Volltext Seite (XML)
Schönburger Tageblatt und WMenburzer Anzeiger 6^6 Amtsblatt für den Stadtrath zu Valdenburg. Donnerstag, den !7. October 1895 Kaiser in den für die Lothringen gehalten, nachdem es am Tage zuvor Stadt Wiesbaden einen Besuch gemacht hatte. Ungeduld hatte man dem Besuch der Majestäten gegengesehen. Die Feststraße ist durch viele Fahnen Guirlanden aufs Schönste decorirt, die Bahnstation besonders die kaiserliche Empfangshalle ist auf Herrlichste ausgeschmückt. In den Straßen wogte ungeheuere Menschenmenge, zahlreiches Publikum ist um so weniger der Fall sein, als ich in der kritischen Zeit vier Wochen lang durch einen Fall von Scharlach in meiner Familie an das Haus gebunden war und dem Kaiser nicht einmal für die Verleihung des Schwarzen der Mit ent- und und das eine aus was was Wie- rufen der Menge, Schulkinder warfen Blumen vierspännigen Wagen des Kaiserpaares, welches Ovationen nach allen Seiten hin dankte. Dem russischen Fürsten Lobanow hat der Adlerordens danken konnte .... „Ich habe im Gegentheil das Mögliche gethan, irgend in meinen Kräften lag, um zu verhüten, dann freilich unausbleiblich wurde. In häufiger Filialen: in Altsiadtwaldenburg dei Herrn Kaufmann Otto Förster; in Kaufungen bei Herrn Fr. Janaschek; in Langenchurs dorf bei Herrn H. Stiegler; in Penig bei Herrn Kaufmann Max Härtig, Leiperstr. 163; in Rochsburg bei Herrn Paul Zehl; in Wolkenburg bei Herrn Ernst Rösche; in Ziegelheim bei Herrn Eduard Kirsten. Erscheint täglich mit Ausnahme de. Tage nach Sonn- und Festtagen. lnnahme von Inseraten für die nächster- .cheinende Nummer bis mittags 12 Uhr. Der AbonaementSpreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. S5 Pf. Einzelne Nrn. 5 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf,, Einges. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Obergasse 2S1 8. Metz und aus der Umgegend eingetroffen, um den Kaiser und die Kaiserin zu begrüßen. Die Ankunft der Maje stäten erfolgte bald nach 9 Uhr vormittags mittels Sonderzuges. Die Sonne hatte eben die Wolken durch brochen, so daß der Himmel momentan heiter war. Am Bahnhofe hatten die Schulen, die Kriegervereine und die Feuerwehr Aufstellung genommen, welche sich bis nach Urville ausdehnte. Auf dem Bahnsteig erwarteten der Bezirkspräsident, der Kreisdirector, der Bürgermeister und der commandirende General des 16. Armeecorps Graf Häseler die Majestäten. Vier weißgekleidete Jungfrauen mit Schärpen in den deutschen Farben überreichten der Kaiserin Sträuße, welche dieselbe dankend entgegennahm, indem sie jeder der Damen huldvoll die Hand reichte, während der Kaiser den Bezirkspräsidenten v. Hammer stein, den Kreisdirector Gundlach, sowie den Grafen Häseler auf das Freundlichste begrüßte und sodann die Vorstellung des Bürgermeisters entgegennahm. Hierauf erfolgte die Abfahrt nach Urville unter lebhaften Hurrah- Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichteustein-Callnberg, und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen euba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. sein Bildniß mit eigenhändiger Unterschrift geschenkt. Zu Ehren Lobanow's veranstaltete die russische Bot schaft in Berlin am Dienstag Abend ein Diner, das einen glänzenden Verlauf nahm. Fürst Bismarck hat der Tiefbaufirma Bering in Hannover-Hamburg, welche nahezu ein Drittel aller Tief bauarbeiten am Kaiser Wilhelm-Kanal ausgeführt und am Tage der Eröffnung dem Fürsten in einer Mappe mit 40 Photographien vom Bau des Kanals übersandt hat, ein eigenhändiges Schreiben zugehen lassen. Der Fürst bedauert, daß den Technikern und ihren Leistungen nicht die erste Palme gereicht ist und schließt: „Dem gegenüber habe ich um so mehr das Bedürfniß, wenig stens meine perfönliche Bewunderung der technischen Leistungen am Reichsbau Ihnen zugleich mit meinem Danke für die