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Nein — was mir noch blieb, war nur die Gewalt! Wilhelm sollte die Prinzessin nicht heirmen ehe er mich nicht ohnmächtig gemacht hatte, es zu verhindern. Wollie er sie besitzen — nun, so mochte er um diesen Besitz kämpfen, wie ich zu kämpfen gesonnen war, um ihn ihm streiiig zu machen. Und ich meinte diesen Kamps im wörtlichsten Sinne. Auf was ich jetzt noch vertraute, das Warrn nur meine kräftigen Arme und kräftigen Fäuste; an Muskel stärke wenigstens glaubte ich ihm ein ebenbürtiger Gegner zu sein. » Allmählich entwickelte sich aus dem Chaos meiner Ge danken eine klare Idee. Und nachdem ich einmal einen Plan gefaßt, hielt ich mit der mir eigenen Zähigkeit daran fest. Mein Vorhaben war sehr einfach und sehr einleuchtend, so ungeheuerlich es auch sein mochte: die Prinzessin sollte das Schlößchen ncht verlassen und Wilhelm es nicht betreten, ehe nicht der Graf mir zu Hilfe gekommen war, oder bis ich körperlich borg äs combab war. Keine geistigen Anstrengungen mehr! Durch rücksichts lose Gewalt wollte ich den Kampf zum Siege führen, der auf geistigem Schlachtfeldc ein so unrühmliches Ende für mich genommen hatte. Die Prinzessin sollte in diesen vier Mauern bleiben, bis ich durch Instruktionen des Grase» meiner Verantwortlichkeit übcrhoben war. Ganz klar empfand ich, welche Folgen dies tolle Beginnen für mich haben konnte; aber ich war gesonnen, um der Prinzessin willen diese Folgen zu tragen. Die zwei Mägde, die im Hause schliefen, mochten zu ihrer Bedienung immerhin mit eingeschlossen werden — durch eine entsprechende Belohnung würde ich sie gewiß mit der Gefangenschaft aussöhnen könne« Schloß Talavich mußte in eine Festung ver- wandelt werden. Ich überlegte, wie lange das wohl not. wendig sein würde, und das Ergebnis meiner Berechnungen war ziemlich niederdrückend. Selbst wenn der Graf sich sofort nach dem Empfang der Depesche auf die Bahn gesetzt hatte, konnte er doch frühestens am Mittag des übernächsten Tage» hier eintreffeu. Und diese Annahme stützte sich schon auf die allergünstigsten Bedingungen! Es konnte wesentlich länger dauern, wenn mir der Zufall in irgend einer Be ziehung einen Streich spielen wollte. Der Graf mar mög licherweise nicht imstande, sofort abzureisen oder jemanden zu senden — mein Telegramm konnte verspätet eintreffen — die Abfahrtszeiten der Züge konnten ungünstig liegen — was konnte nicht alles geschehen! Aber ich hielt nichts destoweniger an meiner Absicht fest. Es war ja die letzte Rettung, die sich dem Ertrinkenden bot, und er mußte nach ihr greifen, wie sie auch immer beschaffen sein mochte. Mit den nötigen Vorräten für einen Belagerungszustand war das Schlößchen ja gewiß versehen; und eine kleine Strafe hatte die Prinzessin durch ihr Handeln gewiß verdient. Und nun fragte ich mich, was Wilhelm tun würde, um seine Braut zu befreien. Das Nächstliegende war natürlich, daß er in das Haus einzubrechen versuchte; das mußte ich verhindern und würde ich wohl auch verhindern können. Tann aber bot sich ihm noch ein anderes Mittel: die Hilfe der Polizei aus Oban in Anspruch zu nehmen. Ich konnte natürlich nicht daran denken, das Haus auch gegen Polizisten zu verteidigen, aber ich glaubte nicht, daß er zn diesem Aeußersten greifen würde. Selbst wenn er sich aber dazu entschloß, konnte Hilfe für ihn erst gegen Abend aus Oban eintresfen, zu einer Zeit, die eine Trauung ausschloß. Und es wäre ein Wunder gewesen, hätten sie am folgenden Vormittag gleich einen Geistlichen gefunden, der sie trauen konnte. Noch ehe sie verheiratet waren, würde der Graf hoffentlich zur Stelle sein, und ich konnte mein Amt an ihn zurückgeben. Ich raffte mich auf und ging hinaus, um das Gebäude einer genauen Prüfung zu unterziehen. Da war zunächst die Veranda, die ein Einsteigen am leichtesten ermöglichte. Ich prüfte die Tür, die von hier ins Haus führte, und sand, baß sie nicht nur durch ein vorzügliches Schlag, sondern auch durch starke Riegel befestigt war. Das genügte voll ständig. Auch die zweite