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2. Beilage zu Nr. 97 Schönburger Tageblatt und Walbenourger Anzeiger S°nMg, den 26. AM 1931 Bunter Wochenspiegel. Klassiker wieder modern. —Autodiebe und Wochenende. — Zilmstarsorgen. — Die beschämte Reichsbahn. — Etwas Statistik. Es geschehen noch Zeichen und Wunder. In der Reichs hauptstadt hat man mit den Aufführungen von Lessings .Minna von Barnhelm" und „Emilia Nal 0 tti" Bombenerfolge und volle Theater gehabt. Da- ^.ei haben sich die Herren Direktoren, wenn sie modernen Tensationskitsch aufführten, immer damit entschuldigt, daß )az Publikum diese Stücke verlange. Nun, diese Klassiker- Aufführungen haben sie eines Besseren belehrt. Man hat allmählich diesen seichten Kram satt und sehnt sich nach echter ^unst. Die Herrn Theaterdirektoren wissen nun, wie sie die Pleite ihrer Unternehmungen abwehren können. Es müssen a nicht immer Klassiker sein, die gespielt werden, aber Dichter sollen zu Worte kommen, Dichter, die mit ihrem Herzblut Werke schreiben, aber nicht Bühnenschreiber, die lach dem Sensationskurszettel Geschäfte machen wollen. Theaterstücke, die wie 8 218 einer einseitigen Tendenz oder Tagessensation nachjagen, bleiben künstlerisch immer an der Oberfläche. Klassiker werden wieder modern. Sollte tat- ächlich unsere verflachte Kultur wieder genesen und sich ein leuer geistiger Aufstieg vorbereiten? Sollten diese ersten larten Blüten auf den Berliner Theaterzetteln die Vorboten kines neuen Theaterfrühlings sein? Man muß nur Geduld haben, denn auch der Frühling n der Natur läßt in diesem Jahre ziemlich auf sich warten, Md der April hat seinem Namen als wetterwendischer, un- reundlicher Geselle alle Ehre gemacht. Wenn nun der kom- stende Mai das hält, was sein Name als Wonnemonat oer- pricht, dann wollen wir schon zufrieden sein. Freilich, ein? Menschenklasse hat sich schon ganz auf den Frühling eingestellt — die Autodiebe. Das heißt: Eigentliche Diebe sind es gar nicht, sondern sie leihen sich Mos nur zwangsweise für Wochenendfahrten, soweit das oenzin reicht. Es ist dies eine Großstadtkrankheit, und aus verschiedenen Städten wird gemeldet, daß die in der Sonn- ibendnacht „entliehenen" Wagen Montags morgens an rgendeiner Straßenbahnendstation unversehrt vorgefunden werden. Die Autokleptomanen müssen derart licht-, luft- I and naturhungrig sein, daß sie diese Autoentleihungen als eine Art Mundraub betrachten, um zu einem billigen Wochenende zu gelangen. Weniger billig ist das Wochenende der Amerikaner, die lach Hollywood fahren, um die berühmte Filmstadt zu be suchen. Diesen Wochenendlern stand sogar in Hollywood ein Luftschiff zur Verfügung, mit dem man die Wunder Holly woods aus der Vogelperspektive betrachten konnte. Nun ist aber für die dortigen Luftfahrtbehörden eine große Schwierigkeit entstanden. Das Luftschiff wirft bekanntlich nnen Schatten. Da das Luftschiff ziemlich tief flog, so war )er Schatten auch ziemlich groß. Dieser Schatten ist nun un° zlücklicherweise aus einige Filmstars gefallen, die sich gerade Lippen-Reger au» dein -stamm der Sara Kaba bei der Zoo-Sonderschav in Berlin m einem Sonnenbad befanden. Das wäre keine richtig« Filmdiva, die sich in den Schatten stellen ließe und sei es ruch nur in einem Sonnenbad. Also ließen die beschatteten Filmstars eine geharnischte Beschwerde an die Luftbehörde os, daß sie sich diesen Schatten des Luftschiffes verbäten, soll die Behörde den Fremden den Anblick -es Filmpara- )ieses aus der Vogelschau nicht mehr gewähren oder soll ie den Zorn