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Beilage zu Nr. 124 WilbllM Tageblatt and Waldenburger Anzeiger Donnerstag, d-n 29. Ma, i9M Senffcher Reichstag.. der nerung — Berlin, 27. Mai 1930. Auf der Tagesordnung der Dienstagssitzung des deutschen Reichstags stand die zweite Beratung des Haushalts ves R«ichSwirtschaftsmi«isteriums. Ar Ausschuß hat u. a. für die Leipziger Messe ^0 000 Mark in den Haushalt eingesetzt. In einer Entschließung wird eine Klärung der Vorgänge beim Zusammenbruch der Frankfurter Allgemeinen Versiche- Nrngs-A.-G. (Favag) verlangt. Das Zentrum legt eine Mhe von Entschließungen vor, in denen beschleunigte Erlegung des Ausgabensenkungsgesetzes, Prüfung des Auftragsivesens, Verkleinerung der Spanne zwischen Soll- und Haben-Zinsen, Maßnahmen uni Zwecke der Exportförderung gefordert werden, ^ine weitere Entschließung des Zentrums wünscht Ebenso wie eine deutschnationale Entschließung baldige .Vorlegung eines Gesetzentwurfes über die Indu« "riezölle. Die Sozialdemokraten fordern Aendcrun- des Aktienrechts und ein Kartell- und Monopol- Ksetz. Staatssekretär Trenvekenb erg ^tete die Verhandlungen ein und bedauerte, daß der I^^wirtschaftsminister Dietrich infolge seiner Erkran- Ä "lcht im Reichstag erscheinen könne. Zu dem Ge- ^MProblem des Kartellwesens jetzt Stellung zu nehmen, b' nicht zweckmäßig, da der Enquete-Ausschuß seine Ar- ruen noch nicht abgeschlossen habe. Um die bei dem Zusammenbruch der Frankfurter All- ^inrn hervorgetreten Mängel für die Zukunft nach Mög- I»-'t auszuschlicßen, werde den gesetzgebenden Körper- ^iten in kürzester Zeit ein Gesetzentwurf zur «enderung 7/ Versichernngsaufsichtsgesetzes zugeleitet werde«. Das stück -es neuen Gesetzes bestehe darin, daß de« Ber- ^erungsunternehmungen die Pflicht auferlegt wird, ihren ^nungsabschlutz alljährlich durch unabhängig« Revisions- ^»schäften Prüfen zu lassen. b gelegentlich der Denkschrift über den Zusammenbruch ^Frankfurter Gesellschaft, die dem Reichstag in einigen Zechen zugehe, werde eingehend über diese Dinge zu spre- sein. Abg. Tarnow (Soz.) bezeichnete es als unmöglich, Mesichts der großen Arbeitslosigkeit die Wirtschaftspolt- den Interessen der Landwirtschaft unterzuordnen. In Frage des Zollabbaues sollte Deutschland vorangehen. Hauptursache der großen Arbeitslosigkeit sei die über- ^te und übertriebene Rationalisierung der deutschen Mschaft. Die Bestrebungen auf Lohnabbau verdienten ^rfste Zurückweisung. Abg. Reichert (Dntl.) lehnte die Genfer Abmachun« über den Zollfrieden ab. Auch dem Paneuropa-Plan ,?!?nds müsse man mit Mißtrauen begegnen; er atme den von Versailles. Zum Schluß erinnerte der Redner t,.die neuerdings in industriellen Kreisen verlangte grö- politische Aktivität der Wirtschaft. Im Zusammenhang ^'t richtete er an die Politiker den Appell, sich mehr die Wirtschaft zu kümmern und den WirtschastSführerN " mehr Vertrauen zu begegnen. Abg. Dr. Dessauer (Ztr.) führte aus, die PreiS- bleibe in der Spanne zwischen Verbraucher und d/?°uzent stecken. Wenn sie sich voll auf die Kleinhandels- auswirrte, würde das Nominaleinkommen eine um l,?? 2l) Prozent gesteigerte Kaufkraft haben. Redner kün- Leiter einen Antrag an, der Maßnahmen zur Sen- "a der Preisspanne vorschlägt. t^Der Haushalt des Postministeriums wurde unverändert ^Nommen. Die Anträge der Kommunisten auf Senkung tz, .Rundfunkgebühren und der Fernsprechgebühren Mr tz.UsPrecher wurden abgelehnt. Das Gesetz Über die dn^vostvereinS-Verträge wurde in allen drei Lesungen j 3n der fortgesetzten Aussprache zum Haus die Weiterberatung aut WirtschaftS-HauShalt »I,ftte Abg. Ewert (Kom.), an der Arbeitslosigkeit sei 'm das kapitalistische System schuld. Ij- Abg. Keinar th (D. Vp.) erklärte, es sei bedauer- kenn infolge der Umgestaltung dem Kuratorium die