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Entweder rot oder kein Brot! Die Bestrebungen der sozialdemokratischen Gewerk schaften, beiin Abschlüsse von Tarifverträgen sich das Ar beitsmonopol zu sichern, um dadurch alle Berufsange- börigen — eventuell durch Höherhängung des Brotkorbes in ihre Organisationen hinein zu zwingen, nehmen einen immer grötzeren Umfang an. Ueber solche Monopol bestrebungen des sozialdemokratischen Holzarbeiterver- bandes lesen wir in einer Zuschrift eines Fabrikanten an die „Deutsche Arbeitgeberzeitung" (Nr. 6): „Der Holzarbeiterverband strebt offenkundig in den Fabriken, in denen seine Mitglieder überwiegen, den Aus schluß anderer Organisationen an. Er begnügt sich nicht damit, neue Mitglieder durch Ueberredung oder durch seine Leistungen zu gewinnen. Er will die Einstellung von Ar beitern, die nicht seinem Verbände angehören, verhindern. Beweis ist der mit den Berliner Jalousiefabrikanten abge schlossene Tarifvertrag vom 22. August v. I. Der „Vor wärts" nennt diesen Ausschluß anderer oder nicht organi sierter Arbeiter in seiner Nr. 297 vom 20. Dezember v. I. „die Anerkennung des Verbands-Arbeitsnachweises" und findet, daß das gar nichts Neues sei. Diese Anerkennung sei von einer ganzen Reihe Arbeitgeberorganisationen er folgt. Er beruft sich in einem späteren Artikel (Nr. 18 vom 21. Januar d. I.) auf den Tarifvertrag vom Jahre 1905. worin eine Berücksichtigung des Arbeitsnachweises der Or ganisationen von mir zugesichert war. Den großen Unter schied zwischen einer Zusage, die Arbeitsnachweise zweier Organisationen (des Holzarbeiterverbandes und der Ge werkvereine Hirsch-Dnncker) z» berücksichtigen und der Ver pflichtung. ausschließlich den Arbeitsnachweis des Holz arbeiterverbandes zu benutze», erkennt der „Vorwärts" nicht an. Er schreibt, daß die Mitglieder des GewerkvereinS Hirsch-Duncker inzwischen „in den Betrieben ausgestorben seien". Er sagt aber nicht, ob dieses Aussterben freiwillig erfolgt ist. und aus welchem Grunde der Holzarbeiterver- band verhindern will,, daß die Gewerkvereinler und andere Organisationen auch in Zukunft in den Betrieben eingestellt werden. Mögen aus diesem Vorgänge die Nichtorganisierten Ar- leiter die Lehre ziehen, sich den christlichen Gewerkschafts organisationen anzuschließcn. Sonst laufen sie Gefahr, den Satz: „Entweder rot oder kein Brot" vielleicht schon bald am eigenen Leibe erfahren zu müssen! Vermischtes. vVomBu ch. Welch ein sonderbares Ding ist es um ein Buch! Es möchte einem angst und bange werden, wenn man eines liegen sicht und nicht weiß, wes Geistes Kind es sei: ob die Düfte, die aus ihm wehen, Düfte des Lebens zum Leben oder Düfte des Todes zum Tode seien. Bezau berte Geister schlafen darin, starr wie tot; aber sobald ein Mensch die Blätter aufrollt, wird der Zauber gelöst, und es wimmelt von Leben. — Nicht so dreist zugefahren, junger Ritter! Wider Zauber schützt dich nicht Rolands Schwert: schützte doch den Herkules seine Keule nicht wider schwarzc Kunst. Und was nahest du der Gefahr, zarte Jungfrau, der noch holde Scham auf der Wange glüht? Laßt einen Mann den Zauber prüfen, dessen Stirne zwischen Runzeln der Erfahrung wieder heiter ward: dem Ehrenhaar des Alters die Narben der Jugend mit der Silberlocke deckt, dem Pallas Athene, daß er Wahres vom Falschen unter scheiden könne, den Nebel vor dem Haupte zerteilte, dessen innerer Blick desto tiefer eindringt, je weniger ihn äußerer Dinge Farbentand blendet. Er wird sagen, ob ein holder, weiser Genius befreundete Geister hier aufbewahre, oder