Volltext Seite (XML)
s - Er zögerte. »Wollen wir nicht lieber hinübergehen?* fragte er. »Wir können da besser miteinander plaudern.* Ich war fassungslos. Der Bengel hatte das GesickL der Prinzessin und die Stimme der Prinzessin, und war doch die Prinzessin nicht, sondern ihr Bruder. „Sie muffen mir sofort sagen, wo und wer die Prin zessin ist," befahl ich energisch „Aus der Stelle, wenn ich bitten darf; und keine Ausflüchte!" „Sie können lauge warten, bis ich Ihnen etwas sage," erklärte er trotzig. „Einer, der ein bißchen mehr Intelligenz hätte, hätte längst alles durchschauen müssen." „Hüten Sie sich, impertinent zu werden," sagte ich mit soviel Würde, wie ich nur immer in mir zusammen kratzen konrte. „AIS Sie eine Prinzessin waren, konnten Sie sich Dinge herausnehmen, die man einem jungen Manne nicht gestattet." „Wollen wir nun hinüber?" fragte er. „Nicht eher, als Sie mir nicht vollkommen gebeichtet haben." „Ich weigere mich, auch nur ein Wort zu sagen, ehe ich nicht angezogen bin." „In Mädchenkleider?" fragte ich zornig. Er wurde blutrot. „Ich schwöre, daß ich diese — diese verhaßten Röcke nie wieder anziehen will," erwiderte er heftig. „Aber, lieber Oswald, lassen Sie uns doch hinübergehen l Ich fange an zu frieren." „Wir gehen, sobald ich die Wahrheit kenn«." ,Hch sage nicht-.*' „Sie müssen." „Niemals." „Dann bleiben Sie hier, bis Sie Vernunft annehmen." . ,Hch denke nicht daran. Ich schwimme jetzt hinüber." „Mein lieber junger Freund — da drüben stehen Büsche die ganz wundervoll biegsame, geschmeidige Ruten haben." „Sie vergessen, daß ich ein Prinz und der Sohn eine- Fürste« bin," erwiderte er und sah mich stolz an. „Jawohl — ich werde da- absolut vergessen. Ich werde nur «och daran denken, daß St« keine Prinzessin »ehr sind.' Da kapitulierte er. „Rita ist die Prinzessin," sagte er mit gesenktem Kopf. „Oh.* Ich hatte eS ja schon seit fünf Minuten ge- wußt; nun aber die Gewißheit kam, traf es mich doch wie ein Schlag. Schweigend starrte ich vor mich hin. Ihm dauerte da- zu lang; ungeduldig fragte er: »Können wir denn nicht nun endlich wieder hinüber- schwimmen?" »Meinetwegen.* Wir schwammen in Gesellschaft zum User zurück. »Ich hoffe, Sie sind nicht sehr beleidigt?' fragte er, während wir uns zum Trocknen auf den Boden legten und unS die <^onne aus das paradiesische Gewand scheinen ließen. Ich lachte, nicht gerade sehr vergnügt. »Ihnen erscheint die ganze Sache sicher nur als ein guter Witz," sagte ich. Er sah mich ein bißchen ängstlich und doch trium phierend an. »Um diese Zeit ist Rita — ist Isa schon verheiratet," sagte er stolz. „Sie können nichts mehr tun, es zu verhindern. Warum soll ich das nicht als ein gutes Werk betrachten?" „In der Tat — warum nicht?" meinte ich grimmig. Sie trifft bei der ganzen Sache keine Schuld. Man konnte unmöglich verlangen, daß Sie es durchschauen sollten," sagte er sanft. „Sie meinen das?" fragte ich ironisch- Wohl nie zu vor war ein Prinz in solcher Gefahr, Bekanntschaft mit emer Tracht Prügel zu machen. „Ja, ich finde sogar, Sie haben sich sehr gut be nommen," sagte er väterlich. Ich fuhr zornig empor. Rcra Iwu, Druck und Verlag „Ich verbiete Ihnen jetzt, auch nur noch ein Wort zu sprechen — es sei denn, daß ich Sie etwas sroge," sagte ich wütend. „Ziehen Sie augenblicklich Ihre Röcke an! Und wenn es Ihnen eine kleine Freude machen kann, will ich Ihnen noch