Ih.Mle und unentgeldliche Mitarbeit hervorragender Wirt- "siührer verloren ginge. vertagte das Haus die Weiterberatung au» ÜH Reichstag-abgeordnete weniger? Vorschläge für das Ausgabensenkungsgesetz. , Im Reichsfinanzminister^um ist ein vorläufige? ii^ntenentwurf für das Ausgabensenkungsgesetz ftr- dMftellt. Der Entwurf wird in der nächsten Zeit Kabinett beraten werden. Er sieht, wie der ,D>e- hMatifche Zeitungsdienst" berichtet, sehreinschneidende »^»nahmen im Hinblick auf den Behördenabbcm und l veamtenrechtlichem Gebiet vor. z.. Weiter wird in dem Gesetz auch der Vorschlag di^cht, die Zahl der NeichStagsabgeorvneten zu ver« s^ern, und zwar soll das geschehen durch eine Aen- stj "ng -cs Wahlgesetzes. Das bisherige Wahlgesetz be- «^wt, daß auf 60 000 Stimme» ein Abgeordneter stellt. Nach dem Vorschlag des Reichsfinanzmini- ,^vms soll erst ans 80 000 Stimmen ein Abge« tzj."eter entfallen. Das würde bedeuten, daß nach den h,-^n der Rcichstagswahl am 20. Mai 1028 der lko'^tag nicht 400, sondern wenn die zersplitter- >,« Tammen mitgerechnet werden, nnr 384 Abg«orv- zahlen würde. Es würde also eine Ersparnis von mehr ^ielo^O 0 Abgeordneten bringen. Daß auf ijch Weise die Ausgaben des Deutschen Reiches wesent- gesenkt werden, muß einstweilen bezweifelt werden. , Die Zerstörungswut hat gesiegt. d/Flugzeughallen müssen zerstört wer- u. — Entscheidung der Botschafte r- . konserenz. > Bemühungen der deutschen Diplomatie um Flugzeugaulagen i« besetzten Gebiet veraebens. Nack lanawieriae« Berckaudlnugen hat die Botschafterkonferenz jetzt entschieden, daß sämt liche Flugplatzanlagen, die bisher den Besatzungstrup- pen zur Verfügung standen, zerstört werden sollen. Es handelt sich dabei in erster Linie um Flugzeughallen und Klugplatzanlagen in Germersheim, Kaiserslautern, Trier und Neustadt. Im Jahre 1926 ist zwischen Deutschland und der Botschafterkonferenz ein Abkommen getroffen worden, wonach die ehemaligen Militäranlagen dem Reich zur wirtschaftlichen Verwertung binnen drei Jahren über lassen werden sollen. In dieser Liste waren auch die Lüstschiffhallen und Flugplatzanlagen enthalten. Ob gleich die Liste damals die Genehmigung der Botschaf terkonferenz gefunden hatte, berief man sich jetzt daraus, daß der Versailler Vertrag für alle Flugzeugeinrich tungen und Luftschiffhallen die Zerstörung und die Verwertung des Materials zugunsten der Sregermächte vorschrieb. Alle Kompromißvorschläge Deutschlands wurden abgelehnt, so daß die Zerstörung oder der Ver kauf des Materials im Zusammenhang mit der Räu mung erfolgen muß. Nur zwei nach einem Brande neuerbaute Hallen in Neustadt werden nicht zerstört; sie dürfen jedoch keine Verwendung für Luftfahrtzwecke sinden. Zu den kommenden Reuwahlen. Ein demokratischer Wahlaufruf. Der Landesparteivorstand der Deutschen Demo kratischen Partei nahm auf seiner in Dresden stattgefundenen Tagung zu der gegenwärtigen Krisis und zu den bevorstehenden Landtagswahlen in einer Entschließung Stellung, in der es u. a. heißt: „Der Parteivorstand billigt die Haltung der bisherigen demokratischen Landtagsfraktion und spricht ihr seinen Dank aus. Dem staatsmännischen Vorgehen Dr. Dehnes nach dem Sturz der Regie rung Bünger ist es zu verdanken, daß nach monate- langem fruchtlosen Verhandeln dock noch eine arbeits fähige Regierung zustanöekam. Gleichwohl haben sich die Nationalsozialisten mit den Kommunisten und Sozialdemokraten zur Auflösung des Landtags ver bündet. Das sächsische Volk hat es bei den bevorstehenden Wahlen i? der Hand, die verantwortungslosen Elemente aus dem Landtag zu entfernen und poli tischem Verantwortungsgefühl und positiver Arbeit für Staat und Volk die Wege freizumachen." * Die Kandidaten der Wirtschaftspakte!.. Die Reichspartei des deutschen Mittelstandes hatte ihren Landesvorstand