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Sächsische Volkszeitung : 17.02.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-02-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192202179
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19220217
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19220217
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-02
- Tag 1922-02-17
-
Monat
1922-02
-
Jahr
1922
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 17.02.1922
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Das ober schlesische Serajelvo DnS Ergebnis der tlntcrsuchungsarbeit Dr. Peters. — Gleiwitz alS „Srrajcivo". — Wir General Lerond den Petersdorfer Ueber- fall ausnutzt. — Maslenverliaftungen von Deutschen. — Lerondö weitere Pläne. sVon unserem oberschlesischen Mitarbeiter.) Gleiwitz, 16. Februar. Es ist keine deutsche Feder, die dos Wort vom oberschlesi- schru Scrajcwo geprägt hat. Der Ausdruck tauchte zuerst vor einige» Tagen auf in der Warschauer Presse uird wurde so>- dann von der polnischen Presse Oberschlesiens mit Behagen übernommen. In groszen, übcvd ie ganze Zeitungsbreite gehen den Letter» spricht zum Beispiel die ..Grenzzeitung" Korfantys von dem obclschle'iphcu Serajei-io. das nach d'esem Organ einen neuen blutige» Weltkrieg einlciten soll. Wo das oberschlesischs Serajewo liegt? Die Polen verstehen darunter den Gleiwitzer Vorort Pelcrsdorf, in dem in den frühen Morgenstunden des 1. Februar die Franzose» in — wohlgeincrkt: noch unaufgeklär ter Weise — überfallen wurden. Die politische Ausnutzung die ses bedauerliche» Vorfalles und die Art, wie diese Ausnutzung durch die polnische Presse diesseits u>ü> jenseits der Grenze er folgt, spricht deutlicher als die llntersuchungsarbeit des deutschen NeichSkomiu'ssars Dr. Peters dafür, wo die eigentlichen Draht zieher und Veranstalter dieses Putsches im Kleinen sitzen. Staalösekcetnr Dr. Pelcrs hat nur wenige Tage notwendig ge habt, um festzusteklen, bah keine Zusammenhänge zwischen der Tat von Petersdorf und reichsdeutschu Organisationen fcstzustcl» len sind und daß deshalb auch keinerlei reichSdeutsche Organi sationen verantwortlich gemacht werden können. Die Neichs- regieruug kann schon deshalb nicht für diese Vorgänge haftbar sein, weil sie keinerlei politische Gewalt in Obcrschlesien hat, diese vielmehr ganz der Interalliierten Kommission untersteht. Was aber schert sich General Lerond und mit ihm sein Handlanger, Divisionskommandeur de Brautes uni amtliche deutsciw Feststellungen! Für die französischen Militärs waren die Täter von vornherein Deutsche und werden es bleiben, was immer auch amtlich festgestellt werden mag. Für die Pläne der Franzosen ist auch eine jede Klarheit über diese Vorgänge un erwünscht! Darum verweigern sie allen Deutschen die Auskunft über die Geheimnisse von Petersdorf, darum verweigern sie auch Italiener» und Engländern die Auskunft, weil sic davon aus gehen, daß diese mit der von den Franzosen betriebenen Politik nicht einverstanden sein würde». Englische Beamte, Offiziere und Journalisten müssen erst bei den Deutschen regelrecht hausieren gehen, um sich Auskünfte über die Petersdorfer Vor" gänge zu sammeln, weil sie von den Franzosen nichts erfahren, die sich ihrerseits damit begnügen, in der polnischen Presse dunkle Andeutungen