ob irgendein schadenfrohes Zwerglein mit Nixen seines Ge lichters seinen Unfug treibt. Laßt ihn prüfen! Wo es nicht geheuer im Walde ist, da hilft dem Jüngling nicht Rolands Schwert, und dem Herkules würde seine Keule nicht helfen! Und die Jungfrau möchte wähnen, nach bunten Sing vögeln, welche freundlich und zahm sich ihr naheten, zu Haschen, wenn auf einmal Fledermäuse ihr um die Lockeu schwirrte» und den Schleier der Zucht zerrissen, und die Rosen der holden Schamröte auf der Wange bleichten. Darum seid behutsam, Jüngling und Jungfrau, und traut — den Kobolden nicht. sFr. Leopold Graf zu Stollberg (1803).s v Lebhafte Aufmerksamkeit hat in Cbristiania die mutige Tat eines 13jährigen Knaben aus Drammen er regt, der. als er vor wenigen Tagen in der Nähe von ^ Drammen in den Gebirgswaldungcn auf die Auerhahnjagd j ging, sich plötzlich einer Bärin mit zwei Jungen auf nur wenige Schritte Entfernung gegenüber sah. Kurz entschlossen legte der Knabe seine Büchse an und streckte die alte Bärin mit einem wohigeziclten Schuß nieder. Die beiden Jungen > fing er ein und nahm sie lebend mit nach Hanse. Die ^ tote Bärin wurde am nächsten Tage mit einem Wagen aus den Bergen heimgeholt. v Die originellste Fa s ch i n g s z e i t u n g des heurigen Jahres hat wohl der Redakteur der „Ammergauer Zeitung" herausgegeben. Nummer 23 dieses Blattes ent hält auf zweiter und dritter Seite grobgedruckt den Titel: „Faschingsnunimer" und sonst nichts als die leeren beiden Seiten und unten die Fußnote: „Um den ständig wieder kehrenden Beleidigungsprozessen, die uns die Ausgabe der Faschingsnummer alljährlich einbrachte, vorzubeugen, haben wir Heuer den Text herausgelassen und sind uns so sicher, niemand beleidigt zu haben. Die Redaktion." Literatur. Neue Kommunion-Bilder. Auch dieses Jahr hat der Kunstverlag Benziger wieder neue Kommunion-An denken erscheinen lassen, die nach Darstellung und Farben gabe echt künstlerisches Schaffen verraten. Nr. 11026: Herz Jesu mit Kelch und Hostie. Wandbild in Ehromolithographiel Bildgröße 27,6 X 18 Zentimeter. Papierformat 11 X 28 Zentimeter. Das Stück 28 Pf. Ein Kommunion- und Herz-Jesubild zugleich. Die reiche, sym bolische Randornamentik gereicht dem Bilde zur kllstlerischen Zierde. — Nr. 11026: Das heilige Abendmahl von F. L. Commans. Wandbild in Chromolithographie. Querformat. Bildgröße 20 X 28 Zentimeter. Papierformat 30 X 11 Zentimeter. Das Stück 28 Pf. Diese Abendmahls- Darstellung, in vornehmein Tondruck, zählt wohl zu den schönsten und wirkungsvollsten Kommunion-Andenken. Die Gestalt des Heilandes wie die Darstellungen der Apostel sind echte Kunstwerke. Ein solches Kommunionbild wird jeder Gläubige zeitlebens lieben und ehren. — Nr. 1876: Schwebende Hostie mit Christkind von Engeln umgeben. Gebetbuchbildchen in Chromo lithographie. 2 Darstellungen. Format 116 X 62 Milli meter. Das Dutzend 80 Pf. Zwei farbenprächtige Klein- bilder, die das Auge bleibend erfreuen und eine Fülle schöner Ideen zum Ausdruck bringen. — Nr. 1274: Christus und Engel mit Kelch und Hostie. Gebetbuchbildchen in Chromolithographie. Vier Dar- stellungen. Format 112 X 62 Millimeter. Das Dutzend 80 Pf. Mit Goldrand 100 Stück 3.60 Mark. Ueber- aus anniutige, feine, auf das allerheiligste Sakrament be zügliche Bildchen, von welchen besonders die zwei Dar stellungen des JesuSknaben durch originellen Liebreiz an- ziehen. Sprachecke des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins. Eine heilsame Lehre. In der Zeitschrift des All- gemeinen Deutschen Sprachvereins lesen wir: Ein