sagen, daß Wilhelm ter Betrug nur teilweise geglückt ist. Ich habe ihm das Geld noch nicht gezahlt, das er von mir erwartet, und ich werde mich hüten, es zu tun." Er sah sehr betrübt aus. „Ich fürchte, Wilhelm wird zornig sein," meinte er, ein bißchen bang. „Ja, ich denke wohl, daß er nicht sehr erfreut sein wird." „Sie werden ihm wenigstens ein bißchen Geld geben — nicht wahr? Seine Lage ist so schrecklich. Er hat gar nichts mehr." „Wenn ich ihn verdammt gesehen habe, mag er sich sünszigtausend Mark von mir holen,' stieß ich voller Wut hervor. »Ich finde Ihr Benehmen nicht hübsch,* sagte er heftig. Ick gab ihm keine Antwort. Da ich trocken geworden war, fuhr ich rasch in meine Kleider. Der Prinz lag ruhig da uud schien durchaus keine Lust zu habcii, von der Stelle zu gehen. Er zerpflückte ein paar unschuldige Blumen und meinte: „Ich hatte gar nicht die Absicht, zum Baden zu gehen. Aber das Wasser lockte so sehr, und ich war so furchtbar heiß geworden. Diese Perücke besonders ist un- erträ-lich warm " Schwupps — da schwamm sie im Wasser. „Wer hat Ihnen die Idee zu dieser Verkleidung in den Kopf gesetzt?" erkundigte ich mich. »Es war Wilhelms Gedanke. Er kam darauf" — schwnpps, da schwamm ein Rock — „als es sich um unsere Flucht aus Erkheim handelte. Isa* — schwnpps,. da schwamm ein zweiter — „war als alte Frau gekleidet, ich als junges Mädchen. Wie haben wir gelackt* — der dritte Nock folgte seinen Genossen — »als wir uns so im Spiegel eahcn. Aber es ging deshalb glänzend. Kcin Mensch ver mutete" — da schwamm das Mieder — „wer hinter der alten Mutter und ihrem Töchterchen steckte. Wir konnten unangefochten reisen" — ein Dameuhemdchen und Höschen reisten auch — „und kamen glücklich nach England. Da verwandelte ich mich wieder in einen jungen Mann. Dann erhielten wir Plötzlich von Wilhelm ein langes Tele gramm aus Stirling" — da schwammen die Strümpfe — „in dem er uns die Anweisung gab, Isa sollte sich als ehemalige Gouvernante der Prinzessin und ich als Prinzessin ausgeben. Am nächsten Morgen, in aller Frühe, kam er zu uns" — Gürtel und Handschuhe lagen im Wasser — „erzählte uns, daß der Graf nicht selbst ge kommen sei und nur einen jungen, ziemlich ein- -- ich meine, sehr netten jungen Mann gesandt habe.* Er schielte mich verstohlen von der Seite an. „Er sagte, daß Sie noch schliefen, uud daß Sie nichts von seinem Besuch wissen dürsten. Und dann entwickelte er uns den Plan, den Sie ja nun keimen.* »Jawohl, den Plan, mich in der hinterhältigsten Weise zu täuschen," sagte ich. Ich war inzwischen mit dein An kleiden fertig geworden. »Nun sagen Sie mir bloß, waS wir anfangen sollen? — Sie haben glücklich Ihre sämt lichen Kleider in den Fluß geworfen und müssen doch auf der Stelle mit mir ins Schloß.' Er zuckte die 'Achseln. „Wozu fragte er. „Sie wissen ja nun die Wahrheit.' »Jetzt hören Sie mich einmal au, mein lieber Junge. Sie haben Ihre Zeit hier in Schottland damit verbracht, mich zu betrügen und erblicken wahrscheinlich noch eine groge Heldentat darin. Daß Ihr Vater daheim schwer, sehr schwer krank liegt, hat Sie dabei anscheinend nicht be kümmert. Er hat fortwährend nach dem Sohn gefragt, und in seinem letzten Brief, den Wilhelm nicht hat unter schlagen können, teilt mir der Graf mit, daß die Erregung über Ihr Fernsein ihm geradezu das Leben kosten kann.* Kortfchmig folgt. von E. Kästner in Waldenburg.