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Eine gute Weile stand ich und starrte tiefsinnig auf dies köstliche Museum. Bis mich das Winseln des Hunde- und des reizenden kleinen Tommy klägliches Geheul auS dem Schauen riß. Ich nahm den Sünder bei den Ohren. „Wer hat den Hund so zugerichtet?" „I j ihch!" „So! — Weswegen hast du das getan?" „Jiihch wählte ihn schähren." " Die Ohren mußten sehr dauerhaft gearbeitet sein, daß sie nicht rissen. Tommy brüllte, als ob er am Spieß steckte. „Ich will dir die Scher-Gelüste vertreiben, Bengel I - Und nun sage mir mal, mein Bürschchen, wie die Dachen da in den-Schrank kommen?" „Jiihch weiß — hup — es — hup — niiihcht." „Dann werde ich mir einen Stock holen, um dem Wissen aufzubessern." Verstärktes Gebrüll. „Wer hat den Hut gestohlen?" „Jiihch — hup — hab iiihn — hup — besoorkt." „Besorgt hast du ihn I — Und wer hat di« Bücher — besorgt?" „Jiihch." „Und meinen Stock?" „Jiihch." Und meinen Paletot?" „Jiihch." „Und die anderen Sachen?" „Jiihch." „Höre mal, du bist ja der unglaublichste Marder, der mir je vorgekommeu ist. Jetzt bekommst du erst eine Tracht Prügel, und dann geht's nach Oban ins Ge fängnis." Mir drohte das Trommelfell zu platzen bei dem Jndianergehcul, das er nun anstimmte. Ich schüttelte ihn kräftig. „Wirst du mal ruhig sein! — Ich will dir mal waS sagen, Bengel. Wenn du die sämtlichen Sachen da sofort zurückträgst und du und dein Vater dann tut, was ich dir sagen werde, soll es für diesmal noch ohne Strafe ab gehen — verstanden?" Jawohl — er hatte verstanden. „Also, jetzt paß einmal genau auf. Zunächst trägst du die Sachen da auf die Veranda beim Schloß. Dann siehst du nach, ob du irgendwo eine Leiter findest. Weißt du, ob es hier eine große Leiter gibt?" „Jawohl — drühpen penn Stahl steht sie." „Ist das die einzige?" „Jawohl." „Diese Leiter also trägst du in den Stall, schließest den dann ab und bringst mir den Schlüssel." „Jawohl." „Dann gehst du heute abend noch nach Oban, sagst deinem Vater, daß er Pferd und Wagen in der Stadt lassen und morgen zu Fuß hierherkommen soll." „Jawohl." „Du selbst bleibst in Oban, bis dein Vater dich holt. Hast dn Verwandte dort, bei denen du wohnen kannst?* „Jawohl." „Na schön. Dann gehst du zu Annie und sagst ihr, sie solle die nächsten zwei Tage in Oban bleiben." „Jawohl." „Dein Vater soll sich still in der Hütte Verhalten und soll erst kommen, falls ich ihn rufe." „Jawohl.* „Vorwärts also! Ich gehe jetzt auf die Veranda und warte, daß du die Sachen bringst." Ich streichelte dem armen Köter noch einmal den Kops und ging dann rasch hinaus. Die Entdeckung, die ich da so unverhofft gemacht hatte, kam mir eigentlich sehr zu statten, denn sie sicherte mir zwei gewiß willfährige Bundesgenossen. Ich mußte ja jemanden in der Nähe haben, der mich mit der Außenwelt verband und von dem keine Gefahr drohte, daß er Lärm schlug. Auf der anderen Seite war es gut, wenn Annie nicht so bald zurückkam. denn auch ihr gegenüber wäre ich in einer schwierigen Lage gewesen. Und endlich durfte der Wagen nicht dasein, mit dessen Hilfe Wilhelm rasch hätte nach Oban gelangen können. Nun waren die Vorbereitungen getroffen — und eS kam nur noch darauf an, wer in dem eigentsichm Kampfe der Stärkere