der Filmgöttinnen auf sich laden, das ist die Frage. Wir möchten gerne die Sorgen eines solchen Film- 'tars haben, für den eine Minute Schatten eine unerträgliche Lelästigung ist, während andere von der Wiege bis zum Zrabe auf der Schattenseite des Lebens wandeln Es heißt zwar im Sprichwort: Wo Licht ist, da ist auch schatten", man kann es aber auch umgekehrt anwenden, ,Wo Schatten ist, da ist auch Licht." In Hamburg ist in )as Schattenleben der Kinder von 300 Erwerbslosen ein Lichtstrahl gefallen. Der französische Lehrerverein hatte diese 100 Kinder zu einem Aufenthalt in seinem Jugendheim in )er Biscaya für vier Wochen bei vollständig freier Un- erkunft und Verpflegung eingeladen. Dazu bewilligte noch mtgegenkommenderweise die französische Eisenbahndirek- ion für die deutschen Kinder freie Fahrt. Nun hatte man zehofft, daß für den Transport der Kinder bis zur fran- chsischen Grenze die Deutsche Reichsbahn sich in gleicher Weise an dem Liebeswerk beteiligen werde, aber die Deutsche Reichsbahn sorgte dafür, daß der Schatten nicht gänzlich chwand; sie bestand hartnäckig darauf, daß sie nur 50 Pro- >ent Fahrtermäßigung bewilligen könne. Selbst di« ein gehendsten Bemühungen des Hamburgischen Gesandten in öerlin und beim Reichsministerium des Innern waren um- onst. Es fehlten nunmehr noch 10 000 Mark für das Hilfs- verk. Der Hamburger Senat erbot sich nun/2000 Mark bei- lusteuern, und die Hamburger Lehrerschaft will den Rest )urch Sammlungen aufbringen. Welche tiefschürfenden bürokratischen Erwägungen der Oeutschen Reichsbahn dazu geführt haben, sich von der fran» zösischen Eisenbahndirektion derartig beschämen zu lassen, ist Ziemlich unergründbar. Sie hat eine schöne Gelegenheit ver» äumt, in heutiger Zeit einen erfreulichen Sinn für eine zroße Wohlfahrtshilfe zu zeigen. den Rahmen ehrgeiziger Menschen an, - eignet-oder nicht zu erkämpfen, als ein Evo legte ihre Ha :ra,i in nur -chschnittsleben." ie sagte ermunternd: »Hurra, mein Oratorium wird ausgeführt!" „ Mit diesen, Schlachtruf überraschte Frohnau seine Ka- sstradin an diesem denkwürdigen Nachmittag, O ' " " "kl und brauchte nicht zi < Eva, die nach der Galli Kameraden. Sw war varuver so entzückt, vag sie -u ant worten vergaß. „Oder will mein bester Freund dauernd so ein Sllaven- leben im Verborgenen führen?" bohrte der Maim weiter. „Das nicht — nein, nein —" begehrte Eva Wilbertz auf, um leiser, fast ein wenig beschämt, fortzufahren: „Und doch leben Millionen solch ein winziges, beschranktes Leben, ohne , „. Er hatte heute iU konzertieren. „ vn.- nnu, vcl ^«uralle Steinerts das nasse Element Erlasse« hatte und auf dem besonnten Rasen Frohnau er- Aktetx war im Nu aus ihrem Dolce far niente in sitzende A'"luna aufgefahren Sie war sonst alles andere, nur nicht M.nffsstubig — aber setzt brauchte sie tatsächlich eine ganze As w, bis sie diese Neuigkeit in ihren Verstand ausgenommen „Ja. Eckart, jetzt ist es Zeit für die heitere Muse. Und ich glaube fast, dafür bringst du noch mehr Talent mit, als für die geistliche Musik." Frohnau wandte sich dem Mädchen zu streichelte zärtlich die gebräunten Arme. Es lag sich so schön im Waldgras, es war so herrlich, die Zukunft in den Rahmen ehrgeiziger Pläne zu spannen! „Wir müssen nun endlich daran denken, etwas zu schaffen, was uns nicht nur Ehre und einen Namen macht, sondern was uns auch Geld bringt!" sagte Frohnau. Und sich näher zu dem Mädchen beugend: „Denn wir wollen nicht immer in billigen, möblierten Zimmern wohnen, gelt, Madi?" Eva tib Lch ganz klein in. den blanken.Augen ihres Le-enskamera-en. Roman von Friedrich Lange. 