zur Veröffentlichung zu bringen, uni da mit Konfliklsstosf gegen Deutschland zu sammeln. Gleichzeitig aber erläßt die Interalliierte Kommission scharfe Androhungen wegen der etwaigen Verbreitung „unrichtiger" Nachrichten über Petersdorf, wobei man das Wort „unrichtige" getrost mit „wahr" übersetzen darf. Mag General Lerond noch so viele Berichte auf Grund von irrigen und gefälschten Tatsachen für Paris zu sammenstellen, ewig wahr bleibt doch, waS der Gleiwitzer Stadt- verordnekenvorstcher bei einer Besprechung der Vorgänge vor einigen Tagen in der Gleiwitzer Stadtverordnetenversammlung sagte: Was wir hier in Obcrschlesien erleben, ist latenter Bür gerkrieg. Daß wir Teutsche den Bürgerkrieg nicht begonnen und ihn auch nicht geschürt haben, ist erwiesen." Die polnische Grenzzeitung, die sich immer mehr als amt licher Anzeiger der Franzosen Oberschlesiens fühlt, muß eine ihrer Hetzmeldungen selbst schließe» mit den Worten: „Nach den letzten Berichten Lcrouds ist es nicht gelungen, die Anstifter scst- zustcllen." lind trotzdem kein Maß und Ziel kennende Hetze in der polnischen Presse! Es sind die Produkte einer wahnwitzige» Phantasie, die sich in den letzten Tagen in der polnischen Presse Korfantps breitmachten: 65 000 Deutsche, die die polnische Presse nach Kreisen verteilt, sollen zum Losschlagen in Obcrschlesien bcreitsteben, der St. Annaberg soll von bayerischen Abteilungen besetzt sein, die „auskömmlich mit Kanonen und Munition ver sorgt sird". Dabei kann Oberschlesien frei durchfahren werden, niemand wird Truppe» entdecken, der Annaberg, ein Wallfahrts ort, um den es beim letzten Polenaufsland so schwere blutige Kämpfe gab, ist gleichfalls frei passierbar und niemand wird dort Bauern und noch weniger Kanonen finden! Der lleberfaü der Gleiwitzer Franzosen sollte nach den polnischen SchreckcnS- meldungen das Signal sein zur „Ermordung der gesamten fran zösischen Besatzung und zur Verschleppung der Polensührer nach Deutschland." Die' Höbe aller phantasievallen Dichtungen erreicht die polnische Presse schließlich mit dem Satze: „Gleiwitz sollte in dem Revanchekriege eine ähnliche Nolle spielen wie Serajewo im Weltkriege." Während so die polnische Presse die Welt mit Lügennach- richten in Erstaunen setzt, läßt General Lerond systematisch gegen die deutsche Bevölkerung von Gleiwitz weiter arbeiten. Der verschärfte Belagernngszustand dauert immer noch an, allein mit der kleinen Aeicderung, daß jetzt wenigstens schon — Bier verabfolgt werde» darf. Die Haussuchungen werden in steigen, dem Maße fcrtgesetzt, ohne daß die Franzosen zu den Beweis stücke» kommen, die sie notwendig haben, um der Welt glaub haft zu machen, daß Oberschlesien der Herd für den — Ncvanche- krieg ist und daß es deshalb — ganz von Deutschland getrennt werden müsse! Teutsche Bürger von Gleiwitz, sofern ihr Name Klang hat, sind geradezu vogelfrei. Schon bisher sind weit über 80 Verhaftungen vorgenommcn worden! Man kennt die Art dieser Verl-aftungen, die Schreiber dieser Zeilen hat vor Jahres frist gleichfalls daS Vergnügen gehabt. Man weiß, daß sie vor genommen werden, ohne daß ein stichhaltiger Grund vorliegt. Die Verhaftungen sind nichts weiter als ein Mittel für d-e Durchführung der Politik LcrondS und nicht etwa bestimmt, die Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten. Beweise