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2 Beilage zu Nr. 21 MMlM Tügkbllltt llllÜ WllldkNDM AMtztt Sonntag, den 2S. Januar 1931 Geschichten, die der Feldherr mit seinen Leuten derb und zutraulich sprach. Da konnte man ihm nach heißer Schlacht schon zurufen: „Hör', Fritz, für 13 Pfennig ist genug heute!", wie bei Kokin, aber nach dem Kampfe trug man Ihm an, zuerst den Trunk Wasser zu nehmen mit den Wor ten: „Es ist nur gut, daß Sie leben. Unser Herrgott wird uns schon wieder den Sieg geben!" Auch nach dem Kriege wurde übrigens der König mal unliebsam an diese Unglücksschlacht erinnert. Beim Zieten- schen Regiment fiel ihm ein Husar wegen seiner Hiebnarben im Gesicht auf: „In welcher Bierschänke hat Er denn die Hiebe bekommen?" — Antwort: „Bei Kolin, wo Eure Majestät die Zeche bezahlen mußten!" Friedrichs Hauptgedanke und ständiger Beseht war, wenn er fiele, dies unbemerkt zu halten, solange die Schlacht im Gange war, und für den Fall der Gefangenschaft nicht die mindeste Rücksicht darauf zu nehmen, sondern die gute Sache weiter zu verfolgen. „Ich bin nur König, solange ich frei bin!" Höchste Bewunderung zollt dem Pflichtgefühl des Fürsten der — französische Marschall Belle-Isle. Er schil dert in einem Briefe aus dem Lager zu Mollwitz, wie Fried rich sich inmitten seiner Truppen um alles kümmerte, möge es sich um Schlachtplan, Postenabreiten, Spioneverhör und Vernehmung von Kriegsgefangenen, um Verpflegung oder um technische Anordnungen jeder Art gehandelt haben. Das kannte der altgediente Franzose natürlich nicht! Dafür vergalten die Mannschaften dem König und Herrn wacker Treue um Treue! Als er den bekannten Be such im Schloß zu Lissa machte, konnten die zurückgebliebe nen Truppen, die ihn mit ganz unzureichender Bedeckung hatten losziehen sehen, sich nicht halten, sie fürchteten für ihren königlichen Kameraden; kurz entschlossen — Offiziere und Mannschaften waren einig — rückt? die ganze Armee ihm nach. W. L. Sanier Wochenspiegel. Politik und Sport. — Der Aall Schmeling. — Sensation-, macherei, die sich rächt. — Die Bedeutung der Olympiade. — Die Geschmacklosigkeit aller Ehrengeschenke. Ohne Zweifel ist Politik und Sport nicht ohne weiteres voneinander zu trennen, aber der Fall Schmeling, der in der Presse zu großen Meinungsverschiedenheiten ge führt hat, zeigt genau, wo die Verquickung von Sport und Politik ihr Ende erreicht. Es gibt dafür eine einfache For mel. Dort, wo der Sport aufhört, Sport zu bleiben, hört er auch auf, für die Politik nützlich zu sein. Wo der Sport aber zum Geschäft wird, geht sein idealer Grundcharakter verloren, und der Boxsport, besonders in Amerika, ist zum reinen Geschäft geworden. Jeder Boxer geht nach Amerika, nicht um nationale Belange zu vertreten, sondern um Dol lar zu machen. Der Fall Schmeling wirkt deshalb besonders kraß, weil man dem jungen Schmeling vor seinem Kampfe mit Sharkey zu viel sportlichen und nationalen Idealismus zutraute. Wir hofften, er würde in Amerika nicht nur mit dem Bizeps, sondern auch mit seiner fairen Sportgesinnung Eroberungen machen. Die Leistungen seines Bizeps sind, wenn man gänzlich neutral bleiben will, durch Sharkeys Tiefschlag nicht auf die schwerste Probe gestellt worden. Seine faire Sport gesinnung wird aber angezweifelt, denn das bedingungs lose Revancheversprechen an Sharkey blieb unerfüllt. Schon vorher bei seiner Reklametournee in Deutschland zeigte Schmeling mehr Geschäftsgeist als den Sportsinn, den seine deutschen Bewunderer erwarteten. Man mußte also damit rechnen, daß auch seine weiter« Tätigkeit in Amerika mehr geschäftlicher Natur sein würde. Der Kamps Schmelings zwischen Neunork und Ehi- cago dreht sich mehr darum, wo mache ich die