sein würde. Wenn ich wachsam und vor sichtig war, konnte eS mir wohl geistigen, der Prinzessin den Ausgang und Wilhelm den Eintritt in das Haus zu wehren. Wirklich brachte Tommy die gestohlenen Sachen ge schleppt, die ich vorläufig in mein Zimmer trug. Noch einmal schärfte ich ihm ein, was er zu tun halte, ließ mir von ihm den Stallschlüssel geben und hieß ihn dann gehen. Als ich ein letztes Mal um das Haus gegangen war, wuchs ich in meinen Augen zum Giganten. Ich hatte meine gute Laune wieder. War ich doch der Prinzessin und Wilhelms Herr! Mein Selbstvertrauen war zurück gekehrt und damit auch meine Selbstachtung. Mein Bestes zu tritt — zu kämpfen, bis ich gefallen tvar, das war mein Vorsatz. Wenn Wilhelm sich den Eintritt erzwang und, meiner Herr werdend, meinen leblosen Körper zur Seite schleuderte — gut! Dann war der Tag fein und ich als estl Held gestorben. Die Prinzessin mochte ihn heiraten, wann und tvo es ihr gefiel. Ein Bild schwebte mir vor den Augen — ich sah mich mit blutenden Wunden auf dem Boden liegen und Isas schönes Antlitz sich weinend über mich neigen. Sie wurde einsehen, was sie mit mir verloren hatte — nun, da es zu spät war! Vielleicht war ich auch noch nicht so ganz tot — vielleicht schlug ich noch einmal mit einem tiefen, tiefen Seufzer die Augen auf Herr im Himmel, wie schön konnte man doch am Tage und mit wachen Sinnen träumen! Endgültig verschloß ich nun die Tür zur Veranda und schob die Riegel vor, um mich sodann in das Frühstücks zimmer zu begeben. Ich hatte mich jetzt ganz in meinen Plan, in meine Idee eingelebt und war so innig mit ihr verwachsen, daß ich mich auch stark und sicher zur Aus führung meine- Vorhaben- fühlte. Ruhig und gefaßt sah ich den Ereignissen entgegen, bis — nun, bi- ich JsaS leichten Schritt auf der Treppe vernahm, und ach! da wurde aus dem Helden wieder der unsichere, zweifelsvolle jung« Mensch. Sie kam herein. Die Dunkelheit hatte sich über Dalavich gesenkt und erfüllte den Raum mit ihren schwarzen Schatten, so daß ich nur undeutlich die Züge von ocr Prinzessin Antlitz erkennen konnte. „Warum hat Anuie die Lampe nicht angezündet?" fragte sie. „Annie ist nicht zurückgekommen — das heißt, sie wird auch nicht zurückkommen," erwiderte ich und zog mich weiter ins Dunkle zurück. Sie schien überrascht. „Wie meinen Sie das?" „Ich gab ihr die Erlaubnis, nach Oban zu fahren, um James Mac Cuddie spreä>en zu hören. Sie wollte bei ihren Verwandten übernachten. Ich wußte ja nicht, daß Sie zurückkommen würden." „Nein — aber Iß ist doch hier?" „Lassen Sie mich die Lampe anzünden,' sagte ich hastig. Mit unsicheren Händen nahm ich die Glocke ab und entzündete ein Streichholz. Sie kam langsam an den Tstch und war mir behilflich; ich nahm wahr, daß s.e sich um gekleidet hatte und ein Helles Kostüm trug. „Sie dachten nicht daran, daß für Iß ein Wääcker nötig war? Ich meine, daß — nun, es mußte doch über haupt jemand hier im Hause sein." „Allerdings — ich habe nicht daran gedacht," er» widerte ich. Sie setzte sich an deu Tisch und nahm eine Näh- arbeit auf. „Ich werde gleich gehen müssen und deu Mädchen sagen, daß sie das Abendessen zubereiten." „Bitte — lassen Sie mich das tun," entgegnete ich hastig. Sie schüttelte den Kopf.