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Montag den 7. März 1921 »»chtzl,»« »»II«,»»,«,, Linienführung durchaus den landwirtschaftlich«« Erfordernissen angepaht werden mutz, so daß die Ssiiffahrt durch sehr »ei« Schleusen mit kleinem Gefälle behindert werden würbe. Wer sich mit der Laufitzer Kanalsrage genauer vertraut macht, wird bald erkennen, dag sie ihre günstigste Lösung durch Herstellung deS Elbe-Oder-KanalS DreSden-gronksurt a. O- findet, womöglich mit Abzweigung eine« Kanal» in der Gegend von Senftenberg über Weitzwasser-Liegnitz nach Breslau. N»m ist nicht zu bezweifeln, datz da» Reich.nur solch« Kanäle bauen kann, die sich in das Reichswasserstratzennetz besonder» gut al» ivertvollc Ergänzungen einsügen, so datz sie «inen wesentlichen Nutzen für weite Gebiete des Reiches ergeben. Diese Forderung wird durch den Elbe-Oder-Kanal in hervorragender Weise er füllt. Der Elbe-Spree-Kanal dient dagegen fast nur dem Vor teil eines cngbegrenzteu Gebietes, das indessen noch besser von dem Elbe-Oder-Kanal mit seinen grotzzügigen neuen Verkehrs- beziehnngen bedient wird. Es kann deshalb der Elbe-Oder- Kanalplan als eine wesentliche Verbesserung des älteren Elbe- Spree-KanalplaueS angesehen werden, so datz letzterem nutz noch historische Bedeutung für die Entwicklung der Lausitzer Koiialpkäne zukomnit. Aus dem Reichstage Berlin, 5. März. Am Sonnabend herrschte im Reichstage begreifliche Un ruhe; man erwartete eine Erklärung der Negierung zu den Londoner Vorgängen. Schon am frühen Vor- mitiagc waren die Parteien zu Fraktionssitzungrn zus-unmenge» treten, um über die geschaffene Lage Klärung zu suchen. Die Vollsitzung selbst war auf nachmittags b Uhr anbrraumt. Das Kabinett unter Führung des Reichskanzlers Fehren- bach war vollzählig vertreten, Haus und Tribünen bis auf den letzten Platz gefüllt. Mit einer kurzen Ansprache eröffnet der Präsident pünktlich zur angesagten Stunde die S'hung. Er teilt mit, datz bezüglich der am Freitag abgebrochenen GeschäftS- ordnungsdebatte eine Anssprache im AcltestenauSschuh stattge funden habe. Man habe seinem Vorschlag beigestimmt, datz die ausstehenden Meldungen zur Geschäftsordnung vor Erledigung der Tagesordnung numnebr zugclassen werden sollen. Er schließt mit der Mahnung, die Redefreiheit keinem Redner durch Zwischenrufe zu beschränken, denn eö sei Vesser, datz jemand, wenn etwas geschehe, was sein Gefühl nicht ertragen könne, den Saal verlasse, als datz er diesem seinem Gefühl gar zu ungestüm Ausdruck gebe. Dieser Mahnung des Präsidenten wird von fei ten des Hauses Folge geleistet. I» völliger Ruhe spielt sich die GeschäftsordnungSdcbatte ab. Adolf H offmann für die Kommunisten und Eric spien für die Unabhängigen bringen ibre Mißbilligung dem Verhalten des Präsidenten gegenüber be züglich seiner Mahnahmen in der Freitagssihung schroff zum Ausdruck. Der Präsident behält sich vor, bei spaterer Gelegen heit daraus zu antworten. Nunmehr nimmt der Reichskanz ler das Wort zur Regierungserklärung, die Wort für Wort von ihm zur Verlesung gebracht wird. Das Kabinett hat in dem hohen Bewusstsein seiner Verrntwortnug die Frage mit der gröhten Sorgfalt erwogen, ob und inwieweit cs im gegenwärtige» Moment durch Erklärungen vor diesem Hanse die Aufgaben fördern oder schädigen könne, die den sin- kerhanolcrn in London obliegen. Der Reichskanzler beschränkt Mi darum auf ein Mindestmaß in Ser öffentlichen Erörterung. Sr erkläre, dass gemäß den omti Reichstage gebilligten N ckst-- sinicii der Autzeuminiskr vom Kabinett den Aufttag