preußischer Amtsrichter, nach einem anderen Orte versetzt, gibt seine Besuchskarten ab. und darauf steht unter Namen und Amtsbezeichnung, wobei auch der Leutnant der Landwehr nicht fehlt, die Abkürzung p. p. a. Er erhielt darauf folgende Antwort, die vielleicht auch andern Sündern dieser Art gelegentlich zu Herzen gehen wird: Ich las Deine Karte mit tiefem Weh: Ein deutscher Richter und — p. p. v.? Ei» deutscher Richter, ein deutscher Soldat? O daß Dich gereue die Greueltat,j O daß Du Dich endlich möchtest bequemen. Von solcher Unsitte „Abschied zu nehmen". Die der Muttersprache, der trauten, vergißt! — „Gedenke, daß Du ein Deutscher bist!"j Soziales Bureau und Verein kathol. erwerbstätiger Fraur« und Mädchen, Dresden Sekretariat» Autonstraße 7, pt. — Telephon 84S«. Auskunft zu jeder Zeit über alle einschlägigen Krag«, Sisteulesrr ArbeitSuach«riS. Kath. Arbeiterinnen-Sekretariat Chemnitz, Zietenstraße 36, II. Unentgeltl. Rat und Auskunft (auch schriftlich) in allen Verbands- suchen und Angelegenheiten des Erwerbslebens. AM- Kostenlos« Stellenvermittelung. 'MW Sprechstunden jeden Wochentag von nachm. L bis abends 8 Uhr» — 12 — aber tauchten hinter dem Gebüsch zwei Männer auf und warfen sich auf den Angreifer. Ter Kampf war kurz, ging in aller Stille vor sich und einige Augenblicke später war der Elende zu Boden gestreckt und fest geknebelt. Einer der beiden Befreier der Javancserin näherte eine Blendlaterne und ließ einen Ausruf der Zufriedenheit vernehmen: in der Nähe befand sich ein Gartenhäuschen, wohin er den Gefangenen transportierte und den Schlüssel zweimal im Schlosse umdrehte. „Ich war mir gewiß darüber," sagte er dann zu seinem Gefährten, „es ist ein Agent des van der Bosch und Sir Williams, er darf seine Freiheit nicht rlangen, ehe wir uns eingeschifft haben. Avremont, biete dieser Dame den Arm." Die arme Javancserin war wie zerschlagen, so sehr hatten sie die Hinter gehung und der jähe Angriff erschüttert: sie vermochte sich kaum aufrecht zu erhalten und auf den Arm Gastons gestützt, erreichte sie mühsam ihr Gemach. Als sie wieder fähig war, zu sprechen, reichte sie demjenigen die Hand, der bei diesem kurzen Vorgang die Hauptrolle gespielt hatte und der kein anderer war als der Indier, mit welchem wir in der Fultonstraße bekannt ge worden sind. „Souradjah," sprach sie, „erkläre mir, wie du in die Lage gekommen bist, mich aus den Händen dieses Banditen zu befreien." „Das ist sehr einfach: ich habe durch meinen Freund hier erfahren, was sich in der Oper zugetragen hat, ich zweifelte nicht daran, daß dein Mann deine Unvorsichtigkeit, welche ihm das Geheimnis deines Aufenthaltes entschleierte, ausbeuten würde, um den Versuch zu machen, dir die Papiere zu entreißen, die du in Händen hast und die ihn kompromittieren. Ich habe Erkundigungen einziehen lassen und die Gewißheit erlangt, daß etwas angezettelt wurde. „Mit Hilfe der treuen Menadja, die uns hier eingeführt hat, konnten wir uns an einem dunklen Ort des Gartens auf die Lauer legen und uns für jedes Ereignis bereit halten." „Habe Dank, Souradjah, ich kenne deine Opferwilligkeit zu sehr, um hiervon überrascht zu sein. Dank auch Ihnen, Herr Avremont, der Sie, ohne mich zu kennen, der armen Verbannten zu Hilfe gekommen sind. Mein Schick sal wollte es, daß die Gefühle der Dankbarkeit, von denen mein Herz fiir daS Andenken des Vaters durchdrungen ist, sich auch auf den Sohn übertragen tollten." „Es ist also wahr, Madame, daß Sie meinen Vater gekannt haben." „Er fragt mich, ob ich den General Avremont gekannt habe! Hast du ihm