für die Be. rcchtigung der Verhaftungen müßten genau so erst beigebracht werden, wie die Beweise dafür, daß der Uebcrfall in Ptztersdorf von Deutschen ausgesührt wurde. Zu den Verhafteten gehört u. a. der auch bei den Oberschlesiern im ganzen Reiche weithin bekannt gewordene verdiente Führer Rektor Urbanek, einer der Leiter der Heimattreuen Bewegung in Gleiwitz, weiter gehören dazu deutsche Direktoren, Bergräte, Ingenieure, die, obwohl kein amtlicher Bericht veröffentlicht wurde, doch bezeichnenderweise in der polnischen Presse namhaft gemacht werden können! Und der Grund für dieses ganze furchtbare Treiben? Der Wille Leronds, auch das re st ti che Oberschlesien vom Reiche abzutrennen! Englische Offiziere sprechen es schon jetzt offen aus, daß nicht damit zu rechnen ist, daß die En- tcntebesahung vor Ende dieses Jahres das deutsche Oberschlesien verlassen wird! Vis dahin hofft, «wie britische Offiziere gleich falls äußern, Lerond. so viel „Material" beigebracht zu haben, daß seine Negierung die Einbehaltung Obcrschlesiens als Pfand oder gar die weitere Zuteilung des Landes an Polen rechtferti gen kann. Dieser Kurs der Franzosen und Polen wird schließ lich auch gar nicht einmal mehr verheimlicht. Die „Grenzzeitg." sagte nach Petersdorf dreist und offen, daß ein Schutz gegen Uebcrfälle und eine Gewähr für geordnete Zustände nur dann geschaffen werden könne, wenn auch das restlich« Oberschlesien — polnisch würde. Dre Warschauer Polen aber benutzten den Petersdorfer Vorfall zu einer Denkschrift für den Völkerbund, in der sie darlegen, daß der Ueberfall der Beweis sei dafür, wie sehr die polnische Bevölkerung bei der Volksabstimmung vom 20. März unter einem schwer«^ deutschen Terror stand und daß deshalb das Ergebnis der Abstimmung doch noch ganz anders bewertet werden müsse. Wenn die denische Negierung nicht vor einem „Zn spät" stehen will, wird sie mit tun. den: französisch polnischen Treiben die schärfste Aufmerksamkeit zu widmen I Das „katho ische" Frankreich Der „Elsäsiische Kurier", das Organ der elsässischen re» pnblikani>ch-»ationalen Volkspartei» veröffentlicht unter dem 81. Januar Erklärungen des französischen Prälaten Gourand, Bischof von Vaiines. die beweisen, daß der offizielle Antiklerika- lismus in Frankreich noch nicht ausgestorbcn ist. Der Bischof beklagt sich über die Veräußerung religiöser Immobilien und über die Unduldsamkeit der Departements-Schulbehörden. Den katholischen Lehrerinnen verbiete man zum Beispiel den Unter- richt kleiner Knaben, während dies Lehrerinnen, die sich von der Kirche abgcwandt haben, gestattet sei. Man verweigere überall den Katholiken Ansnahmcvergünsiignngcn, die man anderswo gewähre und tue alles, um den Glauben des christlichen Volkes zu erschüttern. — Bekanntlich gehen die Franzosen in den be setzten Nheinlanden, im Saargebiet und in der Pfalz, mit ihrem „Katholizismus" bei der treulatholiscken Bevölkerung krebsen. Die vielen Versuche, das treukatholischc Rheinland in einen Gegensatz zu dem „lutherischen" Preußen zu bringen, sind ja sattsam bekannt und die Agenten des französischen Imperialis mus der Herren um Smeets und Dorten gehen mit dem Ar tikel des „katholischen" Frankreich gleichfalls eifrig hausieren. Da ist nun die Stimme dieses französischen Bischofs und dessen ganz autoritative