mitgencm- me» habe, er dürfe ferne Unterschrift unter keinerlei Verpflichtungen setzen, die das deutsche Volk nicht tragen könne, an diesem Auf träge sei nichts geändert und werde nichts geändert werden. D >8 Kabinett sei überzeugt, datz der Minister deS Auswärtigen arte N u t e r h a n d l u n g s m ö g l i ch k c i t e n innerhalb der ge zogenen Grenzen auönutzcn werde. Das deutsche Volk w«".oe die Unterschrift seiner Beauftragten einlösen, wenn sie Grenze äutzerster möglicher Leistungen innehalteu, das de.1 sitze Volk werde aber ebenso fest hinter seine» Beauftragten stehen, wen» sie sich weigerleu, ibren Namen unter ein Schriftstück zu fetzen, das Unmögliches enthalte. Die Worte deS ReichSkanz er? wurden init kebhaslcm Beifall ausgenommen. Nunmehr war die Reihe au den Parteien, zu der Erklärung der Regierung Stellung zu nehmen. Dies geschieht für die mehrheitSfozia- Üssischc Partei durch den Abg. Müller-Franken. Was ec >m erste» Teile seiner Rede sagte, der sich in engem Zusammenhang msi den Londoner Verhandlungen befand, war zweifellos anzu. crkeiliien. Sein Wille, am Wiederaufbau des zerschlagenen Eu ropa mir.;»arbeite», wird auch Unterstützung weit über die Kreise seiner Vartei hinaus finden. Was Müller-Franken jedoch im zweite» Teile seiner Rede vorbrackne, war leider nur zu sehr oe- eignet, den günstigen Eindruck des erste» Teiles last völlig schwinde» zu lasse». Ter zweite Teil war eine Parteircde, her» vorgerufen durch di« Furcht vor der «tdikalen Linken und der Absicht, ihnen Agt»att«n«ftofs vorwegzunehmen. Man kann -» wohl begreifen, wenn Hermann Müller diese» oder jene» im Innern de» Reiche» von feinem Parteistandpunkt« einer Kritik, ja vieNeicht ^nem Tadel unterziehen möchte, aber man kann ,» nicht begreifen, wie er im Angesicht der äußerst schwierigen Lag« Worte fand, die nicht geeignet waren, das EinheitSgefüh' ira deutschen Volk« zu stärken und zu kräftigen. Sehr geschickt Lat jedenfalls Hermann Müller nicht operiert; vielleicht hat er einni schlechten Tag gehabt. Schließlich fand er doch noch krän ge Worte zur Sache. Llohd George müsse sich darüber klar sein, datz di« Jndustrieblüte Deutschland» nur eine äußerlich« fei. In allen Städten und Gauen herrsche tiefe Not. Die Verelendung der deutschen Arbeiterschaft würde unbedingt die Verelendung der Arbeiterklassen der Entente nach sich ziehen müssen. Nach ihm sprach namen» de» Zentrum» der Abg. Tr im barn Er beschränkte sich auf «ine Erklärung, in der er mit Recht !>e- tonte, datz eS in dem augenblicklichen Stadium der Be:hardm >- gen unangebracht sei, ohne eingehende nähere Informationen in ersprießlicher Art zu der BerhandlungSmateric Stellung zu nehmen. Ein» jedoch stehe fest, es dürfe nicht« unter schrieben werden, was nicht gehalten »erden könne. Wenngleich Lloyd George» Rede zum scharten -siiber- fpruch reize, wolle er sich in diesem Augenblicke jeg, chee Kniff enthalten und der Hoffnung Ausdruck geben, daß e» schließlich dock) noch zu einer Verständigung komme. Anderer Me nun; war der Abg. Hergt, der namens seiner Freunde auSfübrte, laß sich allerdings die Regierung augenblicklich jeder Stellungnahme mit Recht enthalten könne, die Volksvertreter aber hätten die Pflicht, Stellung zu nehmen. Ilnd man muß sagen, der Redner hatte eine gute Stund«. Seine Abrechnung »nt Llvi» Seorge fand zuweilen stürmischen Beifall, der sich bis n die Mrite und darüber hinaus fortpflanzte. Lloyd George haoe nicht des deut schen Volles, sondern seiner selbst gespottet, als er ,'mS deutsche- Anftkot lächerlich genannt habe. Er