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Mage zu Nr. 135 HSllhllM Tageblatt MÜ Wnlüenvurger Anstkgtl Sonnabend, den 13. Juni 1931 Wird Sachse« gehalst«? Zum Besuch der Staatssekretärs Dr. Trendelenburg Dresden, 12. Juni. Der Verband Sächsischer Industrieller schreibt zum Be uch des Leiters des Reichswirtschaftsministeriums, Staats sekretärs Dr. Trendelenburg, in Sachsen: Durch Saisonbelebung fast unbeeinflußt hält sich die Ar beitslosigkeit im Gebiet der sächsischen Wirtschaftskatastroph« hoch über dem Reichsdurchschnitt. Und unaufhaltsam stür zen älteste, einst bestfundierte Firmen in diesem dicht be- adelten Gebiet deutscher Arbeitskultur als Opfer der ver- lehlten Wirtschaftsgesetz'gebuna während der letzten zehn Mre. Die Störung des den schweren sächsischen Standorts- Mingungen angepaßten früheren Lohnaufbaus durch zen- lkalistische Zwangsmaßnahmen, die Verschiebung der Wett bewerbslage durch frachtliche Benachteiligung, die auf vielen ^bieten festzustellende Benachteiligung in der Vergebung er Milliardenaufträge der öffentlichen Hand sind zum Teil ber Anlaß. So war es begründet, daß nach dem Kanzlerbesuch in Achsen, den wiederholten Besprechungen mit den Leitern 'er Reichsressorts in Berlin, der Leiter des Reichswirtschafts- ^njsteriums sich in mehrtägiger Reise von dem Stand im Mgebiet persönlich überzeugte. Die Besichtigvngsreise de- oerbandes Sächsischer Industrieller führte ihn über Mse- ^Ne, Zwickau, Reichenbach, Plauen, Markneukirchen, Klin- üsnthal, Aue, Geyer, den ganzen Chemnitzer Bezirk, Puls- Bischofswerda, Bautzen, das gesamte Zittauer Gebiet b"ch Sebnitz. k In Betriebsbesuchen, Sitzungen mit Ortsgruppen des ^ttbandes, zahlreichen Einzelkonserenzen mit Inhabern und Wilern großer und kleinster Betriebe wurden jede Ursachen, dje auch die handelspolitische Benachteiligung in ihren Aus wirkungen deutlich gezeigt. Es wurde in allen besichtigten ^bieten allgemein begrüßt, daß ein Mitglied des Reichska- ''Netts in dieser zum Verständnis der sächsischen Industrie seiner Industrie der Cinzelunternehmer notwendigen Viel- i^igkeit die Reise durchführte. , Auf der Durchfahrt durch Dresden sowie bei dem Ab- Muß der Reise wurden vielfältige Darlegungen durch Aus- Mchen mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Schieck, sIN Wirtschafts» und Finanzminister Dr. Hedrich, Ministe- 'Mrektor Dr. Klien und Ministerialdirektor Dr. Schettler b°ch weiterhin vertieft. Bei sämtlichen Besprechungen kam mit der dankbaren Erkennung, daß der Leiter des Reichswirtschastsministe Mms sich in dieser äußerst schwierigen Zeit nochmals per- Mich besonders eingehend über die wirtschaftliche Lage in Achsen informierte, die Hoffnung auf eine stärkere aktive Ueilnahme der Reichsregierung an der Besserung der föch ten Produktionsbedingungen zum Ausdruck. Hattet den Dieb! Briand behauptet nichkzusriedenstellende Abrüstung Deutschlands. Genf, 12. Juni. Das „Journal Officiel" des Völkerbundes veröffentlicht Note, die der französische Außenminister Briand in ^er Eigenschaft als Präsident der Votschasterkonferenz ^itg am 16. März an den Generalsekretär des Völker- ^ndes gerichtet hat. In dieser Note macht Briand die ?ksmächte zunächst darauf aufmerksam, daß seit der Zu- z^Ziehung der interalliierten Militärkontrollkommission am Januar 1930 aus Deutschland keinerlei Kontrollorgane A für die Durchführung der Deutschland auferlegten ^riistungsverpflichtungen bestünden. „ Dann weist Briand darauf hin, daß die Deutschland der Zurückziehung der interalliierten Militärkonlroll- ^inission auferlegken endgültigen Abrüstungsverpslichtun- N von der deutschen Regierung nicht zufriedenstellend ^»lll worden seien. Der der Rote angefügte Artikel des ychoiller Vertrages behandelt diejenigen Punkte, in denen ^schland nach der Auffassung Briands seinen Abrü- ^^Verpflichtungen