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Zweites Blatt Sächsische Volkszeitung vom 16. November 1U11 Nr. 261 Deutscher Reichstag. Sitzung vom 11. November, 1 Ul>r 20 Min. Ans der Tagesordnung steht zunächst die erste Lesung des K l e i u a k t i e » g e s e h e s. Staatssekretär v. K i d e r l e n - W ä ch t e r begründet de» Entwurf, der den Wünschen der deutschen Kauslente in Ostasicu entspreche. >'lbg. Tr. Beizer kZtr.) stellt sich den, Entwurf freundlich gegenüber: es sei nur geboten, dos; der Reichs kanzler die Genehmig,mg zur Zulassung solcher Aktien gebe, sonst werde inan mit solchen Papiere» überschwemmt. Die Budgetkonnniffion möge näher darüber beraten. Mg. Tr. N ,"> i j cl e (Kons.) ist Gegner des Gesetzes, da es dazu führen tonne, Kleinaklien auch bei uns zn- ziilaffen. Mg. Geck (Mz.Z will heute schon da Geietz in allen drei Lesungen ablelme». Hier komme die Negierung den Kolonialkapitalisten sehr weit entgegen. Wir wollen die kleinen Leut ' von der Spekulation fernhalten. Der Reichs tag sollte an seiner früheren Anschauung festhalten. Man will durch dieses Gesetz die Ehinesen cnisbenten. Kapitän B r ü n n i g h a n s: Der frühere StaalSsekre tär Ternburg habe sich nicht mehr gegen dieses Gesetz ans gesprochen, nachdem er in Ostasien selbst gewesen wer; er hoffe, das; der Reichstag den Entwurf annehmen werde. Mg. Dove tPp.): Die Befürchtungen und ZnknnstS- bildcr. die u m hier iu schwarzen Farben vorgenialt sind, treffen nicht zw ES ist keineswegs gesagt, das; auf diesen ersten Schrill weitere folge» müssen Die Befürchtung, ras; da. System der kleinen Aktien auch nach Südwestafrika oder andere deutsch.' Kolonien übergreifen wird, ist völlig hinfällig Aba. Tr. Arendt lRv.): Wir wünsche» nunmehr das: dwie Bvrlage Gesetz wird. Es mus; aber eine Form für die Einführung gesunden werden, die den praktischen Bei" hältnissen draußen Nichnung trägt. Tie in der Vorlage enthaltenen Eiuzelbestimmungen reichen nicht ans. Vizepräsident des ReichabantdirektoriumS v. l a s e r a p r Wir nachten daraus sehen, das; bei d'esen 200 Mark Aktien die Möglichkeit der Umrechnung in merikanische Tollara gegeben sei. must wäre das Gesetz überhaupt nicht durch;»führe i Ma. O rtel wütl.) spricht sich für das Gesetz aus und wünscht Kommission.'heratnng. Mg. Ra,,h kW. Veia.Z: Wir wollen die Tansend- Mart Aktien ausrecht erhalten, diesen Standpunkt hat auch Enge» Richter eingenommen. Die kleinen Aktien werden auch in Ehina unheilvoll wirken, die dortigen kleinen Leute, die nicht einmal den Dort der Papiere lesen können, werden sich mit besonderer Wut gegen uns tuenden, wenn ein deut sches Unternehmen dort fallit wird. Staatssekretär Dr. Lisco sucht die Befürchtung zu beseitige», das; durch diese Vorlage die. inländische Gesetz gebung durchbrochen Voerde» würde. Abg. Kämpf lVp.) und Dr. Görke kNtl.) sprechen sich für die Vorlage ans. Abg. Dr. Beizer kZtr.): Tie Vorlage sieht in d'esen, Jahre ganz anders aus als früher, deshalb ist auch die jetzige Stellungnahme der Fraktion eine andere. Ich halte die Verweisung au die Budgetkoininissiou für das richtige, da die Marokkoberatnugen doch bald zu Ende sein werden. Die Vorlage geht an die Budgetkomniission. Es folgt die Fortsetzung der Besprechung der Inter pellation betreffend Arbeitercntlassnng im Reichseiseubahu- betriebe. Abg. Böhle (Soz.): Wir hoffen, das; das Verspreche» der bürgerlichen Parteien, alsbald in eine Revision des Koalitionsrechtes einzutreten, kein Versprechen vor den Wahlen bleiben wird, sondern das; diese unhaltbaren Zu stände bald beseitgt werden. Redner polemisiert gegen die Abg. Behrens und Becker. Lassen Sie die Ausschüsse der Arbeiter mit den Arbeiter» verkehren, ohne sie Eiuschrän lungeu zu nuteiwerseu, daun werden Sie zufriedenstellende Verhältnisse bekomme». Minister v. B r e i t e n b a ch stellt