wünschte einen loeziellen Plan unserer Regierung über die Beteiligung Deuffch'auds cm den Wiedcraufbauarbeiten in Nordfrankrcich. Nach ihm folgten die Vertreter der äußersten Linken, zuerst der Unabhängige Dr. Br eit sch ei dt. Dieser führte ans: Wir batten widersprochen, datz diese wichtigen Angelegenheiten in so engem Rahmen hier behandelt werden sollen. Gegen die Ausführungen Lloyd Ge orges hätte sofort Einspruch erhoben werden müssen. Auch wir sind u»S des Ernstes der Lage bewußt, aber wir wünschen eine tätige Mitwirkung der Volksvertretung. Auf der Forderung der Entwaffnung stehen wir ebenso mit beiden Füße», die wirt schaftlichen Forderungen von Paris halten wir aber für uner füllbar. Unser Standpunkt bicrvon geht nicht wesentlich von dem der andere» Parteien ab. Würden doch nicht »ur die deut schen Arbeiter an den Rand des Abgrundes gebracht, sondert« auch die der feindlichen Staate». Schuld am Kriege ist nicht das deutsche Volk, sondern die Leiter der damaligen Negierung. Wir müssen die allerschärfste Kritik an den Aeutzernngeu des Mini sters SimonS i» London nuSsprechen. Er ist nicht der geeignete Mann für solche Verhandlungen. Herrn Simons Rede läßt jedes psvchologische Verständnis für die Lage vermissen. Die AnSsuhratzgabe von 12,5 v. H. lehnen auch wir ab, aber wir muhten einen Ersatz bieten. Wir müssen unter allen Umstän den bis Montag die Brücke betreten, die Llovd George, wenn auch unhaltbar, geschlagen hat. Abgeordneter Hergt scheint einen neuen Krieg zu wünschen. Sollen ihn die Arbeiter etwa führen oder denke» Sic das Bündnis zwischen England und Frankreich z„ sprengen? Geben Sir jede Hoffnung auf! Abg. Stresemann iDeutschc VolkSp.): Der Vorredner hat scharfe Angriffe gegen das Kabinett und gegen Minister Simons gerichtet, damit wird er jedoch den Schwierigkeiten der Lage nicht gerecht. Das A und O ist die Frage der Leistungs fähigkeit der deutschen Wirtschaft. Deutschland ist nun und nimmer allein am Weltkriege schuld. Wenn auch di- deutsche und die österreichische Diplomatie grotze Fehler begangen haben, die Politik Telcassö und Poiuearä war sicher eine der Ursachen der großen Wolikaiastrsvlie. Die deutsche Politik war demgegen über iinmer auf de» Frieden eingestellt uad Llovd Georges Worte von dein Hineittiamneln in den Krieg sollen ebensowenig vergesse» werde», wie WilsonS Rede in Eincinnati. wo er sagte, eine besondere Veranlassung znm Weltkriege babe bislang nach nicht sestgestell! werden können. cksäsr uiöoütv ck«w Lüoklvin Ivsvu: s47g OLkrrsIvlkbil«?« VOM l inipinb« kroio 7 tllc., x-sduuckon 9.2 ö Lllc vlins Porto. VVsr siolr slueeüoockor über ckio Lnkkolloacksn Krvi-rniss« »u ä«m bl. Obristusdilcks, cki« uovb inamorkorb äauvro, untvrriokteu visi, a»rü ckiass» Duell lesen. Verlag: »o ocker ckurob: A,ek»a»r»iu. lknntnvin, 81». 9. Nr. 54 Sette 7 Reichskanzler Kehren bach dankt dem Abgeord neten Dr. Stresemann dafür, daß er den Minister Pr. Simon« gegen die Angriffe de« Abgeordneten Brcitscheidt in Schutz ge nommen habe, und betont, datz das unbedingte Vertrauen zu dem Minister in keiner Weise erschüttert sei. Gerade dem Mann, dem die schwierigste Aufgabe zugesallen sei. Schwierigkeiten in den Weg zu legen, sei ihm unverständlich, um so mehr, als doch die Verhandlungen in London noch weitecgehen. WaS die Ausführungen des Abgeordnete» Breitscheidt wegen mangelhaf ter Anweisungen angehe, so werde sich Dr. Breitscheivt an der Hand der »in Hause verteilten Drnckschriften inzwischen wohl von der Unrichtigkeit seiner Ausführungen überzeugt