Feststellung, wie stark Frankreich noch von antiklerikalen Strömungen beherrscht wird, nur zu begrüßen. Wer sich bisher noch von der Unaufrichtigkeit der katholisch ge. färbten französischen Kulturpropaganda hat täuschen lasten, dem werden nun die Augen darüber anfgehen, daß man in Frankreich mit zweierlei Maß zu messen bestrebt ist: kirchenfeindlich zu hause, gut katholisch im Kreise der zu umgarnenden rheinischen Bevölkerung. Wie das wahre Gesicht Frankreichs aber ans schauen wird, wenn es ihm tatsächlich einmal gelänge, das Rhein land in seine Tasche zu stecken, ist unschwer zu erraten. Nr. 40, Seite 2 Deutsches oder französisches Recht? M Die „großen rheinischen Vaterlandsfreunde" SmeetS, Dor ten und Konsorten können sich bekanntlich nicht genug tun. die Ueberlegenheit der französischen Rechtsprechung über die deutsche ja recht warm zu betonen und für die in ihren Träumen lebcnoe «Rheinische Republik" die Wiedereinführung des Code Napoleon zu fordern. In diesem Zusammenhang dürfte es für diese ge treuen Diener Frankreichs und Verächter deutscher Sitte und NcchtSauffastung nicht uninteressant sein, zu hören, was kürzlich ein Franzose, und zwar ausgerechnet Herr Maurice BarrLs, über die Güte und Trefflichkeit des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches in einer Unterhaltung mit elsässischen Bürgermeistern in Paris gesagt hat. Nach der Straßburger „Nepnblienne" erklärte näm lich Herr Barrös wörtlich, daß das deutsche Zivilrecht, dem die Elsässer seit 19lO unterworfen sind, in sehr vielen Gebieten dem französischen weit überlea«n sei und daß der französische Code Eivil gerade während des Feldzuges sich infolge seiner Welt fremdheit. seiner ungeheuer kostspieligen Rechtsprechung und ans verschiedenen anderen Gründen als völlig ungenügend erwiesen habe. P. E. Erzbergers Mörder Eine unglaubliche Indiskretion kann es nur gewesen sein, die der „Vossifchen Zeitung" in ihrem Morgenblatt vom 14. Fe- brnar die Möglichkeit bot, mitznteilen, daß die beiden Mörder Erzbcrgers, Schulz und Tillcsen, sich in Budapest aufbalten. Ob die Nachricht stimmt, können wir nicht benrteilcn. Aber acrade dann, wenn sie nach der Ansicht der Redaktion der „Vossifchen Zeitung" zutrifft, gab es nur ein Gebot: die Mitteilung der Information an die zuständigen Stellen. Sicherlich hätte man dann gebeten, von einer Veröffentlichung absehen zu wollen. Nachdem der Karren nunmehr verfallen ist, nützen solche Rat schläge nicht mehr. Sie sind lediglich ein Hinweis für die Helfers helfer der Mörder. — Hierzu hören wir weiter: In den ersten Semptembcrtagen weilte ein Berliner Politiker in Prag, dem man dort bestimmte Angaben machte über den regelmäßigen Aufenthalt zweier Ver dächtiger. die nach der Personalbeschreibung nur die Mörder Crzbergers sein konnten. Die genauen Feststellungen an Ort und Stelle sind dadurch unmöglich geworden, weil ans der deut schen Gesandtschaft in Prag die dem Steckbrief beigegebenen Bilder der Mörder noch nicht eingetroffen waren. Deutsches Reich Trauerfeier für die Opfer des Eisenbahnerstreiks Berlin, 16. Februar. In der Technischen Hochschule in Eharlottcnburg fand am Mittwoch mittag eine Trauerfeier kür die währen- des Eisenbahnerstreiks verunglückten Nothelser statt. Meinungsstreit z«ifck,er» Preutzen und dem Reiche Berlin, 16. Februar. Da der Beamtcnausschuß des Preußi schen Landtages sein« Vorschläge gegenüber dem Einspruch des Reichsfinanzministeriums gegen die preußische Besold» ngsord- nung anfrechterhalten hat, geht der Einspruch an das Schieds gericht in Leipzig. Beisetzung Hautzrnanns Stuttgart. 