Tür, die ins Haus führte, war wohl verwahrt. Die Fenster der Zimmer im Parterre waren allerdings nur so hoch, daß man sie ersteigen konnte, wenn man sich nur auf die Lehne eines Stuhles stellte: aber sie waren durch eiserne Jalousien geschützt, die ich nur herabzulaffen brauchte, nm Wilhelm ein Eindringen unmöglich zu machen. Dann freilich machte ich die un angenehme Entdeckung, daß das große Fenster des Früh- stückszünmels dieses Schutzes entbehrte. Hier bot sich Wilhelm die einzige Möglichkeit, in das Innere des Hauses z^ gelangen, und auf diesen einen Punkt hatte ich meine Abwehr zu richten. Ich ging zunächst zurück, um sämtliche Rouleaus herab- zulassen und Lie beioen Türen auf das Sorfältigste zu Ver sperren. Isa mochte frei im Hause herumgehcn -- heran» konnte sie nicht mehr gelangen. Mochte Wichelin doch ver suchen, mit Gewalt durch jenes Fenster einzusteigen — ich würde gewiß nickt untätig zusehen. Bei meinen Bemühungen, das Haus so gegen einen Ein dringling zu schützen, kam mir zustatten, daß man eS, da es wohl häufig unbewohnt stand, so gut verwahrt hatte. Jedenfalls waren auch die Zimmer im ersten Stock durch eiserne Rollj äousien gesichert, und obwohl es für Wilhelm kaum eine Möglichkeit gab, dort hinaufzugelangen, be schloß ich doch, sie später herabzulassen. Ich entriegelte die Verandalür noch einmal und machte einen letzten Rundgang. Nein — bis zum ersten Stock konnte Wilhelm nicht ohne eine große Leiter ge langen, die er ans Dalavich wohl schwerlich finden würde. Ich tat aber nohl gut daran, mir über diesen Punkt Ge wißheit zn verschaffen, und ging deshalb zu Mac Crees Hütte hinüber. „Tommy!" Keine Antwort. „Tommys Da — ivas ist das? Wie daS Stöhnen eines schmerz gepeinigten Wesens klang es aus der Hütte. Ich lauschte — wahrhaftig — jetzt wiederholten sich die kläglichen Laute. Mit zwei raschen Sprüngen war ick an der Tür und riß sie auf — und — grnudgütiger Himmel! Was war das für ein Wesen, das sich da zu mir herausschleppte, winselnd, stöhnend, heulend? — War daS der Hund des Prinzen Karl? — Ja doch — aber wie sah der unglückliche Köter aus! Die zottigen Haare des Fells waren abgeschnitten, in der bloßgelegten Haut Schrammen und Risse, aus denen das Blut lief, an einigen Stellen wie Oasen in der Wüste noch große Haar- lnnchel s ehen gelassen, ein Teil des Schwanzes fehlend, ein Drittel des rechten Ohres abgeschnitten — so kauerte das nicht mehr bündische Weieu sich vor mir nieder und versuchte, mit dem verunglimpften Schwanz zn Wedeln. Ich sah mich suchend um — aber es war niemand sonst in der Stube, kein einzigen Raum, den die Hütte enthielt, und der zugleich Küche, Schlafzimmer, Speise zimmer, Wohnzimmer und — und einiges andere war. Und doch — kamen denn diese dumpfen, halb erstickten Laute von dem Hunde? Ich beugte mich zu ihm nieder — nein doch, sie kamen aus der Ecke da hinten, in der ein ziemlich großer Schrank stand. Ich öffnete den selben — und sah mich Herrn Tommy Mac Cree gegen über, der sich bei meiner 'Annäherung darin versteckt haben mochte. So sehr mich diese Entdeckung jedoch frappierte, wurde mein Interesse an der Person des kleinen Missetäters doch durch ein ungeheure-, fassungsloses Staunen in den Hinter grund gedrängt. Denn was enthielt dieser Schrank nicht a.lcs! Da bewunderte ich zunächst einen entzückenden Damenhut, den dm Prinzessin im Walde verloren hatte. Soda n einen Spazmruock, einen Sommer-Paletot, zwei Regenschirme, einen seidenen Jupon, einen Hausen Wäsche, Smürzeu, einen ganzen geräuchert'» Schinken, mehrere Würst ', eiu schönes Tintenfaß, verschiedene Bücher, die zweifelsohne ans meinem Besch stommleu, eine Fahr rad-Laterne, eine Wanduhr, ein Hirschgeweih, eine kleme Bronze-Statuetle, einen Majolika-Krug, mehrere Zigarren kisten, ein silbernes Zigaretten-Kästchen, eine Lampe, ein gerahmtes Bild, einen zugebundenen Sack, der wer weiß was enthalten mochte, ein Korsett, zwei Jagdgewehre, einen photographischen Apparat, ein Stativ, einen kupfernen Teekessel, zwei bronzene Leuchter und einen Spiegel.