denn nicht gesagt. Souradjah. daß sein Name sich mit den schönsten Er innerungen der Zeit verknüpft, welche meinem Unglück vorherging? Wenn ich Sie heute anschaue, so glaube ich Ihren Vater noch zu sehe», so, wie er mir erschienen ist, als er an den Hof des meinigen kam, einem der Fürsten, die sich :n die Insel Java teilten. Einige Jahre laug war zurzeit des Kaisers Napoleon die Herrschaft der Engländer anstelle derjenigen der Holländer ge treten. Zwischen den Radjahs Indiens lind den unabhängigen Fürsten unseres Landes hatten sich damals Beziehungen entspannen: ein genrein- schaftliches Interesse verband sie gegen den Feind, der auf gleiche Weise ihre Freiheit gefährdete. Als in» Jahre 1815 Java wieder an die Holländer über- ging, dauerten diese Beziehungen fort und mehr als einmal sah ich vornehm' Freunde mit meinem Vater unter unsrer Veranda vertrauliche Gespräche führen Was war aus dem Mordgesellen geworden? An dieser Stelle des Flusses gab es Kohlenschiffe und Flöße, welche vom oberen Laufe desselben kamen. Vielleicht hatte er sich daran festgehalten, doch die Blicke der beiden am Ufer stehenden Männer suchten umsonst die Tiefe der Finsternis zu durch dringen, sie bemerkten nur bestimmte Schatten, die sich von der dunklen. Wasserfläche abhoben. „Er ist tot," sagte Goston. „Wer weiß," antwortete der Indier, „die Menschen von seiner Art haben ein zähes Leben." Sie erreichten die Straße wieder und schritten schweigsam der Austerlitz brücke zu. Der Indier war nachdenklich geworden. „Hat er den Lohn für sein Verbrechen erhalten," fragte er sich, „oder lebt er noch, um weitere Schandtaten zu begehen?" Sie waren beim Wagen angekommen. „Behüt dich Gott," sagte er zu Gaston, „oder vielmehr auf Wiedersehen, morgen vielleicht." Und er erreichte die Fultonstraße wieder, wühreird das Rollen der Räder in der Ferne erstarb. 3. Die Tochter des Malaien. In einem kleinen alleinstehenden Hause zu Passy lebte seit langen Jahren eine Frau, welche die Bewohner des Viertels mit dem Namen „Die Javaneserin" bezeichneten. Sie lebte sehr zurückgezogen und empfing nie mand. Man wußte nur, daß sie in ihrem Vaterlande eine glänzende Stellung eingenommen hatte und ungünstige Umstände sie gezwungen hatten, dasselbe zu verlassen. Sie wurde von einer Mulattin bedient, die ihr unbeschränkte Treue bezeugte. Sie zählte nicht viel mehr als vierzig Jahre, aber abgesehen von dem Umstande, daß in ihrem Lande die Frauen älter aussehen als sie sind, hatten ihr die Kümmernisse das? Gepräge einer frühzeitigen Abgelebtheit verliehen. In ihren großen schwarzen Augen lag ein Abgrund von hoffnungslosem Jammer und tiefer Schwermut: ihr Haar war gebleicht, ihre durchsichtige Haut ließ bläuliche Adern durchjcl-einen: ihr Körper und ihr Gesicht waren von erschreckender Magerkeit. Am Tage nach der Nacht, wo Gaston so glücklich dem Ueberfall seitens seines geheimnisvollen Feindes entgangen war, saß sie am Fenster und folgte zerstreuten und träumerischen Blickes den Gasflammen, die vom Winde hin und her bewegt wurden. Bon Zeit zu Zeit warf sie die Augen auf ein ver gilbtes Papier und dann spiegelte ihr Blick einen Gedanken wider. Die Lektüre dieser mit sonderbaren Schriftzeicheu geschriebenen Zeilen trieb ihr das Blut zum Kopf. Obgleich die warmen Tage des Jahres gekommen waren und sie in dichte Kleider gehüllt war, fror sie dennoch inmitten der tropischen Pflanzen, welche das Zimmer schmückten. Man hätte sie mit einer Blume des warmen Südens verglichen, die im rauheil Norden vollends verwelkte. »Um die Krone deS Grotzmogchls?