meisten Dollars. Wir wollen also Herrn Schmeling nicht mehr als moralischen Faktor unserer Außenpolitik betrachten. Jetzt rächt sich jene Sensationsmacherei, die wir immer ver schmähten, die in „eisernen Gustaven" und „Preis- boxern" eine zweite Garnitur Diplomaten erblicken wollte. Auf die Olympiade in Los Angeles wollen wir unser nationales Sportinteresse konzentrieren. Dort, wo die Sportpresse der ganzen Welt, wo Vertreter der ganzen Welt zusammenkommen, wirken sportliche biege auch politisch. Siege in der Olympiade gelten als Wert messer der Voltskraft und Volksgesundheit. Deshalb sollte außer dem gewissenhaften Training auch in den Vertretern, die nach Los Angeles fahren, das Bewußtsein, daß sie zu gleichwürdige Vertreter deutscher Art sind, so stark werden, daß sie alle Energie auf den Sieg richten. Da wir gerade beim Sport sind, darf man auch ein mal eine andere Schattenseite des Sports erwähnen, di« sogenannten „Ehrenpreise". So gut die Ehrung ge meint ist, die Preise haben alle eines gemeinsam: sie sind unpraktisch und scheußlich. Man glaubt gar nicht, was für Unsinn sich aus Silber oder Bronze treiben läßt: schwülstige, unförmliche Pokale, klobige Ritter, unglaubliche Rennpferd« oder Sportsmenschen, phantastische Tafelaufsätze usw Wenn man in einem Schaufenster einmal eine Sammlung von Sportpreisen sieht, so glaubt man in eine „Schreckens kammer des Silbers zu geraten. Hierin könnte man wirt lich einmal modern werden. Die Silberschmiede und Kunst handwerker sollten einmal Ehrenpreise schaffen, die prak tisch und sinnvoll sind und die wirklich Freude bereiten. Bis jetzt haben diese Ehrengeschenke höchstens Tronsport- schwierigkeiten verursacht. Wir wollen jedoch gerecht sein, dieser Mangel haftet nicht nur den Sportpreisen an, sondern allen Ehren geschenken. Sei es silberne Hochzeit oder Geschäftsjubiläum, sei es zur Einsegnung oder zum 100. Geburtstage, all dies« Ehrentage bringen eine Flut altmodischer, verhaßter und unnützer Geschenke ins Haus. Ein jeder sollte dazu bei tragen, daß sich das endlich einmal ändert. Jörg Albert Lortzing. Zu seinem 80. Todestage am 21. Januar. Von Herm. Stoltz. Die Lortzingsche Musik entspricht in ihrer Einfachheit und Frische so sehr dem deutschen Volksempfinden, daß man von ihr wohl behaupten darf, sie sei ihm gewisser maßen direkt entsprungen, und niemand wird es bestreiten können, daß Albert Lortzing mit seiner reichen Begabung gerade für den deutschen Volkston zu den Besten seiner Zeit gezählt werden muß. Und doch war diese seine Zeit ihm eigentlich alles schuldig geblieben, darum wirkte es saft wie ein Hohn, als ihm, den ein unerbittliches Schicksal bereits in den besten Mannesjahren zermürbt und hin gerafft hatte, nun im Tode ein glänzendes Leichenbegäng nis bereitet wurde. Gustav Albert Lortzing wurde in Berlin am 23. Oktober 1801 als der Sohn eines ehemaligen Leder händlers geboren, der seine Gattin, eine geborene Seidel, kennen und lieben gelernt hatte während der Aufführun gen am Liebhabertheater Urania in Berlin. Trotz voll ständiger Mittellosigkeit der Eltern erhielt Albert, der einzige Sohn, eine vorzügliche Erziehung, und Rungen- hagen, der bekannte Direktor der Berliner Singakademie, erteilte ihm selbst gründlichsten Unterricht in der Musik, da Albert bereits in den frühesten Jahren hierzu eine ganz besondere Neigung bekundete. Im Jahre 1812 siedelte der junge Lortzing mit seinen Eltern nach Breslau über, wo diHe am Stadttheater En gagement gefunden hatten, aber hier war ihres Bleibens nicht lange, und es begann nun jahrelange Wanderung von Stadt zu Stadt, wobei der kleine Albert sich in Kin derrollen nützlich machen muhte. In den Notjahren 1816/17 unterstützte er sogar seine