15. Februar. Unter großer Beteiligung weiter Kreise fanb gestern nachmittag die feierliche Versetzung Conrad Haußmanns statt, der u. a. auch Staatspräsident Hiebcr und andere Minister beiwohnten. Friedrich Payer widmete seinen Freunde den ersten Nachruf. Vizepräsident des Reichstages Ge heimrat Rießer sprach für den Reichstag. Für den Landtag sprach! Abg. Flügel und für die deutsch-demokratische Reichstagssraktion Reichsminister a. D. Gothein. Der badische Staatspräsident! Hummel überbrachte die letzten Grüße der badischen Parteiorgani sation. Verurteilung e*nes bayrrischen Landtagsabge» ordneten durch das französische Militärgericht Speyer. Nachdem erst vor einiger Zeit der bayerische Land- tagsabg. Dr. Hammcrschmidt und sein Parteifreund Philipp Helsferich wegen angeblicher Bedrohung der französischen Le- satznngslrrippen in einer Versammlung der Demokraten ver urteilt worden sind, wurde am 10. Februar der LaudtagSabge. ordnete und Direktor Dnrger-Lndwigkhascn zu 2000 M. Geld strafe vom Polizeigericht in Speyer verurteilt, weil er in einer! Versammlung der Dentsch«» Volkspartei die französische Be- sahungSmacht beleidigt haben soll. Dem Vernehmen nach hat die angebliche „Beleidigung" darin bestanden, daß Abgeordneter Burger das bekannte Wort Clemcnceaus zitierte, wonach 20 Mil lionen Deutsche zuviel auf der Wett seien. Sächsische VolkSzeituug — Nr. 40 — 17. Februar 1922 Das Rosenhaus Originalroman von Felix Nabor (50. Fortsetzung.) Sie drängte Jmma sauft von sich und erhob sich. „Ich bin müde," sagte sie, „und will schlafen gehen." „Wie, du willst uns schon verlassen?" fragte Jmma. „Dann bin ich wieder allein —" „Du hast deinen Vater," sagte Hella. „Er braucht dich jetzt mehr als je, den» die Enttäuschung, die er an dem fatsche» Freunde erlebt hat, wird sich ihm sckgver aufs Gemüt legen . . . und der Schmerz um die Tote erwacht jetzt erst mit voller Macht. Sei du ihm eine Trösterin! Gib ihm so viel Liebe, als du nur kannst. Deine Liebe wird die beste Arznei für ihn sein." Jmma nxrr sehr naclchentlich geworden, in ihre Wangen stieg eine feine Nöte und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie betrachtete ihren Vater und ein heißes Mitleid erfüllte ihre Seele. „Du bist wahrhaftig ein Engel, Hella," sagte sie. „Immer denkst du nur an andere, nie an dich selbst. Ach, wenn ich doch auch so opferfreudig und selbstlos sein könnte... Ich will eS versuchen . . Sie ging mit zögernden Schritten zu ihrem Vater, sank kor ihm nieder und umschlang ihn mit ihren Armen. „Vater, lieber Vater," rief sie, während Tränen über ihre blühenden Wangen liefen, „ich will dich mich immer lieb haben, sogar die sen großen Doktor, der mich immer verspottet und wie ein Kind behandelt, waS ich doch nicht mehr bin . . . Wenn ich dich so recht lieb habe, bist du dann zufrieden?" Thiebold fuhr ihr mit der zitternden Hand zärtlich über ihr krauses .Haar und sagte mit tiefer Bewegung: „Kind, diese Stunde ist die schönste incincs Lebens. Denn unsere Herzen sind aus dem Banne des Halles erlöst und scbla.i«n sich in