14. Fortsetzung. „Los!" kommandierte das Mädel und warf sich in das Basser zurück, daß Steinert einen ganzen Schwall davon ab- dekam. , Natürlich war der Läufer gegenüber der Schwimmerin M Vorteil. Er hatte schon die Mitte des Steges erreicht, Mor Eva ein Drittel der Entfernung zurücklegte. Aber da mnimte schon die Kalkulation der Schwimmerin: Auf dem °»Ni Wasser schlüpfrig gewordenen Brettersteig kam Steinert !ns Gleiten, verlor das Gleichgewicht und stürzte aufschreiend bis Wasser, glücklicherweise ins Nichtschwimerabteil, wo er ?!Ü lebhaftem Hallo begrüßt wurde. Seine schöne Butter- MMe aber war in weitem Bogen in die Elbe geflogen und 'kgelte nun rasch stromabwärts. , Als Eva den Erfolg ihres voraus berechneten Planes mußte sie sofort mit den Schwimmbewcgungen aussetzen M nach dem Steg greifen. So wie diesmal hatte sie in ihrem ^kben noch nicht gelacht! Drüben brachte man inzwischen den eitlen Herrn „Di- Mor" patschnaß an Land. Er prustete und hustete und schien Mz anständig Wasser geschluckt zu haben. Ohne sich noch pNmal nach seiner „Angebeteten" umzuschauen, brachte sich N „Ritter von der traurigen Gestalt" schleunigst in Sicher et, bis über die Elbwiese hinaus verfolgt von dem schal- Men Gelächter der Badenden. Eine Autotaxe brachte den so ^Mählich Verunglückten zu den heimischen Penaten. i Eva aber hatte das Bild so fest im Gedächtnis, daß sie KWoß eine Karikaturzeichnung davon zu fertigen, zum ^»denken für Herrn Steinert. . . * k Dann streckte sie Frohnau beide Hände hin. Sagen konnte v n,chts, weil vor Freude und merkwürdiger Rührung die "Mmbänder nicht funktionieren wollten. - Auch Frohnau hatte mit inneren Hemmungen zu kämp- als er zugab: „Das war dein Werk, Eva. Dafür be- bMt du einen Sonderkußl" Nun fand Eva die Sprache wieder. Ast bas so üblich unter Kameraden?" Die Augen des Mannes gingen mit geheimem Brennen die Formen des jungen Weibes. bi, »Heute bist du mir mehr, als Kameradin " Und mit iem Vorwurf: „Das mußtest du eigentlich wissen, Eva . . ." l^ ^w stand vollends auf, sagte versonnen: „Ich dachte immer, siebte " «ei" höher zu bewerten, als Braut oder knAst? ließ Frohnau nicht gelten, konnte er ebenso wenig ^"lassen wie alle andern Männer „Ja, Eva. es ist etwas Wahres und Wunderbares am Kameradschaftsideal, aber es muß, um auf die Dauer zu be friedigen, auch mit Liebe gewürzt sein, sonst wird ein Ge schäft daraus/ Das Mädchen nickte, ohne recht zu verstehen, und ging dann mit hinab an die Elbe, wartete ein Weilchen, bis Eckart Frohnau aus der Zelle zurückkam. „Nun rasch ins Wasser, zweihundert Meter hinauf und herab, dann ein Viertelstündchen in die Sonne," schlug Frohnau vor. „Und weiter?" wollte Eva willen. „Wir fahren dann ein Stück nach Tharandt in den Forst." Und so geschah es. Eine gute Stunde später lagen Eva und Frohnau auf einer Waldlichtimg. Tief unter ihnen kroch ein Zug mit Schiebemaschine auf dem Schienenstrang auf wärts. „Siehst du nun ein, Eckart, weshalb ich bei Steinert bleibe und günstigere Angebote ausschlage?" fragte Eva nach einer Weile des Schweigens. Frohnan spürte den Stachel und erwiderte leise: „Ent- schuloige, Eva, ich tat dir Unrecht. Ich weiß, daß du Be ziehungen für mich suchst, du Gute." Dann erzählte er von seiner Besprechung mit dem Pro fessor, yon seinem Plan, das Oratorium herauszubringen. „Die Probenarbeit soll sofort nach den Sommerferien be ginnen. Der Professor hat den Termin für die Uraufführung für den Oktober festgesetzt." Ach, er war