übersandte Mappe auszusprechen." Die „Hamb. Nachr." begrüßen mit Genugthuung den Besuch des leitenden russischen Ministers Fürsten Lobanow in Berlin. Es scheine danach, daß sich die Beziehungen zwischen den Cabinetten von Berlin und Petersburg wieder freundlicher gestaltet hätten. Weiter bringen die „Hamburger Nachr." anläßlich der in der Presse kritisirten Verwendung großer Summen aus dem Welfenfonds für die Verwandten des Ministers v. Boetticher einen scharfen Ausfall gegen den Letzteren. Es sei wenig wahrscheinlich, daß Fürst Bismarck den alten Kaiser bewogen haben würde, mit so großen Summen einzutreten, wenn es sich nur um einen Stral sunder Bankdirector gehandelt hätte. Auf die Politik des Reiches würde eS doch nicht von Einfluß gewesen derholung bin ich schon vor Jahren bei dem Fürsten Bismarck vorstellig geworden, er sollte doch dem Andrän gen des Reichstags nach Erweiterung des Arbeiterschutzes nachgeben, sei es durch ein umfassenderes Verbot der Frauen-, Kinder- und Nachtarbeit, sei es durch Ausdeh nung der Sonntagsruhe. Der Fürst war dafür nicht zu haben. Er blieb unerschütterlich bei seiner Meinung, soviel ich ihm auch zuredete .... „Mit dem Kaiser stand Fürst Bismarck anfänglich ganz ausgezeichnet. Der Kaiser blickte förmlich zu ihm auf und erkannte seine Autorität willig an, wie ich über haupt allezeit gefunden habe, daß der Kaiser sachlichen Gründen, die angemessen vorgetragen werden — und auf einen solchen angemessenen Vortrag hat er natürlich als Kaiser Anspruch — in ausgezeichneter Weise zugängig ist. Der Kaiser hat ein erstaunlich schnelles und durchdrin gendes Auffassungsvermögen. Wenn man ihm Vortrag hält, so genügen einige Worte, um ihn sofort erkennen zu lassen, worauf es eigentlich ankommt. Das ist ein großer Vorzug. Fürst Bismarck verstand es nun nicht, die Dinge so vorzutragen, daß die Vorstellungen bei dem Kaiser Eingang fanden. Der Fürst, der eine große Autorität bei dem Kaiser genoß, sprach zum Kaiser auto ritativ, und so mußte es denn kommen, daß dem Kaiser dies gerade nicht gefiel und die Meinung in ihm in den Vordergrund trat: er sei doch nun einmal von Gott in die Stelle gestellt, an der er stehe, um nach seinen Gaben und Kräften und nach seiner Auffassung die Regierung zu führen. So kam es, wie es kommen mußte: Der Kaiser und Fürst Bismarck verstanden sich schließlich nicht mehr. Vergeblich stellte ich dem Fürsten Bismarck vor, daß es nothwendig sei, dem lebhaften Wunsche des Kaisers in Sachen des Arbeiterschutzes, der übrigens meinen Ansichten völlig entsprach, nachzugeben. . . . „Als die Entscheidung getroffen war, begab ich mich zum Fürsten Bismarck, um mich von ihm zu verabschie den. Es war wohl die schwerste Stunde meines Lebens. Thränenden Auges küßte ich ihm die Hand, dankte ihm für alles Wohlwollen, das er mir bewiesen und bat ihn, zu glauben, — es waren mir schon allerhand Gerüchte zu Ohren gekommen — daß ich nie etwas gethan, was mit der Treue gegen ihn nicht vereinbar wäre. Er ant wortete mir, er setze auch gar nicht voraus, daß ich einen Treubruch gegen ihn begangen hätte, oder eines Treu bruches fähig wäre; aber er müsse doch sagen, daß ich ihn in dem Kampf gegen den Kaiser nicht so unterstützt hätte, wie ich wohl gekonnt. Hierauf konnte ich nichts erwidern, denn sonst hätte ich erklären müssen, daß es sür mich, einen Beamten, einen Kampf gegen den Kaiser nicht geben könne. Abgesehen hiervon, war es auch nicht angängig, daß ich eine Meinung, die ich Jahre lang gegen den Fürsten Bismarck vertreten, aufgab, weil der Kaiser sie theilte." Auf diese Darstellung dürfte wohl von anderer Seite zurückgekommen werden. Politische RunvjHau. Deutsches Reich. Uuter großen Ovationen hat das deutsche Kaiserpaar am Dienstag seinen Einzug in Kürzel bezw. Urville in Witleruugsbericht, ausgenommen am 16. October, nachm. 