Liebe entgegen. Mein Liebling, heute bin ich glücklich — trotz aller Schmerzen und alles Leides, das mir dieser Tag gebracht hat — und diese? Glück danken wir dem Schutzgcist unseres Hauses, unserem liebe» Roscnfränlcin." Hella wollte sich den Dankesbezeigungen entziehen, aber eben als sie zur Tür ging, wurde die Hauöglocke so heftig ge zogen. daß alle erschrocken zusammenfnhren. Gleich darauf meldete Insseph den Amtsrichter Dr. Aß- mnssen. der die Herrschaften zu sprechen wünschte. Thyssen ging dem Freunde entgegen, stellte ihn vor und fragte ihn: -WaS ist geschehen? Ist Büchting festgenoinmen?" Mit ernster Miene erwiderte der Amtsrichter: „Büchting hat sich dem Gesetz entzogen »nd steht vor einem höheren Richter. Al» man ihn festnehmen wollte, fand man seine Wohnung ver schlossen. Die Türe mußte mit Gewalt erbrochen werden; da fanden wir Büchting ak» Leiche. Der Unselige hatte sich durch einen Schuß in den Mund getötet.' Ensctzlichl" rief Thyssen. «Befindet sich die Leiche noch in dem Verwaltungsgebäude?" „Ja — und ich möchte dich bitten, mitzukommen —" „Ich bin bereit," erwiderte Thyssen. Die beiden Herren verabschiedeten sich und gingen. Jmma eilte Thyssen nach und rief schluchzend: „Doktor, so bleibe» Sie doch! Ich fürchte mich ja zu Tode!" Aber Thyssen hörte den Ruf nicht mehr; er hatte das Zim mer bereits verlassen. Jmma sah sich hilflos um, klammerte sich erst ängstlich an ihren Vater und flüchtete daun, als sie ihn ratlos sah, zu Hella. „Bleibe wenigstens du bei uns," bat sie. „sonst wissen wir uns ja nicht zu helfen." Hella tat ihr den Willen und sie setzten sich zu Tische. Aber sie rührten die Speisen kaum an, nur dem Weine sprachen sie zu und er erwies sich schließlich doch als Sorgenbrecher. Alle be mühten sich, die schrecklichen Ereignisse dieses Abends zu ver gessen und redeten von anderen Dingen. Aber es wollte keine rechte Stimmung anfkommen; auf allen lastete noch wie ein Alp der erschütternde Eindruck von Büchtings tragischem Ende. So oft Jmma auf den Sessel blickte, ans dem Büchting noch vor einer Stunde gesessen ljatte, zuckte sie angstvoll zusammen. „Ich muß immer an den bösen Geist Banguo in Macbeth denken." sagte sie erschauernd, «und fürchte, Büchting könnte plötzlich'wieder erscheinen.^ „Sei ohne Sorge," beruhigte sie Hella, .der böse Geist die. scS Hanse« ist vertrieben uns w:rd nie wiederlebre», wenn wir den Haß ans den Herzen reißen »nd dafür die Liebe wast-n lassen. Sie ist die Zauberin, welche all die finsteren Dämonen verscheucht »nd de» Weg frmrnacht für Wahrheit, Gerechtigkeit und Güte, sind diesen Idealen, meine Lieben, wollen wir fortan dienen, dann brauchen wir di:.Dämonen der Finsternis nicht za snrchcen." An dem Leuchten ihrer Augen, an dem 'eiten Händedruck, den sie tauschten, erkannte Hella, daß ße a»en a»S dem Herzen gesprochen hatte und daß eine völl'ge Umwandlung mit ihnen vorgegangen war. Das Gute hatte endlich doch gesiegt über das Böse, das Samenkorn der Liebe, das Hella anSgestrent hatte, batte kräftige Wurzeln geschlagen und verhieß eine frohe Zukunft. * Am anderen Tage fühlt« sich Thiebolt so krank und schwach, daß er im Bette bleiben mußte. Er stöhnte vor Schmerz, und da sich keine Besserung zeigte, ließ Hella Doktor Thyssen rufen. Er untersuchte die Wunde des Kranken, schüttelte besorgt den Kopf und