so begeistert, der junge Komponist, über 'ein Opus 1. „Ich hätte nie gedacht, daß sich diese Angelegenheit so rasch in Gang bringen lassen würde." Eva Wilbertz lächelte beglückt. Sie hatte noch andere, hochfliegende Pläne... Und dachte nie an sich, immer nur an ihren Freund und Kameraden. Wenn er nur gefördert wurde, dann wuchs sie mit ihm. Frohnau kam ihr unbewußt entgegen. „Nun wage ich mich an eine Operette. Ich habe mir im Lause der Zeit schon eine Unzahl hübscher Einfälle ausge schrieben, die ich mi: zu verwerten gedenke." Eva streckte sich, lag ganz still in der Sonne. Ihr Auge hing am Profil Eckarts, freute sich am Spiel seiner Mienen, an der gesunden Bräunung seiner Gesichtszüge. Er war doch ein anderer Kerl, als Florian Meierhöfer! Eckart Frohnau wußte, was er wollte. Er ging scharf auf das gesteckte Ziel los und ruhte nicht eher, bis er es erreicht hatte. Dabei konnte es Wohl Passieren, daß er einmal schwach und mutlos wurde, aber nach solchen Pausen trat er mit verstärktem Tempera ment und Willen auf den Plan. hatte?" .. . Eva dachte an ihren Vater. Der Unglückliche war hart bestraft für seinen Leichtsinn. Er durfte nicht einmal wagen, seiner Tochter ein Lebenszeichen zu geben. Man konnte nicht wissen, ob alle für Eva bestimmte Post von der Polizei zensiert Wurde. . ., . „Wenn ich mich recht hineindenke, komme wieder zu dem Schluß, daß wir von unsichtbaren Machten geführt werden. Manchmal stolpern und fallen wir» Das ist. wenn uns irgendein Teufel ein Bein stellt Aber ba- Gute ist mächtiger, es reißt uns wieder hoch und stellt uns ruf die Füße." ... Frohnau streichelte Evas Haar, sagte andächtig: „Wie du das sagst — so wissend — so klug " . . Und dann, es war schon dunkel geworden rm Bere m» der hochstämmigen Fichten und Tannen, schwreg der Mund, begann das Herz zu reden. , » Wie eine Woge schlug das Drängen nach Liebe über bin beiden jungen Menschen zusammen, daß sich Mund zu Mund fand Der Himmel hatte violette Färbung angenommen, ^n den Gräsern zirpten die Heimchen. Und irgendwo im Ge büsch sang eine Drossel. Dreizehntes Kapitel. Auf dem Heimweg gingen die Liebenden dicht aneinander geschmiegt durch den nächtlichen Tann; nur hin und wieder fiel ein leises Wort. (Fortsetzung folgt.) unglücklich zu sein . . . Frohnau fühlte diese Worte wie Vorwurf. „Ja, mag sein ich weiß, was du sagen willst. Auch Veilchen sind schön, es kommt nur auf bas Innenleben des das allein macht ihn zum Glucklichseln ge lt aber ich spüre die Kra,t in mir, mehr ... ...i Stückchen Durchschmttsleben." Evo legte ihre Hand auf die seine, sagte ermunternd: Reiß dir deinen Himmel auf die Erde, Eckart, tu ihm Ge- Korten nur nock I V ^8 Würfel walt an! Nur im Kampf stählen sich die Kräfte!' Sie war unsagbar glücklich, einen Menschen gefunden zu haben, der sich nicht mit dem begnügte, was ihm gerade in den Schoß fiel! Einen solchen Lebenskameraden.hatte sie sich schon immer gewünscht, der mutig auf sein Schicksal losglng und es sich selbst formte. , .. . . Im Westen stand die Sonne schon tief. Der Schatten des Waldes reichte bereits bis zu den Lagernden herüber. Unten sprang eine Rehgeiß mit zwei Kitzen durch die Schonung. Im Dickicht balzte ein Fasanenhahn. , ... . . „Mit dir im Bunde," nahm Frohnau das Gespräch wieder aus, „werde ich siegen." Und Eva bekräftigte: „Wenn wir einig sind!" Frohnau konnte sich nun nicht mehr von dem lieven Ge sicht seines Mädels losreißen „ c. „War es nicht eine Fügung des Himmels, daß wir uns finden mußten, als unser Schicksal eine Tiefkurve erreicht