4 Uhr. Barometerstand 757 mm. reducirt auf den Meeresspiegel. Thermometerstand ff- 8,5- 6. (Morgens 8 Uhr ff- 13,;".) Feuchtigkeitsgehalt der Luft nach Lambrechts Polymeter 70"/o. Thaupunkt ff- 3,5 Grad. Windrichtung: West. Daher Wittenmgsausstchten für den 17. October: Trübe bis halbheiter, Niederschläge nicht ausgeschlossen. 'Waldenburg, 16. October 1895. In der Presse wurde zum Fall Boetticher in der letzten Zeit darauf hingewiesen, daß Herr v. Boetticher privatim erklärt habe, seine ihm vorgeworfene Schwen kung sei eigentlich gar keine Schwenkung gewesen, denn er sei stets der Meinung gewesen, daß die socialen An- "rchten Bismarcks speciell hinsichtlich der Frauen- und Kinderarbeit und der Sonntagsruhe unrichtig seien und :r habe ganz natürlich sich für die Auffassung des Kaisers rrklärt, da dieselbe sich durchaus mit der seinigen deckte. Oie „Hamb. Nachr." schreiben nun hierzu: „Daß der Staatsminister ».Boetticher immer schon andere Ansichten als Fürst Bismarck in den Arbeiterfragen gehabt hat, ist ohne Zweifel richtig; er war aber nicht in der Berechtigung, eine andere Ansicht als die des Reichskanz lers zu vertreten, am allerwenigsten hinter dessen Rücken, Kenn er war als Staatssekretär des Innern der directe Untergebene des Reichskanzlers und hatte also die Ver pflichtung, mit diesem zu gehen oder auszuscheiden. Zum Mitgliede des preußischen Staatsministeriums aber war :r als Nachfolger Delbrücks und Hofmanns lediglich Ernannt, um dort die Ansichten des Reichskanzlers zu vertreten, wenn derselbe persönlich nicht dazu im Stande war. Auch beim Kaiser hatte Herr v. Boetticher nicht sie Berechtigung, andere Auffassungen als die seines Vorgesetzten zu unterstützen. Sowohl beim Kaiser wie kn Parlament war er verpflichtet, der Sonntagsruhe and den Eingriffen in die Familie durch Verbot resp. keschränkung der Frauen- und Kinderarbeit zu wider- lprechen. Beides hat er unterlassen, und wir glauben, taß die Meinungsverschiedenheiten, die zum Ausscheiden les ersten Reichskanzlers führten, im Cabinet, besonders Iber bei Jmmediatvorträgen sich der besonderen Befür wortung durch Herrn v. Boetticher erfreut haben." Das Organ des Fürsten Bismarck sagt damit also ganz klar, daß Herr v. Boetticher ein Doppelspiel ge rieben: im Ministerrath und im Parlamente vertrat er, ^vie man weiß, die Ansichten seines Vorgesetzten, des Reichskanzlers, — „hinter dessen Rücken", d. h. im Cabinet des Kaisers bei Jmmediatvorträgen, bekämpfte :r den Reichskanzler. Von dem Vorwurf, eine Schwen- üng vollführt zu haben, ist demnach Herr v. Boetticher unter gewissen Einschränkungen zu entlasten. Er war iber gewisse Punkte immer anderer Ansicht als der Kanzler, er barg sie nur, versteckt vor der Welt, wie >en Dolch im Gewände. Vielleicht auch zu dem Zwecke, ne Stadt vom „Tyrannen" zu befreien? — Den Vor- vurf jedoch, einen Treubruch — er wendet, wie unsere Zeser gleich sehen werden, selbst dies Wort an — gegen >en Fürsten Bismarck begangen zu haben, wird er, stauben wir, vergebens von sich abzuschütteln versuchen. Aerr v. Boetticher hat das thatsächlich versucht. Er hat ich vor längerer Zeit in einer Unterredung, die im ,Berl. Loc.-Anz." merkwürdiger Weise erst jetzt ver- »ffentlicht wird, über sein Verhältniß zum Fürsten Bis- narck geäußert und u. A. Folgendes gesagt: „Die schwerste Zeit meines Lebens war die, als Fürst öismarck aus dem Amte schied. Man hat mir vorge- dorfen, daß ich an dieser Verabschiedung die Schuld rüge. Sehr zu Unrecht, schon weil ein ganz Anderer ls ich dazu gehörte, um einen Bismarck zu stürzen. Zu meinem tiefsten Bedauern hat Fürst Bismarck selbst, ch weiß nicht, wodurch veranlaßt, die Meinung gefaßt ind trotz aller meiner Bemühungen daran festgehalten, kaß ich an der Herbeiführung des Abschluffes seiner Amtlichen Thätiglcit betheiligt gewesen sei. Das konnte