einzelne Behaup tungen der Vorredner richtig. Der Verband der Eiseubahu- arbeiter in Elsaß-Lothringen habe nicht mit, sondern gegen die Verwaltung gearbeitet und seine Mitglieder haben sich gegen die Autorität des Staates ausgelehnt und den Gehör sam verweigert. Daraus ist zu erkläre», das; in einzelnen Fälle» scharf eingegrissen inerden m»s;te. Mg. Tr. S P a h n - Warbnrg lZtr.): Die Absicht der Sozialdemokratie, die Gcmeraldirektion der ReichSeisen- bahuen an den Pranger zu stellen, ist glänzend miszlnngen Alle bürgerliche» Parteien haben sich mit der Sozialdemo kratie nicht identifiziert, wenn sie auch Kritik an den zu harten Strafen geübt habe». Vielleicht liehe sich die Ent-' lassnng noch rückgängig machen. DaS Haus tagt bei Abgang der Post weiter. Aus Skasr unk Land. kKortsrys*^ au- d».r,i Hcwpiblatt.) —* Infolge der vorgerückten Jahreszeit wird am Abend des 2l. November auf der österrcichische.i Elb- slrccke der Personenverkehr eingestellt, dagegen, yä t die Sächsisch-Böhmische Daiupfschiffahrtsgeseklschcst den Betrieb bei eisfreier Elbe zwischen Schmilka iLandes'grenz, j Sch aidan - Pirna—Pillnitz DreSd n Meiß-a Riem — Mühlberg bis an» weiteres, wenn auch in beschränktem Masze, aufrecht. — Frachtsendungeu nach Oesterreich, die noch mit den Persoueudampfern befördeit werden sollen, müssen rechtzeitig an den deutschen Abgangsstationen anf- geüefert werden, und zwar kommen als letzte Lchiffsgctegen- heiteu in Betracht: für Güter nach Siationen ooerh,lb Aussig jenes Schiss, welches Dresden am 20. November früh 8 Uhr 10 Mtn. verläßt: nach den Station:» bis ein schließlich Aussig das Schiff, welches Dresden am 20. N m. 12 Uhr !i0 Min. nachm, verläßt: nach Stationen bis em- schtießlich Topkowitz das Schiff, welches Dresden am 2l. November früh 0 Uhr verläßt; und für Güler bis Herrnskretschen daS Schiff, welche« Dresden am 2l. N >v. früh 8 Uhr 10 Min. verläßt.— Die Fahrzeiten des neuen Planes sind aus den Tagebüchern der Zeitungen sowie aus den allerorten aushängenden Plänen zu ersehen. Die Schiffskajüteu sind gut geheizt. Ehcmnich 12. November. Einen vollen Erfolg bedeutete die öffentliche H a n d w e r k e r i n n e n v e r s a m in - ! ii » g am 8. November, welche ans Veranlassung des Vereins katlwlischer erwerbstätiger Frauen und Mädchen durch ein zu diesem Zwecke znsaniinengetretenes .Komitee vom bürger lichen Jraw.'iivereine und des sozialen Ausschusses nationaler Körperschaften abgehalte» wurde. Tie Gewerbe- knimner war vertreten durch den Syndikus Dr. Hößler und de» I. und 2. Vorsitzenden. Frl. Oberlehrerin Lepvrtier führte den Vorsitz so geschickt, das; inan sehr bald zu defini tiven Beschlüssen koinnien konnte. Das Referat von der Bezii tssetretärin des Verbandes katholischer erwerb-slätiger Frauen »nd Mädchen behandelte in kurzen Umrissen das neue Gesetz bezüglich die Novelle über den kleinen Be- iähsgnngsnachwess. Sie schilderte die Schäden, welche Sie schrankenlose Gewerbesreiheil dein Handwerk zngesngt hat, die Folgen der mangelhaften Lehrlingsausbildung in, Hand uerl'ersnnenstande und begrüßte das neue Gesetz das sie unterschiedslos auch ans die Frauen angewendet wissen möchte. Gleiche Pflichten, gleiche Rechte. Deshalb trat sie mich für dreisährige Lehrzeit ein. Nur für Herabsetzung de - Mindesmlters litt die Zulassung zur Meisterprüfung plädierte sie, mindestem- ans l2I stall auf 2l Fahre), weil für Frauen die Feit der Wanderschaft und des Militär dienstes in Wegfall kommt und weil Frauen iw allgemeinen für E r>iel>nin,sansgahen, die mit der Lehrlingsausbildung I verbunden sind, eber reif sind. Für Direktricen wäre es geradezu eine Bedrohung der Eristenz, wenn sie erst mit 01 Fahren den Meistertitel und damit die Befugnis zur s Lehi lingsaiileitiing erhalten können. Alle Tebatteredner und rednerinnen stellten sich aus denselben Standpunkt und