haben. lBeifall.) Abg. Schiffer (Dem.) betont die Entschlietzuug seiner Partei, datz unter den gegenwärtigen Verhältnissen der Regie rung völlig freie Hand gelassen werden müsse. Wir wollen an der Politik der Ehrlichkeit festhalien, nicht unterschreiben, was wir nicht halte» können, aber auch an der Politik des guten Willens, jeden Weg der Versöhnung und Verständigung z» tzc- schreiten, der sich nach unserer Leistungsfähigkeit bietet. Hier, zu komme die Festigkeit, auf unseren Standpunkt zu verharren. Wir sind stolz darauf, datz auch im deutschen Volke sich diese Anschauung durchgesetzt hat, namentlich in den besetzten Ge- bieten. Abg. Stöcker tKoinm.): Wenn die Arbeiter den Verhand lungen kein so großes Interesse entgegenbringen. so liegt da« daran, daß sie wissen, datz sie die schwere Last ja doch allein zu tragen haben, ganz gleich, ob e« sich um 226 oder bl) Milliarden handele. Sic hegen höchsten Mißtrauen gegen die Bürgerlichen, die unter den Opfern am wenigsten leiden werden. Auf den nationalen Schwindel fallen sie nicht herein. Das braucht uns Abgeordneter Hergt nicht weis zu machen. Abg. Leicht (Dayr. VolkSp.): Unsere Vorschläge gehen bis an die äußerste Grenze deS Möglichen. Wir erwarten des halb von der Regierung, datz sie darüber nicht hinausgeht. Abg. Eisenberger lBayr. Bauernbund) verliest eine ähnliche Erklärung seiner Partei, in der er betont, datz Deutsch land keinen Hatz wolle, sondern nur den Frieden. Hierzu könne aber nur allgemeine Zusammenarbeit helfen. Abg. AlpcrS «Welfe) wendet sich an das RechiSgefühl aller Völker. Damit schließt die Besprechung. Montag nochnlittag 2 Uhr: ReedereiabfindungSgesetz, klei nere Vorlagen und Etat. Schlug gegen 9.80 Uhr. Aus dem sächsischen Landtag Das Gcsnmlmiinsteriuin hat in der Sitzung vom 4. März 1921 beschlossen, dem Landtage folgende Gesetzentwürfe vorzu- legen: l. lieber die Errichtung eines Rücklagen» stocket, für die Landwirtschaftsbetriebe des Wirtschastsinini- steriiiins. 2. zur Abänderung der Bestimmungen über die W a n d e r l a g e r st e u e r, 3. über die Tren nung deS Kirchen- und Schuldienstes der VolkS- schullehrer. . . >> Nachrichten aus Sachsen Kriegsbeschädigte und Unfallverletzte als Kraftwag«nftihrer Durch die neue Rcichsverordnung vom 1. Februar 1921, be- treffend Regelung des Verkehrs mit Kraftfahrzeugen, werden u. a. neue Grundsätze hinsichtlich der körperlichen Beschaffenheit der Kraftfnhrzcuzführcr ausgestellt, die insbesondere für Kriegs beschädigte und Unfallverletzte von Vedentnng sind. Währ ud bisher Schäden an Rumpf nnd Gliedern den Betroffenen von ^>ee Führung eines Kraftfahrzeuges ausschlossen, tonnen jetzt rellsit mit Ersatzgliedern cusgerüstete Amputierte als Führer vit Kraft fahrzeugen geeignet erklärt werde», wenn sie einen Aigen be nutzen, der mit Hilfsvorrichtunge» versehen lt. durtz tue ibre körperlichen Män;el ausgeglichen zu werden vermögen. Die Be treffenden haben in solchem Falle dem Amtsärzte das Zeuge. S eines zur Prüfung von Kraftfahrzeugführern ermächtig!,.» amt lichen Sachverständigen vorzulegcn, der ihre körperliche Eignung zur Führung eines ganz bestimmte» Fahrzeuges bestätigt. Er- fordcrlichcnfalls sind noch die behördliche Beschaffungsstelle für künstliche Glieder oder die Prüfstelle für Ersatzglieder gutachtlich zu hören. Für Sachsen kommt in dieser Beziehung in Betracht das Institut für Ktastsahrwefen an der Technischen Hochicku-e Dresden, das aintliche Sachverständigenstelle für die Prüft na von Kraftfahrzeugführern ist, und dessen Leiter. Prof. W awrz i- niak, gleickBeitig als Vorsitzender für den technischen Teil der sächsischen Prüfstellen für Ersatzglieder wirkt neben Heiru Ober- generalarzt Prof. Dr. Kolli ker, der die ärztlichen Anl iegenheiten der Prüfstelle vertritt. Die Kriegsbeschädigten und Unfallverletzten, die ein Kraftfahrzeug führen wolle», werde i sich deshalb zweckmäßig vor der amtsärztlichen Untersuchung mit Herrn Professor Wawrziniak in Verbindung zu setzen haben, der unentgeltlich zur AuSkuiiftöerteilnng und Beratung bereit ist. Sächsisch.: V -''-- e> "I N <>'. 