noch nicht voll nachgekommen sein Dies sind 1. die Truppenstärke und die Rekrutierung Reichswehr, 2. die militärischen Verwaltungseinrichtun- -." der Reichswehr, Z. die Polizei und 4. die Bildung der "'schen Vehrverbände. Deutsche Stellungnahme. Berlin, 12. Juni. Die Note wird an zuständiger Stelle in Berlin als y? völlig belanglose Angelegenheit bezeichnet, die jeder sollen Bedeutung entbehre. Es handle sich um die ge- -Wsordnungsmüßige Erledigung eines Vorganges aus E Jahre 1927, die eine einseitige und daher nicht beweis» "ge Darstellung der Entwaffnungsverhandlungen ent- hy, Was die Schlußfolgerungen des Berichtes angehe, so der Völkerbundsrat als solcher kein Initiativrecht in r Frage der deutschen Abrüstung. I,, .Dielmehr könne der Völkerbundsrat nur gemäß Arti- die Investigation beschließen, wenn eine Raksmacht Antrag stelle und die angeblichen Verfehlungen ^v'schlands glaubhaft mache. Damit ist aber nach Berliner n ng nicht zu rechnen. Das Schriftstück wird deshalb kh.licht der Berliner zuständigen Stellen zu den Akten tz^St werden müssen. Die Botschafterkonferenz gibt in dem übrigens selbst zu, daß sie nach Zurückziehung der )k<>» Kommission keinerlei Befugnisse mehr in dieser Se habe. Briands englisches Echo, flechte Presse für den französischen Außenminister. London, 12. Juni. begegnet dem französischen Außenminister wohl Male, daß die öffentliche Meinung Englands N eine schonunaslole Kritik übt. Seine Kammerrede über das Reparationsproblem und über die Besprechung in Chequers hat in England eine ausgesprochen schlechte Presse gefunden, und die Ablehnung, die seine starre Hal tung erfährt, geht durch alle englischen Parteien. Das Blatt der Arbeiterpartei, der „Daily Herald", fällt ein besonders hartes Urteil über Briand, indem er sein Auftreten mit den Methoden Poincarös vergleicht. Das Blatt rügt, daß Briand überhaupt kein Wort für die Schwierigkeiten Deutschlands gefunden habe, daß er sich offenbar nicht klar darüber sei, wie durch eine solche Ein wirkung von außen her der Radikalismus in Deutschland gestärkt werde, und es verurteilt vom internationalen Standpunkt aus die schroffe Art, in der Briand vor jeder Revisionsmäglichkc-k oder selbst nur vor der Prüfung einer solchen Möglichkeit die Tür zugeschlagen habe. Ls schein« fast, als wolle er alles das zerstören, was er bisher er strebt habe. In ähnlicher Weise äußert sich auch die liberale Presse, die die Notwendigkeit einer Revision der Reparationsfrage als Voraussetzung einer Ueberwindung der internationalen wirtschaftlichen Schwierigkeiten hervorhebt und die deutsche Initiative begrüßt, die im Interesse aller Staaten liege, während man mit den Methoden Briands auf ein totes Gleis geraten würde. Aus dieser Stimmung heraus ist es verständlich, daß man in England auch die sonstigen Aeuherungen der fran zösischen Politik schärfer kontrolliert und daß man nament lich von den französisch-russischen Verhandlungen sehr wenio erfreut ist. Man sieht in ihnen die Vorbereitung einer neuen poli- tischen Kombination, die nach dem Wunsche Frankreichs in erster Linie gegen Deutschland gerichtet sein solle, die aber in ihrer praktischen Auswirkung ganz naturgemäß auch eine gegen England gekehrte Seite haben würde. Deutscher Vorschlag angenommen. Die Ileberstundenfrage im Braunkohlenbergbau. Gens, 12. Juni. Der von dem deutschen Regierungsvertreter, Ministe rialdirektor Dr. Sihler, in der Kohlenkommission der In ternationalen Arbeitskonseren; am Mittwoch eingebrachle Kompromißvorschlag zu der seit Tagen scharf umstritte nen Frage der lleberslundenregelung im Braunkohlenberg bau ist vom Ausschuß mit großer Mehrheit angenommen worden. Für den deutschen Kompromißvorschlag stimmten ge schlossen die Arbeitnehmergruppe sowie ein großer Teil der Regierungsvertreter, während ein anderer Teil der Regie rungsgruppe