Eltern schon durch Notenschreiben, wie er überhaupt Zeit seines Lebens der pflichteifrigste und dankbarste Sohn war. In Köln verheiratete sich Lortzing, erst zwanzig Jahr alt, mit der Schauspielerin Regine Ahles, mit welcher er in der glücklichsten Ehe bis zu seinem Tode lebte. Von 1826 bis 1833 war Lortzing am Detmolder Hoftheater; von dort ging er nach Leipzig, wohin ihn Ringelhardt, ein alter Bekannter, berufen hatte, der zu gleicher Zeit auch dort seine Eltern engagierte, und zwar den Vater als Kassierer, die Mutter als komische Alte und ihn als Schauspieler und Sänger. Diese Jahre in Leipzig, an der Seite seiner geliebten Eltern und seines sanften Weibes, Waren für Lortzing die schönste und für seine künstlerische Tätigkeit die fruchtbarste Zeit seines Lebens. Hier entstan den von ihm Werke, die ihn nachher zum Liebling des deutschen Volkes gemacht haben, auch ging hier sein lang- ähriger Wunsch, als Kapellmeister am Stadttheater nur >er Musik leben zu können, einige Jahre später in Er- üllung. Seiner ersten Oper „Die beiden Schützen" folgte die Oper „Zar und Zimmermann", welche sich sehr rasch auf den deutschen Bühnen einbürgerte, dann „Casanova" und .Der Wildschütz". Inzwischen war auch seine romantische Oper „Undine" mit Erfolg an mehreren Theatern zur Auf- sührung gelangt, und im Jahre 1846 brachte Lortzing auf dem Theater an der Wien zu Wien erstmalig seinen .Waffenschmied" zur Aufführung, worauf er hier die Ka pellmeisterstelle übernahm. Aber auch hier hatte Lortzing kein Glück, denn das Unternehmen löste sich auf, und wie der versuchte er, in Leipzig festen Fuß zu fassen, was ihm ober auch nur vorübergehend gelang. Nun trat er in be drängten äußerlichen Verhältnissen wieder als Schauspieler auf an kleineren Theo ern, geriet aber mit seiner Familie w immer größere Bedürftigkeit, die auch eine ihm 1850 Übertragene Kapellmeisterstelle am Friedrich - Wilhelm städtischen Theater in Berlin nur recht wenig besserte. Am 21. Januar 1851 starb der Schöpfer so vieler ent rückender Werke verkümmert und gebrochen in Berlin, wo auch seine Wiege gestanden hatte, am Schlagsluß. Für seine Witwe mit fünf unversorgten Kindern wurde durch eine Sammlung deutscher Theater ein Versorgungsfonds ge- sthaffen, so daß seine Gattin nun von Kummer und Not gefreit war. Sie überlebte ihren Mann aber nur um reich- "ch vier Jahre. Achim von Arnim. 1SZ1. — 21. Januar. — 1931. Unter den Romantikern nehmen Achim von Arnim und Brentano dadurch eine Sonderstellung ein, daß sie wie Schatzgräber mit ganzer Hingabe allen Spuren des deut- Ubn Volksliedes und des alten Volksreimes nachgingen M m emer Sammlung diese unerschöpfliche Fülle dieser d" Allgemeinheit wieder zugänglich machten. Ar Ph.loloa mag an der Genauigkeit und Echtheit mancher AUcke zweifeln, der empfindende Mensch aber spürt, wie seine Dichterseele behutsam dieses alte deutsche Kul turgut zütageförderte und in einer Form herausbrachte, die unbelastet von gelehrtem Kram nur das schlichte Wort wirken ließ. Mit Recht nannten die Herausgeber diese Sammlung „Des Knaben Wunderhorn", denn wie aus einem Wunderfüllhorn wurde von diesen Volksdichtungen die deutsche Lyrik reich befruchtet. Unsere Meisterlyriker Uhland, Eichendorfs, Möricke, Heine usw. wissen, was sie dieser neuerschlossenen Quelle zu danken haben. Genügt dieses Werk allein schon, um Achim von Arnims Namen unsterblich in der deutschen Literaturgeschichte zu verankern, so bergen auch die anderen Werke des Romantikers Per len der Erzählungskunst. Freilich, eine zügellose, unbändig, Phantasie hat diese Perlen unter einer Flut weitschweifige, Phantastereien begraben, die den Genuß sehr erschweren Auch sein unvollendetes Hauptwerk: „Die