54 - - 7. März 1921 Du sollst nicht richten Nomoi' von Erich Friesen (Nachdruck verbeten.) (83. Fortsetzung.) Zuerst balle ihr Herz noch schmerzlich ausgezackt in dem Bewußtsein, datz Heinz Lingstedt nichts mehr von sich hören lieh, das. er sie also augenscheinlich schnell vergessen hatte. Mil ge heimem Weh fühlte sie. datz sie doch immer noch gehofft halte, wenigstens ein paar Zeilen deS Abschiedes zu erhalten. Und min nichts — nichts! Freilich, es war ja das beste so; eL durfte ja gar nicht an ders sei»! Und doch — und doch — — Salamea und ihre Kinder hatte Irmgard wahrend all der Monate nicht gesehen. Eine unüberwindliche Scheu hielt sie von dein Hanse oben in der Brunnenstratze zurück. Sie fürchtete, jenem schrecklichen Menschen dort zu begegnen, der ihr zuerst die furchtbare Wahrheit ins Gesicht geschleudert. Sie schämte sich vor Salomea, datz sie trotz ihrer Kciintuiö des wahren Sachver haltes nichts tat, um das Unrecht zu sühnen. Aber sie brachte eö nicht übers Herz, jetzt, da sie den lang samen Verfall der Lebenspeistcr deö Vaters dicht vor den Augen hatte, ihm durch irgend einen einschneidenden Schritt die letzten Stunden »och zur Hölle zu machen. Vor vielen Wochen hatte sic ein kurzes Billett von Salomea erhalten mit den wenigen, für das siebende, angstvoll besorgte Tochterhcrz so uncndttch beruhigenden Worten: ..Teuerste! Tu kannst ganz ruhig fein. Von mir hat Dein Vater nichts zu fürchten. Auch von jenem Manne nicht, der Dich neulich derart erschreckte. Geld allein macht nicht glücklich — ich weiß eS jetzt nur zu gut. Salomea." Als Irmgard voll innigen Dankgcfühls den Zettel an ihr heftig pochendes Herz drückte, ahnte sie nicht, welch heiße Kämpfe Salomea mit ihren, Onkel auszufechten gehabt hatte, bis e» sich, wenn auch murrend und knurrend ihrem Willen fügte Mit dem Gatten war es Salomea nicht schwer geworden. Kurt Atseiis frohgemute, leichtlebige Künstlernatur nahm stets alles von der beste r Seite. Sein neuestes Bild halt« auf der große» Kunstausstellung eine lobende Erwähnung erhalten — seine Knnstlerseele war befriedigt; bte Käufer würden schon folgen. Der brave Südafrikaner hatte lange nichts wissen wollen von ..Großmut' und „christlicher Barmherzigkeit"; er nannte eS einfach „Blödsinn* und „Hirnvcrrücktheit". Aber Salamea hatte so lange gebeten, sie war schließlich, als Bitten nichts half, böse geworden und hatte erklärt, sie würde sich von der ganzen Sache ioSsageu. wenn der Brummbär von Onkel gegen ihren Willen irgend etwas cigrnmächtig unternehme. Was blieb dein guten Onkel Mellini anders übrig, als nachzugeben? Zuerst knurrte und schimpfte er noch in allen Tonarten. Tann schwieg er. Nnd schließlich klopfte er schmunzelnd auf seine Tasche und meinte: „Na, meinetwegen! Ter alte Onkel ist ja auch noch da mii seinen Moneten. Hunger braucht ihr weniastens nicht mehr zu leiden. Das ist mein Trost!" Für das nahende WeihnachtSfest hatte der brave Mann sich eine ganz besondere llebcrraschniig ausgcdach'l. Nur Minna war ins Vertrauen