu ihr auf und sagte: „Ich dachte cs wohl, daß es so kommen würde, daß deine große Seele keine Genüge finden könnte im Glück die ser Welt, dein Herz keine Ruhe am Herzen eines Menschen. Ja," fuhr sie nach einer Weile fort, „ich wüßte nur einen Bräutigam, der nur gut genug wäre für meine stolze Jsa bella. nur ein Brautgcwand, das wert wäre, dich zu schmücken." Jsabella ließ die Hände von den Augen sinken und schonte lächelnd und erglühend Cäcilie an. „Und tver ist dieser Auserwählte? Welch kostbaren Stoffes ist dieses Brautgcwand?" Gespannt, als solle sie einen Orakelspruch vernehmen, Variete sie auf Cäciliens Antwort. Ihre ganze Seele war von dem Gedanken an Rrinhold erfüllt und sie hoffte, den geliebten Namen von Cäciliens Lippen zu hören. Diese schwieg eine Weile, dann sagte sie, indem sie Jsabella fest in die Augen blickte: „Der Bräutigam: dein .Heiland; das Brautgewand: das arme Ordenskleid einer barmherzigen Schwester." Der Ausdruck himmlischer Begeisterung leuchtete aus Cäciliens Antlitz, während sie sprach und Jsabella schaute gedankenvoll in ihr strahlendes Gesicht. „Seit ick dich und Schönbcrg kenne, steigt eine Ahnung in mir auf, daß es etwas unendlich Großes sein muß um diese Gottesliebe, von der ihr sprecht und ein namenloses Heimweh beschleicht mich bisweilen nach jenen überirdischen Höhen, wo eure Seelen heimisch sind." „Das ist der Ruf der Gnade, Jsabella, der an dein Herz ergebt, verschließe dich ihr nicht. Jsabella schüttelte den Kopf. „Mein Herz sehut sich nach Glück — nach irdischem Glück und vermag cs nicht, sich loszureißen von der Erde, an die es mit all seinen Wurzeln und Fasern gekettet ist." „Mich dünkt," sagte Cäcilie, „Gott selbst hat angefan- gen, die Wurzeln deines Herzens, die im Glück der Welt so fest verwachsen waren, ein wenig zu lösen, um es emporzu- ziehen," und sie nahm Jsabcllas Hände in die ihren, faltete sie wie zum Gebet ineinander und sagte leise: „Kursnm Wenige Tage später kam Reinhold vom Sterbebett der Mutter zurück, das Herz voll Friede. Er kam nach Heinibach, um Abschied zu nehmen. Seine Geschäfte dort waren so weit gediehen, daß eine andere Hand sie vollenden konnte. Er lnar mit dem Nachtzng gefahren und tvanderte nun durch das Torf dem Schosse zu. Als er an die Kirche kam, läutete es eben zur Frühmesse und er trat in dieselbe ein Nur lvenige Menschew tvaren in dem kleinen Gottes- Haus, aber in der ersten Bank vor dem Altar kniete eine