nach Leipzig ein-, berufen, um zu den Neuwahlen Stellung zu nehmen. Es wurde einstimmig beschlossen, den bisherigen Landtagsabgeordneten der Partei das Vertrauen auszusprechen und sie ohne Aenderung der bisherigen Listen wiederaufzustellen. Sie Osthilfe — eine deutsche Schicksals frage. Die Tagung des Deutschen Ostbundes in Erfurt. Der Landesverband Sachsen-Thüringen des Deut schen Ostbundes hielt in Erfurt eine Vertretertagung ab, die sich vor allem mit der Osthilfe und der Entschä digungsfrage befaßte. Der 1. Vorsitzende, Lehrer J-erntheil, wies in einer längeren Ansprache aus die Bedeutung des deutschen Ostens für das ganze Reich hin. Es fei ein Verdienst des Reichspräsidenten von Hindenburg, nachdrücklich Hilfe für den Osten gefor dert zu haben. Vorbedingung zum Gelingen des ge. Planten große« Werkes sei jedoch, daß das ganze Volk erkenne, daß das Schicksal Ostpreußens mit dem Schicksal des Deutschen Reiches untrennbar verbun den sei. In der Aussprache wurde betont, daß ungeheuer? Landstrecken in Ostpreußen brachliegen, weil man keine Arbeiter zur Feldbestellung habe. Der 1. Vor sitzende behandelte dann in einem weiteren Vorträge die Entschädigungsfragen. Ueber das Thema „Frauenarbeit im Lstbunde" sprach Frau Gottschlick, die zur Bildung eines Frauendienstes in den Orts- gruppen aufforderte. Den übrigen Teil der Veranstaltung bildete die Behandlung einer großen Zahl Fragen über die innere Lage der Ortsgruppen und des Verbandes. Ernste Lage in Mien. 4V Todesopfer in Rangoon. — Neber Svv Verletzte, In Britisch-Jndien ist es an den letzten Tagen in verschiedenen Städten erneut zu sehr ernsten Zusam menstößen gekommen, und zwar handelt es sich diesmal weniger um die durch den Nationalistenführer Gandhi eingeleiteten Angriffe auf die englischen Salzlager, als um die große Streikbewegung in den indischen Hafen städten. Der Herd der gegenwärtigen Streikunrnhen ist die Stadt Rangoon in Hinterindien, wo die Hafen arbeiter schon vor längerer Zeit in den Ansstand ge treten sind. Seit einigen Tagen kommt es hier täglich zu heftigen Stratzenkämpfen zwischen den Strei kenden und Arbeitswilligen, die aus anderen Gegenden von den Arbeitgebern herbeigeholt worden sind. Tie Polizei, die die Menge auseinandertreiben wollte, wurde mit Steinen beworfen, wobei es mehrere »er- letzte gab. Der Verkehr maßte eingestellt werden. Sämtliche Läden wurden geschlossen. Biele Omnibusse wurden von der Menge beschädigt, «nd Häuser mit Steinen beworfen. Bei den andauernden Unruhen stnp bisher 40 Personen getötet und über 600 ver letzt worden. Mit einer weiteren Erhöhung der Zahl der Todesopfer ist zu rechnen. Die Polizei hat alle Menschenansammlungen von mehr als fünf Personen in den Straßen verboten. Militärische Verstärkungen sind bereitgestellt worden, und man rechnet mit der Möglichkeit einer Verhängung des Kriegszustandes. Dem Streik, der durch Lohnforderungen entstand, wer den nun auch politische Ursachen zngeschrieben. Auch in Bombay, der zweitgrößten rund 1,2 Millionen Einwohner zählenden Stadt Indiens, hat sich die Zahl der Unruhen nach den letzten Feststellun gen beträchtlich erhöht. Drei Personen fanden den Tod, während 69 mit Schußwunden, Schlag- und anderen Verletzungen den Krankenhäusern zugeführt wurden. Unter den Verletzten befinden sich ein europäischer Polizeioffizier, zwei indische Polizeiinspektoren und elf indische Polizisten. Die Plünderungen von Geschäften und die Niederbrennung von Häusern dauern an. Die Polizeistreitkräfte werden als unzureichend bezeichnet. Der Vorsitzende der Bezirksverwaltung hat den Vize könig um schleunige Entsendung von Verstärkungen ersucht. Die Angriffe auf die Salzlager dauern fort. In Wabala haben 83 Freiwillige am Montag einen weiteren Angriff auf das dortige Salzlager unternommen. 