Kronen- Wächter" leiden an diesem Mangel an Konzentration. Achim von Arnim konnte seine Phantasie um so un gebundener spielen lassen, weil keine materiellen Sorgen sein Dasein bedrängten. Am 26. Januar 1781 wurde er in Berlin geboren. Er ist ein Sproß einer der ältesten ucker märkischen Adelsfamilien, genoß eine gute Schulbildung und studierte später in Halle, Göttingen und Heidelberg. In Heidelberg wurde er Brentanos intimer Freund, dessen berühmte Schwester Bettina er 1811 heiratete. Vor hundert Jahren, am 21. Januar 1831,, starb er auf dem Arnimschen Familiengut Wiepersdorf bei Dahme in der Mark. Wenn wir „Des Knaben Wunderhorn" als das dauerndste Werk Arnims und seines Schwagers Brentano ansehen, so findet man unter Arnims Dichtungen aber noch genug, was wert ist, die Zeiten zu überdauern. Neben den „Kronenwächtern" ist der Roman „Armut, Reichtum, Schuld und Buße der Gräfin Dolores" beachtenswert, sowie einige wertvolle Erzählungen, wie „Die Majoratsherrn", Isabella von Aegypten" und einige zu Unrecht viel zu wenig bekannte lyrische Gedichte. Mehr als Worte kann eine Probe den Leser von der lyrischen Kraft dieses Roman tikers überzeugen: „Gib Liebe mir und einen frohen Mund, Daß ich dich, Herr der Erde, tue kund, Gesundheit gib bei sorgenfreiem Gut, Ein frommes Herz und einen festen Mut; Gib Kinder mir, die aller Mühe wert, Verscheuch die Feinde von dem trauten Herd! Gib Flügel dann und einen Hügel Sand, Den Hügel Sand im lieben Vaterland; Die Flügel schenk' dem abschiedschweren Geist, Daß er sich leicht der schönen Welt entreißt. Dieses frohe und kraftvolle Gebet Achim von Arnims möge unsere Betrachtung anläßlich seines hundertsten Todestages beschließen. Achim von Arnim durfte auf ein reiches und schönes Leben zurückblicken und ruht in Ehren unter dem „Hügel Sand im lieben Vaterland." I. B. König Friedrich, der Frontsoldat. Zu seinem Geburtslage am 24. Januar. Wer wahrhaft deutsch ist, dem schlägt das Herz höher, wenn im Kreise der Kameraden von den großen Zeiten unseres gemeinsamen Vaterlandes gesprochen wird: „Des Krieges Lust und Qual, dis alten Kampfgenossen durch leben's noch einmal." So schildert es schon Fontane, so ging es bei „Tisch in Sanssouci" zu, als Friedrich der Sieg- reiche mit seinen Getreuen von vergangenen Tagen sprach. Der Preußenkönig, der den Kameradschafts, und Ehrennamen „der Alte Fritz" trägt, hat das heldische Ideal durch sein Leben in die Wirklichkeit übertragen, wie es sogar in der ruhmvollen deutschen Kriegsgeschichte einzig dasteht. Das schönste Blatt in seinem Lorbeerkranze ist bei allerüberragenoer Bedeutung seines Wirkens als Politiker, als Feldherr, als Landesvater, seine enge Verbundenheit mit seinem Heere. Kein Mensch hätte es ihm verdacht, wenn er aus wohlbewachter Hut heraus seine Armeen geleitet hätte, doch Friedrich dachte nicht daran, sich persönlich — auch nicht im Staatsinteresse — zu schützen. Hatte er es von seinem Vater gelernt, das Geschick auch des einzelnen mit treuen Äugen zu verfolgen, war es auch Tradition, nie weit vom Schuß zu sein — der Große Kurfürst wäre ein weiter hervorragendes Beispiel für die höchste Mannes tugend! —, so führte Fridericus rex sein Soldatenleben ganz und gar als Kamerad auch des jüngsten Grenadiers. Daß hierdurch seine Autorität nicht litt, sondern wuchs, ist ein vorzüglicher Beweis für die Vornehmheit seines Charakters und für das Feingefühl auch seines einfachsten Soldaten. Ständig war der Herrscher auf dem Posten, und wo die Luft am dicksten war, war er bestimmt mitteninne! Sein einziger Gedanke war „Vorwärts", und dieser Geist belebte all seine Truppen. Da hatte denn auch ein freies Wort hin und zurück seine Statt, und bekannt genug sind unzählige