sowie die Arbeitgebergruppe sich teils der Stimme enthielten, teils gegen den Antrag stimmten. Nach dem jetzt angeommenen Kompromißvorschlag sind im Braunkohlentiefbau 75 Ueberstunden ohne weiteres zu lässig, 75 weitere Ueberstunden können von den zuständigen Behörden aus Grund vorhergehender Tarifoerhandlungen in denjenigen Zechen genehmigt werden, in denen besondere technische oder geologische Bedingungen gegeben sind. Eine neue GchLele-Re-e. Kamps um die Rentabilität der bäuerlichen Wirtschaft. Paderborn, 12. Juni. In der Generalversammlung des Westfälischen Bauern vereins sprach Reichsminister Schiele über „Der Kampf um die Rentabilitätsgrundlage der bäuerlichen Wirtschaft". Dei Redner führte u. a. aus: Mit der Notverordnung vom 6. Juni fordert die Reichs regierung von dem deutschen Volke eine letzte und äußerste Anstrengung, um durch Opfer von bisher nicht gekanntem Ausmaß Leben und Freiheit unseres Volkes zu sichern Diese Opfer und Lasten geben uns vor der Welt den Rechts anspruch, daß unsere Anstrengungen gebührend bewerte! werden und zu einer völligen Umgestaltung insbesondere in der Reparationsfrage führen. Der Kampf um die zielklar« Fortführung einer gesunden und organischen Agrarpolitik ist von Woche zu Woche schwieriger geworden. Das deutsche Bauerntum tritt jetzt zum Endkampf an um sein Recht und um sein Leben. Bei den Forderungen der Landwirtschaft nach einem angemessenen Schutz ihrer Erzeugnisse vor ausländischer Konkurrenz handelt es sich nicht um die Herbeiführung einer Preissteigerung, sondern um die Verhinderung eine« die deutsche Landwirtschaft ruinierenden Preisdruck durch ausländische Ueberproduktion. Ls wird mit allen Mitteln dahin gewirkt werden, daß dem deutschen Volke in allen Teilen des Reiches Roggen und Roggenbrot zu angemessenen Preisen zur Verfü gung steht. Stehen wir für die Getreidewirtschaft auf, wenn auch schwer erkämpftem, so doch gesichertem Boden, so gilt der End kampf des deutschen Bauern jetzt dem hartumstrittenen Schutze der Veredlungswirtschaft, vor allem der Milch- und Molkereiprodukte. Wer wirklich sehen will, der muß erken nen, daß die Weltwirtschaftskrise eine ihrer tiefsten Ur sachen in dem ungeheuren Schwund der landwirtschaftlichen Kaufkraft hat. Voraussetzung für die Belebung des deutschen Binnen marktes ist die Herbeiführung des gerechten Ausgleichs zwischen den Preisen für landwirtschaftliche Produkte und den kosten für die landwirtschaftlichen Produktionsmittel. Von dem Ausgang des Kampfes um den Schutz der Veredlungswirtschaft hängt die Zukunft der deutschen Land wirtschaft, des deutschen Bauerntums im Westen so gut w« im Osten des Reiches ab. Siahlhelm-Prozeß in Moabit. Der Staatsanwalt beantragt je 800 RM Geldstrafe. Berlin, 12. Juni. Vor dem Schöffengericht Berlin-Mitte hakten sich di« beiden Bundesführer des Stahlhelm, Franz Seldte and Oberstleutnant a. D. Duesterberg, sowie der verantwortliche Redakteur der Zeitung „Der Stahlhelm", Wilhelm Kleinau» wegen Vergehens gegen das Republikschutzgesetz und wegen Beleidigung zu verantworten. Bei diesem Prozeß handelt es sich um die Auslegung eines Artikels, der am Reichsgründunhstage, dem 18. Ja nuar dieses Jahres, in der Stahlhelmzeitung erschienen und von Seldte und Duesterberg gezeichnet war. Die in diesem Aufruf, der die Ueberschrift „Kampf dem Zwischenreich" trug, enthaltene Behauptung, daß das deutsche Volk seil 13 Jahren im undeutschen Zwischenreich des bismarckfeind lichen Marxismus lebe, und daß dieses Zwischenreich di« völkischen, sittlichen und kulturellen und auch die wirtschaft lichen Grundlagen der deutschen Nation völlig zu zerstören drohe, wird von der Staatsanwaltschaft dahingehend aus gelegt, daß dadurch die verfassungsmäßig festgestellte repu blikanische Staatsform des Reiches böswillig und mit Ueber- legung verächtlich gemacht worden