gezogen, weil er die Ratschläge des kleinen Dienstmädchens in diesem Falle nicht entbehren konnte, sind ihres Schweigens war er sicher. — Vorüber war der heilige Abend mit seinen kleinen Freuden und Aufregungen. Der Südafrikaner hatte ihn bei seiner Nichte verlebt — merkwürdigerweise ohne nennenswerte Geschenke. Nur die Kinder hatten etwas Spielzeug und Süßigkeiten erhalten. Dafür aber batte „Onkel Paul" für den ersten Feiertag eine Spazierfahrt in Aussicht gestellt. Richtig hielt auch nachinittags gegen 3 sihr ein Mietauto vor dem Hause Brnnnenstratze 15. „Nur inimer hinein!" kommandierte Onkel Pauk schmun zelnd. ohne zu sagen, wohin die Fahrt gehen sollte. Kurt und Salomea folgten der Aufforderung etwas ver wundert. Die Kinder im Hellen Jubel. Minna, die Kleni-Evchen auf dem Arme hatte, mit vor Aufregung knallroten Backen. O. sie wußte ja — sie allein wußte 1 Obgleich es bitterkalt war — eS hatte mehrere Tage lang heftig geschneit und noch jetzt fielen vereinzelte Schneeflocken hernieder, die jedoch in, Stratzentrubel bald als dunkle Schmnh- masse untergingon — herrschte fröhlichste Stimmung. Eine Spazierfahrt! sind im Auto!! So groß war die allgemeine frcndige Erregung, daß keiner so recht aus den Weg achtete. Bis plötzlich der Straßenlärm ab« ebbte und die Gegend freier wurde. Kein schworzgrauer Schmutz mehr. Keine hoben Mietskasernen. Dafür vereinz-üe Pillen, sind meißle,ichtender Schnee ringsum. Die Augen der Kinder strahlten. Schnee!! «chnceü Wirklicher, klarer Schnee!!! Wie selten sehen ihn die armen Grotzstodtkinder — zumal die Kinder im Norden Berlins, wo jede weiße Flocke gleich unte'iaucht in schiinitzlggraneS Sch-niersal! Plötzlich ein Ruck — das Auto hielt. „Hcrau-S!" kommandierte Onkel Paul. „Ach, schon —jammerte» Gert nnd Ilse. „Es war so schön!" — Ibre Enttäuschung verwandelte sich aber i» Hellen Jubel, als sie einen Sä,litten Var sich sahen. Einen wirklichen Schlitten, mit Schellengeläute und warmen Wolldecken!! „Hinein!" komwandierte Onkel Paul. Gleich daraus saß die ganze Familie im Schlitte», sind unter Schellengeläute »nd Peitschciigeknalle ging es über di« glünzcndweitze Schneesläche dahin — — Wohin? Sie fragten es gar nicht, die glückliche» Kinder. Wie verzaubert saßen sie da. Sie Härten sich gar nich! inehr ge wundert, wenn plötzlich ein Schloß sich t'vr ihnen ansgc'an hätte, mit einer strahlenden Fee! Auch Kurt and Salomea fragten nichts. Sie säumen sich sin Jubel ihrer Kinder. Der Südafrikaner hatte ein breites, psijfigeü Lächeln aus seinem runden Gesicht, sind Minna pretzw die Lippe» krampfhaft zusammen, damit ja kein Wort des großen Geheimnisses herauspurzelte. Immer weiter sauste der Schlitten — iminer weiter Jetzt eine breite Allee entlang. . . vorbei an schneebedeck ten Kiesernwaldungen, ans deren Gezweig der Schnee wie kri stallisierter Zucker glänzte . . . hinein in eine villeiiiinijällmte Straße . . . Plötzlich — ein Peitschenknall Der Schlitten hielt vor einem kleinen Landhanse. sind wieder kommandierte Onkel Paul: „Heraus!" Schon waren die beiden Kinder ans den Schlitten gespru» ^ gen. Bedächtiger «olgte» die Eltern. Was sollte da?- alles n,ch bcdruten? Die Fenster deö traulichen Holzhauses waren erleuchtet« Wie im Weihnachtsmärchen blinkten die Hellen Fenster aus- d« Winterlandschaft zu ihnen herüber. Onkel Pan! läutete. Em junges Mädchen, nicht viel alte« als Minna, ober seiner, gewandter, mit weißer Latzschürze und wcitzem Häubchen aus dem blonde» Kranskopf, sprang aus dem Hause und öffnete das niedrige Gartenior. (Fortsetzung svl«.,