mit großer Ma;orität stinmite die Versammlung für dreijährige L-'hrzeit bei Schneiderinnen, obwohl der Herr Mndikns sagte daß er den Wünschen der Handwerkerinnen entgegenl-mmie und eoentnell auch eine niedrigere Lehrzeit sestieße, da die sächsischen Gewerbekanmier» in diesem Punkte nicht einheitlich Vorgehen. Für Putzmacherinnen wurde eine zweißchrige Lehr;eit verlangt. Betreffs des AlterS ver sicherte der Herr Syndikus gleichfalls weitestes Entgegen kommen. da das Neichsgesetz, welches dieses Alter sestsetzt, in An mahmesäll-m durchbrochen werden könne. Der Vorstand der Gewerbekanmier Herr Heidrich stellte bereits Mittel in Amstchl zur Abhaltung von Gehilfinnen- und Meister- knrsen, die beschlossen morden sind und zu welchen über lOO Einzeichnnngen stattsanden. Einstimmig wurde eine Wieder holnng der Vm'scmiwlimg verlangt, nni »och weitere Kreise zu inlereisteren und noch wehr Einzelheiten zu erfahren. Mil Entrierimg dieser Persanimlimg hat der konfessionell katholische Verein erneut den Newels erbracht, das; er auch wil Andersgesinnten friedlich und einig zusammen arbeitet, wenn es gilt, im allgemeinen etwas zur Besserung des Loses der weiblichen Erwerbstätigen beitragen zu können, »nd ganz besonder ' dann, wenn es sich um Hebung der Hand- werkSzweige handelt, die speziell für Frauen auch eiiipsehleiiswert sind. Großerkmannsdorf, 1 1. November. Ein Kalb mit zwei Köpfen wurde bei cincin hiesigen Giitsbesstzcr geboren. Das Tier verendete bald nach der Geburt. Leipzig. 12 November. Die OrtSgrnpbe Leipzig de« Deutschen Monistenbnndes hielt heute abend im großen Zentraltbeatersaal eine Versammlung ab, die so zahlreich Dann wandte er sich an Banh. „Na, Alterchen, mit dir hätte ich auch ein Wörichen zu reden. Was ist denn das für eine Wirtschaft! . . . Wie ich oa durch dein Gut fahre, sehe ich einen Knecht hinterm Pflug. Nein, was der .Kerl für Furchen zieht psni Teufel! Der ganze Acker ist verhunzt. Wo ist denn der Verwalter?" „Weis; ich'S denn?" „So, das weißt du nicht? Nette Wirtschaft! Sollte mir passieren. Den Kerl hätte ich vierteilen lassen. Ich sage dir, Sonneck: wo der Herr fehlt, da pflügt her Teufel." „Wenn ich aber doch nicht fort kann," sagte Sonneck ärgerlich. DaS Ge spräch war ihm höchst peinlich. Aber Weißenhosen, der sich auf seine Ueber- legenheit in agrarischen Fragen etwas zugute tat, lies; sich nicht irre machen. „Dein Verwalter ist ein Tropf, das; er nicht nach dem Rechte» sieht," sagte er. „Er hat dir gekündigt, was?" „Woher weißt du . . .?" Weißeuhofen lachte. „Weiß alles, Alterchen! Hat gekündigt und sich einen Hof gekauft im Fränkischen, Ivo er auch herstannnt. Um 10 000 Mark. Was sagst du dazu?" „Was ist da zu sagen?" „Viel, mein Lieber! Hat den Hof bar bezahlt . . . Woher hat er das Geld?" — „Weis; ich nicht." „Dir gestohlen hat er's in den zwanzig Jahren „Aber, Weißeuhofen, das ist doch ein bißclze» stark. Wer kann es ihm beweisen?" ' '1 "w-1 „Niemand, natürlich! Sonst würden wir das Gericht auf ihn Hetzen und er müßte den Raub heransgeben Fa, mein Gott, wo soll er denn sonst das Geld her haben? Wie er auf dein Gut kam, war er ein armer Teufel, lind jetzt na, wer da nicht kapiert! . . . Aber so ist's aus all den Gütern, wo Leute sitzen, die nichts von der Landwirtschaft versieben: Rittmeister a. D., verkrachte Diplomaten und Stubenhocker. Da gehen alle zugrunde . . . Still, Sonneck, du magst sage», was du Nullst, eS ist einmal so: wer die Landwirt schaft nicht studiert und nicht von der Picke auf gedient hat, der geht flöten. Lieber Bantz, ich meine, du solltest einmal Ordnung inaclzen, einen deiner Söhne auf die landwirtschaftliche Hochschule schicken, den Verwalter zum Teufel jagen und selber regieren. Eher kommt ihr nicht hoch. Nun, was starrt ihr mich so an? ... Es ist mein voller Ernst! . . ." „Aber Weißeuhofen," rief Sonneck, „das ist