ist. Die Verhandlung begann mit der Verlesung des Auf rufs. Oberstaatsanwalt Köhler führte aus, daß der Artikel gegen den Paragraphen 5 des Republikschutzgesetzes ver stoße, da er einen Angriff aus die Republik darstelle. Er müsse allerdings berücksichtigt werden, daß sich der Stahl helm in seinen Angriffen bisher zurückgehalten habe und daß dies das erste Verfahren sei, das gegen ihn durchge- führt werde. Er halte aus diesem Grunde die Verächtlich machung der Republik aus Anlaß der 60. Wiederkehr des Reichsgründungstages mehr für eine formelle Entgleisung. Der Oberstaatsanwalt beantragte sodann gegen Seldl« und Duesterberg an Stelle einer an sich verwirkten Gefäng nisstrafe von je zwei Monaten je eine Geldstrafe von SOO RM. Gegen Redakteur Kleinau beantragte er an Stell« einer Gefängnisstrafe von einem Monat eine Geldstrafe von 400 RM. Die beiden Stahlhelmführer erklärten nochmals, daß der Artikel kein Angriff gegen die Staatsform sei, und daß ihr Kampf sich nur gegen das herrschende System richte. Das Ltrteil. Wegen Vergehens gegen Paragraph 5 Ziffer 1 der Gesetzes zum Schuhe der Republik wurden die Stahlhelm bundesführer an Stelle einer an sich verwirkten Gefäng nisstrafe von je zwei Monaten zu einer Geldstrafe von je 800 Mark verurteilt. Der dritte Angeklagte, der verant wortliche Redakteur der Stahlhelmzeitschrift, Kleinau, wurde an Stelle einer an sich verwirkten Gefängnisstrafe von drei Wochen zu einer Geldstrafe von Z00 Mark verur teilt. Außerdem erkannte das Gericht auf Unbrauchbar machung der Stahlhelmzeilschrift vom 18. Januar 1931 so wie der Platten. Der neue Senatspräsident Paris, 12. Ium. Zum Senatspräsidenten wurde in der Stichwahl Sen» tor Lebrunmit 147 gegen 139 Stimmen, die auf den Se nator Ieanneney entfielen, gewählt. Senator Lebrun ist der intime Freund Poincares. Als Vorsitzender des Senats ausschusses für Heereswesen hatte er im letzten Winter wie derholt Reden gehalten, in denen er ganz besonders das Thema der deutschen Gefahr behandelte. Belagerungszustand über Peru Lima, 12. Juni. Die Regierung Hal in ganz Peru den Belagerungszu stand wieder eingeführt, weil die öffentliche Ordnung durch revolutionäre Bestrebungen bedroht sei. In Zusammen hang mit diesen pvtschgerüchlen find in Lima und Lallao 55 Personen verhaftet worden. Aus dem Sachsenlande. Vorstellungen der sächsischen GroMdte gegen den Landesfinanzausgleich Dresden. 12. Juni. Ministerpräsident Schieck, Finanzminister Dr. Hed rich und Justizminister Richter empfingen eine Abord nung von Vertretern der bürgerlichen Stadtverordnetenfrak tionen der sächsischen Großstädte, die ihre Bedenken gegen die geplante Acndcrung des Landesfinanzausgleichs vor brachten. Dr. Hilpert-Leipzig bemerkte, daß die Finanznot der sächsischen Großstädte es nicht zulasse, daß die Steuer- anteile der Großstädte durch eine Asnderung des Finanzaus gleichs verringert würden. Eine Verringerung der Steuer anteile sei vor allem mit Rücksicht auf die ungeheuren Wohl- sahrtslasten der Großstädte unerträglich. Die Mitglieder der Abordnung hatten ferner eine Un terredung mit Vertretern der bürgerlichen Landtagssraktio- nen, in der sie ebenfalls ihre Bedenken gegen den Gesetz entwurf vorbrachten. (Segen die (Sottlosenbewegung Dresden. 12. Juni. Nachdem der Landtag in seiner Sitzung vom 19. Mai Zieses Jahres beschlossen Holle, die Regierung zu ersuchen, ,zur Verhinderung der Gottlosenpropaganda von den staats lichen Mitteln jeglichen Gebrauch zu machen", hat das Mini sterium des Innern nunmehr die Polizeibehörden noch be sonders angewiesen, der in letzter Zeit verschärften antire ligiösen Propaganda ihre volle Aufmerksamkeit gu widmen und die Bevölkerung vor Verletzung ihrer religiösen Emp findungen nachdrücklich zu schützen. Die rechtliche Grundlage hierzu gibt, soweit nicht schon die Bestimmungen de» Straft-