sagte: „So geht das nicht weiter, Herr Thiebolt. Es besteht Gefahr, daß die Eiterung auf das Gehirn übergreift, was einen langsamen, furchtbaren, qualvollen Tod zur Folge haben würde. Nur eine rasche Operation kann Sie retten." Bei dein Wort« „Operation" zuckte Thiebolt zusammen, ak» fühle er schon das Messer an der Kehle. „Es ist gar nicht so schlimm, sagte Thpssen. „Die meisten Menschen stellen sich unter Operation etwas Furchtbares, eine Art Tortur vor und sträuben sich, bis cs zu spät ist. In Wirk lichkeit gibt es chirurgische Eingriffe in den menschlichen Orga nismus, die nicht schmerzlicher sind als das Ziehen eines kranken Zahnes. Das trifft auch in Ihrem Falle zu. Ein kurzer Schmerz — und cd ist geschehen. Sie genesen, werden Ihre Qualen los sein und sich wieder Ihres Daseins freuen können." Auch Hella schloß sich den Vorstellungen Thyssens an. „Witz meinen eS doch gut mit dir. Onkel," sagte sie. „Wir möchten haben, daß du wieder gesund und froh wirst. Was nützt dir all dein Reichtum, wenn du einen kranken Leib durchs Leben schlep pen mußt und keine frohe Stunde hast! Höre auf mich, Onkel! Als ich Büchting besiegt halte, nanntest du mich den guten Geist des HaitseSl Laß mich auch jetzt dein Cchutzgeist sein, der über dein Leben wacht. Folge meinem Rate, es wird dein Glück sein!* Nach langem Zureden gab Thiebolt endlich seine Einwilli gung zu der Operation, und Thyssen traf sofort die nötigen Vor», bereitungen. Nur ein Bedenken hatte er noch. „Wenn ich trotzdem ster ben sollte," sagte er, „dann will ich frei von Schuld in die Ewig keit hinübcrgehen. Ich will alles Unrecht guimachcn und die alte Schuld bezablen. Hast du schon nach Berlin an deinen Ncchtsbeistand geschrieben?" „Ja, aber der Brief ist noch nicht abgeschickt. Es wird auch nicht nötig sein —" „Nein Hella, wie wollen die Angelegenheit in Güte ordnen. D» sollst dein Recht erhalten. Ich vermache dir den dritten Teil meines Vermögens — bist dn mit dieser Lösung einverstanden?" „Ach, Onkel, ich sagte dir schon einmal, daß es sich nicht um die Höhe der Summe handelt, sondern daß du mir Liebe und eine Heimat gibst." „Ja, ja," sagte er, zog sic an sich und küßte sie. „Eine Hei mat! DaS Rosenbaus soll deine Heimat sein! Es bat Raum genug für uns alle. Komm, gib mir Papier und Schreibzeug.» Ick muß das mit eigener Hand niederschreiben, daß eS gesetzlich Gültigkeit bat. Und wenn ich gesund werde, gilt diese meine WillcnSbestimmiing erst recht, imnn sollst du erst recht an meiner Seite bleiben. Denn ich brauche dich ko notwendig wie ein alter Baum den Sonnenschein. Du bist für mich die Sonne! Du trägst Licht und Wärme in mein einsames, verbittertes Leben, käst mich von Not und Schuld erlöst und mir neuen Mut znm Leben einneflößtl Und icki will leben, will schaffen und wirken. Hand in Hand mit dir will ick an die Arbeit geben und in Liebe ansbanen, was der Haß nledcrgerissen und zerstört hat. Du sollst mein Kompagnon sein, denn ich wüßte kein klügeres, stär« kereS, vernünftigeres und zugleich gütigeres und gerechtere» Menschenkind als dich! Im Dorfe und in der Fabrik soll ein neuer Geist einziebsn. Wgbrbelt »nd Gerechtigkeit sollen Herr, scheu, und anck denen soll die Sonne scheinen, die bisher i« Schatten lebten!" > > ; (Fortsetzung sokM
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