53 von ihnen wurden verhaftet. In der Nähe von Ahmedabad wurde eine Menge Frei williger bei der Rückkehr von einem Angriff auf daS dortige Salzlager von berittener Polizei aufgehalten und zur Rückgabe des erbeuteten Salzes aufgefordert. Bei dem darauf entstandenen Kampf wurden hundert Personen verletzt, vier davon schwer. * Ein deutscher Missionar über Gandhi. „Die Möglichkeit einer Befreiung Indiens gering." Auf einem Missionsabend in Neustadt in Holstein sprach dieser Tage Pastor Staecker, der im Auftrage der Breklumer Mission 3V» Jahre in Jeypore (Indien) weilte und vor wenigen Tagen von dort zurückkehrte, auch über die politische Lage in Indien. Die Möglichkeit der Befreiung Indiens von englischem Einfluß sei geringer, als es den Anschein habe. Gandhi besitz« zwar großen Einfluß und sein Name fei überall bekannt; die indische Bevölkerung wisse aber vielfach nicht, um was es sich handele. Zu den begeistertsten Anhängern Gandhis zählten die Studenten, Vie «ach dem Besuch der Hochschulen keine Anstellung hätte« finden können. Bon den etwa 200 eingeborenen indi schen Fürsten würden die Unabhängigkeitsbestrebunge« nicht unterstützt. Anch die in englischen Diensten stehen den Beamten seien Gegner Gandhis, da dieser die ve» amtengchälter herabsetzen wolle. Zu bedenken sei ferner, daß in Indien 70 Mil lionen Mohammedaner leben, die nicht zu Gandhis Anhängern zählten. Die vielen Spra chen und Kasten wären gleichfalls ein Hindernis für Gandhi. Man dürfe wohl damit rechnen, daß England um des moralischen Urteils der Welt willen rn einigen Punkten nachgeben werde. „Graf Zeppelin^ leicht beschädigt. Die Streben der Hinteren Gondel ge brochen. Wie sich jetzt herausstellt, hat „Graf Zeppelin" bei seiner Landung in Pernambuco eine geringfügige Be schädigung erlitten insofern, als mehrere Streben an oer Achtergondel gebrochen find. Schuld an dem Unfall ist der Wind, der überraschend einsetzte und das Schwanzende samt der Laufkatze in die Höhe hob und dann mit voller Wucht auf die Erde drückte. Der Schaden konnte jedoch nach kurzer Ausbesserungsarbeit behoben werden. Aehnliche Beschädigungen hatte das Luftschiff bekanntlich auf seiner Weltfahrt in Tokio erlitten. Ter Aufstieg zum Weiterflug nach Havanna soll frühestens Mittwoch nacht erfolgen. Vie ZeiiungSverleger in Sochum. Hauptversammlung veS Vereins deutscher ZeitungS verleger. Am 27. Mai fand in Bochum die Hauptversamm lung des Vereins deutscher Zeitungsverleger statt. Be reits am Montagabend wurden die aus allen Teilen des Reiches in Bochum zusammengekommenen deutschen Zei tungsverleger von der Stadt festlich empfangen. An eine Festvorstellung des Bochumer Stadttheaters schloß sich im Parkhotel ein Empfang an, auf dem Ober bürgermeister Dr. Ruer d'ie Gäste im Namen der Stadt begrüßte. Indem er auf die letzte Tagung des Vereins deutscher Zeitungsverleger in Heidelberg an knüpfte, wies er darauf hin, daß der Zauber geschicht licher Erinnerung in Bochum hinter rauher Wirklichkeit verblasse. Man stehe hier in amerikanisch gewachsenem Land, das von harter Arbeit Widerhalls und das alle Schwankungen und Zuckungen des Wirtschaftsprozesses unmittelbar widerspiegele. Der Vorsitzende des Vereins deutscher Zeitungs verleger, Kommerzienrat Dr. Krumbhaar, dankte dem Oberbürgermeister und wies darauf hin, daß die Zeitungsverleger in Heidelberg das romantische Ant litz Deutschlands gesehen hätten, während sie hier das andere Antlitz Deutschlands sähen, das der Arbeit, das mit der Existenz des gesamten deutschen Polke- untrennbar verbunden sei. — Ser neue Gepäckiaris. Zum 1. Juni 1930 wird der Gepäcktarif der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft dem neuen Expreße guttaris angepaßt. Soweit die bestehenden Gepäck- frachtsätze sich ändern, tritt bauptsächlich eine ErmäLi-