doch unmöglich. Wie kann man einen jungen Menschen aus seiner Karriere reißen?" „Karriere?" rief Weißenhosen. „Du meinst beim Militär? Na. das ist sa großartig! Wie lange braucht denn Viktor, bis er es zum Hauptmann bringt? . . . Eine halbe Ewigkeit! . . . Und was hast du dann, was bist du dann? Na, ja — raffle also ruhig weiter mit dem Säbel, trage deine Epau- letteu und das Baudolier — als Greis von 00 Jahren bringst du es dann, sc Gott und der General es will, zum Oberst, wenn du nicht inzwischen a» der berühmten Majorsecke gescheitert oder zur „großen Armee" eingernckt bist. Das heißt man dann — „Karriere"! Na — Gott segne dich, mein Sohn!" » Ter Major saß mit znsaiiimengebissenen Zähnen da; er hörte gar nicht, was seine F-rau lamentierte. Seine Gedanken kehrten in die Vergangenheit zurück und er dachte daran, wie es gewesen war, als seine erste Gemahlin, deren verjüngtes Ebenbild Hilde war. noch lebte, und wie es jetzt war. Da mals nichts als Sonne und Freude — jetzt nichts als Wolken und Tränen .... Viktor war zehn Fahre alt gewesen, als Mama starb, und fünf Fahre lang trug Bau!; die Witwerschatt. Seine Kinder waren aber doch noch zu jung, und er wußte ihnen eine neue Mutter geben. Da trat Elga in sein Leben und bezauberte ihn mit ihrer Schönheit. Außer dieier Schönheit und ihrem leichten Sinn befaß sie aber auch gar nichts. Doch Baut; von Sonneck fragte nichts danach, er iah sich geliebt und führte Elga als sein Weib heim. Aber bald zeigte es sich, daß sie nur dem Genus; nachjagte und überdies eine Verschwenderin war. Tie Rechnungen, die sie ihm vorlegte, häuften sich zu kleinen Bergen. Er bezahlte sie, verlangte aber eine genaue Einlniltung des Etats ... Ta lachte sie ihm ins Gesicht. Ob er denn glaube, sie wolle ihr Leben hinter Kerkermauern vertrauern? Rein, sie wolle leben, genießen lachen und fröhlich sein. Er war wie aus allen Himmeln gestürzt. Er nili, das; er seine!» Ruin entgegen ging. Vielelicht trug auch die sich bei chm steigernde Nervosität etwas dazu bei. daß er nicht w sicher war wie sonst und bei jenem Ritte stürzte und ver unglückte. — Nun der „schone Sonneck" ein Krüpvel war, verlor er in Elgas Augen ai Wert und ils er vollends »ach Scyloi; sonneck überüedelte. wollte sie ster ben vor Elend. Von dieser Zeit an war nne Klnst zwilchen den Gatten. und alles Glück schien von dem Hause gewichen. Sie waren zwei zu verschiedene Naturen, um sich ins die Tauer zu ver trugen. Er stark und fest in seinen Grundsätzen, ein wenig ernst, aber auch mit gesundem Humor: sie wankelniütig und schwach, oberflächlich und nur darauf bedacht, eine Rolle zu spielen und bewundert zu werden. Die klein lichen Dinge, ans denen sie ein st> großes Wesen machte, berührten ihn fast gar nicht: er hatte kein Verständnis dafür, begriff es nicht, wie man sich wegen einer zerbrochenen Base, die die Zofe vom Kamin gestoßen hatte, ärgern und einen Lärm schlagen konnte, als wäre ein Königreich in Trümmer gegangen. Dieses ewige Jammern um kleine und unbedeutende Dinge verbitterte ihm das Leben. Er wußte ja wohl, das; sich Elga, die sich nach dem glänzen den Leben der Residenz sehnte, in dem einsamen Schlosse nicht glücklich fühlte. Aber nachdem nun einmal die Berbältnisse so lagen, wäre es das klügste ge wesen, sich in sie zu fügen, und in friedlichem Zusammenleben ein neues Glück zu suchen. Elga hätte Sonne in lei» Leben hineintragen, ihn in seinem Un glücke aufrichteu und erheitern können. Statt dessen verbitterte sie ihm das Leben durch ihre endlosen Klagelieder. Seine Gattin verstand ihn nicht, ahnte nicht, um was er zu klagen hatte! Wusste nicht, wie es schmerzte, Kraft, Gesundheit, nud einen heißgeliebten Beruf zu verlieren. Trotzdem kam kein Wort der Klage über seine Lippen. All den Jammer verschloß er in seiner Brust, trug ihn allein, mit zusammen- ^Schloß Sonneck." kl